Journal Freitag, 22. Februar 2019 – Neurologendiagnose und seltene Cocktails
Samstag, 23. Februar 2019Gestern Mittag also endlich der Termin beim Neurologen. Ich kannte den Herrn schon, war also auf seine konzentrierte und gründliche Untersuchungun gefasst. Zudem wollte ich ihm die Situation zusammenfassend darlegen, angfangen von der Erstdiagnose meines Bandscheibenvorfalls 1999, hatte mir dafür zur Sicherheit Notizen gemacht. Dr. Neur. hörte aufmerksam zu und schrieb mit. Ich hatte die MRT-Aufnahmen dabei, die er sich ansah. Meine Idee, der mit dem Sacrum verwachsene Lendenwirbel könne etwas bedeuten, schoss er gleich mal ab: Das sei lediglich eine “Normabweichung”, komme häufig vor. Und auf den Bildern konnte er keinen echten Schaden der Nervenbahnen entdecken. Also überprüfte er das manuell: Liegend hieß er mich die Beine und Füße mal hierhin mal dorthin gegen den Widerstand seiner Hände und Arme drücken. Er stellte keine Verminderung der Kraft fest. Auch die Nervenleitgeschwindigkeit prüfte er am schmerzenden Bein und zum Vergleich am nicht schmerzenden: Verminderung nicht größer als beim Grad meines Bandscheibenvorfalls zu erwarten.
Die Überweisung von Dr. Orth. hatte um Abklärung gebeten, ob eine OP ratsam sei. Diese Frage wägte Dr. Neur. ausführlich ab, kam zu dem Schluss, dass ein operativer Eingriff verfrüht wäre. Er erklärte mir auch, dass bei einer Beschädigung der Nerven meine Ausfälle (Bein knickt weg oder lässt sich nicht heben) dauerhaft wären und nicht immer nur ein paar Stunden lang. Empfehlung also (den Arztbrief bekam ich gleich mit): Fortführung der konservativen Therapie, gegebenenfalls lokale invasive Schmerzbehandlung.
(Nebenher begann er eine etwas seltsame Unterhaltung über biologisch determinierte Geschlechterrollen – er hatte nach dem Verlauf meines Lebens seit dem letzten Besuch gefragt -, bezog sich auf Primatenversuche und Hormonspiegel, die ich mit Verhaltensexperimenten, Statistik und Soziologie konterte. Wir einigten uns darauf, dass wissenschaftlich saubere Experimente aus Menschenrechtsgründen nicht möglich sind und man den Grad biologischer Determinierung nie belastbar wissen wird.)
Ich fuhr zurück in die Arbeit (gestern Vorkommnisse, die mich mit diesem GIF antworten ließen), machte aber früh Feierabend, weil ich nochmal an der Hochschule für Film und Fernsehen verabredet war. Dieses Gespräch freute mich sehr, da tut sich ein glitzernder Blick in ein Detail der Zukunft auf.
Die nächste Verabredung: Cocktails mit Herrn Kaltmamsell. Ich spazierte nach Hause, um ihn abzuholen, genosse die frische und deutliche Frühlingsluft (morgens hatte es dunstig geregnet). Zusammen spazierten wir ins Auroom, wohin wir es eigenartigerweise viel seltener schaffen als wir möchten. Diesmal gab es eine völlig neue Karte – jemand hatte alle Cocktails betextet (vorher waren sie lediglich durch ihre Zutaten beschrieben). Textkreativität auf Speisen- und Getränkekarten ist nicht so das Meine. Zum Glück hatte das keine Auswirkung auf die Qualität der Cocktails.
Ein schokoladig-whiskeyiger Red Smoke für ihn, ein limettig-frischer Thyme after Thyme für mich – ganz wunderbar.
Dann ein Rumkugel für ihn (Diskussion mit Barmeister Alex, ob der Herrgott solche Karamell-Sahne-Zucker-Cocktails gewollt hat), Missing Link für mich (ich hatte um eine Empfehlung für meine Lust auf Herbes gebeten und war mit dem Campari- und Tonicgeschmack sehr zufrieden).
(beide Fotos (c) Herr Kaltmamsell, der den besseren Winkel für Aufnahmen hatte)
Dazu erzählten wir einander den aktuellen Wahnsinn unserer jeweiligen Arbeitsumgebung, plauderten auch ein wenig mit einem leutseligen anderen Bargast.
Als wir heimkamen, war es erst acht, ich machte uns zum Nachtmahl eine Schüssel Salat (Ernteanteilfeldsalat, Ruccola, rote Paprika, gebackene Kürbisreste, Eier) – für mich eine hoch befriedigende Mahlzeit, der Herr an meiner Seite war nicht völlig glücklich.1
§
Falls sich noch jemand fragt, warum Frauen sexuelle Belästigungen so selten öffentlich machen: Weil sie danach sehr wahrscheinlich ihres Lebens nicht mehr froh werden.
“Ex-‘Tatort’-Koordinator Henke zieht Klage gegen Charlotte Roche zurück”.
§
Ein paar Hintergrundinfos für den nächsten Besuch des Forum Romanum von Mary Beard:
“When is a temple not a temple?”
§
Auf Twitter verlinkte @ankegroner gestern einen wundervoll albernen Diskussionsfaden: Er beginnt damit, dass jemand glaubt einen Beweis dafür gefunden zu haben, dass Homosexualität unnatürlich ist.
Und jetzt will ich dringend Urlaub auf den LGBTQ Islands. (Zumindest aber einen Roman lesen, der dort spielt.)
§
Grünen-Bundestagsabgeordnete Britta Hasselmann zerpflückt im Parlament aktuelle Kungel-Anschuldigungen der AfD, indem sie aus Protokollen zitiert. Leider wird bei den AfD-Gläubigen wieder nur die Anschuldigung ankommen, nicht aber der Beweis ihrer Unbegründetheit.
- Bevor sie zu Genderklischees als Erklärung greifen, scrollen Sie bitte hoch, wer zuvor den Zuckerbombensahnecocktail bestellt hat. [↩]