Archiv für Februar 2019

Journal Freitag, 22. Februar 2019 – Neurologendiagnose und seltene Cocktails

Samstag, 23. Februar 2019

Gestern Mittag also endlich der Termin beim Neurologen. Ich kannte den Herrn schon, war also auf seine konzentrierte und gründliche Untersuchungun gefasst. Zudem wollte ich ihm die Situation zusammenfassend darlegen, angfangen von der Erstdiagnose meines Bandscheibenvorfalls 1999, hatte mir dafür zur Sicherheit Notizen gemacht. Dr. Neur. hörte aufmerksam zu und schrieb mit. Ich hatte die MRT-Aufnahmen dabei, die er sich ansah. Meine Idee, der mit dem Sacrum verwachsene Lendenwirbel könne etwas bedeuten, schoss er gleich mal ab: Das sei lediglich eine “Normabweichung”, komme häufig vor. Und auf den Bildern konnte er keinen echten Schaden der Nervenbahnen entdecken. Also überprüfte er das manuell: Liegend hieß er mich die Beine und Füße mal hierhin mal dorthin gegen den Widerstand seiner Hände und Arme drücken. Er stellte keine Verminderung der Kraft fest. Auch die Nervenleitgeschwindigkeit prüfte er am schmerzenden Bein und zum Vergleich am nicht schmerzenden: Verminderung nicht größer als beim Grad meines Bandscheibenvorfalls zu erwarten.

Die Überweisung von Dr. Orth. hatte um Abklärung gebeten, ob eine OP ratsam sei. Diese Frage wägte Dr. Neur. ausführlich ab, kam zu dem Schluss, dass ein operativer Eingriff verfrüht wäre. Er erklärte mir auch, dass bei einer Beschädigung der Nerven meine Ausfälle (Bein knickt weg oder lässt sich nicht heben) dauerhaft wären und nicht immer nur ein paar Stunden lang. Empfehlung also (den Arztbrief bekam ich gleich mit): Fortführung der konservativen Therapie, gegebenenfalls lokale invasive Schmerzbehandlung.

(Nebenher begann er eine etwas seltsame Unterhaltung über biologisch determinierte Geschlechterrollen – er hatte nach dem Verlauf meines Lebens seit dem letzten Besuch gefragt -, bezog sich auf Primatenversuche und Hormonspiegel, die ich mit Verhaltensexperimenten, Statistik und Soziologie konterte. Wir einigten uns darauf, dass wissenschaftlich saubere Experimente aus Menschenrechtsgründen nicht möglich sind und man den Grad biologischer Determinierung nie belastbar wissen wird.)

Ich fuhr zurück in die Arbeit (gestern Vorkommnisse, die mich mit diesem GIF antworten ließen), machte aber früh Feierabend, weil ich nochmal an der Hochschule für Film und Fernsehen verabredet war. Dieses Gespräch freute mich sehr, da tut sich ein glitzernder Blick in ein Detail der Zukunft auf.

Die nächste Verabredung: Cocktails mit Herrn Kaltmamsell. Ich spazierte nach Hause, um ihn abzuholen, genosse die frische und deutliche Frühlingsluft (morgens hatte es dunstig geregnet). Zusammen spazierten wir ins Auroom, wohin wir es eigenartigerweise viel seltener schaffen als wir möchten. Diesmal gab es eine völlig neue Karte – jemand hatte alle Cocktails betextet (vorher waren sie lediglich durch ihre Zutaten beschrieben). Textkreativität auf Speisen- und Getränkekarten ist nicht so das Meine. Zum Glück hatte das keine Auswirkung auf die Qualität der Cocktails.

Ein schokoladig-whiskeyiger Red Smoke für ihn, ein limettig-frischer Thyme after Thyme für mich – ganz wunderbar.

Dann ein Rumkugel für ihn (Diskussion mit Barmeister Alex, ob der Herrgott solche Karamell-Sahne-Zucker-Cocktails gewollt hat), Missing Link für mich (ich hatte um eine Empfehlung für meine Lust auf Herbes gebeten und war mit dem Campari- und Tonicgeschmack sehr zufrieden).

(beide Fotos (c) Herr Kaltmamsell, der den besseren Winkel für Aufnahmen hatte)

Dazu erzählten wir einander den aktuellen Wahnsinn unserer jeweiligen Arbeitsumgebung, plauderten auch ein wenig mit einem leutseligen anderen Bargast.

Als wir heimkamen, war es erst acht, ich machte uns zum Nachtmahl eine Schüssel Salat (Ernteanteilfeldsalat, Ruccola, rote Paprika, gebackene Kürbisreste, Eier) – für mich eine hoch befriedigende Mahlzeit, der Herr an meiner Seite war nicht völlig glücklich.1

§

Falls sich noch jemand fragt, warum Frauen sexuelle Belästigungen so selten öffentlich machen: Weil sie danach sehr wahrscheinlich ihres Lebens nicht mehr froh werden.
“Ex-‘Tatort’-Koordinator Henke zieht Klage gegen Charlotte Roche zurück”.

§

Ein paar Hintergrundinfos für den nächsten Besuch des Forum Romanum von Mary Beard:
“When is a temple not a temple?”

§

Auf Twitter verlinkte @ankegroner gestern einen wundervoll albernen Diskussionsfaden: Er beginnt damit, dass jemand glaubt einen Beweis dafür gefunden zu haben, dass Homosexualität unnatürlich ist.

Und jetzt will ich dringend Urlaub auf den LGBTQ Islands. (Zumindest aber einen Roman lesen, der dort spielt.)

§

Grünen-Bundestagsabgeordnete Britta Hasselmann zerpflückt im Parlament aktuelle Kungel-Anschuldigungen der AfD, indem sie aus Protokollen zitiert. Leider wird bei den AfD-Gläubigen wieder nur die Anschuldigung ankommen, nicht aber der Beweis ihrer Unbegründetheit.

  1. Bevor sie zu Genderklischees als Erklärung greifen, scrollen Sie bitte hoch, wer zuvor den Zuckerbombensahnecocktail bestellt hat. []

Journal Donnerstag, 21. Februar 2019 – Reharecherche und James Baldwin, If Beale Street could talk

Freitag, 22. Februar 2019

Ein kurzer Arbeitstag gestern: Ich hatte zwar den spätest möglichen Termin bei der Deutschen Rentenversicherung zur Reha-Beratung gebucht, den um 15 Uhr, aber das hieß halt trotzdem, dass ich mir fast einen halben Tag frei nehmen musste.

In Neuperlach bekam ich an einer großen Empfangstheke ein Nummernzettelchen und wartete in einer Sofalandschaft, bis ich aufgerufen wurde. Der Beratungstermin selbst war schnell vorbei: Es wurde festgestellt, dass ich grundsätzlich berechtig bin, dann druckte die Angestellte die nötigen Formulare aus und erklärte freundlich und kurz, wie sie auszufüllen und wohin sie zu schicken waren. Als Bearbeitungszeit nach Abschicken kündigte sie etwa drei Monate an.

Auch wenn ich nicht wie erhofft mit abgeschlossenem Antrag aus der Beratung kam, half sie mir: Alternativ hätte ich mich durch all die verlinkten Formulare auf der Website lesen müssen und selbst das Relevante finden.

Beim Heimkommen bemerkte ich Krähenrufe in einem der großen Bäume vor unserem Haus. Als ich die Krähe oben im Baum entdeckte, sah ich, dass ihre Rufe ein Ziel hatten: Da saß, unbewegt, ein Sperber (weil nur gut taubengroß wahrscheinlich ein männlicher). Bald setzten sich weitere Krähen um ihn herum, Herr Sperber saß weiter stoisch und guckte.

Abends Leserunde bei uns. Ich hatte Ofenkürbis mit Auberginensoße aus Ottolenghis namenlosem ersten Kochbuch zubereitet, dazu Ruccolasalat.

Das passte überraschend gut zusammen und ganz hervorragend dazu der Grüne Veltliner von Meinklang, den ich zum Probieren gekauft hatte.

Gelesen hatten wir James Baldwin, If Beale Street could talk, veröffentlicht 1974, bzw. deutsch von Miriam Mandelkow Beale Street Blues. Selbst hatte ich den Roman auf verschiedenen Ebenen wahrgenommen. Durchaus zuvorderst als die Geschichte des jungen schwarzen New Yorker Paars Tish und Fonny in den späten 1960ern/frühen 1970ern, also die Geschichte ihrer Familien, des Alltags mit Arbeit, Kirche, Schule, Liebe – und Willkür der weißen Behörden. Ich merkte, dass ich mich immer wieder daran erinnern musste, dass die handelnden Personen bis auf markierte Ausnahmen PoC waren. Das lag zum einen daran, dass mein Lesen durch und durch davon geprägt ist, dass sonst Weiße über Weiße erzählen, dass die Norm weißer Alltag ist. Aber auch daran, dass Baldwin ganz in der Tradition klassischer Romane schreibt (anders als zum Beispiel Chimamanda Ngozi Adichie, deren selbstbewusste Perspektive und Erzähltechnik mich sofort in ihre nicht-weiße Welt mitnahmen) – eine weitere Leseebene. Eine klare eigene Stimme, die sich von der weißen Tradition abgrenzt, las ich in den wenig später erschienenen Romanen von Alice Walker und Toni Morrison. Doch auch Baldwins Figuren sind vielschichtig, haben einen vielschichtigen Alltag, komplexe Beziehungen – und sind Opfer der Verhältnisse, in denen die schlechte Laune eines weißen Polizisten Leben zerstören kann.

Erzählt wird aus der Perspektive der jungen Tish, die eben ihre Schwangerschaft entdeckt hat. Der Vater des Kinds, ihr Partner Fonny, sitzt im Gefängnis. Wir erfahren erst nach und nach, was ihm vorgeworfen wird. Die Handlung des Romans erzählt, wie Tishs Familie versucht, ihn zu enlasten. In Rückblicken erfahren wir die Geschichte seiner Kindheit und Jungend, unter anderem, wie er und Tish ein Paar wurden.

Ich las If Beale Street could talk aber auch als zeitgebundenes Gesellschaftsgemälde, das das New York der 60er und die Menschen darin zeichnete (inklusive, für mich sehr interessant, den Jargon, den sie verwenden). Mich bedrückte das Bewusstsein, wie wenig sich bis heute an der fehlenden Chancengleichheit verändert hat; kein Wunder, dass bei der Besprechung der aktuellen Verfilmung immer wieder der Bogen zu “Black Lives Matter” geschlagen wird.

Die anderen aus der Runde hatten den Roman meist nicht ganz gelesen, aber aus Zeitgründen. Es herrschte allgemeines Wohlwollen, wir waren uns aber einig, dass die Bedeutung von If Beale Street could talk vor allem außerliterarisch ist. (Unter anderem geht Baldwins Versuch, aus der Perspektive einer jungen Frau zu schreiben, stellenweise fast lächerlich schief.) Außerdem gab es einige Hinweise darauf, dass sich die deutsche Übersetzung deutlich anders liest; unter anderem wirken die Dialoge im Englischen wie alltägliche Straßensprache, im Deutschen kommen die eingestreuten Kraftausdrücke erheblich brutaler rüber.

§

Seyda Kurt zum gestrigen Tag der Muttersprache:
“Tag der Muttersprache: Ich will nicht mehr, dass Menschen verstummen”.

Bei den Diskussionen um Herkunfts- und Dominanzsprache geht es wohlgemerkt nie um das Französische oder Englische – genau so wenig, wie es um französische oder britische Migrant*innen geht, wenn von Integration gesprochen wird. Es geht immer um Menschen, die selbst in der zweiten, dritten Generation aufgrund ihrer vermeintlichen Herkunft als fremd gelesen werden. Es geht um marginalisierte Menschen, die aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Glaubens oder der Klasse, der sie angehören, das Selbstbild einer kulturell homogenen, weiß-christlichen Gesellschaft stören. Während ein französischer Akzent als charmant und feingeistig wahrgenommen wird – mais oui, das passt doch zu uns Deutschen durchaus! – wurden meine Eltern aufgrund ihres türkischen Akzents oft verhöhnt.

Journal Mittwoch, 20. Februar 2019 – Lebensmittelnostalgie

Donnerstag, 21. Februar 2019

Wecker früh gestellt, um vor der Arbeit die Gymnastik nachzuholen, auf die ich am Vorabend keine Lust gehabt hatte. Denn zumindest Bauch und Rücken, also Rumpf, sollte ich mit meinen Wirbelschäden immer schön stabil halten. Machte dann auch Spaß, ich schwitzte.

Mildes Wetter mit bedecktem Himmel.

In der Arbeit kam ich gut voran, abends Heimweg über Süpermarket Verdi für Obst und Gemüse sowie Manouri-Vorräte.

Daheim kochte ich ein bisschen in Vorbereitung des donnerstäglichen Leserundenabends bei uns, verwendete dafür ein spanisches Traditionsgewürz, das ich seit Kindertagen kenne: Colorante. Es handelt sich, wie der Name gar nicht erst zu vertuschen versucht, um Lebensmittelfarbe. Damit machte (und macht?) man Gerichte gelb, wenn man zu arm für Safran ist – und in meiner Kindheit war echter Safran für die Franco-spanische Bevölkerung derart astronomisch unerschwinglich, dass niemand jemanden kannte, die ihn verwendete. Doch gerade eine Paella musste ja wohl gelb sein, dafür gab es Colorante.

Das gestern verwendete (ich brauchte wirklich nur die Farbe, Safrangeschmack wäre ganz falsch gewesen) war sogar in kleine Briefchen portioniert, die Safranbriefchen imitierten. Ich entzückte mich an der Typografie und der Marke “Guisanol”, die nach Pünktchen und Anton klingt (“guisar” – das U wird nicht gesprochen – heißt kochen).

Zum Nachtmahl machte uns Herr Kaltmamsell Spaghetti Cacio e Pepe. Als Abendunterhaltung gab es die jüngste Folge Die Anstalt mit dem wunderbar aufbereiteten Thema: Der Wahnsinn der Deutschen Bahn. Hier in der Mediathek.

§

Vonhorst geht mit ihren kleinen Kindern Schlittschuhlaufen und erinnert sich.
“19.2.”

Der Boden aus schwarzem Gummi mit Noppen, eigentlich ein düsterkäsiger Schlund, der Weg nach unten. Hier war ich vor allem als Preteen. Ausflüge ohne Eltern, Verantwortungen üben und hart am Scheitern vorbeischrammen. Habe meinen Spindschlüssel verloren oder oft genug geglaubt, er sei weg. Die Angst, was passiert, wenn er wirklich nicht mehr zu finden wäre, die Bauchschmerzen. Die Unberechenbarkeit von Erwachsenen mit Autorität. Die Fragilität von neuen Freund_innenschaften, wenn man sich draufschmeißt. Habe keinen Lichtbildausweis dabei gehabt, um Schlittschuhe zu leihen, aber immerhin gelernt, was ein Lichtbild ist. Mit einer Schulfreundin und ihrer Mutter nach dem Eislaufen heimgefahren, ohne Ticket, weil sie annahmen, ich hätte eine Monatskarte und ich Angst hatte, dass wenn ich verneine, ich alleine heimlaufen muss.

Ach diese eingebildeten Gefahren, die bis ins hohe Alter ängstigen.

§

Die germanistische Sprachwissenschaft an der Uni Mainz (darunter eine Techniktagebuch-Redaktionskollegin) sucht Teilnehmerinnen und Teilnehmer für eine Umfrage; es geht um die Assoziationen zu Vornamen. Wenn Sie ein Viertelstündchen erübrigen könnten? Hier geht’s lang.

§

Lebensziele: Dolly Parton. Hier ein alter Interview-Ausschnitt, in dem sie ihren Stil erklärt.

Showbusiness is a moneymaking joke and I always liked telling jokes.

(Gleichzeitig bin ich mir sicher, dass diese bewunders- und beneidenswerte Haltung ein Geschenk ist. Dorthin kommt man nicht durch Lebenshilfebücher.)

Journal Dienstag, 19. Februar 2019 – Wochentagsroutine

Mittwoch, 20. Februar 2019

Gestern war Dienstag, Dienstag hat gerne mal Besprechungen.

Draußen schien bis zum Nachmittag energisch die Sonne, dann ließ sie sich von Wolken verdecken. Doch beim Heimgehen sah ich genug freien Himmel, um den riesigen Vollmond bewundern zu könnnen.

Als Mittagessen hatte ich mir rote Spitzpaprika und Ziegenfrischkäse mitgebracht, die ich mit großem Appetit aß. Dummerweise stellte sich bald heftiges Bauchrumpeln ein (das nach meiner Laienmeinung nichts mit dem Essen zu tun haben konnte, da dieses sehr wahrscheinlich noch im Magen lag, die Rumpelei aber die Därme betraf).

Viel Arbeit, zum Glück hielten sich die Unterbrechungen in Grenzen.

Ich ging pünktlich nach Hause, um dort Sport zu treiben. Unterwegs stellte ich aber fest, dass ich dazu keine Lust hatte, sondern gereizt war und hungrig. Also bog ich für ein paar Einkäufe in den Supermarkt ab, erledigte daheim noch ein paar Erwachsenenmails und ging mit Herrn Kaltmamsell raus zum Abendessen. Wir probierten das mehrfach empfohlene Schillerbräu ums Eck. Ohne Reservierung bekamen wir nur schwierig einen Platz (immer dieser Unsinn anzunehmen, Lokale in der Nachbarschaft seien von der allgemeinen Reservierungsempfehlung aller Lokale in München ausgenommen), aber doch.

Sehr gutes Bier (gebraut wird in einem Kessel vorn raus zur Straße, das Lokal selbst ist im fensterlosen hinteren Bereich), Publikum aus vieler Herren Länder, sehr deftiges Essen: Kaspressknödel mit bis zur Unbeweglichkeit angedicktem Wirsing für mich, Tafelspitz mit Meerrettichsoße, Pfannengemüse und Kartoffelknödeln für Herrn Kaltmamsell.

1000 Fragen 661-680

Dienstag, 19. Februar 2019

661. Magst du es, wenn man sich um dich kümmert?
Es ist ein großes Privileg, sich um mich kümmern zu dürfen; normalerweise macht mich das so befangen, dass ich es nicht mag.

662. Welchen Wunsch wirst du dir nie erfüllen?
Als Professorin für Englische Literaturwissenschaft zu arbeiten.

663. Was war die interessanteste Einladung, die du jemals bekommen hast?
So richtig Einladungen bekommt man als Erwachsene ja zu Hochzeiten und runden Geburtstagen. Ich kann mich nicht erinnern, dass dabei eine besonders interessante war.

664. Wie würden dich deine Freunde beschreiben?
Kompliziert? Ich weiß es nicht.

665. Wer hat dir in deinem Leben am heftigsten wehgetan?
Ich.

666. Was war ein Wendepunkt in deinem Leben?
Es gab nie einen Punkt, es gab Veränderungsphasen.

667. Glaubst du, dass Menschen die Zukunft vorhersagen können?
Ich weiß, dass Menschen belegbar schlecht in Vorhersagen sind (siehe die einschlägige Forschung von Kathrin Passig), deshalb: Nein. Vielleicht mit Ausnahme des Wetters, bei Drei-Tages-Vorhersagen ist die Meteorolgie erstaunlich gut geworden.

668. Was kannst du fast mit geschlossenen Augen tun?
In die Arbeit gehen.

669. Auf welchem Platz in der Klasse hast du am liebsten gesessen?
Im vorderen Drittel eher außen, aber nicht ganz außen.

670. Vermeidest du bestimmte Musik, weil du davon traurig wirst?
Nein.

671. Bist du ein Mensch der Worte oder ein Mensch der Tat?
Worte. Viele, viele Worte.

672. Welcher deiner fünf Sinne ist am besten entwickelt?
Ich glaube, ich bin besonders gut in der Koordination aller Sinne.

673. Wann hast du Mühe, dir selbst in die Augen zu schauen?
Bei Migräne.

674. Wer kann dich am besten trösten?
Herr Kaltmamsell.

675. Was war deine größte Dummheit?
Jedes Überfressen, nach dem mir schlecht war. Und die Dummheit daran wird jedesmal größer, weil ich offensichtlich nichts lerne.

676. Über welches Unrecht kannst du dich sehr aufregen?
Mehr als das Unrecht (Chancenungleichheit, Ausgrenzung von Randgruppen) regt mich auf, wenn dessen Existenz bestritten wird – meist von denen, die davon profitieren.

677. Was war das schönste Kompliment, das du jemals bekommen hast?
“Da isse sonst SO’n Tier, und dann macht’se die Liegestütz auf Knien!”

678. Was entscheidet, ob dir jemand sympathisch ist oder nicht?
Meine Gefühle.

679. Was geht zu langsam?
Verminderung des städtischen Individualverkehrs per Privat-Pkw.

680. Welches Musikstück soll auf deiner Beerdigung gespielt werden?
Ich habe immer noch den Franz vor Augen, der auf der Orgel Koyaanisqatsi spielt. Zum einen mag ich die Filmwerke von Philip Glass (ja, ich bin das), zum anderen sollen die Trauergäste auf der Beerdigung nochmal so richtig kathartisch trauern und weinen, damit sie danach mit ihrem Leben weitermachen können.
Das Pathos ist mir ein bisschen peinlich, aber ich habe ja seinerzeit auch den Freund, mit dem ich nach vielen Jahren mal wieder ins Heimatdorf meiner spanischen Familie fuhr, dazu gebracht, beim Reinfahren in seinem Auto den Ben Hur-Soundtrack zu spielen. Wenn Pathos, dann richtig.

Quelle: Flow-Magazin.

Zu den Fragen 641-660.
Zu den Fragen 681-700.

Journal Montag, 18. Februar 2019 – Endwintermontag

Dienstag, 19. Februar 2019

Ein montäglicher Montag. Früh aufgewacht, für den Weg in die Arbeit statt Wintermantel meinen Ledermantel getragen, weder Mütze noch Handschuhe. Was vielleicht ein bisschen verfrüht war, zu Sonnenaufgang frostete es noch.

Zu Mittag Karotten-Kohlrabigemüse vom Vortag – ich hatte mir nach dem Kochen einen Teil abgezweigt, den ich mit Essig und Öl anmachte. Dazu fränkisches Brot.

Im noch Hellen die Arbeit verlassen, Einkaufsstopp beim Vollcorner. Heimgekommen zum Licht der blauen Stunde.

Zum Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell mit Pilzen und Auberginen gefüllte mexikanische Tortillas, mit Tomatensoße und Käse überbacken. Zum Nachtisch Billigpralinen und Schokolade.

Ich schaltete den Fernseher gleich nach der Tagesschau aus, da ich den Roman für die donnerstägliche Leserunde durchbekommen wollte: James Baldwin, If Beale Street could talk. Was ich auch ohne Mühe schaffte.

Journal Sonntag, 17. Februar 2019 – Sonne + Schneeglöckchen und Krokanten = Frühling

Montag, 18. Februar 2019

Verkatert aufgewacht – obwohl ich nichts getrunken hatte. Das kenne ich aber, nenne ich Partykater.

Draußen zeichnete sich mit Sonne und Milde ein Frühlingstag ab, ganz wundervoll. Ich bloggte gemütlich und ausführlich, machte mich dann fertig zu einem Isarlauf vom U-Bahnhof Thalkirchen weg.

Viele, viele Menschen an der Isar, von denen so viele mit dem Auto dorthin kommen mussten, dass Stau war und alles zugeparkt. Die Wege waren deutlich nasser und schlammiger als erwartet, es lag auch noch überraschend viel Schnee, der in der Sonne vor sich hin sulzte.

Wie immer: Nach der ersten Pfütze, wenn die Füße nass sind, werden alle anderen Pfützen egal.

Kampf der Autoscooter-Optik (vielen heißen Dank für den Begriff, ich denke ihn jedes Mal beim Betrachten der Schuhe; die erste Kampfhandlung war das Wechseln der Schnürsenkel gewesen).

Nach Duschen und Frühstück (Quark und Joghurt mit Maracuja) ging ich zu einer Spazierverabredung: Theresienwiese. Schon von Weitem hörten wir Beethovens “Ode an die Freude” live gespielt, mit der Zeit identifizierte ich mindestens Trompete und Kontrabass als Quelle.

Vor der Ruhmeshalle sahen wir dann, woher die Musik kam: Die Bavaria wurde gerade für Film- und Fotoaufnahmen von fünf Musikerinnen genutzt, neben Trompete und Kontrabass spielten Saxophon, Geige und Klarinette.

Kollegin von hinten.

In den Vorgärten der Stadthäuser um die Theresienwiese sahen wir Schneeglöckchen und Krokanten – hiermit ist Frühling (auch wenn es sehr wahrscheinlich nochmal schneit).

Zurück daheim las ich Internet, wusch Bettwäsche etc., tauschte die Lattenroste meines Betts (auf meiner Seite war eine Latte lose und dadurch nicht mehr so stabil).

Abends gab es mittelfränkische Bratwürste von Vortag: Wir hatten zehn Stück roh mitgenommen. Dazu Karotten-Kohlrabigemüse aus Ernteanteil. Zum Nachtisch griff ich das Kilo Pralinen aus Fabrikverkauf an:

Sie schmeckten nicht besonders gut (Stollwerck), aber als Diätkind werde ich wohl nie eine Menge Schokolade antreffen, die mir zu groß erscheint.

Im Fernsehen ließen wir den Tatort laufen – der sich als überraschend interessant entpuppte. “Murot und das Murmeltier”, so war schnell klar, war eine Groundhog Day-Folge; ich wollte schon Augen rollen, denn das kann man eigentlich nicht mehr machen, doch zum einen mag ich ja nicht-realistisches Erzählen, zum anderen kann man das ja auch gut machen – und das gelang meiner Meinung nach.

§

Wie Technik Menschen zusammenbringt:
“17. Februar 2019
Nach siebeneinhalb Jahren geht mein Plan auf”.

§

Mek macht sich Gedanken, warum er welchem Bettler Geld gibt.
“[am Halleschen Tor]”.

Aus dem Bauchgefühl heraus habe ich immer jene Leute belohnt, die nett geschnorrt haben oder diejenigen die tolle Musik gespielt haben, also Leute die etwas in mir auslösen oder Leute die trotz Armut etwas bewegen oder etwas können.
Aber das ist natürlich falsch. Obdachlos wird man in der Regel weil man gar nichts kann, weil man unsympathisch ist oder weil man nichts auf die Reihe kriegt, nicht mal ein nettes Lächeln, ich bin der Meinung, dass man denjenigen Geld geben muss, die nichts können, die schlecht drauf sind, und auch Trinkern, Holgi sprach in einer seiner WRINT-Sendungen mal darüber, dass man auch Trinkern einfach Geld geben soll, auch wenn man weiß, dass sie es eh versaufen werden. Um sie von diesem Stress zu erlösen den Obdachlosigkeit mit sich bringt, damit sie einfach trinken können, damit es ihnen kurzfristig besser geht, Obdachlosen Geld zu geben ist schließlich keine Investition, sondern man gibt einem Obdachlosen Geld um ihn für eine kurze Zeit vom Stress seines unheimlich anstrengenden Lebens zu lösen. Das klingt so sinnvoll: es ist keine Investition.