Sehr schlecht eingeschlafen, beim frühen Aufwachen fühlte ich mich dann eigentlich fit.
Doch schon während des ersten Reha-Termins Rotlicht (das wieder gut tat), sah ich ein, dass ich an diesem Tag eher langsam tun sollte. Eigentlich hatte ich vormittags zwischen zwei Terminen eine letzte Laufrunde geplant – sonst würde ich bis zum Wochenende nicht zu Sport kommen -, doch ich musste einsehen, dass es mir dafür zu schwächlich war. Am Frühstückstisch hatte ich nur Lust auf süßen Schwarztee, mochte nicht mal das sonstige Glas Hafermilch.
Also folgte ich nur dem Tagesplan. Es sah bald eine Runde im Maschinenraum vor; wenn ich schon die Laufrunde wegließ, verbrachte ich zumindest auf dem Crosstrainer mehr Zeit als nur das Warmstrampeln. Die Geräteübungen waren kein Problem.
Fast gleich im Anschluss letzte Wirbelsäulengymnastik: Faszienrolle. Wie schon durch Ihre Kommentare von Patienten- und Patientinnenseite verstärkte sich hier der Eindruck, dass auch auf Therapieseite keine Einigkeit über das ob und wie der Fazienlockerung besteht: Die einen sagen so, die anderen so. Gemeinsame Basis scheint die Erkenntnis, dass den Faszien sehr viel mehr Bedeutung zukommt, als man bis vor Kurzem wusste. Doch die genauen Auswirkungen welchen Umgangs damit sind wohl noch nicht systematisch erforscht. Diese Frau Physio zeigte uns Übungen mit einer verhältnismäßig dünnen, dafür besonders langen glatten Faszienrolle. Ihr Rat zur Einsatzhäufigkeit: Zweimal die Woche, und zwar überall dort, wo sie schmerzt. Stoße man dabei auf eine Partie, die besonders schmerze, konstanten Druck darauf ausüben, bis sich die Verhärtung löst. Besonders spannend fand ich ihre Anleitung für den Einsatz der Rolle im Nacken – ich kann mir durchaus vorstellen, dass man damit Kopfweh-induzierende Verspannungen lindern kann. Ich habe den festen Vorsatz, damit zu arbeiten, parallel meine Anfasserin zu fragen, ob sie auch Faszienmassagen kann.
Nach einem letzten Cappuccino in der Cafeteria duschte und pflegte ich mich. Letztes Mittagessen (Bohneneintopf mit getrockneten und frischen Bohnen, dazu Salat vom Buffet), letzte Kurzsiesta, letztes Mal Massagesessel.
Vor dem letzten Vortragstermin ging ich meinem Verdacht nach, dass es im Eissalon, in dem ich am Samstag den Bombenbecher gegessen hatte, handgemachten Cappuccino geben könnte. Ich spazierte hinüber – und tatsächlich, gibt es. Er schmeckte auch noch.
“Leistungen der Sozialversicherungen” lautete der Vortragstitel, es ging tatsächlich um das Bundesdeutsche System an Kranken-, Pflege, Renten- und sonstigen Sozialversicherungen. Ich nahm die Infos als politische Bildung mit.
Die eigentlich geplante Joggingstrecke spazierte ich jetzt. Es war schwülwarm und diesig-sonnig, Spazieren tat mir deutlich besser als es ein Lauf gewesen wäre. Snack zwischendurch: Waldhimbeeren.
Sonst kenne ich auf Wanderungen Erdbeerchen und im Spätsommer Brombeeren (die jetzt noch lange nicht reif sind), aber hier im Frankenwald ist alles voll kleiner, köstlicher Himbeeren. Ich bekam Lust, demnächst eine Himbeertorte zuzubereiten.
Letztes Abendessen, ich aß mit Hunger und Appetit. Zwei Stunden später hatte ich schon wieder Hunger, genau dafür hatte ich einen Becher Hüttenkäse, eine Nektarine und Schokolade in der Schublade.
Letztes Mal Abendrot über den Hügeln des Frankenwalds.
Neues Buch begonnen: Min Jin Lee, Susanne Höbel (Übers.), Ein einfaches Leben. Nach sehr Langem mal wieder die deutsche Übersetzung eines englischsprachigen Orignals – noch lenkt mich ab, dass ich mich bei Formulierungen immer wieder frage, wie wohl die englische Ausgangsformulierung lautete.
§
Ich finde das nicht nur in zwanzig Jahren nicht langweilig, sondern schon jetzt:
“Ohne Fleisch kein Preis – Bahnreisen, Europa 2019”.
Oder: Warum es nichts nützt, die klimafreundliche Verringerung von Flugreisen (die übrigens bis zum Moment stetig mehr werden) innerhalb nationaler Grenzen zu denken.
§
Die verehrte Carolin Emcke hat lange gebraucht, bis sie ihre Gedanken zu #metoo formuliert hat. Dadurch hatte sie dafür bereits einen Überblick, der eine sachliche Analyse der Debatte möglich macht. Teresa Buecker hat sie für Edition F zum resultierenden Buch Ja heißt ja und… interviewt:
“Carolin Emcke: ‘Ich denke die ganze Zeit darüber nach, ob etwas, das ich tue, falsch verstanden werden kann oder übergriffig wirkt'”.
Der Fokus lag zunächst auf einzelnen Fällen und dem Versuch des Nachweisens, dass eine bestimmte Person die eigene Macht missbraucht hat, Frauen missbraucht hat, genötigt hat. Darüber wurden dann zum einen die Personen und ihre Verhaltensweisen genauer angeschaut, zum anderen auch der direkte Kontext, diese komplizitäre Kultur in bestimmten Branchen. Ich habe diese Einzelfälle auch verfolgt und manche erscheinen einem dann noch widerlicher als andere. Aber diese einzelnen Fälle haben mich nicht so umgetrieben. Was ich wirklich interessant fand, war die Abwehr des Diskurses durch Frauen, die suggerierten haben, es ginge bei dieser Debatte um eine Einschränkung von Lust und eine Einschränkung von Sexualität. Da habe ich dann gedacht: Jetzt lohnt es sich doch, noch etwas dazu zu schreiben.
(…)
… da gab es mitunter auch so eine Härte im Diskurs. Da gab es Auftritte von Frauen, die mit erstaunlicher Selbstzufriedenheit herumposaunten, sie verstünden gar nicht, was das Problem wäre. Wenn irgendjemand sie belästigen würde, dann könnten sie sich doch einfach wehren, einfach ,nein‘ sagen. Da wurden Machtfragen komplett ausgeblendet, denn es gibt eben Hierarchien, es gibt unterschiedliche Privilegien, es gibt unterschiedliche Statusformen, die eben auch drohen und bedrohen können. Aber es gibt auch unterschiedliche soziale, kulturelle, übrigens auch physische Kompetenzen, die es der einen leichter und der anderen schwerer machen, sich zu wehren. Die rücksichtslose Härte, mit der da unterstellt wurde, alle müssten gleich angstfrei, gleich wortgewandt, gleich kraftvoll genug sein – die hat mich wirklich befremdet.