Archiv für Juli 2019

Journal Sonntag, 14. Juli 2019 – Ruhetag mit Pizza

Montag, 15. Juli 2019

Sehr gut und ausgeschlafen. Nach dem Bloggen Tee und großes Muesli im Speisesaal. Um halb elf kam Herr Kaltmamsell und stellte sein Gepäck in der Klinik ab. Ich hatte ihn überredet, noch bis nach dem Mittagessen in Bad Steben zu bleiben, wie setzten uns in den Aufenthaltsraum und lasen traulich nebeneinander.

Zu diesem gemeinsamen Mittagessen gingen wir in eine Pizzeria.

Ich hatte eine Pizza mit gegrillten Zucchini und Auberginen, die mir sehr gut schmeckte (und die ich schon wieder nicht ganz schaffte, seltsam).

Nach einem guten Espresso brachte ich Herrn Kaltmamsell zum Bahnhof und spazierte zurück zur Klinik – mein einziger Spaziergang des Tages, ich schaffte es, meinen Plan eines echten Regenerations- und Ruhetags umzusetzen.

Mit meiner Sporkleidung war ich in den knapp zwei Wochen meines Aufenthalts nun doch durch, ich musste Wäsche waschen. Wie das geht, hatte ich mir am Freitag am Empfang erklären lassen, die erforderlichen Münzen für Waschmaschine und Trockner bei dieser Gelegenheit gleich gekauft. Waschpulver hatte ich von daheim mitgebracht. Jetzt fand ich den Waschraum mit nur einer Ehrensuchrunde, von den drei Waschmaschinen darin war eine bereits in Betrieb, die zweite defekt, aber mehr als die eine übrige brauchte ich ja nicht. Auch den Wäschetrockner bediente ich anschließend erfolgreich. (Die ganze langweilige Geschichte gibt es im Techniktagebuch.)

Das Abendessen in der Klinik kam für meinen Pizza-gefüllten Bauch zu früh, ich aß nur ein wenig Rohkost und Hering mit Roter Bete. Dafür bekam ich zur Tagesschau Hunger, dagegen hatte ich noch Banane und Hüttenkäse auf dem Zimmer.

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Schon bald nach Start von “Fridays for Future” fiel mir auf, dass immer nur von Gymnasiastinnen und Gymnasiasten hinter der Initiative die Rede zu sein schien. Ich fragte mich, wie es mit den jungen Menschen an anderen Schularten aussah: Im schlimmsten Fall nahmen sie die Demos als Eliteveranstaltung wahr, die sie – wie meist – nicht meinte oder gar ausschloss. Helena Ott ist dem erfreulicherweise für die Süddeutsche nachgegangen (zu lesen leider nur für 1,99 Euro):
“Unerhört”.

Jeden Freitag gehen Hunderttausende Schüler für den Klimaschutz auf die Straße. Auf der Suche nach denen, die nicht demonstrieren.

Ott war drei Tage lang in der 10. Klasse der Pestalozzischule in Karlsruhe. Sie sprach mit den 14 Mädchen und 12 Jungen der Klasse der Werkrealschule (so heißen in Baden-Württemberg die ehemaligen Hauptschulen). Sie fand heraus, dass die Schülerinnen und Schüler sehr wohl politisch interessiert sind, dass sie aber kein so verbindendes Anliegen wie “Fridays for Future” haben. Der Artikel enthält auch Filmchen mit ihren Protestplakaten und den Erklärungen der jungen Leute.

Ihre Eltern sind nicht Anwälte, Ärztinnen und Musiker, sondern Krankenpfleger, Reinigungskräfte, Verkäuferinnen und Hausmeister. 70 Prozent der Schüler stammen aus Migrantenfamilien. Für die Schulart liegt das im Mittel, sagt Kühn. Manche leben erst seit drei oder fünf Jahren in Deutschland und mussten in der 7. Klasse lernen, den Unterrichtsstoff in einer neuen Sprache zu verstehen.

(…)

Fragt man die Zehntklässler, warum sie nicht demonstrieren, sagt eine Schülerin: „Wir dürfen ja noch nicht mal in der Pause zum Bäcker eine Straße weiter.“ Man merkt, dass viele in der Klasse nicht vertraut damit sind, sich politisch stärker einzubringen als mit dem Gang zur Wahlurne.

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Ein Vater macht sich Sorgen, weil seine bewegungsfreudige Teenagertochter zunimmt und bitten Kummerkastentante Blair Braverman um Rat.
“How Not to Talk to Your Child About Body Image”.
via @stedtenh0pp1A

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Es gibt DOCH Aufnahmen von mir bei der Wassergymnastik!

via @ankegroener

Journal SonntagSamstag, 13. Juli 2019 – Wanderung im Grünen Band und Erich Ludwig

Sonntag, 14. Juli 2019

Ein Wandertag mit Herrn Kaltmamsell, ordentlich Wetter, Tieren und kräftigem Abendessen.

Ich war früh aufgewacht, zum Frühstück hatte ich bereits Hunger auf Muesli. Mit Herrn Kaltmamsell war ich um 10 Uhr verabredet, in Wanderkleidung. Im einzigen Café am Ort, das am Samstag so früh schon öffnete, bekam ich meinen Morgenkaffee.

Für die Wanderung hatte ich meine Wasserflaschen extra leer mitgenommen: Ich wollte sie an den Heilquellen im Kurpark füllen. Am Vorabend hatten wir sie verkostet und festgestellt, dass das Wasser der “Wiesen-Quelle”, ein “Calcium-Magnesium-Hydrogencarbonat-Säuerling” leicht moussierte und säuerlich erfrischend schmeckte.

(Bild von mir: Herr Kaltmamsell)

Unterwegs schmeckte das Wasser allerdings in erster Linie rostig und eher nicht gut.

Als Wanderung hatte ich uns die gut 18 Kilometer “Frankenwald Steigla Grenzer-Weg” ausgesucht: Sie führt durch das “Grüne Band”, einen Biotopverbund entlang der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze.

Wir waren noch keine Stunde unterwegs, als heftiger Regen einsetzte – na gut, dafür hatten wir ja unsere superduper Wanderjacken dabei, und es war nicht kalt. In einer Senke blieb ich stehen, weil ich mir meines Blicks nur auf den Meter Weg vor mir bewusst geworden war. Ich wies Herrn Kaltmamsell darauf hin, dass wir nicht vergessen durften zu gucken, denn – eigentlich hatte ich sagen wollen, dass wir sonst am End’ solch interessante Tiere wie einen Fuchs gar nicht sehen, sagte es aber nicht, denn 50 Meter vor mir auf der Wiese stand im Regen ein mächtiger Storch. Als auch Herr Kaltmamsell ihn sah, erhob er sich in die Luft: Eindeutig ein Schwarzstorch. Ich setzte nochmal zu meiner Aussage über möglicherweise übersehene Füchse an, als Herr Kaltmamsell hinter mich zeigte, wo gerade ein junger Fuchs gemächlich dieselbe Wiese kreuzte. Wir sahen ihm zu, bis er auf der gegenüberliegenden Seite im Wald verschwand.

Weitere Tiersichtungen auf der Wanderung: Ein mächtiger Greifvogel im tiefen Flug, Falke, Distelfink, Goldammer, Pferde, Ziegen, Hühner, Gänse, auf einer Wiese ein Alpaka, das von einer Frau mit Rufen irgendwohin getrieben wurde.

Der Regen dauerte zum Glück nicht lange. Unsere Wanderhosen waren zwar nass, trockneten aber schnell wieder, meine nassen Füße in den Joggingschuhen störten mich nicht (ich hatte Herrn Kaltmamsell nicht um den Transport meiner sperrigen Wanderstiefel bitten wollen).

Andere (Bundes-)Länder, andere Schilder.

Es regnete nochmal heftig – aber da machten wir zufällig gerade in dieser Schutzhütte Rast mit Nüsschen und Fruchtgummi. Dann halt ein bisschen länger als geplant, nämlich bis der Regen wieder aufgehört hatte.

Bereits auf der Thüringer Seite.

Gefräßiger Baum direkt vor Schlegel.

Schlegel.

Ex-Grenze.

Ich naschte wilde Himbeeren und fand auch wunderbare Walderdbeeren – von beidem versuchte mich Herr Kaltmamsell mit spitzen “Fuchsbandwurm!”-Rufen fernzuhalten. Vergeblich.

Nach 20 Kilometern in sechs Stunden mit einer langen Pause war ich sehr erschöpft, ich ließ mich in der Klinik sogar vom Aufzug in den vierten Stock fahren, in dem mein Zimmer liegt. Das wäre vergangenen Herbst noch eine ganz normale Tagesetappe einer Wanderwoche gewesen – ich kann doch nicht derart ruckartig gealtern sein!

Nach kurzem Frischmachen spazierte ich mit Herrn Kaltmamsell in eine Traditionswirtschaft am Ort, die Samstagabend Schäufele anbietet.

Ich war sehr hungrig, neben dem Schäufele (war ok, aber ich bin seit einem legendären Schäufele vom befreundeten Franken in München verdorben für alle anderen), schmeckten mir sogar die Knödel (Kartoffelknödel, die hier Klöß heißen, sind eigentlich nicht so das meine), vor allem aber genoss ich das Bier, unfiltriertes der Hofer Brauerei Scherdel.

Auf instagram hatte mich @frau_enness darauf hingewiesen, dass es in der Gegend noch mehr Wanderkarten im Stil der in Bad Steben entdeckten gibt.

https://www.instagram.com/p/Bz0s4GQIfEo/

Dahinter steckt wohl Lithograf Erich Ludwig (1921-1992).

Gestern entdeckte ich weitere Spuren von ihm in Bad Steben:

Am Rathaus.

An einer Schmiede.

Den Stil ordne ich als Laiin dem Typ Genossenschaftsbau zu (für den ich ein besonderes Faible habe) – ungewöhnlich finde ich lediglich, dass es hier eine Signatur gibt.

Journal Freitag, 12. Juli 2019 – Besuch von Herrn Kaltmamsell und erste Reha-Erkenntnisse

Samstag, 13. Juli 2019

Nachts immer wieder Regen. Auch sonst war die Nacht unruhig: Unter den am Dienstag und Mittwoch eingetroffenen neuen Patienten und Patientinnen sind Party People, die im Raucherpavillon vorm Haus (und damit vor meinem Fenster) viel und lauten Spaß hatten, ein neuer Nachbar kennt die Funktion von Türklinken nicht und wirft seine Zimmertür ins Schloss. Zum ersten Mal benutzte ich zum Schlafen meine Ohrstöpsel.

Um 5 Uhr aufgewacht, gebloggt, Zeitung gelesen, draußen nasses Wetter.

Der erste Termin war ein freiwilliger, um 7.30 Uhr war offenes Qi Gong angeboten. Gefällt mir weiterhin sehr gut, fühlt sich gerade als Start in den Tag ideal an.

Fürs Frühstück blieb bis zum nächsten Therapietermin wenig Zeit, doch nachdem ich jetzt bereits drei Stunden wach war, hatte ich sogar Hunger. Die Schüssel Muesli mit Leinsamen und Kleie musste halt schnell gehen.

Schnell gehen musste dann auch das Umziehen für “Gruppe Bewegungsbad”, diesmal Wassergymnastik mit Schwimmnudel. Und meine Güte, hatte ich eine Gaudi! Dieses Schaumstoff-Vieh war ungemein schwer zu bändigen, ich fand mein ständiges Umkippen und Untertauchen ausgesprochen lustig. (Wasser ist einfach mein Element, Süßwasser wohlgemerkt, ich schiebe das auf den Säuglingsschwimmkurs, den meine Mutter seinerzeit mit mir absolvierte.) Bei einer Übung sollten wir die Gumminudel zwischen die Beine klemmen und uns draufsetzen (denkwürdiges Kommando der Trainerin: “Hände weg von der Nudel!”), dann in dieser Haltung radlfahren. Hahaha, ich bitte Sie: Sie hätten doch auch verschiedene Fahrradtypen durchgespielt, von Hollandrad (lockere Armhaltung nach vorne) über Bonanzaradl (Hände deutlich über Wasser) bis Rennrad (nach vorne untertauchen, fast von der Nudel kippen, halb tot lachen)?!

Anschließend im Zimmer gründliches Duschen und Körperpflege, bald war es Zeit für den Massagesessel. Wieder nett, erhöhte aber im Grunde nur die Sehnsucht nach einer medizinischen Menschenmassage.

Dann Nordic Walking, nach dem Einführungstermin jetzt eine ernsthafte Einheit. Wir marschierten unter Anleitung durch den Kurpark und ein Stückchen weiter (inklusive Querung einer Straße – Anlass für das eine Geschlechterklischee, das bislang unbewitzelt geblieben war: FRAU AM STEUER!). Die Sonne war herausgekommen, das frisch beregnete Grün quietschte vor Elan, grad schön war’s. Im Anschluss reality check: Einige aus der Gruppe konnten es nicht fassen, dass sie sich anscheinend gerade eine ganze Stunde am Stück bewegt hatten (mehrfacher Uhrencheck, wiederholtes Nachrechnen), ebensowenig dass sie dabei schwitzten – das war offensichtlich eine neue Erfahrung. So viel zur Jugend heutzutage, die sich ja (böse Computer, böse Handys) gar nicht mehr bewegt: Ein Großteil der definitiv nicht mehr Jugend hat’s wohl noch nie getan.

Ordentlich Mittagshunger, spätes Essen: Ich hatte mich für den Hering Hausfrauen Art entschieden. Schmeckte sehr gut, anschließend Espresso. Dann versucht ich schnell zu verdauen (kann man das beschleunigen?), denn nur 45 Minuten später hatte ich einen Termin im Maschinenraum. Obwohl ich überhaupt keine Lust darauf hatte, lief es ganz gut; auch wenn immer wieder betont wird, dass es hier um Kraft-Ausdauer geht, werde ich an der Beinpresse das Gewicht erhöhen müssen: Wenn ich auch im dritten Satz dreimal mal so viele Wiederholungen schaffe wie vereinbart und selbst dann noch weiter könnte, ist es zu wenig.

Jetzt war ich wieder verschwitzt, wusch mich ein wenig – und vertrieb mir die Zeit, bis ich Herrn Kaltmamsell vom Bahnhof abholen konnte, er besuchte mich übers Wochenende. (Sein erster Satz in meinen Armen nach “Hallo”: “Jetzt hast du zwei Tage Zeit, dich um mich zu kümmern.” Genau so sah ich das auch.)

Ich brachte den Herrn in seine Unterkunft gleich bei der Reha-Klinik und wollte ihm dann eigentlich meine Entdeckungen in der alten Kuranlage zeigen. Doch jetzt krachten Gewitter mit Regengüssen, hielten uns eine ganze Zeit in der Wandelhalle fest. Nachdem wir die Touchscreen-Inhalte der Tourist Information erschöpfend gelesen hatten und der Regen gerade mal ein wenig nachgelassen hatte, verlegten wir das geplante Abendessen beim Italiener vor.

Wir wurden sehr freundlich und durchaus passabel bewirtet (Fischsuppe – eher Meeresfrüchtesuppe -, Calamari vom Grill / Auberginen Parmigiana , Panna cotta), vor allem bekam ich nach zwei Wochen endlich mal wieder Alkohol! Und ausgezeichneten Espresso!

Und endlich mal wieder Herrn Kaltmamsell. Erst im Gespräch mit ihm wurde mir klar, was die Reha bisher vor allem gebracht hat: Dass ich Tatsachen ins Auge sehe. Meine Bandscheiben induzierten Schmerzen sind ein chronisches Leiden, das wird nicht wieder gut.1 Ich kann aber lernen damit umzugehen – unter anderem indem ich mir eingestehe, dass ich nicht so leistungsfähig wie mit 20 oder 30 bin und dass es völlig in Ordnung ist, mir das Leben mit Hilfsmitteln zu erleichtern. Es ist sehr wahrscheinlich, dass mir das Runterbeugen zum Boden auch künftig nur in Ausnahmen gedankenlos und schnell möglich ist. Also ist es zum Beispiel eine gute Idee, meine bisherigen Schaufel und Besen durch die Variante am langen Stecken zu ersetzen, wie sie zum Beispiel auch in der Gastronomie eingesetzt wird – aus guten Gründen. Nein, das ist kein Sich-gehen-lassen oder Kapitulation, sondern vernünftiges Haushalten mit Ressourcen. Sonst krähe ich doch auch ständig, dass ich mit dem Altern keine Probleme habe; doch Altern ist halt nicht nur weißes Haar, Falten, erschlafftes Gewebe und schwindende sexuelle Attraktivität, sondern auch körperliche Leistungsfähigkeit. Mögen andere über Botox und plastische Chirurgie nachdenken, damit muss ich mich auseinandersetzen.

Was ich auch gelernt habe: Nein, das ist nicht meine Schuld. Die einen klettern noch mit 70 so gut wie schmerzfrei am Watzmann, die anderen hinken schon mit 45 artrotisch – trotz Bewegung und weitgehend lasterfreiem Leben. Es gibt viele körperliche Aspekte, die man halt nur bedingt kontrollieren kann. (@ankegroener verlinkte den passenden Cartoon dazu.)

Die Nacht musste ich leider allein verbringen: Uns wurde im Einführungsvortrag zu Klinikdingen bedeutet, dass nach Torschluss um 22.30 Uhr zwar nicht nachgezählt werde, doch ein Fernbleiben über Nacht als Abbruch der Therapie angesehen werde.

  1. Wer mag als Erste auf die Unfehlbarkeit der Esoterik verweisen, der ich mich ja verweigere, sonst hätte ich längst wieder eine Lendenwirbelsäule wie mit 20, zwar von Geburt an verwachsen und schief, aber schmerzfrei? []

Journal Donnerstag, 11. Juli 2019 – Gutes Reha-Rotlicht, schlechte Humorklischees

Freitag, 12. Juli 2019

Wieder ein Morgen mit Durchstarten, damit ich mich auf dem Crosstrainer austoben konnte. Das klappte.

Duschen für die Rotlicht-Anwendung: Sie tat mir sehr gut, ich bildete mir ein zu spüren, wie in der Wärme eine der vergnazten und verspannten LWS-Muskeln schmolz. Danach ging es mir deutlich besser.

Nochmal eine Einheit Rückenschule, diesmal mit Tipps für Alltagsbewegungen im Haushalt und in der Freizeit.

Jetzt war ich dann aber doch genervt von den ständigen lustig gemeinten heteronormativen Geschlechterstereotypen, die als einzige Basis aller Scherze in den Therapiestunden herhalten müssen: Ob Tanzen, Krafttraining oder Wassergymnastik, es gibt ausschließlich Humor der Mario-Barth-Klasse. Paare bestehen nur aus Männern und Frauen, wobei die Frau die einzige ist, die etwas im Haushalt und in der Küche macht und die Kinder versorgt, der Mann der einzige, der für Handwerkliches zuständig ist, Frauen reden zu viel und wollen immer alles hübsch haben, Männer sind in einer Ehe die unterdrückten Hanswurste. Hahahaha. Ist das vielleicht der Preis, den man in diesem ehemaligen Zonenrandgebiet (meine Herrschaften, ich bin alt genug, dass ich mit der Schule noch auf Grenzlandfahrt gegangen bin, mir ist die Subventionsabhängigkeit dieser Gegend bis heute bewusst) fürs Naturidyll zahlt? Vor 35 Jahren habe ich in Schulstunden noch protestiert, wenn Themen, die im weitesten Sinne mit Haushalt zu tun hatten, als “für die Mädchen” angekündigt wurden. Jetzt merkte ich, dass mir diese Energie leider abhanden gekommen ist, ich ärgere mich nur und bin sehr müde.

Wirbelsäulengymnastik fand diesemal mit Schwingstab statt, den ich schon zu Fitnessstudiozeiten fürchtete. Erforderte Konzentration, war anstrengend, fühlte sich durchaus nützlich an.

Kulinarisches Highlight am Mittagstisch: Es gab Linsen mit Spätzle! Anders als bei Geschlechterrollen weicht man hier beim Essen durchaus von Eingefahrenem ab (am Mittwoch wurde sogar Tsatsiki serviert).

Abschluss der Rückenschule war nachmittags eine Zusammenfassung des Erlernten im großen Vortragssaal.

Blöderweise meldete sich wieder Kopfweh, ich legte mich ein wenig zur Siesta.

Das zweite Mal Qi Gong gefiel mir wieder sehr gut, dazu trug auch bei, dass der große Turnsaal, in dem wir uns bewegten, eine Wand komplett aus Fenstern ins Grüne hat. Eine abschließende Übung mit Partnerin und Anfassen, lieber sind mir Bewegungen ohne zwischenmenschliche Komponente.

Apropos Zwischenmenschliches: In Unterhaltungen beim Warten auf die nächste Anwendung erfuhr ich Hochinteressantes von hinter Berufskulissen, weil ich eine Supermarktangestellte und eine Bekleidungsverkäuferin kennenlernte. Das sind spannende Geschichten!

Nach dem Abendessen wurde aus dem lediglich düsteren ein regnerischer Tag, es setzte leichter Regen ein.

Journal Mittwoch, 10. Juli 2019 – Reha-Erlebnis Nordic Walking

Donnerstag, 11. Juli 2019

Voller Vormittag, früher Schluss.
Das Wetter hatte aufgehellt, immer wieder kam die Sonne heraus. Dennoch waren die Temperaturen deutlich mehr Richtung Mai als Juli.

Morgens hetzte ich mich ein wenig, um vor dem ersten Reha-Termin “Gruppe Wirbelsäulengymnastik” noch eine Runde Crosstrainer unterzubringen. Die Gymnastik war diesmal wirklich nützlich: Herr Physio wies mich auf einen grundsätzlichen Haltungsfehler bei einer Übung hin, den ich wohl schon lange mache. Bei Übungen auf dem Bauch, die den oberen Rücken trainieren sollen, hebe ich den Oberkörper zu stark an und trainiere dadurch den mittleren Rücken. Solche Sachen kann natürlich niemand bemerken, wenn ich allein vor dem Fernseher turne.

Nach einer Pause ging ich programmgemäß in den Maschinenraum und absolvierte meine Runde. Mein Reha-Anlass war immer noch schwer beleidigt vom gestrigen Schlingentischeinsatz und so knickte mir regelmäßig beim Aufstehen und Gehen das rechte Bein weg.

Schneller Morgenkaffee in der Cafeteria, bevor die zweite Einheit “Rückengerechtes Arbeiten/PC” drankam. Am meisten genoss ich auch diesmal die Fröhlichkeit, die die Ergotherapeutin in der kleinen Truppe erzeugte, es wurden viele Anekdoten aus der Praxis zusammengeworfen. Praxisübung war gestern das Heben von Lasten. Im Grunde wurde das Bewegungsmuster trainiert, auf das ich im Hot Iron fürs Kreuzheben gedrillt wurde und das ich im Schlaf beherrsche.

Zum Mittagessen kam ich kurz vor Schluss, der Termin hatte in der eigentlichen Essenszeit gelegen.

Nachmittags der Beweis meiner grundsätzlichen Offenheit für alle möglichen Bewegungsformen, trotz bisheriger Resentiments: Ich hatte mich für eine Einführung Nordic Walking eintragen lassen. Obwohl ich innerlich Nase rümpfe, wenn mir diese Steckerlgeher (aka Bewaffnetes Schlurfen) beim Joggen entgegenkommen. Erst erzählte die Vorturnerin Grundsätzliches, dann bekamen wir Steckerl je nach Körpergröße. Und nun gab es draußen ein paar einführende Übungen in den Bewegungsablauf, immer ein Detail mehr. Als alles aufgebaut war und die Vorturnerin mir noch einen persönlichen Zusatztipp gegeben hatte, war ich ziemlich überrascht: Nicht nur kam ich bei sachgemäßer Ausführung auf ein angenehm hohes Tempo, das Ganze wich deutlicher von Wandern oder schnellem Gehen ab, als ich geahnt hatte. Und – es machte Spaß. Ich freue mich schon auf den nächsten Termin.

Zusatznutzen: Wir gingen in eine Richtung von der Klinik weg, die ich noch nicht kannte und die bezaubernd aussah. Ich beschloss gleich mal einen Spaziergang dorthin nach dem Abendessen.

Highlight dieses Abendessens war ein Meeresfrüchtesalat, der fein abgeschmeckt war (nur kamen die Tomaten darin wie immer hier aus dem Kühlschrank und hatten jeden Geschmack verloren).

Ab zum geplanten Spaziergang. Diese Reha-Klinik liegt wirklich ganz besonders schön.

Als ich in mittlerer Ferne ein violett blühendes Feld sah, wollte ich wissen, was da wuchs (Lavendel unwahrscheinlich, vielleicht Leinen?) – und ging querfeldein hin.

Das war auch kein Leinen – aber was dann?

Ich entdeckte einen Falken und sah lange Schwalben (Rauch- und Mehl-) über einer gemähten Wiese zu.

Journal Dienstag, 9. Juli 2019 – Reha-Schlingen gegen LWS – 1:0

Mittwoch, 10. Juli 2019

Dieser Tag begann mit einem Reha-Termin noch vor Frühstückszeit: 7.30 Uhr Schlingentisch. Eine Physiotherapeutin wickelte etwas Breites um meine Körpermitte (also wo andere Leute Taille haben), um meine Knie (Hüfte-Bein 90 Grad, Knie 90 Grad) und um meine Füße, das Gewickel wurde mit vielen Seilen an einem Gitter über mir befestigt und hochgezogen. Ziel war eine Entlastung von Hüfte und Lendenwirbelsäule. Ich merkte schon nach Sekunden: Das tat gar nicht gut. Ich sagte natürlich nichts, vielleicht kam das Gute noch. Doch während ich mit geschlossenen Augen entspannen sollte (was als so allgemeine Anweisung eh nie geht), spürte ich, wie sich die Muskeln direkt neben der Lendenwirbelsäule verkrampften und immer stärker schmerzten. Nach diesen 15 Minuten und Auswickeln war meine neuralgische LWS-Stelle so erbost, dass mir nach vielen Wochen mal wieder beim Gehen das rechte Bein wegsackte. Und den ganzen Tag über schüttelte diese Stelle immer wieder wütend und schmerzhaft die Faust. Das machen wir nicht nochmal.

Hingegen gleich im Anschluss um 8 Uhr Qi Gong: Ja bitte. Obwohl in der großen Gruppe viel Gekicher und Zwischenrufe ablenkten, konnte ich mich auf die Anweisungen des Vorturners und auf mein Nachmachen konzentrieren. Die Bewegungen sind alles andere als trivial, ich kann mir vorstellen, dass ich mir hier hole, was andere bei Yoga bekommen.

Am Ende war der Speisesaal sogar noch offen, ich kam also doch zu einer Tasse Tee und einem Glas Hafermilch.

Nächster Termin Zwischenvisite: Jetzt lernte ich auch die Stationsärztin kennen, die aus dem Urlaub zurück war. Meine Blutwerte sind topp, ebenso ist es das EKG, und kein Bluthochdruck weit und breit (Letzteres ist mir früher oder später aber sicher, liegt in der Familie). Wir juckelten meinen Therapieplan ein wenig zurecht, dann war’s das schon wieder.

Es folgte die dritte Stunde Rückenschule: Diesmal ging’s ums Hinlegen und Aufstehen, das übten wir. Ich bekam auch Tipps zur idealen Bettlage: Nach aktuellem Forschungsstand ist die Wirbelsäulen-freundlichste Art des Schlafens auf dem Rücken mit minimaler Kopfunterstützung. Herr Physio erklärte: Wenn sich das unentspannt anfühle, seien wahrscheinlich bestimmte Muskelpartien verkürzt, vor allem die hintere Oberschenkelmuskulatur.

Mittagessen, anschließend holte ich in der Cafeteria meinen Morgenkaffee nach.

Erste Bekanntschaft mit Wirbelsäulengymnastik. Sie bedeutete: Auf der Matte drei klassische Übungen für die Bauchmuskeln, zwei für die LWS-Muskeln, Dehnen, das alles in knapp 30 Minuten – schon gut, aber halt wenig.

Besonders spannend dann aber die “Tanztherapie”. Ich hatte auf sowas gehofft, sie war dann aber ein wenig lockerer Volkstanz angelehnt an Line Dancing, am Ende sogar paarweise mit Anfassen und Partnerwechsel. Gerade als mein Puls fast auf Sporthöhe kam, war’s rum.

Das macht mich schon ein wenig unruhig, dass ich zwischen all den Anwendungen keinen Sport unterbringe. Zwar gibt es Pausen zwischen den Terminen, doch die sind zu kurz für Sport oder liegen gleich nach dem Essen. Abschalten kann ich in diesen Pausen aber auch nicht, weil ich ständig auf die Uhr schaue. Gleichzeitig bedeuten die Pause jedesmal Aufraffen zum nächsten Termin von Null.

Abschluss des Reha-Tags: Ein Vortrag über Schmerz und Schmerzbewältigung, gehalten von einem hauseigenen Diplompsychologen. Gut aufgebaut und lehrreich; er modifizierte den bereits gehörten Hinweis auf hilfreiche innere Einstellung mit konkreten Ansätzen (u.a. Programm aufstellen für schlechte Phasen chronischer Schmerzen, Erinnerungen an bereits erlebte Linderungen wachhalten). Auch hier die Info, dass nur akute Schmerzen geheilt werden können, nach Chronifizierung (so heißt das) ist das Ziel Linderung.

Draußen noch düsterer und noch kühler. Ich hatte Kleidung für Temperaturen zwischen 15 und 35 Grad gepackt, doch weil Juli halt eher fürs obere Ende. Mal sehen, wie lange ich mit den paar langen Sachen auskomme.

Nach dem Abendessen machte ich mich auf einen längeren Spaziergang durch angrenzende Parks und Wälder, den ich genoss.

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Großer Artikel gestern in der Süddeutschen, tief recherchiert, über die Verhältnisse in den ethnologischen Museen Deutschlands:
“Verseucht, zerfressen, überflutet”.

Oft heißt es, die Museen in den Herkunftsländern seien nicht in der Lage, Raubkunst aus der Kolonialzeit sachgemäß aufzubewahren. Dabei befinden sich die Bestände deutscher Museen oft in katastrophalem Zustand.

Journal Montag, 8. Juli 2019 – Feueralarm in der Reha

Dienstag, 9. Juli 2019

Gut geschlafen, der Wecker musste mich wirklich wecken. Draußen war es düster und kühl.

Diesmal wieder nur kurz Tee und ein Gläschen Hafermilch zum Frühstück, ich wollte vor dem ersten Termin noch auf den Crosstrainer (lieber wäre mir dafür der Dienstag gewesen und ein Ruhetag gestern, doch am Dienstag habe ich bereits um 7.30 und um 8 Uhr Termine – bei einer Konditionsraumöffnung um 7.30 Uhr bleibt dann keine Zeit für Crosstrainer).

Gestern begann der Reha-Reigen mit Rotlicht, danach gab’s Massagestuhl. Diesmal habe ich ihn fürs Techniktagebuch aufgeschrieben.

Ebenfalls am Vormittag: Wassergymnastik. Diesmal bekamen wir jeder und jede je ein überdimensionales Wattestäbchen (das der Trainer “Langhantel” nannte), damit wurde eine halbe Stunde geturnt, abschließend auch zu zweit mit Anfassen. Ich hoffe, meine Bandscheiben haben die wiederholte Erklärung des Trainers mitbekommen, diese und jene Übung sei ganz besonders gut für sie.

Schnelles Duschen, hastige Körperpflege, damit ich vor dem Mittagessen noch einen Milchkaffee bekam.

Zum Nachtisch draußen Süddeutsche auf dem Smartphone gelesen, auf dem Zimmer ein wenig Internet, bis Zeit für die zweite Unterrichtseinheit in der Rückenschule war. Launige und hilfreiche Ausführungen über Sitzen und Stehen, Ausprobieren von Wackelkissen und Sitzkeilen.

Abschluss des Reha-Tages war wieder ein Vortrag, diesmal zu Arthrose. Auch das betrifft mich (noch?) nicht, fand es aber durchaus interessant.

Am Ende des zu langen Vortrags, das Publikum war bereits seit 20 Minuten sehr unruhig, ertönte Feueralarm. Eine Durchsage unterstrich, dass wirklich alle das Gebäude verlassen sollten, dann taten wir das halt auch. Auf dem Sammelplatz im Freien fror ich als eine der wenigen in kurzen Ärmeln ziemlich. Aber es hätte schlimmer kommen können: Andere Patienten und Patientinnen waren aus dem Schwimmbad evakuiert worden und standen mit nassen Haaren im Bademantel auf der Wiese. Die örtliche Feuerwehr kam mit angemessenem Lalü. Nach 30 Minuten gab es Entwarnung, es war nichts passiert. Beim anschließenden Abendessen auffallend viele Leute mit heißem Tee.

Ich lernte am praktischen Fall, dass es genau richtig sein kann, trotz abgelehnter Hilfe einfach bei einem möglicherweise hilfebedürftigen Menschen zu bleiben. Nur so, dass er merkt, dass man in der Nähe ist. Das hatte ich vor ein paar Monaten schon mal gemacht und sah schon da, dass das genau richtig gewesen war. (Mich schmerzt bis heute der Vorfall vor Jahren auf einer Wanderung, als ich an einem bösen Radunfall im Wald vorbeikam, eine Radlerin war gestürzt. Ihr Begleiter hatte Hilfe abgelehnt, es sei schon jemand verständigt. Damals war ich weitergegangen, die beiden waren ja Erwachsene, ich hatte ja gefragt. Schon kurz darauf hatte ich das sehr bereut, weil vermutlich auch der Begleiter unter Schock stand und Beistand gebraucht hätte. Ich wünsche bis heute, ich wäre einfach dageblieben, bis die angekündigte Hilfe eintraf.)

Telefonat mit Herrn Kaltmamsell, der mich nächstes Wochenende besuchen kommt. Dann spazierte ich doch nochmal zum Supermarkt am Bahnhof, ich wünschte mir etwas Süßes, Schokoladiges zum Löffeln aus der Kühltheke. Und Obst.

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“Pride Week im Tierpark Hellabrunn”.

Homosexualität ist im Tierreich ganz normal. Das zeigen abendliche Sonderführungen im Münchner Zoo anlässlich des Christopher Street Days.

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Physiker Florian Aigner über den Unterschied zwischen Lösungen nach System Blutspende und Lösungen nach System WG-Küche.
“Sind Klimaproteste scheinheilig?”