Journal Sonntag, 7. Juli 2019 – Wanderung Silla-Weg mit Storch-Freizeit
Montag, 8. Juli 2019Ein paar Tropfen Regen nachts und morgens immer wieder, aber der schaffte es nicht mal durch dichte Bäume auf den Boden. Dabei sieht es hier aus, als sei Regen dringend nötig.
Wolken und Abkühlung machten den gestrigen Sonntag zum idealen Wandertag. Ich war nach gutem Schlaf früh aufgewacht und hatte Hunger. Ich! Morgens! Also gab es zum Frühstück Müsli, Quark und eine Honigsemmel. Ich testete, wie sich das mit Kraftttraining vertrug und absolvierte meine angeordnete Geräterunde im Maschinenraum. Ging gut!
Es hätte wohl auch die eine oder andere organisierte Gruppenwanderung von der Klinik aus gegeben, aber: Menschen, noch dazu unbekannte. Fremdorganisation war auch gar nicht nötig: An einem Info-Aufsteller im Aufenthaltsraum hatte ich die Broschüre “Wanderwelt Bad Steben” entdeckt, mit 25 Wanderungen zwischen 2,7 und 22,5 Kilometern, die alle in Bad Steben starteten und dort auch endeten. Ich wählte nach Länge aus: 12,7 Kilometer schienen mir für einen Reha-Sonntag genau richtig, ich ging also die Rundwanderung Silla-Weg.
Eingesteckt hatte ich nur eine Flasche Wasser und Notfallnüsschen, ich wollte gleich im Anschluss an die Tour in einem Café einkehren und legendären Windbeutel essen.
Die Runde ergänzte ich um zwei Verirrens-Kilometern: Ich hatte unbemerkt die Gegenrichtung der Beschreibung eingeschlagen, an einer Sternkreuzung leitete mich dieser Umstand fehl – was ich herausfand, als ich dann doch zu lange keine Markierung mehr gesehen hatte und bis zur letzten gesehenen zurückging.
Die Wanderung war ganz wundervoll: Abwechslungsreich, mit Ausblicken und enorm vielen verschiedenen Blumen am Wegesrand, vor der Kühle schützte mich meine Superduper-Wanderjacke.
Mir begegneten auf der gesamten Strecke nur zwei weitere Wanderer, doch das beste war: Keine Radler! Keine E-Biker, keine Mountainbiker, keine Radwanderer, obwohl sich die Wege dafür geeignet hätten. So schön.
Retro-Typografie hat man hier sehr.
Langenbach
Überall im Wald Roter Fingerhut.
Carlsgrün, auf der Gegenseite des Fußballplatzes sogar eine kleine Tribüne.
Tiersichtungen: Ein Reiher, der über mich hinweg flog. Ein großer Greifvogel, der zehn Meter vor mir vom Boden startete. Ein Fuchs, der auf einer Wiese irgendwas gefunden hatte.
Am Ende ein Thermik-kreisender Vogel recht weit oben, hin und wieder schlug er mit den Flügeln. Ich blieb verdutzt stehen, weil sein Hals für einen Greifvogel viel zu lang war. Ein älterer Herr, der mir entgegenkam, sah dem Vogel ebenfalls intensiv zu. Ich traute mich zu fragen: “Was ist das wohl?” “A Storch! Dem g’fällt des!” (Wobei “Storch”, wenn es ein Franke sagt, klingt, also würde es eigentlich “Storg” geschrieben, wegen arch/arg, gnihihi.) Weiß ich jetzt also auch, was Störche so in ihrer Freizeit machen – denn für sie hat ein so hoher Flug überhaupt keinen Nutzen, sie sehen aus dieser Entfernung keine leckeren Frösche.
Es ging auf drei Uhr zu, jetzt hatte ich wirklich Hunger. Ich setzte mich in den Außenbereich des Kurhauscafés – und kaum saß ich, setzte aus dem Pavillon Live-Musik ein: Hammondorgel, verstärkte Geige, Trompete spielten von “Que sera” über “Blue Moon” bis Walzer alles, was mich Vico Torriani um die Ecke vermuten ließ. Dazu wurde sowas serviert:
Eigentlich müsste jedes Wochenende eine Karavane von Prenzlauer Berg und aus dem Glockenbachviertel hierher pilgern.
Zum Glück war das Personal sehr 2019 – sehr eben eröffneten Szenekneipe und so gar nicht Weißes Rössl – sonst hätte ich Angst gehabt, in einer Zeitreiseblase gelandet zu sein.
Deutlich später als geplant kam ich zurück auf mein Zimmer und duschte mich, dann war’s schon nicht mehr weit zum Abendessen.
§
Die Expertinnen der Syracuse University Libraries zeigen:
“How to Rescue a Wet, Damaged Book: A Handy Visual Primer”.
via @giardino