Archiv für Juli 2019

Journal Sonntag, 7. Juli 2019 – Wanderung Silla-Weg mit Storch-Freizeit

Montag, 8. Juli 2019

Ein paar Tropfen Regen nachts und morgens immer wieder, aber der schaffte es nicht mal durch dichte Bäume auf den Boden. Dabei sieht es hier aus, als sei Regen dringend nötig.

Wolken und Abkühlung machten den gestrigen Sonntag zum idealen Wandertag. Ich war nach gutem Schlaf früh aufgewacht und hatte Hunger. Ich! Morgens! Also gab es zum Frühstück Müsli, Quark und eine Honigsemmel. Ich testete, wie sich das mit Kraftttraining vertrug und absolvierte meine angeordnete Geräterunde im Maschinenraum. Ging gut!

Es hätte wohl auch die eine oder andere organisierte Gruppenwanderung von der Klinik aus gegeben, aber: Menschen, noch dazu unbekannte. Fremdorganisation war auch gar nicht nötig: An einem Info-Aufsteller im Aufenthaltsraum hatte ich die Broschüre “Wanderwelt Bad Steben” entdeckt, mit 25 Wanderungen zwischen 2,7 und 22,5 Kilometern, die alle in Bad Steben starteten und dort auch endeten. Ich wählte nach Länge aus: 12,7 Kilometer schienen mir für einen Reha-Sonntag genau richtig, ich ging also die Rundwanderung Silla-Weg.

Eingesteckt hatte ich nur eine Flasche Wasser und Notfallnüsschen, ich wollte gleich im Anschluss an die Tour in einem Café einkehren und legendären Windbeutel essen.

Die Runde ergänzte ich um zwei Verirrens-Kilometern: Ich hatte unbemerkt die Gegenrichtung der Beschreibung eingeschlagen, an einer Sternkreuzung leitete mich dieser Umstand fehl – was ich herausfand, als ich dann doch zu lange keine Markierung mehr gesehen hatte und bis zur letzten gesehenen zurückging.

Die Wanderung war ganz wundervoll: Abwechslungsreich, mit Ausblicken und enorm vielen verschiedenen Blumen am Wegesrand, vor der Kühle schützte mich meine Superduper-Wanderjacke.

Mir begegneten auf der gesamten Strecke nur zwei weitere Wanderer, doch das beste war: Keine Radler! Keine E-Biker, keine Mountainbiker, keine Radwanderer, obwohl sich die Wege dafür geeignet hätten. So schön.

Retro-Typografie hat man hier sehr.

Langenbach

Überall im Wald Roter Fingerhut.

Carlsgrün, auf der Gegenseite des Fußballplatzes sogar eine kleine Tribüne.

Tiersichtungen: Ein Reiher, der über mich hinweg flog. Ein großer Greifvogel, der zehn Meter vor mir vom Boden startete. Ein Fuchs, der auf einer Wiese irgendwas gefunden hatte.

Am Ende ein Thermik-kreisender Vogel recht weit oben, hin und wieder schlug er mit den Flügeln. Ich blieb verdutzt stehen, weil sein Hals für einen Greifvogel viel zu lang war. Ein älterer Herr, der mir entgegenkam, sah dem Vogel ebenfalls intensiv zu. Ich traute mich zu fragen: “Was ist das wohl?” “A Storch! Dem g’fällt des!” (Wobei “Storch”, wenn es ein Franke sagt, klingt, also würde es eigentlich “Storg” geschrieben, wegen arch/arg, gnihihi.) Weiß ich jetzt also auch, was Störche so in ihrer Freizeit machen – denn für sie hat ein so hoher Flug überhaupt keinen Nutzen, sie sehen aus dieser Entfernung keine leckeren Frösche.

Es ging auf drei Uhr zu, jetzt hatte ich wirklich Hunger. Ich setzte mich in den Außenbereich des Kurhauscafés – und kaum saß ich, setzte aus dem Pavillon Live-Musik ein: Hammondorgel, verstärkte Geige, Trompete spielten von “Que sera” über “Blue Moon” bis Walzer alles, was mich Vico Torriani um die Ecke vermuten ließ. Dazu wurde sowas serviert:

Eigentlich müsste jedes Wochenende eine Karavane von Prenzlauer Berg und aus dem Glockenbachviertel hierher pilgern.
Zum Glück war das Personal sehr 2019 – sehr eben eröffneten Szenekneipe und so gar nicht Weißes Rössl – sonst hätte ich Angst gehabt, in einer Zeitreiseblase gelandet zu sein.

Deutlich später als geplant kam ich zurück auf mein Zimmer und duschte mich, dann war’s schon nicht mehr weit zum Abendessen.

§

Die Expertinnen der Syracuse University Libraries zeigen:
“How to Rescue a Wet, Damaged Book: A Handy Visual Primer”.

via @giardino

Journal Samstag, 6. Juli 2019 – Freibad in Naila

Sonntag, 7. Juli 2019

So richtig energiegeladen fühlte ich mich nicht nach einer unruhigen Nacht, aber dieser Samstag war ideal für die Schwimmrunde in Naila, die der Arzt empfohlen hatte: Es war Hochsommerwetter mit Bombensonne angekündigt, außerdem war ich nach Langem so gut wie erkältungsfrei (bissl Schleimhusten, bissl Rotz), an allen weiteren Wochenendtagen bis Ende Reha war potenziell Besuch angekündigt, und ich wollte dem Arzt reporten können.
Außerdem fiel mir sonst nichts ein, worauf ich Lust hatte.

Das ganze wurde ein perfekter Schwimmtag, unter anderem weil er bewölkt begann: Ich hatte mich nämlich bereits gesorgt, weil ich mir ohne Sonnencreme auf dem Rücken (erzählen Sie mir nicht, dafür hätte aktive Kontaktaufnahme zu anderen Rehabilitanden genützt) einen garantierten Sonnenbrand einfangen würde. Nach meinem Frühstückstee spazierte ich zum Bahnhof und nahm den 8.39-Uhr-Zug nach Naila. Die gut zehn Kilometer Fahrt dauerten mit Halt an jedem Gehöft1 zwölf Minuten. Google Maps lotste mich durch das unspektakuläre Naila (wieder auffallend viele Metzgereien, aber einige auch dauerhaft geschlossen, ebenso wie manch anderes Geschäft) den Kilometer zum Freibad.

Die Fachfrau sieht sofort: Abgetrennte Schwimmbahn im 50-Meter-Becken! Ich sperrte mein Zeug in ein Schließfach (nur bei Wetterbesserung würde ich mich auf die Wiese legen) duschte und ließ mich ins Schwimmbecken. Es war herrlich: 1500 Meter mit nur einem (paddelfreien und zügigen) weiteren Schwimmer auf der Bahn, dann 1800 Meter allein, ich fühlte mich kräftig und fit.

Wie bestellt verflogen auf meinen letzten 1000 Metern die Wolken. Ich cremte mich also ein soweit ich kam, wechselte in einen trockenen Bikini und legte mich auf die (wie überall in der Gegend völlig vertrocknete) Wiese in den Halbschatten.

Außer mir war eine größere Gruppe im Freibad, zudem ein halbes Dutzend versprengte Einzelmenschen. Im Lauf der nächsten zweieinhalb Stunden kamen ein paar Familien dazu, aber wirklich nicht viele – ich nehme an, auch hier ist wie in München der Samstagvormittag anderen Beschäftigungen vorbehalten, zudem könnte der bewölkte Morgen einen Freibadtag unattraktiv gemacht haben.

Gegen Mittag öffnete der geräumige Kiosk, ich holte meinen Morgencappuccino nach. Als Brotzeit hatte ich zwei Nektarinen eingesteckt.

Kurz nach zwei nahm ich einen Zug zurück nach Bad Steben (der Schaffner von der Hinfahrt lachte mich gleich an: “Jetzt ist der noch immer da!” unterstellte er mir als Gedanken). Jetzt hatte ich Hunger. Den ganzen Vormittag hatte ich überlegt, worauf ich meisten Lust haben würde; zur innere Wahl standen legendäre Windbeutel in dem einen oder anderen Café, herzhaftes Mittagessen im Wirtshaus oder aus dem Supermarkt Buttermilch, Obst, Breze. Ich entschied mich für Letzteres, zur Breze gesellte sich eine Quarktasche, das Obst waren Flachpfirsiche.

Im Kurpark machte ich Brotzeit und sah mich nochmal ein wenig um.

Dieser Kurort ist ja – wie vermutlich jeder zumindest in Deutschland – durch und durch ernst gemeint, unverhipstert und so wenig ironisch gebrochen wie eine Florian-Silbereisen-Show. Wie kommt also diese Retro-Karte hierher, die mich über die Schulter nach dem Beiwagen-Motorrad von Indiana Jones Ausschau halten ließ? Kleiner Scherz einer Grafikerin?

Schon um halb fünf zog der Himmel zu, für den Sonntag war ein Wetterumschwung angekündigt – ich hatte also wirklich den perfekten Zeitraum für meinen Schwimmausflug erwischt. Allerdings ergab der Hautfarbencheck vorm Duschen, dass mich am Rücken dann doch ein wenig die Sonne verbrannt hatte.

Zum Abendessen servierte die Klinik unter anderem Rollmops – und wieder sehr gute Rohkostsalate.

Den Rest des Samstags verbrachte ich mit Zeitunglesen auf Smartphone im schattigen Garten, Tagesschau, Internetlesen.

Eine wirklich schöne Aussicht aus meinem Zimmerfenster, ich bilde mir ein, das Getreide reifen zu sehen.

Was ich hier sehr wenig mache: Mich schminken. Vor Sport eh nicht, und eigentlich ist hier im Grunde immer vor Sport. Nach Sport am späten Nachmittag lohnt sich nicht mehr, muss ich ja bloß vor dem Schlafen wieder abschminken.

§

Im Freibad hörte ich die Filmmusik von The English Patient, später recherchierte ich ein wenig zum historischen Hintergrund des Romans und zu seiner Rezeption.

Beim Lesen hatten mich die Filmbilder begleitet – was ich bedauerte, so schön ich den Film auch fand. Aber Hana ist im Roman so viel jünger, so viel mehr junges Mädchen als Juliette Binoche es damals war (es hätte die zehn Jahre jüngere Binoche aus The unbearable lightness of being gebraucht).

Über den Menschen hinter der titelgebenden Figur, der sehr wahrscheinlich schwul war (was eine sehr andere, aber wahrscheinlich noch interessantere Filmgeschichte gegeben hätte):
“Wüstenforscher Almásy
Nazi-Spion, Liebhaber, Teufelskerl”.

Seinerzeit im Independent:
“The villa of the peace: The English patient – Michael Ondaatje”.

Like coral, Ondaatje’s narrative is built up slowly into towers and branches and hidden chambers, fashioning a delicate grisaille of memory and passion. The form isn’t stridently avant-garde but rather radically experimental in the way that Bonnard, the chronicler of bourgeois bliss, is experimental – skewing dimension, masking figures, proceeding from icon to icon. Typically, Ondaatje ends a chapter not with an event but with a memory, an odour, a picture.

Ebenfalls aus der Erscheinungszeit in der Irish Times:
“The English Patient review: Love and loss in the desert fires”.

Ondaatje is a poet with a mythic imagination and this novel unfolds in prose of such breathtaking lyric and muscular beauty that the reading of it becomes almost a physical experience.

Der Guardian hat den Roman 2011 wiedergelesen:
“Booker club: The English Patient”.

Much has been said about the richness of Ondaatje’s writing, the sensuousness of his physical descriptions and his poet’s gift for using well-timed silences and ellipses to speak volumes. All that’s true. But the thing that impressed me most as I read the book this time around is its hard centre. It may come wrapped in musky perfume, but Ondaatje’s prose could go a few rounds with Hemingway and probably knock out Kipling, too.

  1. Merken Sie, wie ich der sprichwörtlichen Milchkanne ausgewichen bin? []

Journal Freitag, 5. Juli 2019 – Reha-Behandlungen und The English Patient

Samstag, 6. Juli 2019

Das Weckerklingeln nach neun Stunden Schlaf riss mich aus Träumen. Ich hätte gerne noch weitergeschlafen, hing dann auch beim Bloggen schlapp über meiner Tastatur – wo ich doch sonst morgens munter bin.

Tagesstart wieder “Freies Konditionstraining”, also nach einer Tasse Tee im Speisesaal als Anwesenheitssignal (damit sich niemand Sorgen macht, mir könnte nachts etwas passiert sein – so wurde die Bitte um Frühstücksteilnahme begründet): Crosstrainerstrampeln.

Ich verblöde. Meinen Sie, ich könnte mir auch nur drei Reha-Termine hintereinander merken? Aber nein, jeden schlage ich fünf bis zehn Mal nach. Dass der Umschlag meines Therapieplans schon jetzt ziemlich durchgenudelt aussieht, liegt vor allem daran, dass ich ihn bei bislang 15 Terminen sicher schon hundert Mal in der Hand hatte und nachschlagen musste.

Nächster Programmpunkt “Brain light” (Sie erinnern sich: Massage durch Sessel).

Entschuldigung, ich habe ständig diese Szene im Kopf.

Die Musik aus dem Kopfhörer stellte ich auf leisest, die Brille blieb dunkel (möglicherweise Teil des gewählten Programms, möglicherweise kaputt, mir war’s recht). Die Massage bestand aus vielen Knubbeln, die aus dem Sessel kamen, der Sessel veränderte den Winkel, der Druck entstand mit der Schwerkraft des eigenen Körpers und war angenehm. Ich bemerkte die asymetrischen Verspannungen meiner Rückenmuskulatur, am verspanntesten (also mit schmerzhaftester Reaktion auf den Knubbel) eine durchaus unerwartete Stelle. In der nächsten Runde lasse ich Kopfhörer und Brille einfach weg, auch wenn dann mein brain kein light bekommt.

Noch mehr Entspannung wenig später bei “Rotlicht”: Mit bloßem Oberkörper wurde ich bäuchlings auf einer Liege platziert, wärmendes Licht auf die Lendenwirbelsäule.

Zum Mittagessen nahm ich den Mittwochabend gekauften Hüttenkäse mit: Milchprodukte wie Quark und Joghurt gibt’s nur zum Frühstück, das ich ja auslasse.

Gestern ein kurzes Reha-Programm, nachmittags hatte ich nur noch einen Workshop “Rückengerechtes Arbeiten/PC”: Grundsätzliches, Anekdoten und Geschichten, aber wir konnten auch verschiedene ergonomische Bürostühle durchtesten. Einen solchen hat mir mein Arbeitgeber ja bereits gestellt, jetzt habe ich ein paar Ideen zu seinem sinnvollen Einsatz.

Allgemein: Schön anzusehen sind die Bewegungsmuster anderer Patientinnen und Patienten, an denen ich meine wiedererkenne, zum Beispiel die besonders vorsichtigen ersten Schritte nach dem Aufstehen von einem Stuhl (könnte ja sein, dass es in die LWS sticht oder dass ein Bein gerade nicht mag).

Nachdem es vormittags wolkig und frisch gewesen war, schien schon mittags wieder die Sonne von blauem Himmel. Nach Siesta (Kopfweh fast ganz weg) spazierte ich nochmal ins Örtchen.

Jetzt müsste ich aber wirklich durch sein.

Vögel bislang: Mauersegler, Amseln, Singdrosseln, Elstern, Eichelhäher, Grasmücke (letztere drei habe ich bislang nur gehört, nicht gesehen), aber auch mindestens ein unvertrautes Vogelgesinge. Ich war ja bisher nicht viel draußen.

§

Ich las Michael Ondaatjes The English Patient aus und habe einen Neuzugang auf meiner Lieblingsbuchliste. Ondaatjes Erzählkunst (ich kannte davor The Cat’s Table und Warlight) ist sehr beeindruckend, im English Patient webt er damit eine einzigartige Geschichte, mit vier einzigartigen Menschen, die 1945 in einer zerbombten toskanischen Villa, zuletzt als Frauenkloster genutzt, zusammenkommen. Es sind viele sehr bilderstarke Szenen, die Ondaatje mit wenigen Details und überraschenden Metaphern zum Leben erweckt. Es geht um nicht weniger als Liebe, wie sie Menschen erfasst, wie verschieden sie sich anfühlt, wie sie den Kern einer Persönlichkeit verändert oder auch nicht. Hana, die gebrochene, zwanzigjährige Krankenschwester aus Toronto, die gerade sie selbst wird. Der verbrannte Engländer, dessen gegenwärtiges Innenleben wir nie zu sehen bekommen, der nur aus Vergangenheit, historischer und kunsthistorischer Bildung besteht. Der Dieb Caravaggio, der Hana in Toronto hat aufwachsen sehen, jetzt ebenfalls gebrochen ist, aber anders als sie. Und Kip, der anglophile Sikh, eine isolierte Menscheneinheit, schwankend zwischen Vertrauen und Abgrenzung.

Ich mochte auch sehr die deutliche Erzählerstimme, die allerdings (nach meiner Zählung) nur an zwei Stellen explizit wird, einmal in einem die Leserschaft umarmenden “we” und dann im vorletzten Absatz des Romans, als sie Kips und Hanas Leben Jahrzehnte später skizziert: “She is a woman I don’t know well enough to hold in my wing, if writers have wings, to harbour for the rest of my life.”

§

Die jetzt-Kolumne von David Würtemberger, die ich seit Beginn sehr interessiert, bewegt und oft traurig lese:

Als Teenager führte unser Autor ein Online-Tagebuch. Es begleitete seinen langen, harten und oft einsamen Weg zu seinem Coming-out und zu der Person, die er heute ist. In dieser Kolumne schreibt er heute, mit 33, seinem jüngeren Ich die Briefe, von denen er glaubt, dass sie ihm damals geholfen hätten.

Die neueste Folge:
“Auch wer sich nicht für homophob hält, ist es oft”.

Journal Donnerstag, 4. Juli 2019 – Individualisierung der Reha

Freitag, 5. Juli 2019

Das waren gestern zusammengerechnet gut zwei Stunden Sport netto – akteptabel.

“Konditionstraining” stand als erster Programmpunkt in meinem Therapieplan für gestern, und zwar “Freies Training”. Meine Idee, einfach ein wenig früher aufzustehen und vor dem Frühstück eine Runde zu strampeln, dadurch vielleicht Appetit für ein Schälchen Quark mit Obst zu erzeugen, scheiterte an der Öffnungszeit der Trainingsräume um 7.30 Uhr (Frühstück 7.30-8.15 Uhr).

Na gut, also erst eine Tasse Tee um halb acht, dann zum Konditionstraining auf den Crosstrainer. Ich sah durch die gegenüberliegenden Fenster der Küchenmannschaft zu, die Herren trugen tatsächlich die hohen Kochmützen, die ich immer für reine Fotorequisite gehalten hatte. Ich schwitzte angemessen.

Für den Vortrag “Rückenerkrankungen” legte ich mein Handtuch über die Stuhllehne, um den Sportschweiß bei mir zu behalten. Tatsächlich ging es um Rückenschmerzen, die Infos waren also nicht wirklich für mich relevant: Rückenschmerzen habe ich ja praktisch nicht. Und dass über 90 Prozent aller Rückenbeschwerden unspezifisch sind und keine Erkrankungs- oder Unfallursache haben, wusste ich vorher. Interessant fand ich die wiederholte Aussssage des referierenden Arzts, Schmerzempfinden sei durch positive Gedanken zu lindern, und seine Empfehlung, schöne Gedanken zu haben und an der inneren Einstellung zu arbeiten. (Nächster Schritt wäre der Tipp gewesen, sich morgens im Spiegel zuzulächeln, doch so weit kam es nicht.) Das passte schön zur Behandlung von Stress als negativem Einfluss auf chronische Schmerzen: Den zu vermindern ist nämlich, ließ ich mir erklären, nicht Sache des Arbeitgebers, sondern der Arbeitnehmenden.

Wie schon beim medizinischen Vortrag am Mittwoch wurde eine einzige ganz konkrete Stressursache benannt: Handy/Smartphone. Weil das jeder habe und ständig draufschauen müsse (hier bei beiden vortragenden Herren lächerlichmachende Pantomime vorstellen).

Danach blieb mir noch ein wenig Zeit, meine Wasserflasche nachzufüllen, dann ging ich das am Vortag erarbeitete Maschinenprogramm an. Kraftttraining mag ich ja, doch am Vergnügen hinderte mich böses Kopfweh. Nach dieser Runde war auch die Cafeteria offen, ich holte meinen Morgencappuccino nach.

Duschen, Zivilkleidung: Mittagessen. Ich genoss die herzhafte, mit Soja und Mais gefüllte Paprikaschote auf Reis, am Salatbuffet gab es gehobelten Fenchel, den ich sehr schätze. Nachtisch Aprikose und Brombeerjoghurt. Gutes Essen!

Wegen Kopfweh legte ich mich zu einer Siesta hin, statt draußen in der Sonne zu lesen.

Erster Nachmittagstermin: Facharztvisite. Wir kamen überein, mir das “therapeutische Rückenschwimmen” künftig zu ersparen, ich bekam sogar einen Tipp für ein richtiges Schwimmbad: Das Freibad am Ort sei doch viel zu klein für eine Schwimmerin, im benachbarten Naila gebe es ein Freibad mit 50-Meter-Becken, ich solle doch dort am Samstag Schwimmen gehen – und am besten einen gemütlichen Tag dort verbringen. Individueller Therapieplan or what?

Rückenschule, Unterrichtseinheit 1 von 6, die sich über die nächsten Wochen verteilen: Ein Physiotherapeut erklärte Wirbelsäulentheorie – sehr interessant. Unter anderem erfuhr ich, woraus ein Schleudertrauma eigentlich besteht.

Zum Abschluss des Rehatages zog ich mich nochmal fürs Hallenbädchen um: “Gruppe Bewegungsbad” war Wassergymnastik und zwar eine überraschend anspruchsvolle halbe Stunde, in der gegen den Wasserwiderstand trainiert wurde. Das darf gerne im Therapieplan bleiben.

Mit meiner fünfköpfigen Tischgesellschaft im Speisesaal bin ich sehr zufrieden: Niemand redet. Man wünscht einander freundlich lächelnd guten Morgen, sagt Hallo, “Guten Appetit”, verabschiedet sich “Bis später”, ansonsten herrscht meist entspanntes Schweigen. Schön.

Ich spazierte nochmal durch Kurpark und Ort zum Supermarkt am Bahnhof, holte Obst. Die Erbeeren gab es gleich zurück auf dem Zimmer.

„Alte Wehrkirche“ St. Walburga.

Weiterhin Kopfweh und große Müdigkeit bis zum Gähnen, ich ging sehr früh Schlafen.

§

Ich lerne gerade wieder viel über Europa: Die Nominierung von von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin wird viel und kontrovers kommentiert, die fundiertesten Kommentare davon sind für mich Unterricht (z.B. dieser von Stefan Ulrich in der gestrigen Süddeutschen), in dem ich mal wieder das Ausmaß meiner Ahnungslosigkeit sehe. Weswegen ich selbst mich mit einer Beurteilung aber schon sowas von zurückhalte.

Journal Mittwoch, 3. Juli 2019 – Rehawörter

Donnerstag, 4. Juli 2019

Mal sehen, wann das hier mit wirklich sportlicher Bewegung losgeht – selbst an normalen Bürotagen bewege ich mich so viel wie hier in den vergangenen beiden Tagen. (Das ist ein sehr detaillierter Post, weil ich zwischen allen Tagesordnungspunkten Zeit zum Aufschreiben hatte.)

Gestern war das Sporthindernis, dass weiter eingeführt wurde. Der Tag begann um 6.45 Uhr mit Blutabnahme, Übergabe des Therapieplans für die nächsten Tage und “Bufettschulung” – letzteres bekam sofort einen Platz unter meinen Lieblingswörtern, bedeutete aber lediglich, dass Grundsätzliches zu Mengen, Bestandteilen und Kaloriengehalt der angebotenenen Speisen gesagt wurde. Anschließend theoretisch Frühstück, das halt auch hier viele Stunden vor Einsetzen meines Appetits liegt. Die eine Chance, die ich dem Kaffee gab, bleibt die letzte, am Donnerstag probiere ich Schwarztee. Die harten grünen Birnen, die das einzige angebotene Frischobst waren (im Juli), ließ ich liegen.

Blick aus meinem Zimmerfenster.

Ruhe-EKG, dann die erste Einführung: Hier gibt es keine Menschen für Massagen, sondern eine Maschine, die “Brain light” heißt (ich erfinde nichts). Sie besteht aus einem gigantischen Lederfernsehsessel, in dem man Kopfhörer und eine Brille aufsetzt: Je nach gewähltem Programm (es gibt ca. 30) kommen aus dem Kopfhörer aufmunternde Worte und Musik oder nur Musik; die Brille, so hieß es, machte therapeutische Farben, Blitze, Funken. Die Maschine sah sehr teuer aus, ist aber sicher immer noch günstiger als ein Mensch – der ja eine aufwändige Ausbildung braucht, um sich, anders als die Maschine, auf jeden Patienten einstellen zu können. Am Freitag habe ich den ersten Anwendungstermin dafür.

Hausdurchsage über Lautsprecher: Heute werden die Klinik mit einer Drohne gefilmt, man möge zwischen 8.30 und 10.30 Uhr die Zimmerfenster schließen und die Jalousinen oben lassen.

Zweite Einführung: Vortrag “Grad der Behinderung”. Eine Expertin erläuterte Gesetzeslage, bürokratische Abläufe und alle Formulare, die es für den Antrag auf Schwerbehinderung braucht, inklusive Formulierungs- und Terminierungstricks. Ich war ein wenig verstört über Satzanfänge wie “wer das Glück hat, 50 Prozent zu bekommen”, weil ich bislang davon ausgegangen war, dass eine Schwerbehinderung weder ein Lottogewinn noch ein Karriereschritt ist.

Obwohl mein Kopfweh fast weg war, fühlte ich mich matschig und enegielos, die Pause bis zur nächsten Einführung nutzte ich also nicht für Ortserkundung, sondern Rumlungern und nach Öffnung der Cafeteria für einen Vollautomaten-Cappuccino.

Die nächste Gruppeneinführung war eine Anleitung Ergometer – mein erstes Mal auf dem klassischen Trimmdich-Rad. Nein, das wird nichts für mich, mir tat der Po schon nach wenigen Minuten weh, meine Lendenwirbelsäule jammerte, und Konditionstraining im Sitzen fühlte sich albern an. ABER! Das erste Mal Schwitzen seit Ankunft.

Mittagessen um halb zwölf, jetzt hatte ich Hunger. Salätchen, Rindergulasch (die vegetarische Alternative wäre Pizza gewesen), eine überraschend aromatische Banane.

Ein Stündchen Sitzen und Lesen im Freien, dann das sportliche Highlight des Tages: “Anleitung Trainingstherapie” stellte sich als Geräteeinweisung im Maschinenraum heraus. Natürlich genoss ich die Erkenntnis der Trainerin, dass sie es mit einer erfahrenen und recht kräftigen Patientin zu tun hatte – und es freute mich, dass sie auf dieser Basis die eine oder andere Erschwernis in meinen Trainingsplan einbaute (Wackelkissen!). Woran ich mich wohl gewöhnen muss: So kurz nach dem Mittagessen machte sich beim Sport der Mageninhalt bemerkbar. Zur Erinnerung: Ich kann nur mit wirklich leerem Magen unbeschwert hüpfen, schwimmen, heben. Das ist bei einem Bewegungsprogramm verteilt über den Tag zwischen acht Uhr morgens und vier Uhr nachmittags nicht durchzuhalten.

Während der Eingangsuntersuchung hatte der Arzt den Kopf darüber geschüttelt, dass ich als Schwimmstil Kraul angab, das sei nicht gut für die Lendenwirbelsäule (ich wollte nicht renitent sein und nachbohren, ob er mich denn schon mal habe kraulschwimmen sehen und mir erklären könne, was an dieser stabilen Wasserlage ohne Hohlkreuz und mit minimalem Beinschlag – beides im Gegensatz zu Brustschwimmen – bitte schlecht für die LWS ist), ich müsse rückenschwimmen. Ok, witterte ich meine Chance, aber dann müsse ich das mal systematisch beigebracht bekommen. Seine Miene hellte sich auf: Das könne man im Therapieplan eintragen. Und so ging ich gestern Nachmittag in Badeanzug und Bademantel zu “Therapeutisches Rückenschwimmen”.

Im Schwimmbecken die große Enttäuschung: Man brachte mir und vier weiteren Patientinnen keineswegs Rückenkraulen bei. Kennen sie diese Schwimmbahnen blockierenden Menschen, die auf dem Rücken im Wasser liegend vage mit Armen und Beinen wedeln? Das ist therapeutisches Rückenschwimmen. Es wurde mir als Entspannungstechnik erklärt, dezidiert keine Sportart. Weiß ich das also auch, zudem dass es sehr, sehr langweilig ist, wenn man es 40 Minuten im Kreis machen muss. Hoffentlich war das ein einmaliger Programmpunkt.

Abschluss des Reha-Tags waren zwei Vorträge der Klinikleitung. Der des medizinischen Leiters lautete “Einführung in die Rehabilitation”, war interessant und diente am ehesten dem Erwartungsmanagement: Was kann eine Reha hier im Haus und was nicht. Unter anderem erwähnte er die aktuelle Forschung zur Rolle der Faszien (wohl für die Beweglichkeit bis vor Kurzem stark unterschätzt, hingegen verabschiedet man sich auf der Basis von Evidenz gerade vom flächendeckenden Einsatz der Faszienrollen) und wies darauf hin, dass man bei chronischen Schmerzen den Schmerz ruhig auch mal ignorieren kann, wenn er sportlicher Bewegung im Weg steht. HA! Joggen, du hast mich wieder. Kann ich halt danach ein bis zwei Tage nicht aufrecht gehen, egal. (Zudem weiß ich jetzt, warum man mit meiner CD mit MRT-Bildern nichts anfangen konnte: Externe Datenträger dürfen aus Sicherheitsgründen nicht gelesen werden.)

Der kaufmännische Leiter erzählte rund um die Klinik, erklärte Hausregeln und ihre Gründe – es ist sicher nicht einfach, solch einen Laden zu managen. Und er warnte davor, in Social Media (er nannte konkret Facebook) Fotos von vergnüglichen Seiten der Reha zu posten, z.B. von Kaffee und Torte aus einem Bad Stebener Café: Er deutete an, dann könnten sich böswillige Kollegen oder die vergnatzte, weil allein gelassene Familie in der ablehnenden Haltung einer Reha gegenüber bestätigt sehen. Auch das hatten wir nicht kommen sehen, als wir das Web vor 20 Jahren mit “Everybody has a voice!” bejubelten.

Nach dem Abendessen fühlte ich mich munter genug zu einer Ortsbesichtigung (außerdem fehlte mir Draußenbewegung).

Musikpavillon im Kurpark.

Kurtheater.

Bad Steben verfügt nicht nur über auffallend viele Bäckereien/Konditoreien, sonder auch über zahlreiche offensichtlich handwerkliche Metzger – Franken halt. Im großen Edeka am Bahnhof holte ich mir ein Steckerleis. Rechtzeitig für die Tagesschau war ich wieder auf meinem Zimmer.
Temperaturen insgesamt sehr angenehm, es war schön sonnig, aber nicht heiß.

§

Ich lese begeistern Ondaatjes The English Patient, möglicherweise zum ersten Mal. Der Mann schreibt auch hier derart atmosphärisch dicht, ohne zu überfrachten – drei Sätze, und er hat mich in eine andere Zeit und in ein anderes Land mitgenommen. Insgesamt vorwärts, aber nicht linear chronologisch erzählt, wechselnde Innensichten – umso mehr fällt die bislang fehlende auf.

Journal Dienstag, 2. Juli 2019 – Anreise zur Reha und erste Schritte

Mittwoch, 3. Juli 2019

Die Reha-Unterlagen hatten ein Reiseformular enthalten, das ich mit gewünschter Ankunftszeit an die Bahn schicken sollte. Das tat ich. Die Bahn schickte mir eine Fahrkarte für Abfahrt in München kurz vor sieben zurück, ich würde also knapp drei Stunden vor gewünschter Ankunftszeit eintreffen.

In München hatte es nachts immer wieder geregnet, auch morgens gab es Gewitter. Ich genoss ein letztes Mal guten Milchkaffee und rollkofferte im Regen zum Bahnhof.

Ereignislose Zugfahrt mit Umsteigen in Nürnberg und Hof, ich las vier liegen gebliebene Süddeutsche.

Den Kilometer vom Bahnhof zur Klinik ging ich zu Fuß, um wenigstens etwas Bewegung zu bekommen.

Bis mein Zimmer fertig war und ich zum Aufnahmegespräch in die Station konnte, war noch ein wenig Zeit, ich setzte mich in den Klinikgarten.

Ob auf Station oder bei der Aufnahmeuntersuchung: Formulare alle auf Papier, ich wurde viele Dinge mehrfach gefragt. Die mitgebrachte CD mit den jüngsten MRT-Aufnahmen wurde schulterzuckend zur Seite gelegt: “CD geht nicht”. Ob ich nicht den Befund des Röntgenologen (auf Papier) dabei hätte? Nein, hatte ich nicht. Allerdings bin ich sicher, dass mein Orthopäde, der die Reha beantragt hat, dem Antrag Befunde begelegt hat – anscheinend waren sie nicht bis in die Klinik gelangt. Zumindest meinen BMI durfte der Computer ausrechnen.

Die sehr herzliche Stationsschwester schnaufte: Aus Datenschutzgründen dürfe man Patienten ja nicht mehr namentlich ausrufen (ein neues Beispiel für die DSGVO-Apokalypse von @kattascha?), deshalb bat sie mich um meine Mobiltelefonnummer. Werde ich also mein Telefon immer bei mir tragen müssen.

Ich warte noch die morgigen Untersuchungen und den angekündigten Therapieplan ab, dann habe ich mal wieder was fürs Techniktagebuch. Vor allem Abwesenheit von Technik.

Sonst kennen ich es ja, dass allein die Anwesenheit einer Ärztin oder die Wartezimmerumgebung Beschwerden verschwinden lassen; gestern hatte ich nach der Untersuchung Schmerzen wie zuletzt nach dem Joggen. Und dann auch noch böse Kopfschmerzen – Hinlegen half nicht, Ibu half nicht.

Mittags hatte ich im Garten nur meine restliche Brotzeit gegessen (Breze mit Sonnenblumenkernen, ein paar Aprikosen), also wartete ich richtig rentnermäßig mit Sehnsucht auf den Abendessenbeginn um 17.30 Uhr – wie offensichtlich alle anderen auch, Abendessen ist nämlich nur bis 18.15 Uhr. Mir wurde ein fester Platz an einem Tisch zugewiesen, früher oder später werde ich mich mit den anderen festen Menschen dort unterhalten müssen (es wurden bereits Namen ausgetauscht, man duzt). Es gab ein wenig Rohkost, Wurst, Käse, Antipasti-Gemüse, Brot.

Ich stellte fest: Von meinem Zimmer aus höre ich einen Hahn krähen.

Um halb acht gab es für die Neuankömmlinge eine Führung durchs Haus, doch orientiert bin ich noch lange nicht. Highlight: “Hinten rechts ist Internet, das ist kostenlos.” (WLAN hingegen kostet, und zwar 1,80 Euro pro Tag, da ist Fernsehen allerdins drin. Funktioniert übrigens tadellos.)

Mehr Technik: Ich habe für die drei Wochen Reha mein Süddeutsche-Abo auf digital umgestellt – weil mir eine Freundin so davon vorgeschwärmt hatte, die sich während einer längeren Krankheitspause so wieder mit einem Tageszeitungsabo angefreundet hatte. Ich verstehe ihre Begeisterung: War ich ja schon bei meinem ersten Test vor ein paar Jahren angenehm überrascht von der Digital-Version der SZ gewesen, wurde die Funktionalität jetzt weiter für meine Ansprüche verbessert, ich habe mehr das seitenweise Lesegefühl wie bei der Papierzeitung.

§

Wie Sie ja mitbekommen haben, habe ich den diesjährigen Bachmannpreis nicht mitbekommen. Auf Twitter las ich Live-Kommentare, vor allem waren alle meine Befolgten höchst angetan von Clemens Setz’ Rede zur Literatur. Die las ich endlich hinterher und folgte der Angetanheit:
“KAYFABE UND LITERATUR”.

Journal Montag, 1. Juli 2019 – Endspurt zur Reha, Hochsommerende

Dienstag, 2. Juli 2019

Unruhiger Schlaf, zu früh aufgewacht.
Haushaltliche Geschäftigkeit (Spülmaschine ausgeräumt, Wäsche aufgehängt – ausnahmsweise auf dem Balkon, um dem Putzmann nichts in den Weg zu stellen, Pflanzen gegossen), dann erst Morgenkaffee.

Abschied von der Theresienwiese als Wiese. Bereits vor acht war es heiß.

Ein heftiger Arbeitstag – es war eine gute Idee gewesen, für diesen einen Tag ins Büro zu gehen, ich konnte einiges wegschaffen, was mich in drei Wochen in Panik versetzt hätte und mit einer Kollegin Geburtstag feiern.

Schon kurz nach Mittag zog ein Gewitter auf, ich dachte mit Bangen an meine Wäsche auf dem Balkon: Diese Kleidung wollte ich ja in die Reha mitnehmen. Als Herr Kaltmamsell heimkam, stellte er fest, dass der Wäscheständer in den Wohnzimmer gestellt worden war, vermutlich vom lieben Putzmann.

Später Feierabend, auf dem Heimweg wieder ein Gewitter, aber mit nur wenigen Regentropfen. Ich kaufte Proviant für die Reha – ich rechne mit drei Wochen höchstens mäßigem Essen, wenigstens gute Schokolade und Röstnüsschen sollen mich bei Laune halten. Ein wenig Sorge bereitete mir, dass der Atemwegsinfekt, der noch nicht zu hundert Prozent kuriert war, von Neuem die Luftröhre zu attackieren scheint.

Daheim roch es bereits fantastisch, Herr Kaltmamsell kochte aus Ernteanteil-Blumenkohl und -Koriander Alu Gobi. Ich bügelte restliche Wäsche, nach dem Abendessen packte ich für Temperaturen zwischen 15 und 35 Grad.

Im Bett las ich einen Kinderbuchklassiker (?) aus: Ponzl guckt schon wieder von Dagmar Chidolue. Mit seiner Erzählperspektive ganz konzentriert auf die Hauptperson Laura gut gemacht, dadurch auch kunstfertig indirekt erzählt, ungewohnte Themen für ein Kinderbuch (u.a. alleinerziehende Mutter, Büroarbeitswelt), ohne dass es auf erwachsene Leser hin thematisiert würde. Nun kenne ich mich auf dem Kinderbuchmarkt der vergangenen 40 Jahre wirklich nicht aus, doch das hier scheint mir ein besonderes Buch zu sein.