Archiv für September 2019

Journal Mittwoch, 4. September 2019 – Abendessen im Sommerkleid

Donnerstag, 5. September 2019

Durchgeschlafen.

Sonniger Tag: Ich konnte nochmal ein Sommerkleid tragen, mich zudem für den Feierabend mit Herrn Kaltmamsell auf ein Abendessen im Draußen verabreden.

Aber erst mal Orthopädentermin. Die Schilderung meiner immer stärkeren Beschwerden beendete ich vorsichtshalber mit: “Ich stell mich wirklich nicht einfach nur an!” Darauf Dr. Orth. so: “Wer behauptet das denn?” Ich so: “ICH denke das immer als Erstes!”

Das Röntgenbild ergab lediglich leichte Arthrose in der schmerzenden Hüfte. Als ich also abwinken wollte, wies Dr. Orth. darauf hin, dass Röntgenbild das eine, meine Schmerzen aber das andere seien. Er schickte mich nochmal zum MRT, um weiter nach der Ursache der Verschlechterung zu forschen.

U-Bahn in die Arbeit. Mittags Pfirsiche mit frischem Thymian (Rest aus Ernteanteil) und Manouri: Sehr passende Kombination.

Nach Feierabend traf ich mich mit Herrn Kaltmamsell im Westend in der empfohlenen Osteria Bianchi. Wir setzten uns an der Gollierstraße in die Sonne.

Amalfi Spritz (mit Limoncello – arg süß) und Campari Vino.

Es gab gemischte Vorspeisen (in der Mitte des Tellers, von Salat verdeckt: Thunfisch-Tartar).

Dann zweimal Pasta: Carbonara für ihn (seine selbst zubereitete ist besser), Ravioli mit Kürbisfüllung für mich (ein wenig blass).

Zur Tagesschau waren wir wieder daheim (die Soap Opera Brexit hat neue Ebenen der Absurdität gefunden, keine Lösung in Sicht).

Teure edle Winterkleidung bestellt. Ich muss wirklich ein paar abgetragene Kleidungsstücke wegwerfen (seit zwei Jahren rede ich mir ein, dass sie zumindest als Schlumpfklamotten für daheim noch gehen, habe sie dann aber tatsächlich nur zweimal pro Saison getragen). Wenn die bestellten Sachen passen (Kleid, Hose, Pulli, Schuhe), sollten sie wie ihre Vorgänger wieder mehr als zehn Jahre halten.

§

Der Podcast, an dem auch Anke Gröner mitwirkt, wird von der Süddeutschen in der Serie “Kultur-Podcasts aus München” vorgestellt:
“Kulturverkostung”.

Journal Dienstag, 3. September 2019 – Gemüseklau, spanischer Salat, englischer Sekt

Mittwoch, 4. September 2019

Gut geschlafen, hätte ich auch noch länger haben können.

Genau in dem Moment nach der Zeitung vor die Tür geschaut, als der Zeitungsbote aus dem Aufzug kam. Er freute sich offensichtlich über die Begegnung so sehr wie ich, wir strahlten einander an, wünschten einen guten Morgen und einen weiteren schönen Tag – ganz schlecht konnte dieser Tag schon nicht mehr werden.

Mühsamer Gang in die Arbeit, zusätzlich erschwert durch einen Sack Münzen (Urlaubskasse aus dem Topf, in den wir jeden Abend alles Kleingeld aus der Geldbörse leeren), der sich allerdings im stabilen Rucksack deutlich leichter trägt als in einer Schultertasche.

Sonnentag mit wunderbarer Luft, der Herbst erst weit entfernt erahnbar.

Vormittagssnack wegen überraschenden Mörderhungers eine ordentliche Portion Nüsse, mittags Pfirsiche mit Dickmilch und eine Breze.

Verhältnismäßig pünktlicher Feierabend, um noch zu Schalterzeiten zur Bank zu kommen und meine Münzen einzuzahlen. Der Weg durchs Westend in goldener Sonne war besonders schön.

Nach den Bankgeschäften (ich musste zum ersten Mal am Schalter Schlange stehen) ging ich noch beim Lieblings-Süpermarket vorbei. Und sprach dann doch den Mann an, der sich durch die Kirsch- und Datteltomaten futterte: Ob er die nicht erst mal zahlen wolle? Er probiere nur, welche am besten seien, das mache er immer so. Wir gerieten in Streit, weil ich das unakzeptabel und Diebstahl fand, er argumentierte, er kaufe hier schon seit drei Jahren ein und es habe sich noch niemand an seinem Verhalten gestört. Nun, das seien hier halt höfliche Leute, sagte ich, er bezeichnete meine Reaktion als “deutsch”. Ich machte mich davon, weil ich sehr aufgebracht war und bereits zu zweifeln begann, ob ich mich überhaupt hätte einmischen sollen.

(Doch, auch nach längeren Nachdenken finde ich meine Intervention korrekt, die ja deutlich niederschwelliger ist als für die Besitzer des Familiengeschäfts. Zudem hatte der Mann bei den teuren Kleintomaten sicher gerade Brotzeit im Wert von ein paar Euro gestohlen. Wenn ich mich beim Einmischen nur nicht immer so aufregen müsste.)

Daheim gab es zum einen selbst gemachte gefüllte Nudeln (die Reste des Nudelteigs für Lasagne vor ein paar Wochen hatte Herr Kaltmamsell mit Feta und frischer Minze gefüllt) mit Butter, dazu hatte ich Zutaten für den spanischen Salat meiner Kindheit besorgt: Romanasalat (lechuga), milde Metzgerzwiebel (cebolla), Tomaten (tomate – korrekt wären allerdings riesige Fleischtomaten gewesen, die leider heutzutage nach nichts mehr schmecken), angemacht mit Salz, Pfeffer, schlichtem Essig und Öl. Ich glaube mich zu erinnern, dass das in den Spanienurlauben meiner Kindheit keineswegs Olivenöl war, das wäre zu teuer gewesen, sondern irgendein billiges Pflanzenmischöl – muss ich aber erst noch durch meine Eltern verifizieren. Gestern verwendete ich köstliches griechisches Bio-Olivenöl.

Im Glas englischer Schaumwein, den wir aus Brighton mitgebracht hatten: Plumpton Estate Brut Classic aus Sussex, der trocken und säuerlich frisch war, mir sehr gut schmeckte.1

§

Unsere Medien ebnen Neonazis in unserem Land den Weg, und Mely Kiyak muss zurecht über die Berichterstattung nach den Landtagswahlen vom Sonntag kotzen:
“Der Faschismus hat keinen moderaten Flügel”.

Jede Stimme für die AfD ist ein Einspruch gegen die westdeutsch geprägte Demokratie mit ihrem Pluralismus und ihrem Streben nach Minderheitenrechten. AfD-Wähler wollen Macht über alle diejenigen, die sie als Zumutung empfinden.

Ich bin mir sehr bewusst, dass einem nationalistischen Regime völlig schnurz wäre, welchen Pass ich habe, wo ich seit 30 Jahren Steuern zahle oder wo ich geboren wurde – wegen meiner Herkunft würde ich nicht als Deutsche angesehen.

Wenn man von der AfD nicht gemeint ist, ist es sicher leichter, die Ruhe wegzuhaben.

  1. Und Plumpton Estate, finde ich gerade heraus, ist ein College! “The award-winning Plumpton Estate sparkling and still wines are produced by our enthusiastic and talented students, working alongside a team of vinegrowing and winemaking experts.” Es scheint sich um eine Landwirtschaftsschule zu handeln – ich bin allerdings irritiert, weil nirgends der Begriff agriculture auftaucht, sondern überall von “land-based education” geschrieben wird. Hat das damit zu tun, dass Landwirtschaft in England einer anderen und hierarchisch deutlich höheren Gesellschaftsschicht zugeordnet wird als in Deutschland, nämlich der gentry? Deshalb auch keine Bilder von Menschen im Arbeitsoverall an Maschinenpark, sonder von hübschen Frauen mit Pferden? []

Journal Montag, 2. September 2019 – Hinkkünstlerin

Dienstag, 3. September 2019

Unangenehm, einen Montag mit Aussicht auf eine unangenehme Arbeitswoche zu beginnen.

Das Wetter hatte wie angekündigt umgeschlagen, ich radelte in Jeansjacke und leicht angetröpfelt ins Büro.

Schmerzen und Hinken waren gestern besonders schlimm, ich versuchte es Reha-anweisungsgemäß mit Ignorieren. Und siehe da: Im Lauf des Tages konnte ich sogar den einen oder anderen Schritt wie ein Mensch ohne LWS- und Hüftprobleme machen.

Berufliche Erfolge: Kolbenfüller nachgetankt, ohne eine Sauerei zu verursachen, ohne auch nur ein bisschen bekleckst zu werden.

Nach frühem Feierabend Termin bei der Anfasserin. Nachdem ich auf ihre Frage nach meinem Befinden “schlecht” antworten musste und das mit vielen hochkomischen Details illustrierte, bewunderte sie meinen unverwüstlichen Humor und bot eine Gesamtlockerungsmassage an. Angenommen. Als sie mich auf den Rücken legte, schob sie mir zudem Wärmekissen unter – allein die taten schon gut. Und eine Stunde später ging ich tatsächlich aufrechter und mit deutlich weniger Schmerzen.

Herr Kaltmamsell hatte einen großen Zucchino aus Ernteanteil mit einem Gerät zu Spaghetti-artigen Streifen geschnitten, servierte sie mit zweierlei Sößchen. Gut! Allerdings nicht sehr sättigend, es brauchte noch viel Schokolade und weitere Süßigkeiten.

Montagabend kommt nichts im Fernsehen, was bei Nebenbeilaufenlassen nicht stört – ich ging besonders früh ins Bett, um zu lesen und weil ich auch noch sehr müde war.

§

Katja Berlin schreibt übers Sprachenlernen in Berlin:
“Multikulti in der Hauptstadt
Berlin ersetzt jede Sprachlern-App”.

Ich habe ihr angeboten, sie mal in Olympiabad mitzunehmen, wo eine echte Bissgurk’n an der Kasse Kommunikation nur auf Bayerisch akzeptiert und sich bei Menschen mit ausländischem Akzent komplett dumm stellt. Noch eine Fremdsprache!

Journal Sonntag, 1. September 2019 – Sommerabschied über Eisdiele und Rosengarten

Montag, 2. September 2019

Der Sommer ist nett zu uns und verabschiedet sich nicht ruckartig. Gestern gab er uns nochmal fast den ganzen Tag, erst am späten Nachmittag frischte der Wind auf und brachte Wolken.

Nach guter Nacht bekam ich nochmal Balkonkaffee, allerdings war es schon frisch geworden. Ich bekam auch nochmal Eichkätzchentheater: Zwei fast schwarze jagten einander die Kastanien hoch und runter, sprangen über die Äste, hüpften wild umeinander auf der Wiese. Eigentlich erinnern sie doch mehr an Äffchen denn an Kätzchen (und was sollen eigentlich Hörnchen sein?).

Dazwischen kreuzte eine Stadttaube – zwischen all der Eichkatzanmut wirkte sie behäbig und tramplig.

Sportprogramm: Faszienrolle, Crosstrainer, Rumpfgymnastik von Fitnessblender – die Schmerzen und Bewegungseinschränkungen hindern mich an immer mehr Übungen aus gewohnten und oft durchgespielten Programmen.

Mittags war ich in einer Eisdiele verabredet, ich beschloss, dass das eine Frühstücksverabredung war. Durch sommerliche Sonne und Temperaturen spazierte ich nach Untergiesing.

Das Dibello hat wirklich gutes Eis. Wir brachten einander auf den neuesten Stand, gute Nachrichten.

Rückweg über den Rosengarten.

Semmeln (so ganz reichte das Eis als Frühstück doch nicht), ein bisschen Siesta, Zeitungslesen auf dem Balkon, Bügeln. Im Fernsehen die leider nicht überraschenden Ergebnisse der Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg.

Einschlafen zu ersten Regengeräuschen.

§

Zwei Artikel meiner Süddeutsche-Lektüre möchte ich Ihnen weitergeben: Zum einen einen schönen über die Münchner Wohnungswelt. Nein, da brauchen Sie gar nicht so zu schaun: Wenn das Haus Privatleuten gehört, sind das auch in München oft sehr verantwortungsbewusste Vermieter, deren Ziel nicht ist, so viel Geld wie möglich aus der Immobilie zu schlagen (was im Gegensatz dazu das explizite Ziel von Investitionsfirmen als Besitzer ist).

Hier die Geschichte eines Hauses aus der Vorkriegszeit, das vor Kurzem sehr verantwortungsbewusst verkauft wurde:
“Manche Vermieter sind ein großes Glück”.

§

Zum anderen einen schlimmen über das neue Waldsterben, das verheerender ist als das vom sauren Regen verursachte:
“Wie die bayerischen Wälder sterben”.

In Ostbayern erwischt es die Fichten, in Franken vertrocknen die Kiefern. Innerhalb weniger Jahre haben die Schäden ein gewaltiges Ausmaß angenommen – und das dürfte nur der Anfang sein.

(…)

Überall Dürre, Stürme, Borkenkäferplagen. Das Waldsterben 2.0 ist kein lokales Phänomen, sondern Folge der weltweiten Klimakrise. Beim Waldsterben in den Achtzigern gab es Baumarten, die resistent waren gegen Schwefeldioxid. Doch für die Klimakrise ist jede Baumart anfällig, da sich die Wuchsbedingungen generell verändern.

§

Maik Novotny möchte im österreichischen Standard eigentlich über klimafreundliche Architektur schreiben, verliert dann aber den Mut:
“Was die Architektur gegen die Klimakatastrophe tun kann”.

Journal Samstag, 31. August 2019 – Nochmal alles aus dem Sommer holen

Sonntag, 1. September 2019

Laut Wettervorhersage nun wirklich der letzte richtige Sommertag (und laut Jahreszeit – die Tage sind bereits deutlich kürzer), in den mussten so viele Sommerdinge wie möglich passen:
– Morgenkaffee auf dem Balkon (unter der Woche ist es mittlerweile zwischen sechs und halb sieben zu dunkel dafür)
– Freibadschwumm mit Sonnenbaden
– Eiskaffee (geht praktisch nur daheim, weil ich ihn hier koffeinfrei zubereiten kann – zu üblichen Eiskaffeezeiten ist es für mich bereits zu spät am Tag für Koffein)
– Biergartenbesuch im Hirschgarten

Nach einer unruhigen Schmerzensnacht begann ich den Tag mit Backen: Käsekuchen nach Ketty Thull. Durch das Schwärmen der Luxemburger Gastgeber von diesem Kuchen waren wir vor einer Woche überhaupt auf das Kochbuch gekommen.

Seine Zubereitung ist tatsächlich ungewöhnlich: Das Backen wird alle zehn Minuten unterbrochen, um die Füllung vom Teig zu lösen, “damit sie aufgehen kann”. Und abkühlen soll der Kuchen gestürzt.

Balkonkaffee, während der Kuchenteig kühlte.

Lange ein Eichhörnchen in der Kastanie beobachtet. Ich wurde auf es aufmerksam, weil ich es keckern und glucksen hörte. Bislang höre ich die Stimme von Eichhörnchen nur, wenn sie alleine sind. Dieses Hörnchen fand einen Plastikumschlag in einem ungeordneten Stapel Baumaterial und war sehr fasziniert. Es tapste und riss lange daran herum, nachmittags sah ich es damit forteilen.

Käsekuchen kühlt gestürzt.

Ich duschte und packte meine Badesachen. Auf dem Weg zum Schyrenbad brachte ich zwei paar Sommerschuhe zur Schusterin zum Reparieren – haben beide noch mindestens eine Saison in sich.

Das Schyrenbad leuchtete in Freibadfarben (knallblauer Himmel, andersknallblaue Schwimmbecken, knallgrüne Bäume und Wiesen, bunte Sonnenschirme und Badekleidung) und war gut besucht. Auf den Schwimmbahnen mittelviel Betrieb, ich konnte meine Bahnen gut über dem glitzernden Boden ziehen.

Umziehen und Sonnencremen, dann legte ich mich mit Musik in den Ohren auf die Wiese.

Es ließ sich gut aushalten, die Sonne brannte nicht zu heiß. Ich brotzeitete Pfirsiche und eine Nektarine.

Um drei war ich Freibad-gesättigt und ging heim.

Blick von der Wittelsbacherbrücke.

Die Hagebutten im Südfriedhof winken bereits das Sommerende herbei.

Zurückgestürzter Käsekuchen.

Kaffeeundkuchen im Sommer.
Das Besondere am Käsekuchen war der knusprige Boden, die Füllung überraschte mich mit verhältnismäßiger Fluffigkeit trotz hohem Fettgehalt (Sahnequark plus Schlagsahne).

Ich stellte die monatlichen Lieblingstweets zusammen, bis es Zeit war zum Biergarten aufzubrechen. Wir radelten in schräger Abendsonne zum Hirschgarten.

Eins meiner seltenen Gelüste auf Currywurst mit Pommes.

Große Biergartenliebe: Hinter mir guckten Menschen auf dem Smartphone türkische Familienfeier, rechts von mir spielte ein Vater mit seiner kleinen Tochter Schach, zwei Tische weiter aß jemand zur Radlermaß mit Stäbchen, am nächsten Tisch dichtes Vorkommen von Man Buns und langen Vollbärten, mal mitgebrachte Tischdecken mal nacktes Holz unter Brotzeiten in Tupperschüsseln, ganz kleine Kinder, mittelgroße Kinder, zwei Herren, jeweils einzeln an ihren Tischen, tauschen Schwiegermuttererlebnisse aus – im Biergarten mag ich Bayern am liebsten.

Und dazu: Hirsche.

Als wir kurz vor acht heimradelten, brauchten wir schon Licht am Fahrrad. Die Hackerbrücke voll besetzt, viele junge Gesichter beleuchtet vom Sonnenuntergang.

Dieser Tage hatte mein Blog 16. Geburtstag. Es ist nun schon so alt, dass ich mich in den Texten der ersten Jahre nicht wiedererkenne. Danke Ihnen fürs Mitlesen und die Gewogenheit.