Journal Freitag, 4. Oktober 2019 – Warmschwumm und Puckfrühstück an St. Brück
Samstag, 5. Oktober 2019 um 9:20Obwohl ich St. Brück feierte, stand ich früh wie immer auf: Es hätte mich geschmerzt, Herrn Kaltmamsell keinen Milchkaffee kochen zu können.
Ernsthafter Beginn der Heizperiode. Nachdem mehrere Analysen der Klimafreundlichkeit meines Lebensstils ergeben haben, dass meine weitaus größte Schwachstelle die Wohnung ist, versuche ich dieses Saison mal bewusst weniger zu heizen. Das wird bedeuten: Die Tür zu nicht genutzten Räumen zu schließen – und damit auf das Gefühle der Großzügigkeit und Fülle zu verzichten, das ich bei durchwegs offenen Türen zu allen Räumen (außer Klo) in unserer großen Wohnung immer genossen habe. Es bedeutet auch: Noch ein Pulli und noch ein Paar Socken statt Höherdrehen der Heizung. Mal sehen, ob das funktioniert, denn an manchen Wintertagen, nicht mal unbedingt den eisigsten, war das Wohnzimmer nur mit beiden voll aufgedrehten Heizungen plus dickem Pulli warm zu bekommen. (Und ich halte mich wirklich nicht für verfroren.)
Der früher Start in den Tag ermöglichte mir einen verhältnismäßig frühen Aufbruch zu ein bisschen Bewegung nicht lange nach neun: Ich radelte wieder ins warme Dantebad. Da das Wetter grau und kalt war, wählte ich den direkten Weg über die Dachauerstraße. Am leicht dampfigen Schwimmbecken Enttäuschung: Die Bahnen waren noch voller als vergangenen Sonntag. Doch ich war vermutlich in die Schnittmenge zweier Schwimmschichten geraten, das Becken wurde bald leerer, ich schwamm meine wieder nur 2000 Meter relativ ungestört.
Danach versuchte ich nochmal das mit den Entspannen im warmen Strömungsbecken. Es war kaum genutzt, so konnte ich tatsächlich ein wenig herumwabern, auf der Wasserliege auslockern (derzeit arbeitet es um meinen Hüftbeuger und die obere Gesäßmuskulatur herum – ich hoffe innig, dass das ein Besserungsprozess ist).
Beim Radeln hinüber in die Maxvorstadt stieß ich wiederholt auf ein weiteres Ärgernis, das beweist, wie wenig die Verkehrsplanung für Radler und Fußgängerinnen denkt: Fahrradwege an Ampeln. Wenn drei bis 13 Radln auf dem Radweg an einer roten Ampel warten, blockieren sie mehrere Meter – und Fußgänger, die an der Querstraße gerade grün haben, kommen nicht durch. Oft blockieren bei Rot wartende Radler auch die Wege für Fahrräder, die gerade grün haben – ohne Alternative. Ich träume davon, dass man bei größeren Straßenbauarbeiten in der Stadt zumindest als Planspiel mal durchkonstruiert, wie die Kreuzung mit Priorität Nicht-Autos aussehen müsste. Zum Beispiel die Kreuzung am Sendlinger Tor, die gerade wegen Umbaus des U-Bahnhofs völlig neu gebaut wird. Wenn sich da mal Fachleute hinsetzten und eine Kreuzung mit Lebensqualität daraus erträumten?
Zum Frühstück steuerte ich das Café Puck an – und war verdutzt, dass sich darin die Gäste drängten, viele davon Cosplayer. Zum ersten Mal kam ich für ein Wochentagsfrühstück nur in dem Raum hinter der Theke zu sitzen, den es erst seit dem Umbau gibt.
Ich bekam Käsefrühstück und las Zeitung, umgeben von jungen Gesprächen in verschiedenen Sprachen.
Daheim häusliche Geschäftigkeit. Zwei offene Aufgaben lasteten ein wenig auf mir: Für beide fand ich Lösungen, auf einmal hatte ich wirklich frei.
Das Nachtmahl bestand hauptsächlich aus Ernteanteil, den Herr Kaltmamsell frisch geholt hatte – wegen des Feiertags erst gestern.
Grüner Salat mit Mandarinen-Tahini-Dressing und schwarzen Oliven; Tomaten mit Basilikum und Feta. Und danach ein großes Stück Schokoladenkuchen.
Abends ein paar Symptome, die mich befürchten ließen, ich könnte mir die derzeit grassierende Erkältung eingefangen haben; unter anderem spürte ich Muskelkater-ähnliches Ziehen vom Schwimmen. Nun, die nächsten Tage werden zeigen, ob meine Abwehrkräfte ausreichen.
Kein Bad vor dem Schlafen, einmal in warmem Wasser entspannen am Tag musste reichen.
§
Die große Titelgeschichte des gestrigen SZ-Magazins ist die 1,99 Euro fürs Tagesabo wert:
“Sie waren das Volk” – über die Protagonisten der Ostberliner Demo am 4. November 1989. (Sonderapplaus für die Überschrift.)
Auch in Ostdeutschland, fürchte ich, haben die Menschen vergessen, worum es der friedlichen Revolution in der DDR ging. Wer die Kräfte und welche die Ideen dahinter waren. Beides ist weit, ganz entfernt von dem, was als Gründe fürs AfD-Wählen angegeben wird.
Ich würde ja gerne ein paar Leserinnen und Lesern – sagen wir 50 – die Lektüre des Artikels spendieren. Also 20 Mal 1,99 Euro, denn auch die Print-Ausgabe wird ja von mehr als einem Menschen gelesen, und es sind ja die Verlage, die alles Digitale an den Lesegewohnheiten in Print festmachen. Aber ein Spendieren von digitaler Zeitungslektüre ist halt technisch nicht vorgesehen. Hier habe ich meinen Spendier-Wunsch nach dem Weihnachtskripperl-Modell schon vor vielen Jahren erläutert. (Heftiger Rempler in die Rippen des Süddeutschen Verlags.)
die Kaltmamsell15 Kommentare zu „Journal Freitag, 4. Oktober 2019 – Warmschwumm und Puckfrühstück an St. Brück“
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5. Oktober 2019 um 9:55
Werde mir das gestrige SZ-Magazin über den Verlag nachbestellen. Danke für den Hinweis auf den Artikel.
Im Herbst 89 war ich mit 16 Jahren wohl noch zu jung, um die ganze Tragweite der Geschehnisse zu erfassen. Rückblickend bin ich sehr froh und dankbar darüber, dass damals alles friedlich verlaufen ist. Es hätte auch ganz anders laufen können.
Und ja, auch ich glaube, die Ideen und Ziele damals haben nichts mit den heutigen AfD- “Inhalten” (wenn man das überhaupt so nennen mag) gemeinsam.
5. Oktober 2019 um 10:22
Beim Heizen in der Wohnung sollte nicht gespart werden. Da geht ganz schnell das Wohlgefühl verloren. Auch die geschlossenen Türen bringen nicht viel, höchstens dass sie die Kommuniation einschränken.
H. heizt seit vier Wochen den Ofen an, damit die verfrorene Gefährtin es kuschelig warm hat.
Viel besser ist es, nicht viermal im Monat innerhalb Europas umher zu jetten. Das schadet wirklich. Oder den Fleischkonsum zu reduzieren (- das fällt H. am meisten schwer.)
Würde der Großteil der Menschheit so leben wie die Kaltmamsells, dann wäre schon viel gewonnen.
Am Montag ist der ganze Zauber vorbei, dann können manche Münchner aufatmen und wie gewohnt sich bewegen.
5. Oktober 2019 um 11:23
Auch wenn ich als bekennender ostdeutscher Grünenwähler eigentlich gar nicht angesprochen bin… Es nervt mich grad ungemein wie viele Menschen uns Ostdeutschen mal wieder sagen wollen wie wir zu denken haben und warum wir doch einfach nicht verstehen wollen, wie doof wir doch sind.
Wo waren denn die ganzen Kolumnen wenn in Bayern mal wieder die CSU gewann? Natürlich wählen hier wenige die AfD weil die CSU genauso Ausländer- und Frauenfeindlich ist.
Wieso guckt keiner nach Baden-Württemberg, einem wirtschaftlich starken Bundesland im 3 Ländereck mit satten 15% AfD Anteil?
Nee nee, es ist einfach einfacher sich auf die dummen Ossis zu stürzen als mal vor der eigenen Haustür zu kehren.
#rantover
5. Oktober 2019 um 11:54
Als Tipp: Mit einer Mitgliedschaft bei der Stadtbibliothek München kann man die SZ online lesen.
5. Oktober 2019 um 12:03
Vielleicht lese ich einfach andere Medien als Sie, Berit: Ich habe viele Artikel darüber gesehen, die sich fragten, warum in Bayern so viel AfD gewählt wurde – einige auch hier verlinkt. Sogar die New York Times schrieb vergangenes Jahr vor der Landtagswahl über AfD- und CSU-Wählende in Bayern, und wunderte sich, warum ausgerechnet das reichste deutsche Bundesland nationalistische Strömungen hat. Es stimmt nicht, dass in Bayern nicht vor der eigenen Haustür gekehrt wird.
Allerdings bin ich auch der Überzeugung, dass Fremdenfeindlichkeit in einer Gegend die Fremdenfeindlichkeit in einer anderen nicht relativiert.
5. Oktober 2019 um 13:15
Unzureichende Heizung kann Schädigungen an der Bausubstanz (u.a. Schimmel) nach sich ziehen, desgl. das nicht Beheizen einzelner Räume und Aufwärmen durch Wärme aus den Nachbarräumen. Feuchte lagert sich an den zuvor kalten Wänden an…
Die Sanierung erfordert mehr Energie und Geld als man einspart.
5. Oktober 2019 um 13:30
Als es schon letztes Jahr Berichte über Menschen gab, die sich lieber einmummeln, als ordentlich zu heizen, fragte ich mich direkt, ob hier jedem bewusst ist, dass vernünftiges (!) Heizen (und Lüften natürlich) wichtig zur Schimmelvermeidung einer Wohnung sind. Das gilt auch für den Fall, dass man wegfährt und alle Heizungen abstellt. Ich kann mir gut vorstellen, dass es durch einige, die das zugunsten des Umweltschutzes verkennen, demnächst zu Konflikten mit Vermietern kommen wird. Darauf sollten die Berichte zum Thema „weniger heizen“ aus meiner Sicht immer hinweisen. Weniger ist okay und sinnvoll ,aber nicht ZU wenig.
5. Oktober 2019 um 13:34
@Hauptschulblues:
Was das Heizen und das Wohlgefühl betrifft, bin ich ganz bei Ihnen. Und da meine letzte Flugreise knapp zwanzig Jahre zurückliegt habe ich auch kein schlechtes Gewissen, wenn ich in der kalten Jahreszeit soviel heize, wie es meinem Wohlbefinden entspricht. Ich kenne auch Menschen, die in ihrem Haus nur das Wohnzimmer beheizen, allerdings nicht aus Umweltbewusstsein, sondern aus Sparsamkeit (oder wohl eher Geiz).
5. Oktober 2019 um 14:45
Schließe mich der Meinung von Petra und Sandra an. Einige Räume nicht zu heizen ist kontraproduktiv. Evtl. feuchte und warme Luft aus beheizten Räumen hinterlassen in kalten Räumen an den Wänden Feuchtigkeit (später Schimmel), sobald man die Tür öffnet. Sie (die Kaltmamsells) leben ja sonst schon vorbildlich klimafreundlich, also dürfen Sie sich doch eine kuschelige Wohnung leisten.
5. Oktober 2019 um 21:21
Ich habe dieses Ossi/Wessi Gerede einfach satt. Wir haben das alles gemeinsam geschafft, die Einen mit dem Mut der Verzweifelten (?), die Anderen mit dem Mut des Geldes (?) und dem Wissen wie die Welt nun mal läuft. Wenn wir uns alle ein wenig mehr zurücknehmen und einfach mal mehr zuhören wäre schon viel getan!
Bin dieses ganze Gerede so satt.
*fuchtelt mit dem Krückstock*
5. Oktober 2019 um 21:59
Die Aussagen zum Heizen in den Kommentaren erinnern mich an US-Amerikaner die darlegen, dass man UNBEDINGT Klimaanlagen braucht.
Die Artikel vom lowtechmagazine finde ich zu Thema „wie heizen“ sehr aufschlussreich: https://www.lowtechmagazine.com/low-tech-housing-heating-cooling.html
5. Oktober 2019 um 22:54
@Berit
Nein, liebe Berit, bitte nicht angesprochen fühlen. Es ist keine Ossi/Wessi Sache! Es ist die berechtigte Frage, warum die AfD gerade im Osten (das sagen nun mal die Zahlen) so besonders stark ist. Warum auch die Justiz in Sachsen, Sachsen – Anhalt, Thüringen sich so unglaublich lasch und rechtslastig gebärdet. Das ist leider nicht zu leugnen. Wir müssen uns doch diesen Fragen stellen, sonst Gnade uns Gott! Denn wir müssen alles tun, die Verirrten (ob im Westen oder Osten, im Norden oder Süden, wieder ins Boot der Demokratie zu holen und die alten und neuen Nazis als das, was sie schon immer waren, nämlich als Bodensatz der Gesellschaft“, in der AfD oder anderswo unter sich sein zu lassen.
Für Minderwertigkeitskomplexe besteht überhaupt kein Anlass. Ich bin überzeugt, dass die Leistung, der Mut der Montagsdemonstrationen, des ÜberLebens innerhalb der DDR Diktatur, das sehr schnelle Hineinwachsenmüssen in eine andere Gesellschaft, in der gewiss nicht alles vorbildlich ist, sehr anerkannt wird. Nichts von “Doof“. Ganz im Gegenteil.
Ich hätte damals die langsamere Gangart ala Oskar Lafontaine bevorzugt, der deshalb leider zu Unrecht diffamiert wurde als Einigungsgegner. Es waren aber überwiegend schnell blühende Landschaften gewünscht und ich finde sogar, dass es im Großen und Ganzen ziemlich gut gelungen ist.
Die nostalgische Verklärung, mit der manch eine/r heute zurückblickt, kann ich mir unter Beachtung der Fakten nicht wirklich erklären.
Ach ja, nicht zu vergessen: der letzte Satz der Kaltmamsell hinsichtlich Fremdenfeindlichkeit ist so was von richtig!
6. Oktober 2019 um 11:29
@Trulla: Weil das Argument der “laschen” Justiz in den neuen Budnesländern immer wieder auftaucht: Seit der Wende wird die Justiz dort (bis heute) von “West-Richtern” geprägt, weil damals fast alle DDR-Richter (vermutlich überwiegend zu recht) entlassen wurden und die Richterstellen mit aus den alten Bundesländern stammenden, überwiegend jungen Richtern besetzt wurden. Bei nicht wenigen war man froh, sie los zu sein, oder sie hätten unter normalen Umständen keine Richterstelle bekommen.
Erst langsam wandelt sich das Bild, weil inzwischen die “Nachwendejuristen” nachwachsen.
Viele Grüße von einer zu DDR-Zeiten im Osten geborenen Juristin, die Anfang der 2000er im Osten Jura studiert hat und nunmehr im Westen als Richterin arbeitet.
6. Oktober 2019 um 12:44
Sie haben so recht @ Das.Tin! Für viele war das ein Karriereweg, der ihnen im Westen so schnell (oder eben gar nicht) gelungen wäre. Eine mögliche Erklärung?
6. Oktober 2019 um 16:46
Die Aussagen von Das.Tin stimmen mich nachdenklich und zeigen mir mal wieder, dass die Dinge nie einfach, sondern immer komplex sind. Sie sind für mich Erinnerung daran, dass es gut wäre, eher einmal mehr nach der Genese und den Gründen von Situationen zu fragen, mehr zu zuhören, weniger schnell zu meinen und zu urteilen.