Journal Freitag, 8. November 2019 – Ersehntes Ende der Arbeitswoche, Beifang aus dem Internetz

Samstag, 9. November 2019 um 10:09

Ich war ja erst nach elf im Bett gewesen, noch dazu konnte ich überdreht nicht gleich einschlafen (nicht wegen der Bürgerversammlung, sondern wegen Arbeitsdingen, die ich während der Bürgerversammlung vergessen hatte) – dafür wachte ich schon um fünf auf. Ach, ich hatte in den Nächten davor genug geschlafen, da machte das ja nichts. Und ich hatte ja noch den Blogpost über die Bürgerversammlung zu schreiben. (Direkt vor der Veranstaltung hatte ich mich so erledigt gefühlt, dass ich eigentlich geplant hatte, diesmal nur eine vage Zusammenfassung zu posten, doch dann fand ich bereits den Bericht von Bürgermeisterin Strobl so interessant, dass ich anfing mitzuschreiben.)

Wie immer holte mich die Müdigkeit erst am späten Vormittag ein.

Mittags ein Laugenzöpferl, ein Becher Dickmilch, zwei Äpfel.

Ich fühlte mich sehr erschöpft und machte relativ pünktlich Feierabend, freute mich auf den Abend mit Herrn Kaltmamsell und einige Einkäufe davor im Vollcorner.

Dort verlockte mich ein junger Mann vorm Weinregal zu einem Probierschluck: Ich hatte abgelehnt, wollte aber gern mehr über die vorgestellten Weine wissen. Als er den apulischen Rotwein als etwas restsüß beschrieb, da die Trauben dafür antrocknen, wollte ich dann doch probieren. Interessante Rosinennote, und der eine Schluck knallte auf leeren Magen wie zwei Cocktails.

Ist natürlich übertrieben, ich radelte problemlos heim (kühler, grauer Tag). Dort gab es Gin Tonic, während Herr Kaltmamsell den Chinakohl aus Ernteanteil mit Kartotten aus derselben Quelle und mit Walnüssen, Majo und Joghurt zu Coleslaw verarbeitete. Dann briet er uns ein wundervolles Entrecȏte (hier mit Brutzeltönen als Filmchen).

Ungestellte Abendessensituation. Dazu ein Glas spanischen Prometus.
Früh ins Bett.

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Wofür ich das Techniktagebuch immer wieder aufs Neue liebe: Einblicke in wirkliche Alltagstechnik anderer Leute, von der ich sonst nie erführe. (Die pragmatische Redaktionspolitik hat schon früh Diskussion über den Begriff mit dem Beschluss abgekürzt, dass jede Technik für irgendjemand Alltag ist.) Hier zum Beispiel:
“Alles wird besser: 33 Jahre Fortschritt in der Diabetes-Behandlung”.

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Die Autorin und Feministin Margarete Stokowski hat den Tucholsky-Preis gewonnen, ich freue mich sehr für sie. In ihrer Rede zur Preisverleihung erklärt sie nicht nur, warum er etwas Besonderes ist und für sie eine besondere Auszeichnung, sondern auch was es für sie bedeutet, eine politische Autorin zu sein.
“‘Ich denke dann kurz: Ja, normal'”

Ich frage mich auch: Wie gesund ist das eigentlich, einen Job zu machen, bei dem man Morddrohungen irgendwann normal findet, und bei dem man sich daran gewöhnt, dass diejenigen, die diese Drohungen schreiben, oft nicht gefunden werden?

(…)

Man ist als politische Autorin in diesem Land heute nicht besonders gut geschützt, und das liegt unter anderem daran, dass diejenigen, die für den Schutz von Presse- und Meinungsfreiheit eigentlich zuständig wären, ihre Arbeit zum Teil nicht gut machen. Es gibt dort Leute, die sich Mühe geben, aber es gibt auch die, die komplett versagen.

(…)

Im Einstellungsschreiben stand: „Ein öffentliches Interesse, das die Strafverfolgung gebietet, liegt nicht vor.“ – Sicher? Ich würde gern glauben, dass es ein öffentliches Interesse daran gibt, dass Autorinnen Texte schreiben können, ohne erklärt zu kriegen, sie sollten verprügelt, erschossen und verbrannt werden. Das scheint mir nicht zu viel verlangt.

§

Generalisierende Häme über die Arbeit von Politikerinnen und Politikern tut keiner Diskussion gut. Gerade die Unterstellung, jemand würde diese Karriere aus Faulheit oder Bequemlichkeit einschlagen, zeugt von bodenloser Ignoranz. Bundestags-Abgeordnete Anke Domscheit-Berg ist in dieser Legislaturperionde zum ersten Mal dabei und erzählt im Interview über den Alltag, nachdem im Bundestag innerhalb eines Tages zwei Politiker zusammengebrochen sind:
“Linken-Abgeordnete über Bundestagsarbeit
‘Der Preis ist zu hoch'”.

§

Am 9. November jährt sich der Fall der Mauer zum 30. Mal. Annette Ramelsberger, die ich in den vergangenen Jahren als Gerichtsreporterin der Süddeutschen sehr zu schätzen gelern habe, war ab Januar 1989 mit 28 Jahren für den Nachrichtendienst AP Korrespondentin in der DDR.
“Wie viel Geschichte verträgt der Mensch?”

Die Stasi tat weiter ihre Arbeit, ich versuchte, meine zu tun: Ich wollte durch diese Milchglasscheibe schauen, die die DDR vor den Augen westlicher Journalisten aufgestellt hatte. Wir bekamen keine Gesprächstermine, durften nicht mal DDR-Bürger ansprechen. Also schlichen wir zu Informanten.

(Selbst habe ich keine Geschichte anzubieten, wie ich den Mauerfall als Studentin in Augsburg erlebte. Ich erfuhr aus dem Radio davon, doch dieser historische Moment gehörte zu den Augenblicken, die mich komplett überforderten – als Westdeutsche konnte ich einfach verdrängen. Wie Ramelsberger schreibt: “Bis die Menschen auf der Mauer tanzten, deutete kaum etwas auf den Untergang des Regimes hin.”)

die Kaltmamsell

4 Kommentare zu „Journal Freitag, 8. November 2019 – Ersehntes Ende der Arbeitswoche, Beifang aus dem Internetz“

  1. FrauZimt meint:

    Sehr spannender Artikel aus dem Techniktagebuch, danke dafür! An die aus den Achtzigern beschriebenen, auf Abschreckung und Verbote setzenden Schulungen erinnere ich mich noch aus dem Schulunterricht in den frühen Neunzigern (Berufliches Gymnasium, Leistungskurs Ernährungslehre), über eine gute Freundin, die ich nun auch schon über 10 Jahre kenne, habe ich ein bißchen was von den letzten aufgeführten Entwicklungen mitbekommen.
    Und dann, einige Jahrzehnte in die Geschichte zurückgesprungen, erinnere ich mich an eine Folge einer meiner Lieblingsserien “Call the Midwife”, in der in den frühen 60ern bei einem jungen Mädchen mit Diabetes mehrmals täglich die Gemeindeschwester ins Haus kommt, um ihr ihre Spritze zu geben und das Mädchen aufgrund ihrer Diabetes und des damit verbundenen Risikos zu einer Abtreibung gezwungen wird. Mit dem Hinweis, das sie vielleicht irgendwann in einigen Jahren dank ständiger Fortschritte in der Medizin doch ein Kind bekommen könne. (Heute ist das meines Wissens überhaupt kein Thema mehr.)

  2. Nina meint:

    Danke für alle heutigen Links, insbesondere den zum Techniktagebuch. Total interessant! Als nichtbetroffener Mensch hat man ja keine Ahnung von einer solchen Lebensrealität. Ein Hoch auf technische Entwicklungen!

  3. Sabine meint:

    Danke für die stets interessanten Links. Hier habe ich immer wieder das Gefühl ein ganz kleines bisschen schlauer zu werden, wenn ich hier vorbeischaue… Herzliche Grüße, Sabine

  4. Berit meint:

    Der Artikel der Linken Abgeordnete hat mich echt schockiert. In welcher Realität ist es unhöflich ein Schluck Wasser während der Arbeit zu sich zu nehmen? Ich sehe ein, das man ein gewisses Mindestmaß an Form wahren möchte, aber ein Wasserglas am Platz ist in der Wirtschaft bei jedem Meeting normal.

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