Archiv für November 2019

Journal Sonntag, 24. November 2019 – Erster Stollen

Montag, 25. November 2019

Mittel-unruhige Nacht, mit Kopfschmerzen aufgewacht und Migräne befürchtet. Ließ sich aber mit Ibu, Kaffee und nochmal kurz Hinlegen vertreiben. Dass es doch eher Migräne gewesen war, verriet mir das Hochgefühl über das Verschwinden der Schmerzen.

Herr Kaltmamsell brachte von seiner (für meine Dimensionen) kleinen Laufrunde Semmeln mit, wir saßen frühstückend und plaudernd mit Bruder und Schwägerin zusammen, bis sie zu einem Mittagstermin in heimatlicher Gegend aufbrechen mussten.

Lust auf Sport: Crosstrainer. Eigentlich hätte ich laut Frau Physio mittlerweile sogar 25 Minuten lang strampeln dürfen, doch bereits nach 20 Minuten hätte ich über den Hüftschmerz hinweg weitermachen müssen. Wäre natürlich gegangen, ging ja viele Jahre – hat mir aber sehr wahrscheinlich meine derzeitigen Probleme eingebrockt. Danach Dehnen und zwei Runden Bankstütz.

Ich wollte den Stollen gestern möglichst komplett fertiggestellt haben, also inklusive Puderzuckerschicht nach vollständigem Auskühlen samt Einwickeln in Alufolie, also machte ich die ersten Schritte bereits vor dem mittäglichen Duschen.

Während der Stollenteig ging, gab es Frühstück – unter anderem mit Honig von Schwägerins Schwester, sehr andächtig.

Stollenbacken, Twitterlesen, Zeitunglesen.

Es war schon weit vor fünf dunkel, ich wollte aber noch eine Runde raus – um herauszufinden, wie’s draußen roch. Es war recht kühl geworden, doch ich kam ohne Mütze aus. Es roch nach wenig, gerade mal nach Herbstlaub auf dem Boden. An allen Plätzen standen bereits die Buden der Christkindlmärkte. Ich spazierte über den Gärtnerplatz zum Isartor, über den schlafenden Viktualienmarkt zurück.

Zum Nachtmahl hatte Herr Kaltmamsell ein Curry mit Lamm gekocht, dazu gab es Couscous, ich machte den Nachbarin-Salat an (mit mal einem ganz anderen Dressing, nämlich Vinaigrette auf Basis Honig-Balsam-Essig und Sonnenblumenöl).

Telefonat mit meiner Mutter (alles in Ordnung), ein Resterl Tatort im Fernsehen.

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“My Life as a Child Chef”.

via @ankegroener

Ungewöhnliche Geschichte einer Kindheits- und Jugendleidenschaft für Restaurantküche, die eben nicht in professionellen Gelderwerb mündete.

Journal Samstag, 23. November 2019 – Mein erstes Mal Hot Pot

Sonntag, 24. November 2019

Das angekündigte Wetter lautete strahlender Sonnenschein, also legte ich meine Schwimmrunde ins Dantebad, um im Freien zu schwimmen. Nur hatte das Wetter das Memo nicht bekommen. Nicht dass es greislich gewesen wäre, aber strahlender Sonnenschein war das nicht.

Sehr spät im Jahr läuten Heckenbuche und Lärche die letzte Farbphase des Herbsts ein. Ohnehin scheint es mir, als hängten heuer die Blätter besonders lange an den Bäumen – nächsten Sonntag ist ja schon erster Advent.

Ich machte mein Schlafzimmer Besuchs-fertig: Mein Bruder und seine Frau hatten sich zur Übernachtung nach einem Fest in der Nähe angekündigt, ich freute mich auf sie.

Zum Dantebad wählte ich die Panorama-Strecke, also über Hackerbrücke, Nymphenburger Straße, Gern; leichte Mütze und Fingerhandschuhe genügten. Im Bad selbst war gut schwimmen; Zwicken in der Hüfte erinnerte mich daran, dass ich die Beine besser wirklich locker schlug und nicht mit Spannung. Brav wieder nur 2.000 Meter geschwommen, trotz großer Lust auf mehr (unter Ignorieren des Hüft-Protests).

Auf dem Heimweg kurzer Stopp an einem Bäcker am Weg. Dort legte ich Mütze und Handschuhe in den Fahrradkorb, es war so mild geworden, dass es sie nicht brauchte.

Als spätes Frühstück gab es Semmeln und Salat aus restlichem Ernteanteil-Zuckerhut (wir bekamen am Freitag zusätzlich zum Erntenanteil von einer verreisenden Nachbarin einen Kopf Salat geschenkt und jemand in diesem Haushalt, der nicht ich ist, wurde unruhig, wann denn all der Salat gegessen werden sollte).

Bruder und Schwägerin kamen, ließen nur kurz ihre Sachen da und machten sich auf eine kleine Einkaufsrunde in der Innenstadt. Später bekamen sie einfach einen Wohnungsschlüssel für möglichst eigenbestimmtes Kommen und Gehen.

Abends waren auch Herr Kaltmamsell und ich verabredet, nämlich mit zwei Freunden zum Hot-Pot-Essen im Chois.

Der Gastraum ist schlicht und schön eingerichtet, es herrschte angeregter Trubel mit vor allem jungen und vielfältigen Publikum. Unsere Freunde kannten das Lokal und konnten uns die Modalitäten erklären: Man wählt aus einem Sortiment Brühen aus (wir nahmen drei verschiedene), die in Töpfen auf den Tisch gestellt und mit Gasflamme heiß gehalten werden, außerdem Zutaten, die man darin gart. Für einen Pauschalpreis kann man zweieinhalb Stunden lang aus dem Angebot bestellen, pro Bestellrunden und pro Gast bis zu drei Zutaten aus den Kategorien Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte, Gemüse, Nudeln (Exklusiveres wie Jakobsmuscheln kostet Aufpreis). Nach frühestens 15 Minuten kann man eine neue Bestellrunde beginnen. Das Ganze, auch die Getränkebestellung, funktioniert über ein Tablet für den ganzen Tisch.

Bild: Herr Kaltmamsell.

Wir aßen viel und lange, schwitzten, saßen bis nach Mitternacht noch über Cocktails zusammen. Gesprächsthema war unter anderem der kürzliche Segelurlaub der Freunde um karibische Inseln – und der Vergleich der sonntäglichen Stollenbackpläne, die der eine Freund und ich teilten: Der Freund hat inzwischen so viele Freunde und Familie zu versorgen, dass er in der ersten Runde zehn Stück backt und vergangenes Jahr keiner für ihn und seinen Mann übrig blieb. Ich wiederum habe dieses Jahr die Stollen für die italienische Verwandtschaft gestrichen, nachdem sie in der vergangenen Runde vier Monate bis zur Empfängerin gebraucht hatten und steinhart eingetroffen waren. (Ich zudem die Freude über Stollen von deutscher Verwandtschaft wohl ein wenig überschätzt hatte.)

Gemütlicher Spaziergang nach Hause, zum einen um die immer noch eher milde Luft zu genießen, zum anderen weil schnelleres Gehen mir Schmerzen bereitete.

Journal Freitag, 22. November 2019 – Jagd nach einem neuen Notizbuch

Samstag, 23. November 2019

Halbe Stunde vor Wecker aufgewacht. Eigentlich wollte ich noch ein wenig dösen, aber dann ging wieder Gerumpel im Müllkammerl unter meinem Schlafzimmerfenster los.

Die programmierte Waschmaschinenwäsche aufgehängt, festgestellt, dass der 25 Jahre alte Trockner entfuselt werden muss und bis dahin erst mal nicht geht, also noch mehr Wäsche in der Wohnung verteilt.

Früher in die Arbeit gefahren – zu früh, denn der Bäcker Zöttl auf dem Weg hatte noch keine Laugenzöpferl, von denen ich eines für meine Brotzeit geplant hatte, das Lieferfahrzeug legte gerade erst an. Statt dessen zwei Brezen gekauft – und jetzt weiß ich, dass der Zöttl Brezen genau so macht, wie ich sie am liebsten mag (die unkanonische Vorliebe verrate ich aber nicht, weil ich mich ein bisschen dafür schäme).

Mittags also zwei Brezen, Hüttenkäse mit dem letzten Rest Latwerge. In der Post eine besonders schöne Briefmarke.

Wissen Sie: Ich sammle nämlich Briefmarken. Das heißt: Wenn ich eine schöne Briefmarke auf einem Brief sehe, schneide ich sie mitsamt möglichst vollständigem Stempel aus (die finde ich nämlich auch interessant) und werfe sie in eine Schachtel in einem Schränkchen, das im Flur meiner Wohnung steht. Seit 18 Jahren. Wenn der Brief in meinem Sekretärinnenbüro ankommt und nicht an mich adressiert ist, frage ich die Empfängerin, ob ich die Briefmarke haben kann. In meinem früheren Berufsleben bekam ich Post aus fernen Landen, bis von Südeseeinseln, diese Briefmarken fand ich besonders aufregend. Ich habe weiterhin keine Ahnung von Philatelie, plane auch nicht, irgendwelche Alben anzulegen – ich sammle einfach. (Und sehe eine Zukunft, in der nach meinem Tod meine dann sehr spärliche Hinterlassenschaft aufgelöst wird und sich die professionellen Auflöser ganz kurz wundern, dass jemand, die so sorgfältig dafür gesorgt hat, möglichst wenig Mühe mit ihrem Nachlass zu machen und sogar Bücher, Kleidung und Geschirr in den letzten Lebensjahren fast vollständig abgeworfen hat, bis zuletzt ausgerechnet ein Kistlein Briefmarken besitzt.)

Früher Feierabend, es war noch nicht mal ganz dunkel. Ich brauche nach sechs Jahren ein neues Notizbuch, Anforderungen DinA6, liniert oder kariert, Einmerkebändchen, stabil mit einem Gummi rum (weil ich es einfach in meine Taschen werfe und es sonst aufklappen und zerküllen würde), möglichst von einem kleinen, am besten auch noch lokalen Hersteller.

Das jetzige Notizbuch hat zusätzlich eine schmale Klappe zwischen den Deckeln, die die Seiten schützt. Ich hatte es im Semikolon-Laden in der Hohenzollernstraße gekauft (Hersteller Legami Milano), und dahin radelte ich gestern wieder (ziemlich kalt, aber trocken) – nachdem ich mich im Internet versichert hatte, dass der Laden dort noch ist. Es stellte sich heraus, dass das Internet fehlinformiert war: Die Dame, die in dem Laden Werkhaus an der früheren Adresse des Semikolon stand, berichtete, dass er schon vor einem Jahr geschlossen hatte.

Ohne große Hoffnung radelte ich zu dem anderen schönen Papierladen, den ich halbwegs in der Nähe wusste, zu Carta Pura. Doch wie erwartet gab es dort zwar wunderschöne handgefertigte Schreibbücher, aber nichts davon Taschen-tauglich. Ich werde im Internet bestellen müssen.

Daheim war Herr Kaltmamsell bereits startklar für die Zubereitung des Abendesssens: Ich hatte mir Linsen mit Spätzle gewünscht. Erst mal gab es aber Wochenendanfangs-Alkohol (Gin Tonic): Oft meide ich nämlich abends Alkohol nicht nur aus Migräne-Angst, sondern auch weil ich einen klaren Kopf für Konzentration auf meine Abendlektüre behalten will. Gestern war mir das egal.

Zum Essen öffnete ich die Flasche Wein vom Vollcorner, mit der man mich vor zwei Wochen beim Einkaufen betrunken gemacht hatte:

La Marchesana Rosso Pasito, ein apulischer Primitivo, der zum Teil aus angetrockneten Trauben hergestellt ist und Restsüße hat – den konnte ich mir besonders gut zu den Linsen vorstellen. Auch Herr Kaltmamsell war angetan von dem ungewöhnlichen Geschmack, zu den Linsen passte er erst so richtig, als ein wenig Essig dran war.

Wir waren beide von der Woche erledigt und zusätzlich vom Alkohol müde, dadurch noch früher im Bett als unter der Woche.

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Sacha Baron Cohen (ja, der), hat den International Leadership Award der Anti-Defamation League (ADL) erhalten. Auf dem ADL’s 2019 Never Is Now Summit on Anti-Semitism and Hate hielt er die Keynote Adress – nach eigener Aussage zum ersten Mal als er selbst auf der Bühne. (SO britisch!)

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https://youtu.be/ymaWq5yZIYM

Er erweis sich als kluger und beredter Denker und Sprecher (falls sie mal ein Beispiel für eine gute Rede suchen), hier der Text auch in Schriftform.

via @hatr

Unter anderem erklärt Sacha Baron Cohen die Absichten hinter seiner Art vom Comedy. Sein Argument und eine Rechtfertigung, warum ausgerechnet er die Keynote Speech hielt: Seine Witze – ebenso wie Demokratie – funktionieren nur auf der Basis eines gemeinsamen Glaubens an bestimmte Fakten (er gibt ein paar Beispiele in character).

Democracy, which depends on shared truths, is in retreat, and autocracy, which depends on shared lies, is on the march.

Er nennt die großen Internet-Konzerne die “greatest propaganda machines in history”:

On the internet everything can appear equally legitimate.

Voltaire was right, “those who can make you believe absurdities, can make you commit atrocities.” And social media lets authoritarians push absurdities to billions of people.

Cohen plädiert für eine Regulierung von Social Media Plattformen:
“Freedom of speech is not freedom of reach.”

(Mir gefällt übrigens der Titel der Veranstaltung sehr gut, “Never is Now”, weil er sich gut auf das deutsche “Niemals wieder” übertragen lässt: Niemals wieder ist jetzt.)

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Noch ein wenig Niedlichkeit zum Wochenende, diesmal in Comic-Form:
“Things We Realized After We Rescued a Shelter Dog”.

via @claudine

Journal Donnerstag, 21. November 2019 – Da muss man durch

Freitag, 22. November 2019

Beim Kreuzen der Theresienwiese Möwen gehört. Ein Tag mit durchgehend starkem Humpeln, da half kein Beinaushängen an einer Treppenstufe.

Mittags Birchermuesli mit Joghurt und die Granatapfelkerne vom Vortag, nachmittags ein halber Eiweißriegel. Schlechte Laune wegen “so kann ich nicht arbeiten”, heftiges Zähnezusammenbeißen, weil ich keine Alternative weiß. Ich wünschte wirklich, ich wäre materiell genügsamer, das würde schon mal Alternativen eröffnen; leider macht mich der Zwang zum Pfennigfuchsen unglücklich.

Abends Reha-Sport. Progressive Muskelentspannung konnte mich natürlich nicht aus der Totalverkrampfung wegen Arbeitsumständen holen, verwandelte Stress lediglich in Niedergeschlagenheit. Zumindest (ZUMINDEST! Sie sehen, ich bemühte mich, Niedergeschlagenheit in Wut zu kanalisieren) war ein Trainer im Geräteraum, der mir Ersatzübungen für die wegen Schmerz unmöglichen geben konnte.

Spät durch die kalte, trockene Nacht nach Hause geradelt. Dort gab es den halben Zuckerhut aus Ernteanteil als Salat: Meyer-Zitronen-Tahini-Dressing (das ich nach dem Probieren mit Ahornsirup nachsüßte), Organgenstücke, Walnüsse. Sehr wohlschmeckend und schön viel. Nachtisch Schokolade.

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Sheila Mysorekar schreibt im Online-Magazin M der Gewerkschaft ver.di, Fachbereich 8 (Medien, Kunst, Industrie):
“Nazis muss man Nazis nennen”.

via @giardino

Nein, Menschen aus Einwandererfamilien sind nicht ‚überempfindlich’ – wir haben nur ein besseres Radar für die Drohungen, die von rechten Gruppen ausgehen. Weil sie uns als Erste treffen werden.

(…)

Aber auch „harmlose“ Formulierungen können den Rechtsextremen Vorschub leisten: Wir müssen erkennen, welchen Anstrich sich der Rassismus und der Faschismus heutzutage geben. Heute argumentiert niemand mehr biologisch. Heute sagt niemand mehr: „Afrikaner sind eine minderwertige Rasse“, sondern es heißt, „die unterschiedlichen Kulturkreise sind nicht kompatibel“ oder „im Islam herrschen archaische Werte, die mit den demokratischen Werten nicht übereinstimmen.“

Wir müssen erkennen, wie das gemeint ist. Kultureller Rassismus ist gesellschaftlich akzeptierter, folgt aber denselben Gesetzmäßigkeiten und der Logik von biologisch fundiertem Rassismus. Er läuft auf das Gleiche hinaus – dass bestimmte Gruppen von Menschen weniger wert sind als andere.

§

Diese Geschichte, die die Rheinische Post auf Twitter erzählte, geht seit zwei Tagen durch mein Internet, sie beginnt mit

Ein junger Mann aus einer Stadt am Niederrhein hat uns geschrieben. Er möchte, dass wir seinen Namen aus einem Artikel bei @rponline löschen.

Warum die Redaktion der Bitte nachkam, steht hier und ist bitter.

§

Schon seit einigen Monaten habe ich das Online-Magazin Mit Vergnügen München im Feedreader. Auch wenn es sich um ein kommerzielles Projekt mit hauptsächlich PR-Beiträgen handelt (was völlig ok ist, ich wiederhole gerne: Das Internet ist groß genug für uns alle!), finde ich hier immer wieder informative redaktionelle Inhalte. Zum Beispiel:
“11 Münchner Instagram-Accounts, die die schönsten Seiten der Stadt zeigen”.

Journal Mittwoch, 20. November 2019 – Berufsradeln

Donnerstag, 21. November 2019

Mühsames Aufstehen, weil der letzte Schlafabschnitt vor Weckerklingeln nicht geklappt hatte.

Aber erst mal bin ich ja immer munter, also Kaffee, Umziehen, für 20 Minuten auf den Crosstrainer, Dehnen, Pflanzengießen. Auf dem Weg in die Arbeit erlebte ich dann etwas Techniktagebuch-würdiges.

Aus Arbeitsgünden war ich vor der Mittagspause nochmal mit dem Radl unterwegs, mochte das ganz gern: Es war immer noch nicht frostig, außerdem war es zwar hochneblig-düster, aber trocken.

Zu Mittag gab es das Restl Buchweizen mit roter Paprika, Gurke und Petersilie, das ich mir am Vorabend angerichtet hatte, als Nachmittagssnack ein Stück schwarze Schokolade und eine Hand voll Nüsse. (Abends fiel mir ein, dass ich das Glas mit Granatapfelkernen vergessen hatte, das ich nachmittags hatte essen wollen. Hoffentlich war es ihm in der Schreibtischschublade nicht zu warm.)

Nachmittags rief der Gürtelmacher an: Gut zwei Monate nach Bestellung und Anzahlung war das Geburtstagsgeschenk für Herrn Kaltmamsell fertig, ein schwarzer Gürtel. Ich radelte nach Feierabend zum Abholen hin, blieb kurz angebunden, denn wir werden sicher nicht nochmal Geschäfte miteinander machen: Der handgefertigte Gürtel, den ich mir vor ein paar Jahren in Berlin hatte machen lassen, brauchte nach Wahl des Materials und der Schnalle nicht mal zwei Stunden, in denen ich Kaffeetrinken gehen konnte. Der Termin, den der Handwerker mir zum Anvisieren der Abholung angegeben hatte, war “zweite Oktoberfestwoche” gewesen. Ich hatte vor drei Wochen schon mal in seinem Laden vorbeigeschaut und mich nach dem Verbleib meiner Bestellung erkundigt, der Herr hatte die Verzögerung damit erklärt, dass er auf das Leder habe warten müssen und er jetzt zehn Gürtel zum Abarbeiten habe. Auch für zehn Gürtel finde ich drei Wochen Bearbeitung deutlich zu lange, den nächsten solchen lasse ich wieder in Berlin machen.

Aber die richig gute Nachricht: Die Theresienwiese ist wieder passierbar! Ich hatte schon morgens gesehen, dass der Bauzaun ums Gelände fort war und nahm den Weg über den Bavariapark (sah, dass vorm Verkehrsmuseum dieses Jahr ein Christkindlmarkt aufgebaut wird). Schon hege ich die Hoffnung, dass sich der Zustand meiner Hüfte vielleicht bald bessert und ich wieder morgens mit Blick auf Weite und Kollegin Bavaria in die Arbeit spazieren kann.

Fürs Abendessen sorgte ich, es gab Kaiserschmarrn.

Besonders gut schmeckte das Apfelmus von Denree, nämlich so intensiv nach frischen Äpfeln, dass ich bezweifelte, dass es gekocht war.

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Wer wie ich das Blog von Nicky Stich, Delicious Days, vermisst, freut sich wahrscheinlich wie ich, dass sie jetzt ein instagram hat, @nicky_deliciousdays (so sagt man nämlich “mein instagram” nicht etwa “mein instagram-Konto”).

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Auf Twitter einer Empfehlung gefolgt und diesen Vortrag über die Auswirkung des Klimawandels auf die Kunstgeschichte und des Steigens des Meeresspiegels auf Weltkulturerbe angesehen.

Ben Marzeion: Before the Deluge – the UNESCO World Heritage under Climate Change from KHI Florenz on Vimeo.

Viele hochspannende Details, darunter ein Praxistipp von Ben Marzeion, Professor für Klimageografie an der Uni Bremen: Wenn man ein Grundstück am Meer hat und einen Gletscher im Garten, sollte man zur Vermeidung von Versinken kontraintuitiverweise den Gletscher so schnell wie möglich ins Meer schmelzen, weil dadurch die Höhe des Grundstücks überm Meerespiegel steigt! (Es folgt die Erklärung, kurz: Druck von Gletscher auf Untergrund und Anziehungskraft Gletscher auf Meerwasser.)

Ich war auch deshalb fasziniert, weil ich erst kürzlich wieder auf einen Klimaskeptiker gestoßen bin: Viele, viele Fachrichtungen sind seit vielen Jahren damit beschäftigt, Lösungen für die Folgen des Klimawandels zu finden – sie sind längst über das “ob” hinaus, an dem sich die Klimaskeptiker abarbeiten. Als erste fallen mir Rückversicherer ein, die zu den ersten gehörten, die die Folgen des Klimawandels beschrieben und berechneten: Ihr Geschäft hängt davon ab, so etwas rechtzeitig zu erkennen, weil ihre Kundschaft von den Schäden bedroht ist und sich dagegen absichern muss. Dann fällt mir Weinanbau ein: In absehbarer Zeit, wenn nicht schon heute, sind die klassischen Rieslinganbaugebiete klimatisch nicht mehr für den Anbau von Riesling geeignet, Weinanbau generell wandert immer weiter nach Norden und ist in Europa bereits in Schweden gelandet. Und dann eben Archäologie und Kunstgeschichte: Schon heute ergreifen Museen Maßnahmen zur Absicherung, gibt es Projekte zum Schutz von Kulturschätzen.

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“Die Hochzeitsfotografin
‘Würde es wirklich auffallen, wenn ich die Hochzeitsfotos, die ich vor zwei Wochen geschossen habe, mit den heutigen verwechsle?'”

Andererseits: Aber wenn’s die Beteiligten halt freut und die richtigen dran verdienen.

Für mich enthielt der Text viel Neues, ich habe nämlich den Anschluss an Hochzeitsstandards direkt nach dem Lokalzeitungsteil meines Volontariats verloren, also Ende der 80er. Damals waren die total individuellen Standards: Kleid wie explodierter Sahnebaiser (die Bräute nannten den Stil “Prinzessin”), Dauerwellenfrisur, Kopfschmuck mit einem Spitzreif in die Stirn. Immer wurde irgendwas gemeinschaftlich vom Brautpaar zersägt.

Klar, gewisse Ähnlichkeiten gab es wohl schon immer. Aber erst in den letzten Jahren hat sich ein ganz bestimmter Stil durchgesetzt. Ich nenne das mal den „Instagram-Pinterest“-Stil, den ich am ehesten als „vintage“ und „bohemian“ beschreiben würde. Also viele Pastellfarben, viel Holz und Selbstgebasteltes.

Aber sehr schön: Das Hochzeitsessen scheint seit den 80ern gleich geblieben. Schon damals wunderte ich mich, dass die Brautleute nicht das servieren ließen, was sie und ihre Freunde gerne aßen, sondern was sich laut Tante Trudi für Hochzeiten gehörte.

Journal Dienstag, 19. November 2019 – Halt auch

Mittwoch, 20. November 2019

Ereignisloser Tag. Trockenes Radeln in die Arbeit, Wetter meist sonnig, Temperatur immer noch über Null.

Mittags Birnen und Mandarinen mit einem Stückchen Manchego, Nachmittagssnack ein halber Eiweißriegel.

Arbeit überschaubar und ohne Querschläger.

Heimradeln über Biosupermarkt, dort vor allem Obst und Gemüse für Brotzeit gekauft, außerdem Apfelmus und Eier für das Mittwochabendbrot.

Zum gestrigen Nachtmahl verarbeitete Herr Kaltmamsell den Rosenkohl aus Ernteanteil zu einem Pastagericht mit Orecchiette und etwas frische roter Chilli.

Während er Abendbrot kochte, schnippelte ich mir schon mal die Brotzeit für Mittwoch: ein Restl Buchweizen mit roter Paprika, Gurke und Petersilie.

Abendunterhaltung war die jüngste Folge Anstalt aus der Mediathek zu 30 Jahren Mauerfall. Für mich enthielt sie wenig Neues, doch ich war sehr angetan über die beiden Gäste von “Zärtlichkeiten mit Freunden”. Hier die extended version ihrer Nummer aus der Anstalt:

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https://youtu.be/6Bk88pJf2q4

Journal Montag, 18. November 2019 – Hadern mit Kajal und Roter Bete

Dienstag, 19. November 2019

Kurz nach fünf geweckt worden von Mauern-erschütterndem Husten im Hinterhof, auf den mein Schlafzimmerfenster raus geht. Ich hatte eh früher aufstehen wollen für etwas Morgensport: 20 Minuten Crosstrainer, Liegestütz (ächz!), Plank, eine Bauch-Übung.

Beim Schminken haderte ich wie öfter in letzter Zeit, nämlich seit ich den aktuellen dunkelgrünen Kajalstift in Betrieb genommen habe. Sein Vorgänger von Jade hatte über 15 Jahre gehalten, täglich malte ich mir das untere Innenlid damit grün und musste ihn doch nur etwa viermal im Jahr spitzen. Vor ein paar Jahren rechnete ich durch, dass ich mit drei weiteren solchen Stiften bis an mein Lebensende versorgt sein müsste und kaufte sie – allerdings war die Firma Jade mittlereweile von Maybelline übernommen worden: Der Eyeliner sah fast genauso aus wie der Vorgänger, das würde schon passen.

Das tut es leider nicht. Ich weiß nicht, ob es am Holz liegt, an der Mine oder am Spitzer: Ich muss mindestens wöchentlich nachspitzen, und zwar ziemlich lange, bis kein spitzer Holzsplitter um die Mine mehr mein Augenlicht gefährdet. Es könnte durchaus am Spitzer liegen: Ich bilde mir ein, dass mein ganzganz früherer (warum habe ich den eigentlich nicht mehr?) verhältnismäßig flach spitzte, so dass nur wenig Holz frei lag, also nicht wie ein Bleistiftspitzer. Deshalb hier eine explizite Bitte um Rat: Wissen Sie einen wirklich guten Kajalspitzer oder wissen einen wirklich guten (nicht zu hart, nicht zu weich) dunkelgrünen Kajal fürs Innenlid?

Radeln in die Arbeit, die Theresienwiese ist immer noch nicht passierbar. Das Wetter den ganzen Tag so strahlend sonnig, wie ich es mir fürs Wochenende gewünscht hätte, kühl, aber nicht frostig.

Mittagessen Rote Bete, die ich wirklich gern mag. Meine Liebe hat allerdings eine Einschränkung: ihre Farbe. Sie färbt so tückisch, dass ich sie eh nur mit Einweg-Gummihandschuhen verarbeite (die ich mehrfach benutze, bis sie Löcher bekommen), dass ich bei jedem Bissen wie ein Haftlmacher aufpasse. Und dann hatte ich nachmittags immer schmerzhaftere Blähungen – vertrage ich Rote Bete etwa nicht mehr?

Daheim machte ich mir Fencheltee, in unserem Kulturkreis gilt der ja als Blähungsbekämpfer (in anderen weiß man davon genauso wenig wie von Salbei gegen Halsweh). (Dass die Packung sechs Jahre überm Mindesthaltbarkeitsdatum war, tut der Wirkung ganz! sicher! keinen Abbruch.) Tatsächlich wurden die Blähschmerzen weniger, das wären sie aber vielleicht auch ohne den Tee.

Zum Abendessen aus Ernteanteil eine Lauch-Kartoffelsuppe, gefolgt von Schokolade.

Nach der Tagesschau schaltete ich den Fernseher aus, um Toni Morrisons Beloved auszulesen. Ja, definitiv Weltliteratur (mehr nach Besprechung in der Leserunde). Früh ins Bett.

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Nächsten Mai wird der vermutlich wichtigste Reiseführer seit dem Hitchhiker’s Guide Through the Galaxy veröffentlicht: Kathrin Passig, Aleks Scholz, Handbuch für Zeitreisende: Von den Dinosauriern bis zum Fall der Mauer.

Ein bisschen habe ich hinter den Kulissen (also im Redaktions-Chat des Techniktagebuchs) die Recherchen der Entstehung mitbekommen (mein Input wurde grundsätzlich mit “albern” abgelehnt, es wird sich also um ein sehr, sehr ernsthaftes Buch handeln) (auf jeden Fall war wohl die Einhaltung der Naturgesetze ein großes Anliegen, pft).

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Es kommt nicht nur mir so vor, als seien Taschen in Frauenkleidung, vor allem ihr Fehlen, ein Thema geworden:
“The History of Women’s Terrible Pockets”.

via @DJ7o9

“There’s definitely more of an awareness, and almost a political demand for pocket equality, on social media,” she says, citing an example of the dresses worn at the recent Oscars, in which women posed for photos “with a hand conspicuously in their pocket.”

(…)

I’m just one person reviewing gear and apparel, but I’ve started asking about pocket functionality when I accept products for review. I turn down a lot of clothing without them. If you’re an outdoor-industry designer reading this, hear our pleas: We want our clothes to help us go hands-free when we play outside. If it can’t fit a phone, you can do better.

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Michael Chabon beschreibt im New Yorker, wie er – an der Seite seines sterbenden Vaters wachend – über Star Trek nachdenkt (Chabon ist einer der Autoren der neuen Serie Star Trek: Picard):
“The Final Frontier”.

Nach Daniel Mendelsohn noch ein Schriftsteller, der eine fiktionale Welt der Kunst verwendet, um anrührend die Beziehung zu seinem alten Vater zu beschreiben.

via @hotelmama