Journal Dienstag, 21. Januar 2020 – Bov Bjerg, Serpentinen
Mittwoch, 22. Januar 2020 um 7:46Im Bett Serpentinen von Bov Bjerg ausgelesen, das mir der Claassen-Verlag als Leseexemplar geschenkt hatte. Erst mal geschluckt.
Serpentinen ist ein Männerbuch, erzählt Männerdinge – von Vätern und Söhnen, von Freunden und Brüder -, von einem Mann erzählt. Ein Männlichkeitsroman? Auf jeden Fall ein bitterer, schmerzlicher. Keine Spur ist geblieben vom ausgelassenen Lachen in Auerhaus, vom komischen Blick in Die Modernisierung meiner Mutter: Geschichten. (Auch wenn eine Kaltmamsell drin vorkommt, also eine echte bei einer Feier.)
In Serpentinen fährt ein Erzähler mit seinem Sohn in Grundschulalter in der Schwäbischen Alb herum, aus der er stammt. Schon im ersten Kapitel wird klar, dass er nicht gefunden werden will, dass er auf den Spuren seiner Kindheit unterwegs ist, dass er einen Weg aus dem Teufelkreis sucht, der seinen Vater, Großvater, Urgroßvater in den Suizid gesogen hat. Auch dass er Alkoholiker ist wie sein Vater.
Man könnte Serpentinen als Fortsetzung von Auerhaus lesen: Der Ich-Erzähler trägt sich im Hotel als Höppner ein, ein Frieder taucht auf. Der Ich ist weggegangen nach Berlin, ist aus seinem Herkunftsmilieu ausgebrochen, Professor für Soziologie geworden (ausgerechnet – und ja: Eine ausführliche Anspielung auf Didier Eribons Rückkehr nach Reims legt noch eins drauf, dann ist das Leben halt rekursiv). Die vielfältigen Fremdheiten, die dieser Ausbruch nach sich zieht, prägen sein Leben in Berlin.
Das im Jetzt Erlebte steht auf derselben Erzählebene wie Vorgestelltes und Erinnertes – immer wieder tauchen die Fossilien in der und aus der Schwäbischen Alb auf, die schon die Jury des Bachmannpreises als Allegorie auf des Erzählers Suche nach seiner Vergangenheit las. Vor allem aber sind sie ebenso interpretationsbedürftig und unzuverlässig wie Erinnerungen, wie Vorstellungen. Die Bewegung der Serpentinen findet ihre Fortsetzung im wiederkehrenden Bild von Fließendem, von Wassern und Rinnsalen, die sich vereinen und auf das eine große Wasser zufließen.
Parallele zwischen Form und Inhalt: Die titelgebenden Serpentinen spiegeln sich in der Erzählstruktur. Bestimmte Elemente und Passagen tauchen immer wieder auf, “Um was geht es”, die Vorstellung von den Rinnsalen, der um den Tisch laufende Vater, “ersoffen, erschossen, erhängt”, die Braut und zukünftige Witwe. Als Leserin kommt man immer wieder daran vorbei wie auf Serpentinen an der immer gleichen Aussicht aufs Tal – die sich durch die leicht wechselnde Höhe dann doch immer wieder ein wenig unterscheidet.
Der Erzähler erinnert sich an Brutalität und Willkür, mit denen er aufgewachsen ist – und muss sich dann doch zusehen, wie er immer wieder selbst empathielos auf seinen Sohn losgeht. Wie “der Junge” das alles wahrnimmt, bleibt schemenhaft, ebensowenig greifbar wie alle anderen Figuren der Handlung. Sehr konkret ist der Umgang von Vater und Sohn miteinander: Anders als in der Literatur gewohnt ist er handfest mit Erinnerungen an Babywickeln, auf dem Arm Halten, Krankenpflege, dieser väterliche Blick enhält auch Sorge um kalte Füße.
Im Erzählfluss immer wieder kleine Strudel um kryptische Einwürfe, manchmal verliert sich der Erzähler ganz in seinen inneren Schrecken, die Tragödie scheint unausweichlich. Mir hat die Lektüre weh getan.
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Ja mei, Ibu hilft halt nicht immer, in diesem Fall auch nicht das vorhergehende Entspannungsbad: Lange schmerzbedingte Schlafpause in der Nacht.
Diesmal früh genug von daheim losgekommen, dass die U-Bahn noch einen Sitzplatz für mich hatte, die ersten Seiten Zeitung gelesen.
Viel gearbeitet, vor allem aber: Einen Augenblick lang vergessen, innerlich vor dem Angstprojekt davonzulaufen und – ZACK! – weiß ich, wie’s gehen kann und bin so große Schritte weiter, dass es kein Angstprojekt mehr ist. Auch sonst beim Machen und Organisieren auf keine Hindernisse gestoßen, mit schwierigen Dingen nicht allein fertigwerden gemusst.
Nach der Arbeit nur ein kurzer Abstecher zur Apotheke. Nachtmahl war ein Kichererbsen-Süßkartoffel-Curry aus der Hand des Herrn Kaltmamsell.
die Kaltmamsell2 Kommentare zu „Journal Dienstag, 21. Januar 2020 – Bov Bjerg, Serpentinen“
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22. Januar 2020 um 12:07
Schon mal max Dosierung Ibu plus max Dosierung Paracetamol probiert? Wird hier in NL geraten. Evt steigern und nachmittags schon damit beginnen und abends dann nochmal.
23. Januar 2020 um 5:52
Ja das mit der Angst vor einem Projekt kenne ich auch.
Man vergisst vor lauter Angst rational zu denken.
Und wenn man das von Anfang an getan hätte wäre es überhaupt kein Angstprojekt geworden.
Ich arbeite dran.
Aber wir Ihnen, gelingt mir das auch nicht immer.
Und was den neuen Bov Bjerg angeht, so war ich ziemlich überzeugt dass ich ihn kaufen soll.
Jetzt ich weiß nicht.