Journal Freitag, 3. Januar 2020 – Venedig 3, Lido und Rüstungen
Samstag, 4. Januar 2020 um 8:54Nach besserer Nacht vom Wecker geweckt, damit ich noch vor dem Frühstück fertigbloggen konnte. Vor dem Balkon des Hotelzimmers trübes Licht: Es wurde von dem Nebel geschluckt, den ich im Januar in Venedig erwartet hatte. Unterm Balkon sah ich einen Kormoran herumtauchen – Beleg, dass es in diesem Kanal Fische gibt?
Plan war ein Besuch des Lido: Thomas Mann am Strand suchen, und dann hatte ich ja schon vor Langem vom alten jüdischen Friedhof gelesen, der seit dem 14. Jahrhundert im Norden der Insel liegt.
Der feuchte Nebel machte die Luft deutlich kühler als am Vortag, ich zog einen Wollpulli unter dem Mantel an. Im Vaporetto stellte ich mich raus, um auf der Fahrt zum Lido möglich viel zu sehen – und kramte schnell Mütze und Handschuhe aus meinem Rucksack. Der ferne und unwirkliche Blick auf Dogenpalast und Markusplatz flashte mich völlig: Ich war wirklich, wirklich hier!
Auf dem Weg hielt das Vaporetto auch am Biennale-Gelände: Das sah nach einem lohnenswerten weiteren Ausflug aus. Wir sahen viele Kormorane, von denen einige auf den mächtigen hölzernen Pfosten dekorativ ihr Gefieder trockneten.
Vom Anlegeplatz Lido spazierten wir nach Norden. Als wir den jüdischen Friedhof erkundeten (es wurde darum gebeten, nicht zu fotografieren), lichtete sich der Nebel, Sonnenflecken beleuchtete die zum Teil verwachsenen Grabsteine und Mausoleen – ein wunderschöner Anblick. Wie schon auf dem jüdischen Friedhof in Nizza fiel mir auf, dass der Geburtsort vieler Bestatteter im 20. Jahrhundert weit entfernt von ihrer Grablege war.
Im benachbarten katholischen Friedhof sahen wir uns auch ein bisschen um und stellten fest, dass fast jeder Grabstein mit einem Foto des oder der Verstorbenen versehen war – hatte ich so konsequent auch noch nicht gesehen.
Es war ein wenig kompliziert, von dort zum Strand zu kommen, aber auch das schafften wir. Im milchigen Sonnenlicht spazierten wir am Wasser mit Meeresluft in der Nase bis zum Thomas-Mann-Hotel Grand Hotel des Bains, seit 2010 geschlossen, aber für Veranstaltungen im Rahmen von Biennale und Filmfestspielen genutzt (das erklärt wohl die gepflegten Außenanlagen, die ein wenig im Kontrast zu den Brettern vor den Fenstern im Erdgeschoß stehen).
Auf dem Weg zurück zur Vaporetto-Anlegestelle kehrten wir auf einen Espresso und auf ein Sandwich für Herrn Kaltmamsell ein.
Zweiter Programmpunkt sollte der Dogenpalast sein: Herr Kaltmamsell war zuletzt als Jugendlicher in Venedig gewesen und erinnerte sich, dass ihn die Rüstungen und Waffen dort sehr beeindruckt hatten; die wollte er gerne wiedersehen. Nur sehr langsam kamen wir von der Anlegestelle durch die fotografierenden Menschen dorthin, mussten dann aber gar nicht lange am Palast anstehen. Die wundervoll ausgestatteten Räume mochte ich auch bei meinem zweiten Besuch sehr, Herr Kaltmamsell freute sich wieder an Rüstungen und sehr alten Waffen aus aller Welt.
Jetzt hatte auch ich Hunger, wir ließen uns im Museumscafé nieder. Nach einer heißen Schokolade mit Sahne war ich eigentlich satt, doch ich hatte auch ein Sandwich bestellt – das sehr lange auf sich warten ließ. Als es endlich serviert wurde, war mir ob des Ärgers endgültig der Appetit vergangen, Herr Kaltmamsell packte das Sandwich ein.
Während unseres Aufenthalts im Dogenpalast hatte ich bereits durch die Fenster gesehen, dass der Nebel zurückgekommen war, dichter als am Morgen. Das legte über den Anblick des Markusdoms Weichzeichner, er sah in der letzten Abenddämmerung völlig verzaubert aus.
Wir hatten dann abends keine Lust mehr das Hotelzimmer zu verlassen und teilten uns zum Nachtmahl einfach das eingepackte Museums-Sandwich.
Die Spiegel in diesem Laden hatte ich schon vor sieben Jahren bewundert.
Mehr als alle dekorativen Boote faszinieren mich auf den Kanälen die Nutzboote: Es muss ja wirklich alles, alles auf diesem Wege herangeschafft werden, eben auch Baumaterial.
William-Turner-Blick auf Giudecca von unserem Abfahrtsort Zattere.
Strandspaziergang. Die schönsten Muschelschalen hob ich zwar auf, um sie zu bewundern, steckte aber keine einzige ein!
Herrn Mann diskret zugenickt – in Gedanken bei dem Fräulein, das sein größter Fan war.
Blick zurück auf die Anlegestelle Lido.
Ziel San Marco.
Januarlicht.
Dogenpalast.
Blick von der Seufzerbrücke auf Seufzerbrückefotografierende.
Piazzetta San Marco.
Piazza San Marco, als gerade ein Schwarm Kormorane drüberflog.
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Wieder etwas aus dem Techniktagebuch gelernt: Florian Karsten schreibt über
“Librophon und Phonobuch”.
9 Kommentare zu „Journal Freitag, 3. Januar 2020 – Venedig 3, Lido und Rüstungen“
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4. Januar 2020 um 10:18
Wunderschöne Eindrücke – vielen Dank für’s Mitnehmen.
4. Januar 2020 um 10:33
Das macht richtig Lust mal nach Venedig zu reisen. Vielen Dank. Das winterliche Licht wirkt ganz besonders. Noch wunderbare Tage dort.
4. Januar 2020 um 11:06
Mein Ipad hat sich fast verschluckt an den vielen tollen Fotos.
Venedig sieht einfach immer anders aus, faszinierend. Danke sehr. Auch für die Erinnerung an das Fräulein.
Und dass es Fische hat, wundert mich nicht. Das ist ja eine Lagune mit Öffnung zum Meer. Algen leben prächtig, da die Düngung vorhanden ist ( frag nicht). Und es gibt Fischer da. Die Fische landen wieder auf den Tellern der Gäste. Ich vermute aber, dass da viel Import dabei ist.
Das Librophon ist ja echt krass, bin beeindruckt.
4. Januar 2020 um 11:22
sehr schön, das bild von der seufzerbrücke.
4. Januar 2020 um 11:28
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Gerne gelesen
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4. Januar 2020 um 11:41
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Gerne gelesen
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4. Januar 2020 um 15:54
Ich lese die ganze Zeit „Drogenpalast“ und habe Szenen von viktorianisch verkleideten Menschen im Kopf die in einem üppig vergoldeten und bemalten Saal altmodische Drogen konsumieren ….
vielen Dank für Ihr tägliches Schreiben. Ich habe schon viele Buchempfehlungen von hier mitgenommen, die mich erfreut haben. Ihnen ein abenteuerliches Jahr 2020!
4. Januar 2020 um 20:15
Tolle Fotos!
Erinnerung an des Fräuleins bitter witzigem Text eines Restaurantbesuchs in Venedig.
5. Januar 2020 um 10:34
Eigentlich wollte ich mich dem touristischen Hype um Venedig verweigern, aber was ich hier sehe und lese gefällt mir so gut, dass ich das vielleicht nochmal überdenken muss.
Und während ich hier lese muss ich auch an das Fräulein denken, besonders beim Foto des Hotels. Es bleibt unbegreifbar tragisch.