Journal Donnerstag, 5. März 2020 – #WMDEDGT
Freitag, 6. März 2020 um 6:15Kein gutes Zeichen, dass ich mich diesmal wieder am 5. des Monats an Frau Brüllens “Was machst du eigentlich den ganzen Tag? – WMDEDGT”-Tagebuchbloggen beteiligen kann: Der Tag war arbeitsfern und dadurch von früh bis spät verblogbar, weil mich die Migräne erwischt hatte. Es erwartet Sie also ein vor Highlightglitzern geradezu blendend spannender Text.
Die Nacht war mittelunruhig gewesen, weil mich ab halb fünf immer stärkere Kopfschmerzen vom Schlaf abhielten. Beim Weckerklingeln um halb sechs stand ich zwar auf und machte Milchkaffee, doch als ich Herrn Kaltmamsell meine Beschwerden klagte, er fragte, ob es denn Migräne sei und ich antwortete: “Weiß nicht.” – wies er mich darauf hin: “Dann ist es immer Migräne.” Womit er recht hatte, das ist tatsächlich erfahrungsgemäß so. Ich schickte also eine Krankmeldung in die Arbeit und legte mich wieder ins Bett. Kurz darauf bemerkte ich auch schon die beweiskräftige Übelkeit und wendete mein Triptan-Spray an.
Nächstes Aufwachen gegen elf mit post-migränaler Benommenheit. Und wieder die inzwischen vertrauten Begleiterscheinungen: Alle Vorhaben für den Tag (u.a. mal wieder Crosstrainer probieren) lösten sich in ein hilfloses “Geht nicht” auf, ein Blick in die Arbeits-E-Mails bewirkte lediglich große Wurschtigkeit. Die große Migräne-Egalness.
Blogpost fertig gemacht und gepostet, Twitter hinterher gelesen. Einen Pulli mit Wollwaschprogramm gewaschen. Den Geräuschen des Draußen nachgelauscht, die werktags so ganz anders sind als am Wochenende. Wetter gestern durchwachsen, mal Regen, mal keiner. Gegen eins kam Herr Kaltmamsell aus der Schule.
Die Schuh-Story: E-Mail des Absenders, dass ich über die misslungene Zustellung benachrichtigt worden sei, das Paket nicht abgeholt hätte und sie nur aus Kulanz das Paket nochmal auf eigene Kosten losschicken. Nun war ich doch beleidigt (Migräne-dünnhäutig sogar verletzt), denn das stimmte halt nicht – ich war nicht benachrichtigt worden und hatte ihnen genau das geschrieben.
Um eins war ich langsam duschbereit. Erst mal kochte ich mir zum Frühstück Porridge und filetierte eine Grapefruit. Nach dem Duschen, Haarewaschen, Cremen, Haarefönen, Anziehen war das Porridge auf Esstemperatur abgekühlt, ich aß es mit Grapefruit und Joghurt, gesüßt mit etwas Orangenmarmelade und Ahornsirup.
Stundenlang rumgesessen und mich schwach und deppert gefühlt. Dabei gelesen, erst Internet, dann Zeitung, dann wieder Internet. Dazwischen Geschirrspülmaschine ausgeräumt, festgestellt, dass auch die Mittwochslottoziehung mich nicht zur Millionärin gemacht hat.
Schon um fünf sah das Bett eigentlich wieder verlockend aus. Ich folgte seinem Sirenenruf nicht, um guten Nachtschlaf zu ermöglichen.
Zum Nachtmahl briet ich mir (Herr Kaltmamsell war aushäusig auf musikalischen Wegen) rote Paprika und Karotte mit Knoblauch, würfelte Manouri hinein – Sie werden die Frugalität meiner Bürobrotzeiten wiedererkennen, lediglich einmal über einen Herd gegangen und mit Hitze sowie den damit ermöglichten Anreicherungen erweitert. Dazu Posteleinsalat aus eben abgeholtem Ernteanteil. Nachtmahl abgerundet durch mittelgroße Mengen Schokolade mit Nüssen (Erd- und Hasel-, Macadamia).
Insgesamt hatte ich gestern sehr viel Zeit für Internetlesen und -gucken.
§
Maximilian Buddenbohm versucht sich an einem Wort zum Mittwoch und trifft damit ins Schwarze: Er beschreibt den Gedankengang, der die Opfer einer Missetat zu den eigentlich Schuldigen macht.
“Abel hat angefangen”.
Und da hat Kain sich eben aufgeregt, denn dass das furchtbar ungerecht war, das wollte er doch noch sagen dürfen.
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Fragmente hat mit Novemberregen einen Blog-Pakt geschlossen: Einmal die Woche lässt sich Fragmente von Novemberregen zum Bloggen zwingen. Zwei sehr schöne Texte sind bereits dabei herausgekommen:
“Ein anderes Selbst”.
“die Sache mit dem Igel”.
Wobei es auch unterhaltsam ist, die Novemerregen-Seite des Pakts zu lesen, zum Beispiel den Text vom Mittwoch:
“Mittwoch, 4. März 2020”.
§
Self-declared “one woman axis of evil with the voice of Mary Poppins”: Ella Al-Shamahi ist britische Archäologin (Paläoanthropologin) und Komikerin. Hier das Ergebnis von 2016.
“Fossil Hunting in the Yemen: Archaeologists Without Borders”.
https://youtu.be/0E-jN5r0bRk
Leider ging’s ja nicht besser weiter im Jemen – aber 2019 berichtet Al-Shamahi über eine erfolgreiche Expedition als Plädoyer für wissenschaftliche Recherche in politisch instabilen Regionen.
28 Kommentare zu „Journal Donnerstag, 5. März 2020 – #WMDEDGT“
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6. März 2020 um 8:28
Auch wenn ich mit “Haue” rechne, möchte ich Ihnen trotzdem einen sehr informativen Beitrag der letzten Visite-Sendung vom 6.3. empfehlen:
Migräne: Behandlung laut Studie oft falsch
https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Migraene-Behandlung-laut-Studie-oft-falsch,migraene180.html
Für mich hatte der Experte (Prof. Dr. Arne May, Neurologe) irgendwie Ähnlichkeit mit Herrn Kaltmamsell ;-)
6. März 2020 um 8:43
Könnten Sie mir Ihren Gedankengang etwas detaillierter schildern, Vera S.? Ich interessiere mich tatsächlich für die Schritte zwischen: “Sie ärgert sich ja über Gesundheitstipps” zu “Ich schreibe einen Gesundheitstipp in die Kommentare”.
Sie haben übrigens Erfolg: Ich stelle mir gerade vor, wie ich Sie haue. Mit aller Kraft.
6. März 2020 um 9:22
Autsch! Mit einer derart heftigen Reaktion habe ich nicht gerechnet. Schade.
— Erklärungsversuche gelöscht —
Die Empfehlung (wenn nicht an Sie, dann vielleicht an mitlesende Migränebetroffene), die Seite wenigstens mal anzuklicken, bleibt.
6. März 2020 um 9:58
Liebe Frau Kaltmamsell,
an dieser Stelle einfach einmal ein großes Dankeschön fürs Bloggen!
Ich lese erst seit kurzem hier mit und möchte es schon nicht mehr missen.
Selbst ein ironisch als vielleicht nicht so spannender Tagesbericht gekennzeichneter Eintrag wie der heutige bereichert meinen Tag.
Dankeschön und allerbeste Grüße!
6. März 2020 um 12:32
Mich hatten die Schritte dazwischen auch, ganz unemotional, sehr interessiert. Schade, eine verpasste Chance.
6. März 2020 um 13:01
Dieses Bloggen von zwei Seiten betrachtet betrachten können fasziniert mich gerade auch sehr: die Texte von Frau Fragmente lesen sich wunderbar, leicht und schön; erst in Frau Novemberregens Außensicht erkenne ich, wie schwer abgerungen jene sind – vielleicht sollte Frau F. im Gegenzug einmal Frau N. beschreiben.
6. März 2020 um 14:02
Seien Sie alle beruhigt: Es geht immer noch aggressiver. Eben schrieb mich eine Homöpathie-Gläubige per Mail mit Homöopathie-Tipps gegen Migräne an. Mag nicht eine Psychologie- oder eine Soziologiestudentin (oder beide) untersuchen, was Menschen zu dieser Übergriffigkeit treibt? Die Wurzel für Homöopathiegläubigkeit erkläre ich ja eher soziologisch (https://www.vorspeisenplatte.de/speisen/2017/07/paramedizin-als-elitenmerkmal.htm), die Übergriffigkeit hingegen muss was Psychologisches sein. Ekelhaft ist beides.
6. März 2020 um 14:53
Wie wäre es mit einem Disclaimer vor den Kommentaren: “Von gesundheitlichen Ratschlägen bitten wir abzusehen”?
6. März 2020 um 15:20
@ Vera: Ich selbst habe keine Migräne, kenne aber jemanden, der manchmal darunter zu leiden hat, daher fand ich den Link interessant. Danke.
6. März 2020 um 15:25
Vielleicht der Ehrlichkeit halber ergänzt, Herr Kaltmamsell, mit: “Ich werde sonst sehr böse.”?
6. März 2020 um 15:28
Bin ja nun krankheitsmäßig ein Vollprofi und kenne mich mit Schmerzen aller Art aus. Die besten Empfehlungen und Diagnosen kamen ausnahmslos vom ärztlichen Fachpersonal und nicht aus dem Bekanntenkreis.
Allerdings habe ich mal bei Frau Kaltmamsell nachgefragt in einer speziellen Sache, bei der sie mir durch ihre Kontakte im Umfeld sehr helfen konnte.
Ich glaube, nachfragen geht, Diagnosen oder Anzweifeln der selbigen geht eher nicht.
6. März 2020 um 15:31
Ist ein Link auf einen Bericht über eine wissenschaftliche Studie zum Thema Migräne ein “gesundheitlicher Ratschlag”?
6. März 2020 um 15:55
@pippilotta: was nicht unter applaus, dankeschön und beistand fällt, ist alles “ratschlag” oder “übergriffig”. ganz unemotional.
6. März 2020 um 18:26
Vielleicht würde es helfen, einfach die ganzen Leidensgeschichten wegzulassen.
6. März 2020 um 20:32
Von Ella Al-Shamahi hatte ich bisher noch nichts gesehen/gehört, danke für die Vorstellung!
6. März 2020 um 21:00
Aus dem psychologischen, soziologischen sowie pädagogischen Augenwinkel betrachtet, spricht man in diesem Fall, wie Sie Ihre Leser teilweise umbügeln, von auffälligem Verhalten.
Woher kommen Ihre den Umständen in keiner Weise angemessenen Aggressionen?
6. März 2020 um 22:06
Gut, dass ich als Schwangere Ratschläge überhören kann, die mir nicht passen. Man bekommt ja etliche. Es war mir schon vorher klar, dass es sich nicht vermeiden ließe, sobald man es mir ansieht, bzw. es bekannt gegeben wurde. Dass mir jetzt ungefragt der Bauch gestreichelt wird, finde ich wirklich komisch, würde ich selbst nie tun, auch nicht um Erlaubnis fragen, aber das wenigstens erwarten, nehme es aber positiv, weil das Kind das mag. Und letztlich freue ich mich über jeden, der sich mit mir freut. Hat er noch nen Ratschlag oder nen Bauchstreichler extra dabei… meinetwegen. Würde ich nicht sagen „mal schauen“ oder „da haben wir schon eine andere Idee“, sondern mit jedem diskutieren, wie übergriffig er ist, stünde ich rasch allein da und hätte Freunde, Kollegen, Familie, Eltern verprellt. Das möchte ich nicht, daher sehe ich drüber hinweg.
Ich kann hier allerdings im Blog auch nicht verstehen, dass immer noch einer naiv denkt, der eine Ratschlag könnte jetzt mal der sein, der akzeptiert wird. Die Reaktion ist doch vorprogrammiert, es ist absehbar, dass es Ärger geben wird. Warum dann? Das ist doch wirklich lächerlich. Entweder man mag die Bloggerin, dann hält man sich dahingehend endlich zurück oder man mag sie nicht. Dann macht man am besten dasselbe oder man provoziert sie mit einem Ratschlag.
6. März 2020 um 22:36
@Ulla äh… victim blaming?!
Ich lese sehr gerne hier, bedanke mich für die vielfältigen Anregungen – und bewundere die Geduld.
7. März 2020 um 9:05
Schreckensnacht. IBUPROFEN. 5 00 h Toilettengang, an Bettkante angestoßen und aufgeheult. Fußnägel geschnitten (ev. hier Fotomaterial).
Gang in die Arbeit (Verkehrsmittel angeben mit aktueller Leidensbegründung) 1kg Joghurt 500 gr Eintopf vom Vortag und 2 Tafeln Nussschokolade. Nervige Fragesteller am Telefon bedient (überall das gleiche… alle blöd außer mir).
Beim Araber Fisch gekauft. Verkäufer nett, ich bin sehr gerührt.
Es folgt Videomaterial zu empörenden Umständen (Benachteiligungen… Dikriminierung…Fehlvehrhalten…).
Mit dem werten Herrn beim Kasachen zum Abendessen (Bild Teller mit grossen Portionen Quälfleisch; das Gegenüber im gemusterten Viskosehemd)
Meine Schuhe müssen zum Schuster…. genauer Ablauf folgt… stay tuned.
7. März 2020 um 9:34
Bei manchen Kommentierenden muss man sich ja regelmäßig fragen, warum sie nur hier lesen, wenn’s doch anscheinend so schlümm ist… *augenrollgeräusch*
7. März 2020 um 9:42
Erklärungsversuch Übergriffigkeit:
Es ist das (trügerische) Gefühl von Vertrautheit und Nähe sowie der Wunsch, fürsorglich zu sein (Du gibst mir etwas, also möchte ich Dir auch etwas geben!). Die Distanzlosigkeit darin wird schlicht nicht wahr genommen – und, was mich betrifft, die solche Beiträge inzwischen für sich behalten kann, auch ein Hauch dessen, was “Klugscheißerei” genannt wird. (*schnipp*, *schnipp*, “Frau Lehrerin, Frau Lehrerin!! Ich weiiiß was!”).
7. März 2020 um 9:47
“Viskosehemd”: Jetzt wird’s aber zu viel! Unbedingt mehr Trolle sperren!
7. März 2020 um 10:19
Bei manchen Kommentierenden frage ich mich ernsthaft, ob sie sie eigentlich noch alle haben. Eröffnet doch einfach euer eigenes Blog mit welchem Inhalt auch immer und lasst uns andere hier zufrieden (im wahrsten Sinne des Wortes). Echt ey.
7. März 2020 um 12:55
Frage mich, ob das ein Genderthema ist, dass Frauen so darauf abgehen, wenn für eine Gemocht-Werden kein gewichtiger Wert ist. Ich lerne viel von dem, wie Frau Kaltmamsell sich hier zeigt. Danke! Auch für alles andere und ich hoffe sehr, dass Sie sich weiter nicht beirren lassen, weil mir das Blog so gefehlt hat (ganz egoistisch).
7. März 2020 um 19:53
@Sonni – Hier kann man halt mit einer gewissen Reichweite für seine Absonderungen rechnen, während man mit einem eigenen (neuen) Blog erstmal ziemlich allein dasteht und niemand das Gekrähe wahrnimmt.
@Annekatrin – Interessante Frage, vermutlich ist eine solche Lebenshaltung für viele Frauen unvorstellbar und sehr angsteinflößend.
8. März 2020 um 3:24
Offen gestanden: Viscosehemden können sehr sexy sein… Aber a bisserl Mut braucht’s schon dazu…
8. März 2020 um 8:50
Reichweite von Absonderungen: Was sagt es über den zu erwartenden Content, wenn der Köder dafür Rumgegrätze in reichweitenstarken Blogs ist?
8. März 2020 um 19:19
Übergriffigkeit mittels ungebetener Ratschläge for Dummies:
“Ich weiß mehr als Du, ich bin Dir überlegen!”
Ergo: reines Machtspielchen. Ja, dazu gibt’s Studien.
Herr Kaltmamsell betreibt textiles Mimikry – extravagante Muster halten Fummler fern.