Archiv für März 2020

Journal Dienstag, 17. März 2020 – Büroalltag und weitere Pandemie-Folgen

Mittwoch, 18. März 2020

Mittelgute Nacht, aber ich habe sicher einige Stunden durchgeschlafen.

Rumpfübungen, Dehnen. Die anschließende Yogarunde konzentrierte sich gestern auf Bauchmuskulatur – für mich easypeasy. Doch eine für mich neue Übung begann auf meiner wehen Seite, worauf ich dachte: Tja, das ist halt wieder mal eine von den ultra-fortgeschrittenen Yoga-Positionen, die kann ich überhaupt nicht. Nur dass sie auf der nicht-wehen Seite problemlos zu machen war. Ich fürchte, dass mich inzwischen durch Schmerzen und Schmerzvermeidung immer mehr die Kraft im rechten Bein verlässt. Blöderweise ist eine Pandemie-Situation ein ganz schlechter Moment, eine Hüft-OP zu planen.

Radeln durch milde Frühlingsluft in die Arbeit. Es hatte sich am vorhergehenden Urlaubstag eine Menge Zeugs angesammelt, ich war den Tag über gut beschäftigt. Vorerst arbeite ich wie üblich jeden Tag im Büro, ganz offiziell und so gewünscht.

Mittags Reste der Nudeln mit Chinakohl und Räucherlachs vom Vorabend, nachmittags Mango und Birne.

Auch auf unser Kartoffelkombinat hat die die Ausrufung des Katastrophenfalls Auswirkungen: Viele Verteilerpunkte liegen in Geschäften, Lokalen, Büros, die geschlossen wurden. Die Organisatoren müssen innerhalb kürzester Zeit Alternativen finden, damit die Ernteanteile zur Verfügung gestellt werden können.

SMS-Erinnerung an meinen Orthopädentermin am Donnerstag – ich bin sehr erleichtert ob der Aussicht, dass er tatsächlich stattfindet.

Der Arbeitstag wurde dann doch länger als geplant. Auf dem Heimweg Einkaufsabstecher beim Vollcorner. Herr Kaltmamsell war den ganzen Tag im Home-Office (in dem Lehrer und Lehrerinnen ja schon vorher mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit verbrachten) sehr emsig gewesen, um dem Kollegium seiner Schule Unterricht über die Online-Plattform Mebis zu ermöglichen und sich auch um seine eigenen Schülerinnen und Schüler zu kümmern.

Abendessen waren Reste der Vortage, Herr Kaltmamsell bastelte köstlichen Fried Rice und ebenso köstlichen asiatischen Hühnchensalat.

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Eine Pandemie-Botschaft von Mel Brooks, ausgerichtet von seinem Sohn Max (aber Mel Brooks ist zu sehen).

Journal Montag, 16. März 2020 – Zweiter Auszählungstag

Dienstag, 17. März 2020

Beim Morgenkaffee die Schulungsunterlagen danach durchgesehen, welche Schritte als nächstes wie beim Wahlzettelauszählen drankommen.

Um acht zurück im Wahllokal. In der Wahlschulung waren wir darauf vorbereitet worden, dass bei Wahllokalen in Schulen das Montagsauszählen in einem ganz anderen Raum stattfinden könnte, doch da diese Schule wegen Corona geschlossen war, konnten wir im gleichen Raum weiterzählen – er wurde ja nicht für Unterricht benötigt. Nachdem am Vorabend noch auf dem Boden ausgezählt und sortiert worden war (Hüfte says no), wehrte sich gestern zum Glück niemand, als ich Tische vorschlug.

Das Auszählen der Stadtratswahlzettel (1,62 m breit) (kein Scherz) (später am Tag gelernt: 2 cm größer als Margarete Stokowski, s.u.) war genau so mühsam, wie man es sich vorstellt. Erst kurz vor zwölf waren wir damit durch – und dann stand ja auch noch die Auszählung der Bezirksausschusswahlen an. Doch die ging dann superflott: Zum einen waren es viel weniger Parteien und Kandidierende, zum anderen hatten wir ja den Ablauf gerade geübt. So dauerte es nur bis halb zwei, bis wir mit allem durch waren, das Klassenzimmer aufgeräumt hatten und eine aus dem Team mit der Niederschrift und vielen weiteren Unterlagen zum Amt schickten.

Durch Wärme und Sonne radelte ich für ein paar Einkäufe zum Vollcorner an der Lindwurmstraße. Dort war recht viel los, doch die Gemüse- und Obstabteilung war bestens bestückt.

Daheim erst nach zwei die erste Mahlzeit des Tages; was mir am Wochenende mit Sport nichts ausmacht, verursachte gestern Schwindel. Es gab zwei Scheiben selbst gebackenes Brot mit von Herrn Kaltmamsell hergestelltem Kochkäse. Meinem Papa telefonisch zum Geburtstag gratuliert, ich werde uns Videotelefonie einrichten müssen.

Eigentlich hatte ich eine Yogarunde angepeilt, aber ich fühlte mich derart erledigt (und hatte schon wieder Kopfweh), dass ich das ließ. Statt dessen machte ich BaNuSchoKo-Granola.

Dem Web entnahm ich, dass die Stichwahl zur Münchner Oberbürgermeisterschaft in zwei Wochen nur per Briefwahl stattfinden wird. Ich nehme an, dass ich dann zur Auszählung in der Messe München angefragt werde – Briefwahlauszählung fehlt mir noch im Erfahrungsschatz als Wahlhelferin.

Nach Zeitunglesen bügelte ich im sonnendurchfluteten Wohnzimmer die Wäsche der vergangenen Wochen weg und hörte dabei Podcast:
“Deutschland3000 – ‘ne gute Stunde mit Eva Schulz
Margarete Stokowski, was ist guter Sex?”

Wie immer hörte ich Eva Schulz mit Genuss und Belehrung zu. In diesem Fall lernte ich unter anderem, dass die hoch geschätzte Margarete Stokowski (awww, ich habe sie ja schon bei der taz so gern gelesen) 1,60 m groß ist (s.o.), warum sie sich besonders für Sex interessiert, wie sie Feministin wurde, warum sie immer noch und immer wieder Feminismus 101 erklärt.

Zum Abendbrot kochte uns Herr Kaltmamsell Chinakohl-Lachs-Tagliatelle, die ausgezeichnet schmeckten, zum Nachtisch gab es ein Stück Marmorkuchen.

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Krieg ist böse und entsetzlich – keine Frage. Doch im Grunde ist Krieg ja eine Katastrophe, die sich auf alle Lebensbereiche erstreckt. Und deshalb sind in militärische Organisation Effizienz und Wirksamkeit lebenswichtig, deshalb sind anderthalb Jahrhunderte Erfahrung damit durchaus interessant für andere Katastrophen-Situationen, in denen Effizienz und Wirksamkeit ebenfalls lebensrettend sind – zum Beispiel in einer Pandemie. Hier eine militärische Analyse der Folgen von irrationalen Vorratskäufen, wie sie derzeit um sich greifen. Kurzfassung: Hamsterkäufe können eine Bedrohung für die Resilienz des Gesamtsystems werden, weil sie die knappe Energie auf unwichtige Bereiche ziehen, nämlich Nachschubbeschaffung.
“Toilet paper and total war – the psychology of shortages and what it means for resilience”.

In some cases, the maintenance of unnecessary stock levels may actually detract from preparedness and resilience; vast quantities of inappropriate strategic reserves consume money and other resources that can be used in other critical areas.

(…)

If production or availability cannot increase, an inefficient transfer of resources from one area of the battlefield to the other can upend strategy. In these circumstances it becomes difficult for planners to direct resources to the right place, and what can be termed ‘brute force logistics’ – get as much as you can to the place what you believe is of the greatest need – comes.

§

Bester Tipp der vergangenen Tage: Gestalten Sie Ihren Alltag, als seien Sie bereits infiziert und wollten niemand anstecken. Funktioniert für mich auf jeden Fall besser als umgekehrt.
(Schrieb die Frau, die zwei Tage eng gekuschelt an acht weitere Wahlhelfende verbracht hat.)

Journal Sonntag, 15. März 2020 – Meine erste Kommunalwahlhilfe (erster Tag)

Montag, 16. März 2020

Schlechte Nacht – vor allem wegen Schmerzen.

Beim Wahlhelfen war erst mal sehr schnelle und große Flexibilität gefragt. Ich hatte das Glück, auf großartige Menschen zu treffen, mit denen das möglich war. Im Lauf des Wahlhilfetags hatte ich noch mehr Gelegenheit herausfinden, wer mir in grundsätzlicher Einstellung zu Aufgabenerledigung glich – und wer überhaupt nicht. (Und wie wenige sonstige Gemeinsankeiten dafür nötig sind.) Die Ähnlichen erkannte ich unter anderem an den mitgeführten Schulungsunterlagen, aus denen Haftzettel ragten.

Unter Wahlhelfenden der für unsere Zeit typische Bewegungsablauf zur Begrüßung: Lächelnd Hand hinhalten, erschrocken sofort zurückziehen.

Meine Vormittagsschicht endete um eins, ich spazierte nach Hause durch einen strahlend sonnigen Tag voller Frühlingsgerüchen. Daheim hatte Herr Kaltmamsell vereinbarungsgemäß Mittagessen gekocht, es gab Brathähnchen.

Anruf eines unserer lieben Putzmänner. Wir hatten ihm bereits am Freitag telefonisch angeboten, dass er am Montag nicht kommen muss, wenn er welche Bedenken auch immer hat, und dass er selbstverständlich dennoch bezahlt wird. Da war er noch ein wenig irritiert gewesen und hatte angenommen, wir könnten ihn in diesen Pandemie-Zeiten nicht in der Wohnung haben wollen – ich setzte alles darein, diesen Eindruck zu wiederlegen. Er versicherte Arbeitseinsatz wie gewohnt. Jetzt berichtete er am Telefon, dass er es mit einigem Aufwand gerade noch zu seiner Familie in einem anderen EU-Land geschafft habe und die nächsten beiden Wochen nicht kommen werde, auch nicht sein Gegenpart, mit dem er sich beim Putzen abwechselt.

Das Durcharbeiten der Schulungsunterlagen auf den Aspekt Auszählen (das Wahlamt hatte die Auswertung der drei Wahlen Oberbügermeisteramt, Stadtrat, Bezirksrat in Einzelschritte zerlegt und einen Prozess vorgegeben) hatte ich mir für den Nachtmittag aufgehoben. Nach einer Siesta (eine Stunde ließ mich der Schmerz sogar schlafen) beschäftigte ich mich damit.

Ein Stück Marmorkuchen und Twitterlesen, um halb sechs war ich wieder im Wahllokal. Auch wenn es immer wieder Schlangen gegeben hatte, war die Zahl der Zettel überschaubar, die wir auszuzählen hatten. Außerdem handelte es sich um eine wirklich gut organisierbare Truppe: Mit dem Auszählteil, den das Wahlamt für Sonntag vorgesehen hatte, waren wir bereits um halb neun durch (in der Wahhilfeschulung war 22 Uhr veranschlagt worden). Zu meiner Erleichterung bestand niemand darauf weiterzumachen. Dennoch spürte ich deutlich die angenehme Ablenkung, mich für einige Stunden auf etwas anderes als die Folgen der Pandemie konzentrieren zu können.

Daheim mehr Brathuhn und Marmorkuchen.

Über den Tag im Vorbeigehen gesehen: Spielplätze und Restaurants gut besucht. Nach ersten Meldungen lag die Wahlbeteiligung deutlich über der vor sechs Jahren.

Journal Samstag, 14. März 2020 – Wahlhilfevorbereitungen

Sonntag, 15. März 2020

Ausgeschlafen, allerdings schon wieder mit Kopfschmerzstörung.

Brotteig geknetet, ich ergänzte meiner derzeitiges Lieblingsbrot 7-Pfünder mit fränkischem Brotgewürz (gemahlen).

Bettwäsche und Handtücher gewaschen, Internet gelesen, Brot gebacken.

Anruf von dem einzigen anderen Wahlhelfer, dessen Name auf meiner Berufung gestanden hatte, ein Beisitzer: Auch er war verunsichert, weil er seit der Berufung im Dezember nichts bekommen hatte. Wir verabredeten uns für den Wahltagmorgen früh am Einsatzort – und verlassen uns darauf, dass noch ein Wahlvorstand oder seine/ihre Vertretung auftaucht, sonst können wir das Wahllokal nicht um 8 Uhr eröffnen (weil keine Minimalbesetzung).

Bewegungseinheit: Ausführlichere Rumpfübungen als sonst, Dehnen, Yogaprogramm – ich freue mich schon so auf Zeiten, ab denen ich den warrior mal richtig ausprobieren kann.

Herr Kaltmamsell war während dessen beim Einkaufen in kühler Sonne. Ich frühstückte Reste des vorabendlichen Nachtmahls, backte dann Marmorkuchen. Telefonat mit meiner Mutter: Alle wohlauf und vernünftig. Und alle müssen sich erst mal an diese völlig neue Situation gewöhnen, die in alle Bereiche des Alltags reicht.

Raus wollte ich aber auch, ich fand als Anlass den Kauf einer externen Festplatte (als Wechsel-Back-up). Gehen ging nur sehr langsam. Ich spazierte auf dem Rückweg an den wilden Hasenglöcken vorbei, die ich vergangenes Jahr entdeckte hatte – pah, meine am Balkon sind ja VIEL weiter.

Ich hatte ordentlich Hunger und freute mich sehr über zwei Stücke frischen Marmorkuchen und Obst.

Das Brot gab’s zum Abendessen, es schmeckte sehr gut mit dem Gewürz.

Der Klavierspieler / die Klavierspielerin im Haus intonierte Satie – und erinnerte mich an ein Album aus dem Jahr 1988, auf das ich damals sogar gespart hatte: Alice (die man in den 80er von “Per Elisa” kannte) hatte auf Mélodie Passagère Stücke von Satie, Fauré & Ravel gesungen. Nachdem ich vor ein paar Jahren alle meine Schallplatten verschenkt hatte, hatte ich mir dieses Album nochmal als Dateien gekauft – und jetzt hörte ich sie.

Die Unterlagen der Wahlhilfeschulung nochmal durchgeschaut.

Aus dem Einschlafen klingelte mich das Telefon: Die andere Schriftführerin war dran, ob ich schon was zur Schichteinteilung gehört hätte, sie müsse weiter anfahren. Ich empfahl ihr kurzerhand, erst zur Nachmittagsschicht zu kommen, weil ich morgens da sein würde. Sie hatte eine vollständige Liste der Wahllokalbesetzung bekommen, wir würden also nicht irgendwelche Passantinnen zur Wahlhilfe zwangsberufen müssen. (Kein Witz.)

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In der Freitagsfolge des NDR-Interviews mit dem Virologen Christian Drosten findet sich auch die Erklärung, warum die Corona-Tests in Deutschland so lange dauern (Kurzfassung: Folge der Kostenoptimierung in der Medizin):
“(12) Schulen schließen und Gemeinden unterstützen”.

Journal Freitag, 13. März 2020 – Wenn es im Nachhinein aussieht, als hätten wir überreagiert, haben wir alles richtig gemacht.

Samstag, 14. März 2020

Die temporäre Wunderheilung verschaffte mir noch eine gute Nacht, auf dem Weg in die Arbeit war der Spaß aber spätestens vorbei: Ich hinkte in Rekord-ROM.

Davor hatte ich aber noch eine Runde Yoga genossen, diesmal mit viel langsamer Dehnung und Hineinspüren in verschiedene Becken-Bereiche.

Energisches Klingeln an der Haustür holte mich aus dem Bad (für eine polizeiliche Hausdurchsuchung zu spät, diese Herrschaften klingeln zwischen fünf und sechs – nein, die Menschen, von denen ich das weiß, hatten gegen kein Gesetz verstoßen, doch es kostete sie Jahre, das zu beweisen): Unten stand ein junger Bursch und suchte nach einer anderen Hausnummer – er hatte sein Handy verloren und eine Nachricht bekommen, dass es dort gefunden worden sei. Ich versuchte zu helfen.

Als ich mein Fahrrad vom Balkon holen wollte, hatte mittelheftiger Regen eingesetzt. Ich war beleidigt, denn meine Feiertagsplanung basierte auf Fahrradmobilität. Außerdem verstärkte der düstere Himmel meine düstere Stimmung, die von der leicht apokalyptischen Lage bösest beeinflusst wird. Ich hoffe doch schwer, dass sich all die Jahre Zombies, Run! des Herrn Kaltmamsell im Notfall auszahlen. (Ich seh schon, das Humorzentrum ist noch nicht völlig überlagert.) Zumal morgens bekannt wurde, dass Bayerns Schulen bis 19. April schließen, Herr Kaltmamsell also zumindest mehr als sonst daheim ist.

Eine schöne Erkenntnis fand ich die, die ich auch zur Überschrift gemacht habe: Wenn es im Nachhinein aussieht, als hätten wir überreagiert, haben wir alles richtig gemacht. (Quelle finde ich leider nicht mehr – irgendeine Neuseeländerin? Der es allerdings darum ging, dass die Verantwortlichen in Politik und Behörden genau das auch aushalten müssen.)

In der Arbeit weiter viel Vorbereitung auf Vorsorgemaßnahmen, im privaten Posteingang eine Info vom Wahlamt für Wahlhelfende: Am Montag (Kommunalwahl braucht einen zusätzlichen Tag zum Auszählen) wird eine Not-Kinderbetreuung eingerichtet wegen der Schließung von Kitas und Schulen.

Bei dieser Gelegenheit: Bitte gehen Sie Wählen. In allen Gebäuden mit Wahllokalen besteht die Möglichkeit, sich die Hände mit Seife zu waschen, einen eigenen Stift können Sie ohnehin mitbringen.

Über den Tag war das Wetter schön geworden, allerdings auch kühl. Mangels Fahrrad nahm ich nach frühem Feierabend eine S-Bahn zum Marienplatz: Ich wollte im Laden der Hofbräuhausmühle Mehle kaufen. Ungewöhnlicherweise musste ich anstehen (wahrscheinlich hatte gerade eine Führung geendet), bekam aber mein Öko-Weizenmehl 405 und die legendäre Pizzamehlmischung 00 des Hauses.

Auf dem Heimweg noch ein Schlenker in den Drogieriemarkt (weiterhin Löcher in den Klopapierregalen, bei einigen Produkten wurde die Höchstkaufmenge auf zwei Stück festgelegt), beim Trippel-Spaziergang nach Haus bog ich nach vielen Jahren auch wieder in den winzigen Pralinenladen Sama-Sama ab und holte “Rohkost-Konfekt” zum Nachtisch.

Während mir der U-Bahnhof Marienplatz und der Marienplatz selbst ungewohnt leer vorgekommen waren, herrschte am Viktualienmarkt die erwartbare Feierabend-Stimmung zum Einläuten des Wochenendes.

Daheim war noch etwas Zeit bis Abendessen. Herr Kaltmamsell machte dann Polenta mit gebratenem Radicchio und gebratenen Pilzen.

Ganz ausgezeichnet, wir waren uns allerdings einig, dass man die Balsamico-Note runter-, dafür die süße raufdrehen könnte.

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Wann wird es einen Impfstoff gegen Covid 19 geben? ZDF heute veröffentlichte ein Interview mit der Infektiologin Professor Marylyn Addo, die in Hamburg genau daran forscht. Sie erklärt leicht verständlich Grundsätzliches zur Entwicklung von Impfstoffen und warum dieser konkrete 2020 sicher noch nicht zur Verfügung stehen wird. Hier das Filmchen.

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Weitere Corona-Folgen: Herr Rau berichtet, wie sich das Gymnasium, an dem er arbeitet, technisch und organisatorisch auf die Schulschließung vorbereitet hat.
“Letzter Schultag vor Corona-Unterrichtsausfall”.

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Ich bin der Überzeugung, dass die Eindämmung der Pandemie und die Verlangsamung der Ausbreitung gesellschaftliche Priorität hat – auch wenn die Wirtschaft erst mal schmerzhafte Einbußen verzeichnet, auch wenn der und die Einzelne belastet werden. Die Auswirkungen sind vielfältig und noch gar nicht absehbar, von der Imbissbude im Büroviertel, die kein Geschäft mehr macht, wenn alle in Home Office gehen, über die Messebauer, die nach all den Messeabsagen schon bald Insolvenz anmelden, bis zu Dolmetscherin/Beleuchterin/Sicherheitsdient, die ohne Veranstaltungen kein Geld verdienen können.

Auswirkungen auf die Flugbranche schildert Frau Klugscheisser:
“Vom Fliegen und Ratlosigkeit”.

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Jetzt aber noch eine ganz andere Geschichte.
Bernstein ist wohl aktuell die spannendste Quelle für die Paläontologie. Ein Artikel erzählt von dem nur Kolibri-großen Dinausaurierschädel in Bernstein, der derzeit untersucht wird – inklusive einem Film, in dem eine leidenschaftliche junge Paläontolgin Hintergründe und moderne Untersuchungstechniken erklärt.
“A Hummingbird-Sized Dinosaur Skull Found Preserved in 99-Million-Year-Old Amber”.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/h3xABEpxNfY

via @dtfdpr

Journal Donnerstag, 12. März 2020 – Pandemie-Eindämmung durch Feierabsagen, Daheimbleiben wird jetzt ernst genommen

Freitag, 13. März 2020

Schönes Yoga, bei aller Unsymmetrie.

Am späten Nachmittag vorübergehende Wunderheilung: Fast kein Hinken, fast symmetrisches Radeln – ich genoss es, solange es dauerte.

Der Arbeitstag war von Corona dominiert: Absagen, Umorganisationen, an manchen Stellen dauerte es etwas länger, bis Vernunft einsickerte. Ich war schon fast irritiert, wenn ich etwas von Corona Unabhängiges bearbeitete, es kam mir frivol vor.

Mittags rote Paprika und frische Gurke, ein Stückchen Käse. Nachmittags Quark mit Orange und Mandarinen.

Auf dem Heimweg Einkäufe beim Vollcorner – nur beim Weizenmehl schreckte ich wieder zurück: Dass die dort verkaufte Marke mehr kostet als das Bio-Mehl aus der Hofbräumühle, müsste ich erst nachvollziehbar erklärt bekommen, bevor ich es zahle.

Das Coronavirus und die Maßnahmen zur Verlangsamung der Verbreitung beeinflussen immer mehr alle Lebensbereiche. Kaum war ich daheim, klingelte das Telefon und die Familienfeier am Samstagabend wurde abgesagt – es tat mir ungemein leid für die Jubilarin, ich hatte mich auch sehr darauf gefreut. Vernunft tut weh.

Zum Nachtmahl bereitete Herr Kaltmamsell aus Ernteanteil Ofengemüse – diesmal schön aufgeräumt.

Es bereitete mir großes Vergnügen, vor allem mit dem dazu gereichten Tahini. Nachtisch war veganes Erdnusseis, das deutlich besser schmeckte als Zutaten und die gräuliche, wässrige Farbe ausgesehen hatten.

Ich erhielt eine E-Mail vom städtischen Wahlamt mit Anweisung für Wahlhelfende, was in Bezug auf Corona zu beachten sei. Gleichzeitig war und bin ich beunruhigt, weil ich immer noch keine Liste mit der Besetzung meines Einsatz-Wahllokals habe: Das Berufungsschreiben führte neben mir als Schriftführerin lediglich einen Beisitzer auf; sonst hatte ich so kurz vor der Wahl schon längst einen Anruf des Wahlvorstehers bekommen, der die Schichten einteilte. Werde ich halt Sonntagmorgen an angegebenem Ort aufkreuzen und schaun, wer sonst noch so kommt.

Zumindest trafen gestern meine Briefwahlunterlagen ein, ich konnte mich also eingehend mit dem kleinen Zettel zur Oberbürgermeisterwahl, dem mittelgroßen Zettel zur Bezirksratswahl und dem riesigen zur Stadtratswahl befassen.

Danach eine weitere Vernunftnachricht: Wir einigten uns darauf, den Salzburgausflug der Familie Anfang April zu stornieren. Mir wird ganz schwindlig, wenn ich daran denke, was diese Ausfälle für die Gastronomie und Hotelerie bedeuten. In meinem Twitter gibt es bereits Aufrufe, sich Tickets für ausgefallene Konzerte und Vorstellungen nicht erstatten zu lassen, wenn man es sich irgendwie leisten kann – mit Kunst und Kultur ist eh nicht viel zu verdienen.

Und noch eine Absage zur Pandemie-Eindämmung: Ein ebenso lange geplantes Twitterfreundinnen-Treffen in München Ende März wurde erst mal gekippt.

Es wird spannend ob die Internet-Bandbreite hält, wenn so viele Leute daheim bleiben und per Streaming fernsehen. Die Stunde des Buchs!

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Ja aber sicher gibt es auch gute Corona-Späße! Pandemie-Tipps von italienischen Oma.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/Ey08XMOisiw

Journal Mittwoch, 11. März 2020 – Counting my blessings

Donnerstag, 12. März 2020

Na count ma mal:

    1. dass ich aufstehen konnte, als der frühe Wecker mich aus Tiefschlaf weckte, obwohl mich böse Kopfschmerzen plagten.
    2. dass die stürmisch Luft, die durchs Schlafzimmerfenster herein kam, schön mild war.
    3. dass Yoga gut tat, ich neben der Beschränkung durch Schmerzen auch Verknotungen wahrnahm, die ich auf die Ermunterung von Adriene wegschmelzen (“melt”) konnte. Außerdem dass mir später klar wurde, wie wahr es ist, dass diese “time for yourself” mir etwas ermöglicht, was nur dort und dann passiert: mir meiner Schmerzen und Beschränkungen ganz bewusst zu sein. Sonst investiere ich rund um die Uhr Energie, sie zu überspielen und zu verdrängen, weil Isthaltso und Kannmanjetztauchnixmachen – wie es ja in der Reha bei chronischen Schmerzen von allen Stellen geraten wurde. Aber in dieser guten halben Stunde spüre ich den Schmerzen und den Ausfällen nach. (Mit dem Ergebnis, dass ich mir eingestehen muss: Eigentlich ist es doch ziemlich schlimm.)
    4. dass ich trotz Knochenmüdigkeit im Büro nur mittelstark Zähne zusammenbeißen musste.
    5. dass die Aspirin kurz vor Mittag wirkte.
    6. dass die Mango zum Mittagessen (nach Stinkekäse und gekochtem Mais vom Vorabend) ein unerwarteter Genuss war.
    7. dass der englische Versender des Bildbands zu Design Munich ’72, das ich mitgecrowdfunded habe, nicht aufgegeben hat, sondern sich mit dem Hinweis meldete, GLS habe das Paket zu ihm zurückgeschickt – ob denn die Adresse auch stimme? Ja, die stimmte genauso wie für die Schuhe aus England, die GLS ebenfalls nicht geliefert hatte, mich auch nicht über eine Abholmöglichkeit informiert.
    8. dass einer der friendly neighbourhood Turmfalken an meinem Bürofenster vorbeisegelte (ich weiß schon, dass Falken nicht segeln, aber er bewegte seine Flügel fast gar nicht).
    9. dass ich beim Neuaufsetzen des Projekts “berufliche Zukunft” (tja) auf einiges von vor drei Jahren zurückgreifen kann und gleich mal ein mögliches Ziel entdeckte.
    10. dass ich den Familiengeburtstagsmenschen telefonisch erreichte und meine Freude darüber ausdrücken konnte, ihn in der Familie zu haben.
    11. dass ich Zeit fand, mal wieder beim Süpermarket Verdi einzukaufen und mich an der bunten Mischung der Kundschaft freuen konnte (u.a. die zahnluckerte alte Ur-Ludwigsvorstädterin, die mit der jungen Frau an der Kasse Gesundheitswunschbanalitäten austauschte – es ging ja nicht um Inhalt, sondern um den menschlichen Kontakt).
    12. dass ich möglicherweise meine mehrjährige Riesling-Krise überwunden habe: Der 2017 Deidesheimer Herrgottsacker Reichsrat von Buhl bereitete mir schon vor dem Abendessen großes Vergnügen mit seinen animalischen Anklängen, seiner Vielfalt und Frucht, Mineralizität und Säure.
    13. dass Herr Kaltmamsell zwar warnte, “erwarte dir nichts allzu Leckeres”, aber dann aus den getrockneten, gebleichten, gekochten Maiskörnern vom Vorabend unter Zuhilfenahme von allerlei Zusatzzeug wirklich schmackhafte Bratlinge produzierte.

    (Erinnern Sie mich daran, dass ich mir im Büro brutal den Ellbogen am Stehtisch angehaun habe, wenn ich mich in den nächsten Tagen wundere, woher der blaue Fleck und die Schmerzen kommen?)

    §

    Bei Corona gilt immer noch: Nicht verrückt machen lassen, aber vernünftig sein. Und: Individuelles Risiko überschaubar, Systemrisiko groß. Deswegen ist wichtigstes Ziel, dass sich das Virus so langsam wie möglich ausbreitet.
    Die Süddeutsche erklärt eine der Grundlagen dahinter:
    “Die Wucht der großen Zahl”.

    Der Mensch ist an lineare Prozesse gewöhnt, die kann er begreifen. Beim linearen Wachstum kommt in festen Zeitabständen eine feste Anzahl an Fällen hinzu, beispielsweise Tausend pro Woche. Beim exponentiellen Wachstum dagegen findet in einem festen Zeitraum jeweils eine Verdopplung der Fallzahl statt. Exponentielles Wachstum ist gefährlich, weil man es am Anfang leicht unterschätzt. Denn zu Beginn läuft die Kurve gemächlich vor sich hin. Dann wird sie immer steiler und schießt bald nahezu senkrecht nach oben.

    (…)

    Mathematisch betrachtet verbreiten sich Epidemien nach dem gleichen Prinzip. Entscheidend für die Geschwindigkeit der Ausbreitung ist die Zeitspanne, in der sich die Fallzahlen jeweils verdoppeln.

    Deshalb: Beachten Sie die Empfehlungen von Experten (Virologinnen, Epidemikern – nein, auch die Hausärztin ist normalerweise keine Expertin), ignorieren Sie Tante Trudis und Onkel Sašas Meldungen über WhatsApp oder die Bonmots irgendwelcher Fernseh-Komiker auf Facebook. (Ich bin mal wieder froh um meine sorgfältig kuratierte Twitter-Timeline.) Um eben die Ausbreitung zu verlangsamen und unter anderem die Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern, die auch Corona-unabhängige Todesfälle verursachen würde (z.B. Herzinfarkt/Schlaganfall, die nicht gleich behandelt werden können).

    Ja auch ich bin verunsichert, weil ich sowas noch nie erlebt habe – das ist ganz normal. Und ich hoffe, dass die staatlichen (also unsere) Gelder, die wirtschaftliche Schäden dämpfen sollen, auch bei Freiberuflerinnen und -beruflern ankommen, die schon jetzt die Aufträge der nächsten Monate zum Teil komplett verlieren.

    §

    Als fachlich tiefe, verständliche und jeden Tag aktuelle Infos über die Entwicklung der Corona-Epidemie wurden mir die NDR-Interviews mit Dr. Christian Drosten, Leiter der Virologie an der Berliner Charité, empfohlen – doch ich fand keine Zeit zum Anhören. Jetzt gibt es die Interviews auch als Transkripte zum Nachlesen:
    “Coronavirus-Update – Die Podcast-Folgen als Skript”.

    §