Journal Dienstag, 28. April 2020 – Jetzt auch hier: Home-Office-Erlebnisse
Mittwoch, 29. April 2020 um 6:37Gestern also der erste echte Home-Office-Tag meines Lebens: Arbeiten wie im Büro, nur von daheim aus. (Was ich in einem früheren Arbeitsleben das eine oder andere Mal gemacht hatte: Mich daheim zurückgezogen, um Ruhe für hochkonzentrierte Arbeiten zu haben wie Texten oder Konzepterstellung, aber da war immer klar, dass ich nur im äußersten Notfall erreichbar bin.)
Ich hatte den Wecker wie sonst auch auf halb sechs gestellt, er holte mich aus tiefen Schlaf. Wieder ein milder, klarer Morgen. Gestern war Yoga-Tag, ich hatte mir ein halbes Stündchen Entspannung und Dehnen ausgesucht – tat gut.
Zur gewohnten Zeit kurz vor acht hatte ich unseren Esstisch als Schreibtisch umgeräumt und startete. Was anders war als im Büro: die Kälte. Ich wusste schon vorher, dass ich im Büro immer leichter gekleidet bin als daheim, doch ich brauchte dicke Socken, Strickjacke und Heißgetränke, um auf das im Büro gewohnte Befinden zu kommen.
Vor allem vormittags bekam ich mit, wie viel Herr Kaltmamsell den ganzen Tag telefoniert – digitalen Unterricht hatte ich mir anders vorgestellt. Er wiederum ist ja als Lehrer Arbeiten daheim seit Jahrzehnten gewohnt, allerdings erst seit fast sieben Wochen ausschließlich. Für ihn war die Neuerung, dass auch ich von daheim arbeitete, und er erbot sich sofort, bei einer meiner Besprechung per Videoübertragung nackt durch den Hintergrund zu laufen. Ich musste ihn enttäuschen, meine fernmündlichen Besprechungen waren bislang immer ohne Bild.
Vorteil des Arbeitens daheim: Es gab guten Cappuccino! Nur wenig nach meiner gewohnten Zeit machte ich Mittagspause und legte zu einem Teller Linsensuppe die Süddeutsche.
Das “Streiflicht” beginnt:
Vor drei Jahren schrieb ein gewisser Thomas Renger auf Twitter: “Ich bin ja kein Bärenexperte, aber …” Diesen Pünktchen folgte jedoch nichts explizit Bärenkundliches, also beispielsweise der Nachsatz: “… aber dass der Brillenbär zur Unterfamilie der Kurzschnauzenbären gehört, weiß sogar ich.” Unter Rengers Tweet war vielmehr ein Tablett mit 14 Schokohasen von Lindt abgebildet, die auf einem Schild als “Goldbären” ausgewiesen wurden.
Der Autor bezieht sich auf diesen Tweet, und @dentaku und ich kennen einander ungefähr so lange, wie es Twitter gibt. Das war sehr lustig.
Nachmittags ging es weiter mit hoher Schlagzahl, aber auf dem kleinen Bildschirm des Arbeits-Laptops, der in so mancher Anwendung selbst Scroll-Down-Auswahl zum Zielschießen machte (nein, manche Software-Oberflächen sehen kein Größerstellen vor, vor allem wenn sie über 20 Jahre alt sind, fragen Sie nicht).
Dazu sang aus irgendeiner emsigen Nachbarwohnung eine Bohrmaschine ihr Lied. Vor lautern Ackern hatte ich keinen Appetit auf einen Nachmittagssnack. Kalt war mir außerdem immer noch.
Ich hatte fest vor, nach Feierabend noch einen Spaziergang zu machen. Als ich spät völlig erledigt den Arbeitslaptop zuklappte, regnete es – umso besser! Zum einen braucht es Regen, zum anderen würde es wunderbar riechen, und zum noch anderen bedeutete das: Wenige Menschen! Ich entschied mich gegen einen Schirm und schlüpfte statt dessen in meine superduper Wanderjacke.
Es roch wirklich phantastisch im Regen. Der blühende Bärlauch erinnerte mich an den wunderschönen Urlaub in den Cotswolds vor vier Jahren.
Ich roch mich ein wenig durch Fliederbüsche, blieb stehen, um das Regenrauschen zu hören, sah einen Stockerpel zwischen den Grabsteinen spazieren.
An der Isar war es endlich leer genug für einen entspannten Spaziergang ohne Hakenschlagen zum Abstandhalten. Der Regen tröpfelte sanft, für richtige Bewässerung müsste das Wetter ein paar Wochen so bleiben.
Ich kam sehr hungrig nach Hause. Herr Kaltmamsell hatte Maultaschen mit Pilzfüllung gemacht (manche Menschen entspannen so, andere anders), die er gebraten servierte. Im Fernsehen lief der wirklich schlechte James Bond Diamentenfieber.
Zweiter Tag in Folge, an dem ich vor lauter Arbeit praktisch nicht zum Twitterlesen kam.
13 Kommentare zu „Journal Dienstag, 28. April 2020 – Jetzt auch hier: Home-Office-Erlebnisse“
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29. April 2020 um 7:30
“…doch ich brauchte dicke Socken, Strickjacke und Heißgetränke, um auf das im Büro gewohnte Befinden zu kommen. … Kalt war mir außerdem immer noch.”
Gegen Frieren in der Wohnung hat irgendein schlauer Mensch die Heizung erfunden.
Über den Regenduft freue ich mich auch immer sehr!
29. April 2020 um 9:49
Dentaku!
29. April 2020 um 10:08
Werte Frau Kaltmamsell,
I feel you! Den Effekt des Frierens im Homeoffice kenne ich zu meinem Leidwesen auch -> trotz Heizung und ich gehöre normalerweise nicht zu den Verfrorenen.
Ich weiß gar nicht wieviele Liter heißen Ingwertees ich in den letzten Wochen in mich hineingeschüttet habe…
Meine Kaschmirstrickjacke ist quasi schon mit mir verwachsen.
*mitdoppeltenSockengesendet*
29. April 2020 um 11:26
Sich durch Fliederbüsche zu riechen auf dem Weg ins Büro, das vermisse ich dieses Jahr sehr und Regenduft, vor allem der in den ersten 30 Sekunden, ist einfach nur wunderbar.
Liebe Grüße, Ev
29. April 2020 um 15:08
Ich habe jetzt einige Momente lang überlegt, was wohl ein Stocker-pel sein könnte, und mich über lustigste münchnerisch-bairische Worteskapaden amüsiert… aber bin noch draufgekommen.
29. April 2020 um 15:23
Jaja, so arbeiten von daheim hat so seine Tücken. Aber wir müssen Beide das auch schon eine Weile machen und haben auch die eine oder andere Hinterlist hinterdacht/vorgehabt. Was ihr da so in Erwägung gezogen habt ist natürlich nicht zu übertreffen, schade es kam ja nicht dazu. *lach*. Weiterhin gute Ideen, wünscht die Trude.
29. April 2020 um 17:20
Das mit der Kälte hatte ich vor etwas mehr als 4 Wochen auch, als es noch kühler war und mein Homeoffice losging. Und ja, guter Tipp von Pippilotta mit der Heizung, aber selbst die war erst annähernd ausreichend, als sie auf 22 (!) Grad stand. Meine Füße waren selbst in fetten Lammfellstiefelhausschuhen noch kalt!
Heute leg ich mir nur noch ne Decke über die Füße, wenn mir kalt wird. Heizung geht hier nicht mehr, ist schon im Sommermodus.
Im Büro ist man doch mehr in Bewegung, rollt zum Drucker, geht zum Faxgerät, läuft den Gang entlang in Küche oder Bad, etc. Oder es ist die Wärme der Kollegin im Büro? Frage mich auch, woran es liegt, dass man zu Hause so friert.
Man gewöhnt sich jedenfalls ganz schnell dran und vermisst seine Kollegen schneller und stärker, als gedacht :(
29. April 2020 um 17:20
Das mit der Kälte hatte ich vor etwas mehr als 4 Wochen auch, als es noch kühler war und mein Homeoffice losging. Und ja, guter Tipp von Pippilotta mit der Heizung, aber selbst die war erst annähernd ausreichend, als sie auf 22 (!) Grad stand. Meine Füße waren selbst in fetten Lammfellstiefelhausschuhen noch kalt!
Heute leg ich mir nur noch ne Decke über die Füße, wenn mir kalt wird. Heizung geht hier nicht mehr, ist schon im Sommermodus.
Im Büro ist man doch mehr in Bewegung, rollt zum Drucker, geht zum Faxgerät, läuft den Gang entlang in Küche oder Bad, etc. Oder es ist die Wärme der Kollegin im Büro? Frage mich auch, woran es liegt, dass man zu Hause so friert.
Man gewöhnt sich jedenfalls ganz schnell dran und vermisst seine Kollegen schneller und stärker als gedacht :(
29. April 2020 um 21:01
Gegen Frieren in der Wohnung hat irgendein schlauer Mensch die Heizung erfunden.
Es soll Mehrfamilienhäuser geben, in denen zentral geregelt wird, wann die Heizperiode beginnt und endet. Ebenso soll es auch fußkalte Räume geben, deren Fenster auch noch nach Norden zeigen.
29. April 2020 um 22:58
Daheim, daheim… kann manchmal sogar etwas unheimlich heimelig sein.
30. April 2020 um 9:08
“Es soll Mehrfamilienhäuser geben, in denen zentral geregelt wird, wann die Heizperiode beginnt und endet.”
Das stimmt. Allerdings gilt nach meinem Wissen nach dem deutschen Mietrecht die Heizperiode vom 1. Oktober bis zum 30. April, und zwar unabhängig von der Außentemperatur. In dieser Zeit hat der Mieter einen Anspruch darauf, dass in der Wohnung 20-22 Grad Raumtemperatur erreicht werden kann.
Aus den Schilderungen von Frau Kaltmamsell wird ja nicht deutlich, aus welchem Grund es so kalt in der Wohnung war, dass sie fror. Zur Not gibt es auch Heizlüfter u.Ä., bevor man den ganzen Tag friert. Aber jede wie sie mag…
30. April 2020 um 13:14
In Büros laufen häufig mehrere Personen, Rechner, Drucker etc. in einem Raum, die allesamt auch Heizquellen sind. Mir ist im Zweierbüro immer schon kälter gewesen, wenn meine Kollege nicht da war.
30. April 2020 um 19:20
Lustigerweise ist es bei mir mit dem Frieren genau umgekehrt: in meinem kleinen Büro ist es deutlich kuschliger als in der stellenweise sehr zugigen Schule. Wir arbeiten hier beide seit Wochen im “Hoomoffiss” mit gelegentlichen Besprechungen vor Ort (seit Montag hat der Mann genau wie Herr Kaltmamsell wieder Präsenzunterricht, bei uns in BW geht es erst nächste Woche los, das Schuljahr nimmt also wieder an Fahrt auf).
Nach den turbulenten Umbauarbeiten an meiner Anstalt heute war ich so aufgekratzt, dass ich ihm mitten in einer Schulleitungs-Videokonferenz die Katze ins Büro gesetzt habe (“Oh, wie süß!”, “Äh..?!”). Nackt rumspringen hätte aber auch was gehabt;-)!