Journal Donnerstag, 9. April 2020 – Warmer Gründonnerstag, Volker Kutscher, Der nasse Fisch

Freitag, 10. April 2020 um 8:11

Morgens folgte ich Ihren Yoga-Tipps und machte nach der täglichen Kräftigung und Dehnung eine Runde Rücken mit Mady Morrison (auch mit Hund im Hintergrund!): Gefiel mir gut, vielen Dank für den Hinweis.

Insgesamt und überhaupt: Ich glaube, das mit dem Yoga behalte ich, hoffentlich sogar bis nach neues Hüftgelenk. Ich bilde mir ein, dass ich schon jetzt gelernt habe, gezielt bestimmte Muskelpartien locker zu lassen, deren unnötige Anspannung ich spüre. (Klappt natürlich nicht immer.) Dass ich mich schon jetzt bei Gesamtanspannung mit Atmung beruhigen kann. Ich werde mich also nach Wiedereröffnung der Geschäfte nach einer Yogamatte umtun.

Auf dem Radweg in die Arbeit präsentierte sich die Theresienwiese besonders hübsch.

Diesmal ein ruhigerer Arbeitstag. Ich dachte über all den Schabernack nach, den man in einem nahezu verlassenen Bürogebäude anrichten könnte (u.a. Möbel umstellen oder gleich die Ausstattung ganzer Zimmer tauschen), werde sowas aber sehr wahrscheinlich in meinem ganzen Leben nicht anstellen.

Heimradeln in wundervoll warmer Sonne mit Abstecher zum Drogeriemarkt: Mein Tampon-XXL-Vorrat schmilzt gerade in Klimawandel-Gletscher-Geschwindigkeit1 unter der roten Springflut – was glaubt diese blöde Gebärmutter eigentlich, was ihre Anstrengungen noch bringen sollen?

Mittlerweile empfängt mich Herr Kaltmamsell beim Heimkommen mit der Bitte um Geschichten aus der Welt da draußen – er kommt ja nur für die täglichen Einkäufe raus und für eine kleine Joggingrunde. Dadurch wird mir klar, wie wenig sich im Grunde an meinem Alltag geändert hat: Ich stehe früh auf, mache etwas Sport, radle in die Arbeit, verbringe mindestens neun Stunden im Büro mit nahezu unveränderten Tätigkeiten, radle heim, kaufe hin und wieder unterwegs ein. Im Büro sehe ich zwar weniger Menschen als sonst, doch ich scheue auch sonst Grüppchen und Ratsch, bleibe meist für mich. Daheim muss ich mich weder auf mehr noch auf weniger Menschen einstellen. Was spürbar wegfällt sind Freizeitaktivitäten wie Einkäufe übers Alltägliche hinaus, Schwimmen (schmerzlich vermisst), Restaurants, Theater, Kino – und natürlich unbefangenes Bewegen ohne Abstandhalten.

Auf meine Bitte hatte Herr Kaltmamsell fürs Abendessen Grie Soß zubereitet, ich kochte Eier und Kartoffeln dazu, im Glas ein kräftig rauchiger Riesling Deidesheimer Herrgottsacker von Buhl.

Ich las Volker Kutscher, Der nasse Fisch aus, die Romanbasis für den Fernseh-Mehrteiler Babylon Berlin, dessen erste Folgen mir sehr gut gefallen hatten. Auch den Roman las ich gerne, die Kriminalgeschichte aus dem Jahr 1929 um den Kommissar Rath, mit mafiösen Strukturen und vor dem Hintergrund der extremen politischen Spannungen. Doch interessanterweise ist diesmal die Verfilmung deutlich reicher und vielschichtiger als der Roman: Das Drehbuch hatte aus der im Roman mal wieder einzigen weibliche Hauptfigur mehrere gemacht, blickte in den Alltag vieler Gesellschaftsschichten (wo der Roman nur für Details von Reiche-Leute-Häusern Platz hat), die bewegten Bilder vermittelten viel mehr historische Details und Lokalkolorit, die Charaktere bekamen deutlich mehr Tiefe und Facetten, außerdem holt die Verfilmung eine Menge aus dem Element Musik.

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Das Feuilleton der Süddeutschen veröffentlich meist auf seiner zweiten Seite die Nachrufe auf berühmte Menschen. In den vergangenen Wochen waren es häufig ganze Spalten, die mit Meldungen über den Tod US-amerikanischer Kultur-Größen an COVID-19 voll waren.

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In der SZ ein Artikel, der sich mit der derzeitigen Schule aus der Ferne beschäftigt und endlich auch mal dem Hauptschulunterricht unter diesen Bedingungen viel Raum widmet. Ich finde es geradezu beleidigend, dass sich in der öffentlichen Diskussion fast nur über das anstehende Abitur Gedanken gemacht wird: Auch in Haupt-, Real-, Wirtschaftsschulen stehen jetzt Abschlüsse an, die neu geplant werden müssen. Und während sich Oberschuleltern über den ungenügend Stand der Internet-Fertigkeiten von Schulen aufregen, müssen sich Hauptschullehrerinnen und -lehrer damit auseinandersetzen, dass nur in wenigen Wohnungen ihrer Schützlinge überhaupt Computer stehen.

“Schule:
Vorübergehend nicht zu erreichen”.

(Und jetzt, liebe Fee, wünsche ich mir noch einen Artikel über all die Auszubildenden, die derzeit weder Berufschule haben noch von Firmen ausgebildet werden können, die geschlossen sind oder ihre Mitarbeitenden in Home-Office geschickt haben.)

  1. Das waren noch Zeiten, als im Englischen glacial für eine Bewegung besonders langsam bedeutete. []
die Kaltmamsell

5 Kommentare zu „Journal Donnerstag, 9. April 2020 – Warmer Gründonnerstag, Volker Kutscher, Der nasse Fisch

  1. Christine meint:

    Zum Thema “Auszubildende” eine kleine Episode: Wir warten händeringend darauf, dass der eine Azubi endlich seine Prüfung gemacht hat, damit er den Job erledigen kann, den er zur Zeit nicht übertragen bekommen darf – aus rechtlichen Gründen. Und keiner weiß, wann die Abschlussprüfungen sind.

  2. Jongleurin meint:

    Mit hat die Serie auch deutlich besser gefallen, genau aus diesem Gründen. Ich dachte zuerst, ich folge wieder nur meiner beliebten Logik: wenn ich das Buch zuerst lese, gefällt mir dieses besser als die Verfilmung und umgekehrt. Aber gerade bei Kutscher handelt es sich um deutlich unterschiedliche Versionen der grob gleichen Geschichte, und die Buchversion mag ich nicht. Ich behaupte außerdem mal, die Bücher würden den Bechdel-Test nicht bestehen, und das ist zumindest in meiner Lesewelt selten und ein Ausschlusskriterium. Mehr Frauen lesen verdirbt eine dann doch für eindimensionale Alte-Weiße-Männer-Krimis (wobei eindimensionale Männerzentrierung auch Frauen können, keine Frage). Auch die meisten skandinavischen Krimireihen finde ich inzwischen nicht mehr genügend. Nachteil: Nachschub finden ist mittlerweile schwer geworden!

  3. arboretum meint:

    Dass ich mich schon jetzt bei Gesamtanspannung mit Atmung beruhigen kann.

    Das stimmt und lässt sich auch nachweisen. Das Prinzip wird bei der – wissenschaftlich evaluierten – MBSR-Methode nach Jon Krabat-Zinn ebenfalls angewendet. Er war Professor für Medizin und entwickelte ein achtwöchiges Programm, um seinen Patienten zu helfen, mit chronischen Schmerzen und Krankheit klarzukommen und Stress zu bewältigen.

  4. Ulla meint:

    Grie Soß ist was feines. Bei uns gestern zum grünen Spargel und heute zu gedünsteten Saiblingsfilets.

  5. Nadine meint:

    Yogamatten gibt es hervorragende bei Bausinger, auch aktuell online Bestellbar. Ein mittelständiges Unternehmen aus Süddeutschland. Sehr zu empfehlen. Welche Matte richtet sich dann ja nach den eigenen Bedürfnissen, ich habe eine aus Schurwolle, weil ich da v.a. MBSR Übungen drauf mache.

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