Journal Donnerstag, 23. April 2020 – Umgang mit Lockerungen
Freitag, 24. April 2020Nach sehr langem mal wieder eine Nacht durchgeschlafen, nach dem Aufstehen brauchte ich lang, um im Tag anzukommen. Da war nach der sportlichen Kräftigung das halbe Stündchen Rücken-Yoga genau richtig.
Stubenfliegentag: Meine Geistesbewegung fühlte sich so unstet an wie die Flugbahn einer Stubenfliege, mit ständigen abrupten Richtungsänderungen – manche davon extern ausgelöst, manche einfach von meinem Gehirn. Viele, zum Teil auch emotional sehr anstrengende Anrufe.
Mittags wieder der neue Liebling Quark-Dickmilch-Orange-Maracuja, nachmittags schwarze Schokolade und eine Birne.
Das Wetter war wieder wolkenlos sonnig und frisch. Wie schon am Mittwoch beobachtete ich draußen an den Menschen ein sehr großes Kleidungsspektrum, das von Anorak mit Fellstiefeln bis zum ärmellosen Flatterkleid mit Sandalen reichte.
Auf dem Heimweg Einkaufsabstecher beim Vollkorner, um meine Espressovorräte aufzufüllen und Obst für die nächsten Tage zu besorgen. Die Menschen scheinen die Tage vor Maskenpflicht in Geschäften noch so richtig auszunutzen.
Daheim lungerte ich noch ein bisschen mit Jacke auf dem Balkon herum, dann machte ich mit Herrn Kaltmamsell das Abendessen: Nochmal Spargel von der Nachbarin, dazu Salat aus Ernteanteil mit Schnittlauchdressing und ein spanischer Sauvignon Blanc. Und zum Dessert viel Schokolade.
§
In Echt gehört: “Wenn meine Omma im Altenheim keinen Besuch bekommen darf, kann’se ja gleich sterben”. Das kostete mich ein wenig Fassung. Fast ein Drittel der Corona-Toten in Deutschland lebte in Alten- und Pflegeeinrichtungen. Großer Artikel mit schlimmen Details gestern in der Süddeutschen:
“Corona in Altenheimen:
Die Brennpunkte der Pandemie”.
§
Da auch ich unvernünftig und noch dazu bockig bin (das war mir einfach nicht auszuprügeln), neige ich im Moment dazu, mich mit zusammengekniffenen Lippen unter der Schutzmaske in eine gedachte Ecke zu stellen, die Arme zu verschränken und zu denken: “Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt.” Zum Glück gibt es Menschen, deren Beruf es ist, statt zu bocken zu warnen, zum Beispiel die Virologin Melanie Brinkmann vom Helmholtz-Zentrum (bitte ignorieren Sie ihre Äußerungen zu Datenschutz, davon muss sie als Virologin ja auch nichts verstehen):
“Zweite Covid-19-Welle
‘Regierung hat mit Lockerungen ein falsches Signal gesendet'”.
SPIEGEL: Frau Brinkmann, wie sehr hat Sie die Entscheidung überrascht, das Oktoberfest abzusagen?
Brinkmann: Gar nicht. Die Absage des Oktoberfests war für mich total klar – und absolut notwendig. Doch selbst in meinem Bekanntenkreis gab es teilweise erstaunte Reaktionen, weil es ja erst in fünf Monaten stattgefunden hätte. Offenbar dachten sie, bis dahin ist alles wieder vorbei. Das hat mir gezeigt, dass ein großer Teil der Bevölkerung das Ausmaß der Situation noch nicht realisiert hat. Jetzt sehen die Menschen, dass einige Maßnahmen gelockert werden, und das vermittelt ihnen den Eindruck, dass der Lockdown jetzt nach und nach aufgehoben wird und sie schon bald zum Alltag zurückkehren können.
(…)
Brinkmann: Das Risiko liegt darin, dass die tagesaktuellen Zahlen ja den Stand von vor zehn Tagen abbilden. Durch den Meldeverzug, die lange Inkubationszeit und die Zeit, bis ein Infizierter einen Arzt aufsucht und ein Testergebnis vorliegt, kommen die Zahlen erst zeitverzögert. Wir bemerken also viel zu spät, wenn die Neuinfektionen wieder steigen. Dann könnte ein exponentielles Wachstum schon wieder in Gang sein. Und das wird dann auch zunehmend in die ältere Bevölkerung eingeschleppt werden, was zu einer höheren Todesrate führen wird. Die Folgen für das Gesundheitssystem und die Wirtschaft wären dann noch viel schlimmer als jetzt, weil wieder nur drastische Maßnahmen im ganzen Land als Lösung bleiben würden. Auch die Schulen und Kitas müssten sehr viel länger geschlossen bleiben, als wenn wir jetzt noch ein wenig durchhalten.
(…)
SPIEGEL: Und ab wann dürfen wir wieder darüber nachdenken, mit einer Gruppe von Freunden gemeinsam in den Party-Urlaub zu fahren?
Brinkmann: Wenn es einen Impfstoff gibt.
§
Ballettis im Home-Office hatten wir schon, hier arbeiten Stuntmen und women im Home-Office:
https://youtu.be/SpnQXSyfbXA
via @ankegroener