Archiv für April 2020

Journal Donnerstag, 9. April 2020 – Warmer Gründonnerstag, Volker Kutscher, Der nasse Fisch

Freitag, 10. April 2020

Morgens folgte ich Ihren Yoga-Tipps und machte nach der täglichen Kräftigung und Dehnung eine Runde Rücken mit Mady Morrison (auch mit Hund im Hintergrund!): Gefiel mir gut, vielen Dank für den Hinweis.

Insgesamt und überhaupt: Ich glaube, das mit dem Yoga behalte ich, hoffentlich sogar bis nach neues Hüftgelenk. Ich bilde mir ein, dass ich schon jetzt gelernt habe, gezielt bestimmte Muskelpartien locker zu lassen, deren unnötige Anspannung ich spüre. (Klappt natürlich nicht immer.) Dass ich mich schon jetzt bei Gesamtanspannung mit Atmung beruhigen kann. Ich werde mich also nach Wiedereröffnung der Geschäfte nach einer Yogamatte umtun.

Auf dem Radweg in die Arbeit präsentierte sich die Theresienwiese besonders hübsch.

Diesmal ein ruhigerer Arbeitstag. Ich dachte über all den Schabernack nach, den man in einem nahezu verlassenen Bürogebäude anrichten könnte (u.a. Möbel umstellen oder gleich die Ausstattung ganzer Zimmer tauschen), werde sowas aber sehr wahrscheinlich in meinem ganzen Leben nicht anstellen.

Heimradeln in wundervoll warmer Sonne mit Abstecher zum Drogeriemarkt: Mein Tampon-XXL-Vorrat schmilzt gerade in Klimawandel-Gletscher-Geschwindigkeit1 unter der roten Springflut – was glaubt diese blöde Gebärmutter eigentlich, was ihre Anstrengungen noch bringen sollen?

Mittlerweile empfängt mich Herr Kaltmamsell beim Heimkommen mit der Bitte um Geschichten aus der Welt da draußen – er kommt ja nur für die täglichen Einkäufe raus und für eine kleine Joggingrunde. Dadurch wird mir klar, wie wenig sich im Grunde an meinem Alltag geändert hat: Ich stehe früh auf, mache etwas Sport, radle in die Arbeit, verbringe mindestens neun Stunden im Büro mit nahezu unveränderten Tätigkeiten, radle heim, kaufe hin und wieder unterwegs ein. Im Büro sehe ich zwar weniger Menschen als sonst, doch ich scheue auch sonst Grüppchen und Ratsch, bleibe meist für mich. Daheim muss ich mich weder auf mehr noch auf weniger Menschen einstellen. Was spürbar wegfällt sind Freizeitaktivitäten wie Einkäufe übers Alltägliche hinaus, Schwimmen (schmerzlich vermisst), Restaurants, Theater, Kino – und natürlich unbefangenes Bewegen ohne Abstandhalten.

Auf meine Bitte hatte Herr Kaltmamsell fürs Abendessen Grie Soß zubereitet, ich kochte Eier und Kartoffeln dazu, im Glas ein kräftig rauchiger Riesling Deidesheimer Herrgottsacker von Buhl.

Ich las Volker Kutscher, Der nasse Fisch aus, die Romanbasis für den Fernseh-Mehrteiler Babylon Berlin, dessen erste Folgen mir sehr gut gefallen hatten. Auch den Roman las ich gerne, die Kriminalgeschichte aus dem Jahr 1929 um den Kommissar Rath, mit mafiösen Strukturen und vor dem Hintergrund der extremen politischen Spannungen. Doch interessanterweise ist diesmal die Verfilmung deutlich reicher und vielschichtiger als der Roman: Das Drehbuch hatte aus der im Roman mal wieder einzigen weibliche Hauptfigur mehrere gemacht, blickte in den Alltag vieler Gesellschaftsschichten (wo der Roman nur für Details von Reiche-Leute-Häusern Platz hat), die bewegten Bilder vermittelten viel mehr historische Details und Lokalkolorit, die Charaktere bekamen deutlich mehr Tiefe und Facetten, außerdem holt die Verfilmung eine Menge aus dem Element Musik.

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Das Feuilleton der Süddeutschen veröffentlich meist auf seiner zweiten Seite die Nachrufe auf berühmte Menschen. In den vergangenen Wochen waren es häufig ganze Spalten, die mit Meldungen über den Tod US-amerikanischer Kultur-Größen an COVID-19 voll waren.

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In der SZ ein Artikel, der sich mit der derzeitigen Schule aus der Ferne beschäftigt und endlich auch mal dem Hauptschulunterricht unter diesen Bedingungen viel Raum widmet. Ich finde es geradezu beleidigend, dass sich in der öffentlichen Diskussion fast nur über das anstehende Abitur Gedanken gemacht wird: Auch in Haupt-, Real-, Wirtschaftsschulen stehen jetzt Abschlüsse an, die neu geplant werden müssen. Und während sich Oberschuleltern über den ungenügend Stand der Internet-Fertigkeiten von Schulen aufregen, müssen sich Hauptschullehrerinnen und -lehrer damit auseinandersetzen, dass nur in wenigen Wohnungen ihrer Schützlinge überhaupt Computer stehen.

“Schule:
Vorübergehend nicht zu erreichen”.

(Und jetzt, liebe Fee, wünsche ich mir noch einen Artikel über all die Auszubildenden, die derzeit weder Berufschule haben noch von Firmen ausgebildet werden können, die geschlossen sind oder ihre Mitarbeitenden in Home-Office geschickt haben.)

  1. Das waren noch Zeiten, als im Englischen glacial für eine Bewegung besonders langsam bedeutete. []

Journal Mittwoch, 8. April 2020 – Hefe heute und Mundschutz-Geschenk

Donnerstag, 9. April 2020

Nach gutem Schlaf wieder deutlich vor Wecker aufgewacht, aber frisch.

Als ich mich mit Kaffee an den Tisch setzte, sah ich einen einen riesigen untergehenden Vollmond über den Dächern leuchten, bald in Kombination mit zartem Morgenrot – super Show!

Nach Kraftübungen und Dehnen gab es ein halbes Stündchen Crosstrainer, sehr wohltuend.

Radeln in die Arbeit, unterwegs beim Bäcker Brezenkauf.

In der Arbeit endete der ohnehin dicht geplante Ablauf bereits um neun mit einem überraschenden Querschlag. Die darauffolgenden Stunden verbrachte ich deshalb in Turbotempo, selbstverständlich weiterhin unterbrochen von den üblichen Störungen, deren Behebung zu meinem Job gehört, plus Störungen, denen ich immer noch kein “Nicht zuständig” entgegenzusetzen schaffe. Mittags war meine Tagesenergie eigentlich bereits aufgebraucht. Was damit zusammenhängen mochte, dass mich auch noch böse Menstruationsschmerzen plagten.

Mittagessen: Breze und Quark mit Orange und Maracuja, Nachmittagssnack Eiweißriegel.

Draußen war wunderschönes Wetter, ich hatte den ganzen Tag die Bürofenster gekippt.

Nach Feierabend radelte ich in lauem Wind zur Theresienhöhe für ein paar Besorgungen bei Edeka und Vollcorner. Auf der Einkaufsliste stand auch Hefe, denn ich möchte für Ostern Brot backen und Osterzopf. Dieser Edeka hatte Hefe weder frisch noch getrocknet, beim Vollcorner hatte man sich offensichtlich mit dem Portionieren von Großmarktblöcken beholfen (Schild am Regal, dass jeder nur einen Würfel bekommt).

Auf den Straßen bereits vermehrt Hotpants mit nackten Beinen gesehen, auch sonstige Hochsommerkleidung inklusive Sandalen. Heuer müssen wir leider der schmerzlichen Tatsache ins Auge blicken, dass das keine Touristen sein können – das sind wir selber.

Als ich die Wohnung betrat, duftete es nach Vanillinzucker: Herr Kaltmamsell hatte Torrijas gebacken.

Zum Abendessen gab’s Unterstützung der lokalen Gastronomie: Ich bestellte und holte vom Rumpler zweimal Matjes. Es war mir sehr recht, dass ich mit dem Rad unterwegs war: An diesem wundervollen warmen, frühlingsduftenden Abend waren viele Menschen unterwegs, zu Fuß hätte ich nur mit konsequentem Gehen auf der Straße gesunden Abstand halten können.

Schmeckte ausgezeichnet, ich war ganz begeistert, dass die Salzkartoffeln richtig frisch waren – zu den Dingen die ich ausgesprochen ungern esse, gehören nämlich aufgewärmte Salzkartoffeln, deren Geschmack für mich praktisch nichts mit dem frisch gekochter zu tun hat, brrrrr.

Gestern war ein Päckchen der besten Schwiegermutter von allen eingetroffen: Auch sie hat in den vergangenen Tagen Atemmasken genäht – und auch uns damit versorgt. Ich freute mich außerordentlich, denn ich hatte schon überlegt, welche meiner Bekannten und Freundinnen, die gerade am Maskennähen sind, ich um eine anbetteln könnte: Gerade beim Einkaufen fühle ich mich ohne ausgesprochen rücksichslos. (Selbst habe ich weder Stoff noch Bänder oder Gummi).

Mit Drahtbügel für engen Sitz über der Nase, damit die Brille nicht beschlägt. (Fühlt sich noch eher nach Bankräuberin an. Babababaabababaaa…)

Abendunterhaltung war die aktuelle Folge John Oliver. (Präsidenten-Irrsinn in USA geht weiter: Jetzt behauptete Trump in einer Pressekonferenz, die WHO habe den Corona-Ausbruch in Wuhan verschwiegen und droht mit der Kürzung der US-Beiträge. Wie der Rest der Welt mit Zugang zu Medien weiß, stimmt das nicht, ist aber ohnehin egal: Die Zustimmungswerte in USA für Trump steigen, die Mehrheit der befragten Bürger vertraut ihm, sie werden ihn wiederwählen – es ist einfach komplett irrelevant, was er tut und sagt, Hauptsache nicht Demokratische Partei.)

Journal Dienstag, 7. April 2020 – Ferdinand von Schirach, Kaffee und Zigaretten

Mittwoch, 8. April 2020

Eigentlich gut geschlafen, aber dann doch mit Angst vor dem Arbeitstag um fünf aufgewacht.

Nach der Runde Kraftübung doch nochmal ein Yoga-Versuch mit Adriene: Leider waren das Übungen im Stehen – ich konnte fast 90 Prozent nur auf einer Seite mitspielen, weil mein rechtes Bein durch die wehe Hüfte nicht trägt. Und so nervte mich plötzlich auch das pausenlose Geschnatter.

Herrliche Radfahrt in die Arbeit durch einen milden Frühlingsmorgen (und wie so oft erwies sich, dass frisch aufgepumpte Reifen das Treten deutlich erleichtern).

Mittelhöllischer Arbeitstag, in der jetzigen personellen Situation kann ich halt nicht ungestraft zwei Tage frei nehmen. Ich war emsig bis Feierabend, nahm mir aber die Zeit für eine Mittagspause mit Käse, zwei Birnen und einer Tageszeitung.

Nach Feierabend brauchte ich nicht mal eine Jacke. Ich radelte zur Hofbräuhausmühle und kaufte Kuchenmehl nach (Type 405).

Daheim servierte Herr Kaltmamsell Flammkuchen mit Ernteanteil-Lauch, ich hatte zur Nachspeise Quarkfein gemacht.

Familien-Osterfrühstück findet heuter über Jitsi statt, erfolgreicher Testlauf mit meinem Bruder.

Zur gewohnten Stunde Treffen unserer Leserunde, diesmal über Google Hangout (ich bin die Plattform seit Jahren so gewohnt, dass ich nicht mal mehr wusste, dass man zur Teilnahme einen Google Account braucht). Allen geht’s gut, die einen genießen das Arbeiten von daheim aus, die anderen sind dadurch sehr angestrengt.

Wir sprachen über Ferdinand von Schirach, Kaffee und Zigaretten, eine Sammlung von Kurz- und Kürzesttexten, non-fiction aus dem Leben des Autors. Sehr nett und anregend zu lesende Geschichten und Gedanken, darüber waren wir uns einig. Auseinander ging die Rezeption des lakonischen und gutbürgerlich-distinguierten Duktus’: Manche mochten ihn und seinen aus der Zeit gefallenen Zauberberg-Hauch sehr, andere – darunter ich – verspürten Unbehagen bei diesem personifizierten Zeit-Feuilleton im maßgeschneiderten Dreiteiler mit rahmengenähten Schuhen. Zum einen fehlten mir die Brüche an dieser Persona (die andere Mitlesende durchaus sahen), zum anderen, das wird mir erst jetzt klar, ein wenigstens manchmal spielerischer Umgang mit all der Bildung und all dem privilegierten Hintergrund, der für mich immer von Reflexion zeugt und den Gebildeten in Verhältnis zum Erlebten und Gelernten gesetzt hätte. Der Duktus ist quasi prä-modern.

Am Ende diesmal also kein Heimweg, der in der lauen Abendluft sicher wunderschön gewesen wäre, sondern nach dem Abschied lediglich ein Ausschalten.

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Die Rechten hört man zur Corona-Epidemie praktisch nicht. Nein, die Medien ignorieren sie keineswegs: die Öffentlich Rechtlichen lassen auch sie in der Riege aller gewählten Parteien zu aktuellen Aspekten dieses Themas in die Kamera hineninmeinen. Aber sie melden sich nicht von selbst zu Wort, es ist geradezu brüllend still. Faschismus-Expertin Natascha Strobl hat sich also dorthin begeben, wo die Rechten miteinander reden und hat ihre Haltung zur Epidemie herausgefunden, hier der Twitter-Thread. (Zusammenfassung: Sie haben nichts dagegen, wenn “das Schwache” durch eine Seuche ausgemerzt wird.)

Journal Montag, 6. April 2020 – Nochmal ein Balkonurlaubstag

Dienstag, 7. April 2020

Der vierte Urlaubstag. Herrlich gut geschlafen bis nach sieben, beim Aufwachen sang draußen ein Rotkehlchen.

Nach ausgiebem Räkeln, Milchkaffee, Bloggen und Twitterlesen machte ich mich – bereits in Sportkleidung – an einen weiteren Hausputz-Bestandteil: Staubwischen und Möbelpflege. Dauerte dann doch eine Stunde, ich habe wohl mehr Rumsteher, als ich gedacht hätte.

Sportrunde: Ausgiebige Kräftigung Rumpf, dann wieder ein Stündchen Crosstrainer mit Musik auf den Ohren.

Gerade als ich frisch geduscht und angezogen war, kam Besuch – unter unserm Balkon. Ein Freund führte seinen Welpen Gassi (*KRAHAISCH*) und meldete sich per Telefonanruf. Wir auf dem Balkon, er davor tauschten wir Neuigkeiten aus, es gab gute Nachrichten. Und ich freute mich sehr, ihn zu sehen.

Frühstück holte ich beim Bäcker, es gab Handsemmeln, dazu Lektüre der Tageszeitung. Über einen Artikel im Lokalen und Internetrecherche fand ich heraus, wer der Vogel ist, dessen Ruf ich in den letzen beiden Jahren immer wieder vom benachbarten Park herüberhörte, auch beim Radeln durch den Bavariapark: ein Grünspecht. (Ich hatte immer einen Greifvogel vermutet.) Jetzt würde ich ihn gerne dazu noch sehen.

Eigentlich hatte ich geplant, im wunderschönen und warmen Frühlingswetter an der Isar zu radeln, doch ich hatte dann doch mehr Lust auf Lesen und tauchte wieder in Der nasse Fisch von Volker Kutscher, setzte mich dazu wieder in die Sonne auf den Balkon.

Am späten Nachmittag machte ich mich mit Herrn Kaltmamsell ans Abendessen: Nudelteigkneten für die Krautflecker (Weißkraut aus Ernteanteil) aus Österreich vegetarisch. Während der Nudelteig ruhte, nutzte ich die letzte Sonnenstunde auf dem Balkon.

Das Kochen war das eine, was mir als gemeinsames Tätigkeit mit Herrn Kaltmamsell für diese Urlaubstage eingefallen war. Das Wetter hätte nach Anwandern gerufen, doch wir alle wissen, dass das auf absehbare Zeit nicht geht (ich hatte den ganzen Tag Flashbacks an frühere Frühlingswanderungen).

Die Krautfleckerl wurden sogar ganz besonders gut.

Journal Sonntag, 5. April 2020 – Sonnenlesen auf dem Balkon

Montag, 6. April 2020

Dann doch mal wieder eine richtig schlechte Nacht – nicht mal wegen Schmerzen, ich konnte einfach nicht einschlafen, schlief dann leicht, wachte immer wieder auf. Aber nach einigen guten Nächten bekümmerte mich das nicht, ich ruhte mich halt einfach aus.

Die Wohnung putzt sich immer noch nicht von selbst. Mittlerweile habe ich aber das Ziel aufgegeben, immer alles auf einmal zu erledigen und dann eine richtig saubere Wohnung zu haben: Mir fiel ein, dass ich das im Grunde erst seit zwanzig Jahren kenne, nämlich durch den wöchentlichen Besuch der Putzmänner. In den 13 Jahren Alleinleben davor reichte meine Energie immer nur für einen Teilaspekt der Wohnugsreiningung, Ausnahme vielleicht noch vor Übernachtungsbesuch. Vergangene Woche hatte Herr Kaltmamsell durchgesaugt und gewischt, gestern putzte ich Bad und Küche gründlich (für meine Verhältnisse – halt die Art Bad- und Kücheputzen, die zusammen anderthalb Stunden dauert). Außerdem wusch ich Bettwäsche und Handtücher, aber das ist Routine.

Nach dem Putzsport strampelte ich ein bisschen weniger Crosstrainer als die Tage davor, es gab auch keine Kraftübungen (einmal aussetzen ist hoffentlich ok).

Frühstück um halb drei: Brot, Grapefruit mit Joghurt, Zitronenkuchen.

Dann tauchte ich in ein neues Buch ab: Volker Kutscher, Der nasse Fisch, also die Romanvorlage für Babylon Berlin (als E-Book, ich will wirklich, wirklich so wenige Papierbücher wie möglich dazubekommen). Das Wetter war so schön warm geworden, dass ich damit sogar zwei Stunden auf dem Balkon in der Sonne saß (Snack noch ein Stück Zitronenkuchen); ich genoss das sehr und fühlte mich privilegiert – im sonstigen sonnigen Draußen waren sicher wieder zu viele Menschen.

Leuchttulpen von der Gegenseite.

In der Abenddämmerung wieder eine Fledermaus gesehen.

Zum Nachtmahl hatte ich mir Carbonara gewünscht – Herr Kaltmamsell servierte.

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Die zweite Coronawoche von Carolin Emcke:
“Politisch-persönliche Notizen zur Corona-Krise”.

Bitte lesen Sie im Eintrag von Freitag, 3. April, den Absatz der beginnt mit “Es gibt eine Aufnahme eines legendären Konzerts der portugiesischen Pianistin Maria João Pires” – wundervolle Geschichte, gutes Gleichnis.

Emckes Beschreibung ihrer Freundschaft mit diesem Polizisten erinnerte mich daran, dass ich als Schöffin in mittlerweile sechs Verhandlungen gelernt habe: Polizeibeamte und -beamtinnen sind sehr unterschiedlich. Das ist nicht trivial, und wie bei so Vielem, was lerne, schäme ich mich, dass es mir vorher nicht bewusst war.

Alle, die ich im Gerichtssaal kennenlernte, waren jung, alle erlebte ich als Zeuginnen und Zeugen. Und da gab es die Technikbegeisterten, es gab kleingeistig in Stereotypen denkende, es gab mütterliche/väterliche, denen der Angeklagte ganz offensichtlich ans Herz ging, es gab die Bürokraten, es gab die selbstherrlichen. Bis dahin kannte ich halt nur einen Menschen aus diesem Beruf näher: Den Bereitschaftspolizisten, der in meiner Volontariatszeit in einer Lokalredaktion die Fotoabzüge unserer Negative machte, dafür am frühen Nachmittag vorbeikam und die entwickelten Filme mitnahm, später die Abzüge brachte. Es waren die Zeiten von Wackersdorf, wo er regelmäßig eingesetzt wurde. Sehr wahrscheinlich war er einer der vielen Polizisten, der dort am Zaun mit den Demonstrierenden diskutierte, denn er brachte seinem kleinen Sohn das Lied bei: “Maikäfer flieg, dein Vater ist im Krieg, dein Vater ist in Wackerland, Wackerland ist abgebrannt…”

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Sehr lustiges TikTok der Filmregisseurin Alina Polichuk.

Journal Samstag, 4. MärzApril 2020 – Urlaubstag mit Word-Support

Sonntag, 5. April 2020

Ein weiterer gemütlicher Urlaubstag (im Urlaub ist ja auch Wochenende Urlaub): Ausgeschlafen, überm Morgenkaffee gebloggt und Twittertimeline des Nacht nachgelesen, Katzenwäsche und Umkleiden, Kraftübungen und ein Stündchen Crosstrainer, wieder mit Musik auf den Ohren und leichten Beinen.

Ausblick vom Crosstrainer. Es bieb ein sonniger Tag, nicht zu warm; nachmittags konnte ich aber die Balkontür immer wieder ein Viertelstündchen offen lassen.

Herr Kaltmamsell wünschte sich Zitronenkuchen, so hatte ich einen Anlass zum Rausgehen: Wir hatten keine Zitronen im Haus.

Zum Frühstück Brot, Käse, die restlichen eingelegten Champignons vom Vorabend. Dazu die Lektüre der Wochenend-SZ.

Ich buk den schlichten Zitronenkuchen nach Familienrezept, anders als in meiner Familientradition aber nicht in der Gugelhupfform: Herr Kaltmamsell besteht darauf, das Zitronenkuchen Kastenkuchen sein muss.

Der Herr arbeitete trotz Wochenende und Ferien – und war dabei gezwungen, sich mit Microsodt Word auseinanderzusetzen. Ich konnte ihm als routinierte Word-Nutzerin die eine oder andere Frage beantworten und amüsierte mich sehr, dass selbst er als PC-Fex mit Jahrzehnten Erfahrung dieselbe irrationale Gereiztheit an den Tag legte, die wir Software-Laien gerne verspüren, wenn irgendwas bei der Computerarbeit schwierig oder rätselhaft scheint. Andererseits regte er sich halt schlicht bei dieser Erstbegegnung noch über die vielen Inkonsistenzen und User-Unfreundlichkeiten auf, an die wir routinierten uns gewöhnt haben. Ich möchte behaupten: Als Laie bin ich Work-arounds und Ergebenheit in die Idiotien von Alltagssoftware einfach gewöhnt, wo jemand sich aufregt, der aus Fachwissen mitdenken kann. Ich versuchte, ihn mit dem nun ausreichend abgekühlten Zitronenkuchen zu besänftigen.

Mein Crosstrainer-Platz in Ikeakatalog-Licht.

Nachtmahl waren gesammelte Reste: restliches Fonduefleisch und Auberginenwürfel mit Frühlingszwiebel gebraten, Knoblauchbutter, dazu neu ein panierter gebratener Camembert (wollte Herr Kaltmamsell mal ausprobieren), Käse, Brot, zum Nachtisch Osterschokolade.

Abendunterhaltung war der Film Love Is All You Need von 2012, dessen Hauptdarstellerin Trine Dyrholm allein schon den ganzen Film sehenswert machte, und in dessen Aufnahmen von der Amalfiküste ich schwelgte.

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Katharina Seiser führt ja seit einiger Zeit im ORF-Studio 2 Warenkunde und kulinarische Tipps vor – was im Moment wegen Corona nicht geht. Ihre Lösung: Sie tut das ganze von ihrer nigelnagelneuen Küche aus (den umfangreichen Umbau über Monate hat sie höchst interessant auf instagram und Twitter dokumentiert), gefilmt von ihrem Mann Horst. Hier in ihrem Blog die Erklärung, Links zu den ersten beiden solchen Filmen, außerdem die zugehörigen Rezepte:
“studio 2 von zuhause: schnelle mayonnaise + thunfisch-sellerie-salat”.

Die beiden Videos aus der Seiser’schen Küche sind supercharmant, Katha und Horst machen das sehr nahbar und gleichzeitig professionell (ohne Schnitt in einem durch! nur ein Take!) – und ich mag es ja immer ganz besonders, wenn Kamera und Menschen dahinter thematisiert werden.

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Miriam hatte einen richtig beschissenen Freitag und bat auf Twitter um Witze – die prompt geliefert wurden. Sollten Sie in eine ähnliche Lage kommen: Bitteschön, die meisten sind durch und durch furchtbar. Herrlich.

Journal Freitag, 3. MärzApril 2020 – Urlaubstag mit Sonne und Fondue

Samstag, 4. April 2020

Urlaubstag! Ursprünglich eingereicht für einen Familienausflug nach Salzburg – unser Geschenk zum 75. Geburtstag meiner Mutter. Storniert ein paar Tage vor offiziellem Lock-down in Österreich. Doch die vier freien Tage am Stück (Montag habe ich ebenfalls frei) kamen mir auch so mehr als recht.

Ausgeschlafen, die letzte Stunde leider mit Kopfweh.

Das ließ sich aber schnell mit Ibu vertreiben (so lange nicht mehr auf Schmerzmittel angewiesen, dass ich die fast schon mühsam hervorkramen musste), ich bloggte und las fröhlich mit Blick aufs sonnige Draußen.

Nach Ferien-verlängerter Kraftübungsrunde auf den Crosstrainer. Ich genoss die Musik auf meinen Ohren und strampelt leicht und nahezu schmerzfrei eine Stunde.

Dennoch traute ich mir eine Einkaufsrunde zu Fuß zu – und das ging! Ich war zwar sehr langsam unterwegs, sah dabei aber mehr als ohnehin schon bei normalem Gehtempo.

Stillleben Baustellenbrotzeit in einem leer geräumten Laden oben am Oberanger.

Wand-Oktopus beim Jakobsplatz.

Ich ließ mich sogar auf menschliche Interaktion ein: Der junge Kassenangestellte bei Eataly grüßte mich besonders herzlich und fragte nach meinem Befinden. Da erzählte ich ihm, dass es mir gut gehe, weil ich frei hätte. Wir plauderten ein Weilchen und ich erfuhr unter anderem dass der Herr zum Deutschlernen ins Land gekommen war, bereits einen Kurs erfolgreich abgeschlossen hatte und bedauerte, dass es derzeit keine Kurse gebe – dass er deshalb versuche, mit Gesprächen in Übung zu bleiben. Ausgesprochen herzerfrischend. (Und es rührt mich immer sehr, wenn sich jemand entschuldigt, dass ihr/sein Deutsch schlecht sei. Ich nahm mir vor, Gelegenheiten für Deutschlob zu suchen – so wie ich in vielen Ausländen ja sogar für die armseligsten Brocken der Landessprache gelobt werde.)

Nach Kauf von Brot, Nudeln, Käse im Eataly spazierte ich zur friendly neighborhood Metzgerei. Ich besorgte Fleisch für den Abend und wurde gut beraten – während andere Angestellte Kunden zum Abstandhalten scheuchen mussten, für den auch hier Bodenmarkierungen eingezeichnet waren. Im Basitsch bekam ich den Rest von meiner Einkaufsliste.

Schlimme Nachricht aus dem Freundeskreis, es gibt noch anderes neben Corona, was einen auf direktem Weg auf die Intensivstation bringen kann. Da schaue ich seit Jahren besorgt in Richtung meiner Eltern, Schwiegereltern und deren Freunde – und dann erwischt es jemanden Ende 40.

Frühstück war dann Ernteanteilspinat mit zwei wachsweichen Eiern und einem Laugenzöpferl – selbst zubereitet, denn Herr Kaltmamsell hatte noch keine Ferien und musste arbeiten. Es ist fast schon ungewohnt, dass ich nicht lediglich einen Essenswunsch äußern muss und das Gericht dann von Elfenhand auf den Tisch gezaubert wird

Zeitunglesen im sonnigen Wohnzimmer, da und auch sonst den ganzen Tag Samstagsgefühl – was mehrfach zu Verdutzung führte, weil Menschen von Arbeit twitterten.

Leuchttulpen.

Als Abendessen war Fondue geplant; auf die Idee hatten mich Bilder von Quarantäne-Raclette gebracht, denn warum nicht, wir sind erwachsen und können Fondue essen, wann immer wir wollen. Auch dafür war ich verantwortlich: Ich hatte Champignons eingelegt, Sößchen angerührt, jetzt schnitt ich Aubergine und Fleische, darunter der Tipp aus der Metzgerei – Entenbrust.

Wie es sich bei Fondue gehört, überfraßen wir uns völlig, bis wir einander nur noch etwas vorächzen konnten. Die Entenbrust funktionierte gut, mein Liebling war aber die Aubergine.

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Wenn Sie in München wohnen, könnte es am morgigen Sonntag an der Tür klingeln: Das Tropeninstitut der Ludwig-Maximilians-Universität will in einer großen Studie herausfinden, wie viele Menschen tatsächlich schon mit dem Coronavirus infiziert sind.
“Die wirklichen Zahlen über Covid-19”.

Auch für Nicht-Münchnerinnen eine interessante Lektüre, da die Methodik der Datenerhebung ungewöhnlich detailliert erklärt wird (u.a. lernte ich den Begriff “Random Walk” – überhaupt lerne ich in diesen Tagen so viel, allerdings tendiert mein Gemüt ohnehin dazu, sich in Zeiten großer Unsicherheit an Faktenwissen festzuhalten).

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Noch ein bissl Spaß und Musik zum Wochenende.

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https://youtu.be/3q7ExHaKt2M

via @widenka