Archiv für Mai 2020

Journal Montag, 18. Mai 2020 – URLAUB mit Ausflug und Freundestreffen

Dienstag, 19. Mai 2020

Viele Träume, noch beim Träumen fiel mir auf, dass in allen Corona vorkam.

Als Sport gab es dieses Mal nach Kräftigung eine halbe Stunde Dicken-Yoga mit Jessamyn Stanley. Mich interessierte, ob diese Vorturnerin mehr auf Bewegungseinschränkungen eingehen würde – tat sie.

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https://youtu.be/DkgJ82UVQ7c

Spaß scheiterte auch hier an meiner kaputten Hüfte. Und ich wünsche mir mehr Ruhe, als aus dieser Anleitung bei mir ankam. Aber ich lernte, dass Yoga-Blöcke eine gute Idee sein könnten.

Nach dem Duschen und Anziehen hatte ich Hunger – obwohl es noch nicht mal elf war. Also gab es ein Tomatenbrot und eine Zitronenschnecke, bevor ich meine Ausflugspläne umsetzte: Ich wollte nach der Isar südlich von Thalkirchen sehen, also nach einer meiner beiden häufigsten früheren Laufstrecken. Dazu radelte ich die Isar entlang bis zur Großhesseloher Brücke – gemütlich, um möglichst viel zu sehen und zu riechen. Das war schon mal wundervoll.

Die Isarauen füllten sich schon mittags – wie ich im Lauf des Ausflugs merkte, hatte ich die Menschendichte an einem sonnigen Arbeitsmontag unterschätzt.

Auf der Brücke Maria Einsiedel stieg ich ab um zu gucken.

Lange beobachtete eine kapitale Forelle in der Sonne (ist auch im Bild versteckt), um dann zu sehen, dass sie sechs ebenso kapitale Kumpels im Schatten der Brücke hatte.

Am Fuß der Großhesseloher Brücke stellte ich mein Rad ab, um zu Fuß nach Pullach zu spazieren – das, so überlegte ich, sollte auch mit kaputter Hüfte möglich sein. War es auch, aber sehr, sehr anstrengend, auf dem Hinweg war ich kurz davor umzudrehen. Statt dessen setzte ich mich immer wieder auf Bänke und machte Pause. Nehmen wir’s als Übung fürs hohe Alter.

Auf der Brücke sah ich einen Turmfalken, der gerade zur Landung oben an den Gleisen ansetzte und dessen Flügel- und Schwanzfedermusterung ich im Gegenlicht bewundern konnte. Der Wasserstand der Isar trotz der regnerischen beiden Wochen extrem niedrig.

An der Waldwirtschaft war der Parkplatz voller Autos, daneben parkten große Mengen Fahrräder. Hatte sich halb München für die Wiedereröffnung der Biergärten frei genommen?

Die kahlgestürmten Flächen am Isarhochufer, die ein Jahr zuvor noch so erbärmlich ausgesehen hatten, waren bereits gnädig zugewachsen – aber offensichtlich nicht aufgeforstet. Gerade als ich das Telefon für die Aufnahme oben hob, sah ich aus dem Augenwinkel einen Fuchs von unten kommen. Wir blickten einander kurz in die Augen, er verschwand sofort.

Lange nicht mehr gesehen: Den Ausblick aufs Isartal und aufs Pullacher Wasserkraftwerk.

Die freundliche Radlerin, mit der ich beim Gucken ein paar Smalltalk-Sätze wechselte (Wetter, Wasserstand, Ausblick) stellte sich als Seelenfängerin heraus: Unvermittelt kramte sie nach einer Broschüre, die sie mir hinhielt – darin fände ich ich Antworten auf “die Probleme des Lebens”. Ein, zwei, drei war sie bei “unsere Basis ist die Bibel” und ich musste ein bisschen mit ihr streiten. Streit regt mich leider immer fürchterlich auf, mein Ausflug war mir erst mal verdorben. Jetzt erwies sich als Glück, dass ich für die lächerliche Strecke von nicht mal fünf Kilometer mehrere Sitzpausen auf Bankerln brauchte, hier konnte ich mich nämlich beruhigen.

Ich hatte das Draußen sehr vermisst.

Zurück am Fuß der Großhesseloher Brücke freute ich mich am Spaß von Kindern, die in den Isarkanal sprangen. Auch in der Isar selbst wurde gebadet.

Zurück radelte ich über den Flaucher. Jetzt am Nachmittag war auf der Flaucherbrücke vor geparkten Rädern fast kein Durchkommen, alle Kiesbänke waren mit Familien und Nacktsonnerinnen wie -sonnern besetzt.

Im Glockenbachviertel kurzer Einkaufsabstecher für Obst und für Blumen.

Daheim stürzte ich erst mal mehrere Gläser Wasser herunter: Ich hatte geplant, in Pullach einzukehren und etwas zu trinken, deshalb keine Wasserflasche mitgenommen, doch da ich es nicht so weit geschafft hatte, war ich sehr durstig. Ein Apfel zur Brotzeit.

Abends war ich mit Herrn Kaltmamsell nach drei Monaten zum ersten Mal wieder physisch mit Freunden verabredet. Es gab keine Umarmung, wir saßen schön verabstandet in einem Innenhof, aßen Leckereien von Obatztem über Heringsalat bis Oliven und direkt-importierten Ulmer Seelen, tranken Wein, sahen und hörten über uns viele Mauersegler, tauschten uns über vielfältige Pandemiefolgen und sonstige Gesundheit aus. Ich genoss es sehr.

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Eine weitere verbloggte Corona-Chronik, diese ohne Erkrankung, von Novemberregen, die seit gestern wieder im Büro arbeitet:
“Meine Corona-Chronik”.

Journal Sonntag, 17. Mai 2020 – Maienbalkon

Montag, 18. Mai 2020

Etwas unruhige Nacht, weil sich mehrfach vor meinem Schlafzimmerfenster Menschen zum Rauchen und Ratschen trafen – vermutlich Gäste von Nachbarn.

Der Tag begann mit Backen: Erst die Zitronenschnecken, dann der zweite Laib Brot mit Lievito Madre, der 34 Stunden zum Gehen bekommen hatte, die letzten zwölf davon bei Zimmertemperatur.

Die Schnecken wurden wunderbar. (Hätten allerdings trotz goldbrauner Farbe noch 10 Minuten innen gebraucht, dann halt mit Alu abgedeckt.)

Das Brot geriet zumindest schon mal 50 Prozent größer als der Laib vom Vortag. Für das Ziel großporige Weißbrote mit schöner Glutenstruktur habe ich allerdings andere Rezepte, die sicherer funktionieren.

Herr Kaltmamsell erlöste mich von Putzpflicht: Nachdem ich so unter dem anstehenden Staubwischen litt, bot er Übernahme an – ihm mache es nicht so viel aus. Ich ließ mich überreden und stieg nach Bauch- und Armstärkung auf den Crosstrainer. (Herr Kaltmamsell musste anschießend allerdings zugeben, ebenfalls keinerlei Spaß an der umfangreichen Staubbeseitigung gehabt zu haben.)

Zum Frühstück gab es Tomatenbrot und Zitronenschnecken. Allerdings zeigte sich bei Letzterem eine tiefe und schmerzliche Differenz im Hause Kaltmamsell: Während ich höchst angetan von den saftigen und zitronigen Hefeteilen war (halt bloß noch ein bisschen zu teigig innen), befand Herr Kaltmamsell Zimtschnecken “um Welten” besser. Das gestrige seien auch gar keine Schnecken, sondern Nudeln (bayerisch-österreichische Bezeichnung, Rohrnudeln gibt es unter diesem Namen sogar in Bäckereien zu kaufen). Wie können Wahrnehmungen nur so auseinander gehen? Ich bin zutiefst verunsichert.

Den Nachmittag verbrachte ich lesend auf dem Balkon, horchte immer wieder in mich hinein, ob ich in diesem Traumwetter nicht doch eine Lust auf mehr Draußen entwickelte. Doch meine Bewegungseinschränkung (gestern war wieder viel Humpelns) zusammen mit prospektiven Menschenmengen hielt mich ab. Die bevorstehende Urlaubswoche wird mir genug Gelegenheit zu entspanntem Draußen bieten.

Herr Kaltmamsell hatte Lust auf die Zubereitung von Steak and Kidney Pudding, also gab es den zum Nachtmahl. (Ja, ich lebe in einem Haushalt mit drei Puddingformen zum Dampfgaren.)

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Der niederländische Historiker Rutger Bregman schreibt in The Correspondent:
“The neoliberal era is ending. What comes next?”

Tatsächlich hat meine innere Pessimistin solche Prognosen bislang immer mit einem Seufzer weggewischt – die Wohlhabenden, die vom Neoliberalismus profitieren (und überzeugt sind, nicht etwa eine privilegierte Startposition hätte sie wohlhabend gemacht, sondern allein ihre Leistung und ihr Fleiß), sitzen an der Macht und werden den Teufel tun, etwas zu ändern. Doch dieser Artikel erklärt mir die Entstehung des Neoliberalismus nach dem Zweiten Weltkrieg und seinen Siegeszug (Reagan, Thatcher) in einer Art und Weise, die eine Abkehr davon breit vernünftig erscheinen lässt.

I’d like to introduce you to Mariana Mazzucato, one of the most forward-thinking economists of our times. Mazzucato belongs to a generation of economists, predominantly women,
who believe merely talking taxes isn’t enough. “The reason progressives often lose the argument,” Mazzucato explains, “is that they focus too much on wealth redistribution and not enough on wealth creation.”

Mazzucatos Forschung hat unter anderem ergeben, dass die Kerntechniken, durch die Technik-Giganten wie Google und Apple erfolgreich wurden, in Forschungsprojekten entwickelt wurde – die die Regierung bezahlte. Titel ihres Buches von 2013: The Entrepreneurial State. Und ihre Schlussfolgerung: Wo der Staat investiert, sollte er am wirtschaftlichen Erfolg teilhaben – was er bei genau den oben genannten Unternehmen nicht tut, wenn sie ihren Steuersitz in Steueroasen verlegen.

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Blogger Formschub erfährt durch einen seriösen Antikörper-Test, dass sein Verdacht stimmt: Er hatte höchstwahrscheinlich eine mittelstarke Form von COVID-19. Sein nachträgliches Protokoll:
“Corona”.

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Mir dann doch ein Herz genommen und “Männerwelten” angesehen, das in meinem Internet die vergangenen Tage über für Diskussionen sorgte: Ein Sammlung alltäglicher sexueller Belästigungen und Übergriffe, denen Frauen im Internet und außerhalb davon Tag für Tag begegnen. (Diese Sachen sind für mich schwer erträglich und kosten Kraft, daher die Überwindung.)

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https://youtu.be/uc0P2k7zIb4

Ein gutes Mittel, #metoo nicht in Vergessenheit gelangen zu lassen, die Diskussion weiterzuführen. (Es gibt berechtigte Einwände gegen die Kooperation mit Terres des Femmes und die Konzentration auf weiße Cis-Frauen, doch meiner Ansicht nach überwiegt der Aspekt der Ausmerksamkeitsauffrischung.) (Was natürlich damit zu tun haben mag, dass ich selbst eine weiße Cis-Frau bin und damit gewohnt, dass sich alles um meinesgleichen dreht.) Auf Twitter nahm Sarah Kuttner die Aktion zum Anlass, über selbst erlebte Übergriffe zu berichten und Tweets anderer Frauen über sexualisierte Gewalt zu retweeten:
@KuttnerSarah
Harter Tobak, immer noch, immer wieder.

Ich wiederhole auch hier zur Sicherheit: Sollten Sie zu der Hälfte Frauen gehören, die bislang von sexuellen Übergriffen und sexualisierter Gewalt verschont geblieben sind, sind Sie weder besser noch haben Sie etwas richtig gemacht, was die Betroffenen falsch gemacht haben – Sie hatten, wie ich, einfach Glück. Und unterstehen Sie sich, weil sie es selbst nie erlebt haben, die Aussagen der Betroffenen anzuzweifeln.

Journal Samstag, 16. Mai 2020 – Küchentag

Sonntag, 17. Mai 2020

Ausgeschlafen, also kurzer Tag. (Schon wieder mit Kopfweh aufgewacht.) Draußen hörte ich erst mal einen Buchfinken, bis die Mönchsgrasmücke wieder lautstark übernahm.

Nach Bloggen und Twitterlesen zog ich Sportklamotten an, erst mal die tägliche Kräftigungsrunde. Dann – SEEEEEEEUUUFFFZ – Klo, Bad, Küche gründlich geputzt (Herr Kaltmamsell hatte schon am Vortag alle Böden gesaugt und gewischt – eigentlich nicht die optimale Wohnungsputz-Reihenfolge, aber jeder/jede macht halt, wenn’s grad passt).

Zur Belohnung gab’s eine Stunde Crosstrainer mit Filmmusik auf den Ohren, unterbrochen durch Brotbacken. Gestern erzeugte ich nach Langem mal wieder einen astreinen Türstopper:

Das sollte eigentlich Terra-Madre-Brot werden. Ich hatte den Teigling anweisungsgemäß über Nacht im Kühlschrank gehen lassen, doch da er morgens keinerlei Volumenvergößerung gezeigt hatte, ihm noch fünf Stunden Stückgare bei Zimmertemperatur gegeben – keine Veränderung. Dann wurde es mir zu bunt und ich schob ihn in den Backofen.

Essen konnte man das zum Glück: Das Innere war nicht sulzig, sondern lediglich sehr dicht geport. Doch angepeilt hatte ich etwas Anderes. Eine Chance kriegt der Lievito Madre noch als Triebmittel, nämlich morgen mit der anderen Hälfte des Teigs, die dann doppelt so lange bei Zimmertemperatur gegangen ist.

Zum Frühstück also zwei Scheiben des missglückten Brots. Herr Kaltmamsell hatte mittlerweile die Wochenendeinkäufe erledigt. Ich ging nach dem Frühstück auch noch raus, um an einem Obststandl Erdbeeren zu besorgen. Es war strahlend sonnig, aber kühl.

Die Sendlinger Straße bevölkert wie vor Corona.

Ich las die Wochenend-SZ-, dann war schon wieder Zeit für Küche bis zum Abend. Ich machte zum Abendbrot Ricotta-Tomaten-Tarte, verlängert durch eine Stange Lauch aus Ernteanteil, die ich dafür schnippelte und andünstete. Außerdem knetete und rollte ich für Übernacht-Gehen die Zitronenschnecken von Anke Gröner: Auch mir sind alle meine bisher selbst gebackenen Zimtschnecken eigentlich zu trocken, und diese Zitronenschnecken werden als ganz besonders saftig angepriesen. Zum Nachtisch schnippelte ich die hervorragenden heimischen Erdbeeren.

Die Tarte war warm deutlich instabiler als sonst: Das mit dem Lauch hatte die Chemie der Füllung durcheinander gebracht. Sie schmeckte allerdings sehr gut. Und dann erst die Erdbeeren!

Vielen Dank für all Ihre Hinweise und Vorschläge zu meinem Sportgerät-Stauproblem! Sie haben sehr geholfen!

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Zu den gestern in Deutschland zahl- und menschenreichen Protesten gegen tatsächliche und erfundene Maßnahmen zur Pandemie-Einschränkung passt das Corona-Tagebuch von Carolin Emcke: Sie macht sich diesmal Gedanken über Angst und wie sie von faschistischen Argumentationsmustern genutzt wird. Unter anderem zitiert Emcke Leo Löwenthal, Falsche Propheten – Studien zum Autoritarismus:

Der Agitator bemüht sich gar nicht, objektiv auf die Unzufriedenheit und das Missbehagen seiner Zuhörer einzugehen, vielmehr präsentiert er deren Beschwerden in einem verzerrenden, fantastischen Prisma.

Hier der ganze Text von Carolin Emcke:
“Politisch-persönliche Notizen zur Corona-Krise
Woche 8: Von realen und missbrauchten Ängsten, von geistigen Flipperkugeln – und dem Juckreiz, dem man nicht nachgeben darf.”

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Es wurde aber auch Zeit: Unterbezahlte und ausgebeutete Spargelstecher verweigern die Arbeit:
“Massenprotest von 150 Feldarbeitern in Bornheim”.

(Zur Sicherheit: Das heißt nicht, dass alle Spargelbauern ihre Leute so behandeln.)

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Warum können Vögel minutenlang singen, ohne Luft zu holen? Und warum sind so kleine Vögelchen derart laut?
Die Antwort hier bei SWR Wissen.

Journal Freitag, 15. Mai 2020 – Letzter Regentag und Sportmöbelproblem

Samstag, 16. Mai 2020

Letzter Arbeitstag vor einer Woche Urlaub – die Freude wurde mir tatsächlich getrübt durch die Aussicht darauf, dass ich Samstag und Sonntag wieder putzen muss. (Gehe ich deshalb am Samstag zu den Anti-Pandemie-Eindämmungs-Protestierern auf die Theresienwiese? Nein, sicher nicht: Ich halte die derzeitigen Reisebeschränkungen, die unsere beiden Putzmänner in Polen festhalten, weiterhin für vernünftig und hoffe darauf, dass sie erfolgreich genug sind für eine Aufhebung in den nächsten Monaten.)

Yoga gestern mit Wumms: Herr Kaltmamsell hatte geächzt, seine Donnerstagsfolge bei Adriene sei ausgesprochen anstrengend gewesen. Da ich mich derzeit sportlich ausgesprochen unteranstrengt fühle, knöpfte ich mir die gestern vor (nachdem ich mir versichern hatte lassen, dass ich die rechte Hüfte dafür nicht brauchen würde). Und hurra: Ich kam bei “Ignite” sogar ins Schwitzen!

Regenrauschen beim Aufwachen – das zu meiner Überraschung bis zum Aufbruch in die Arbeit anhielt. Also U-Bahn. Doch als ich mit der Tram am Stachus ankam, sprach mich ein Bekannter an und warnte mich: Der U-Bahnhof Stachus sei gerade evakuiert worden, da gehe im Moment nichts. Ich machte mich auf den Weg zurück nach Hause, um halt doch das Rad zu nehmen. Umentscheidung unterwegs: Ich hink-trippelte die Landwehrstraße hinunter bis zur U-Bahn-Station Theresienwiese und stieg dort ein. Unterm Strich kam ich nur 15 Minuten später im Büro an.

Das war dann noch ein recht emsiger letzter Arbeitstag vor Urlaubswoche. Mittags rote Paprika mit einem Stückchen Gorgonzola, Aprikosen, nachmittags eine riesige Orange und Schokolade. Auch wenn ich Pandemie-bedingt keine Vertretung für die drei Arbeitstage habe (vor Feiertag und St. Brück), fürchte ich mich nicht vor allzu viel Strafarbeit bei Rückkehr.

An vielen Stellen Münchens blühen die Kastanien noch.

Die U-Bahn nach Feierabend nahm ich bis Odeonsplatz. Einzukaufen hatte ich dank Herrn Kaltmamsells Emsigkeit nichts, ich spazierte ohne Regen langsam und Schaufenster-bummelnd durch die Fußgängerzone nach Hause. Es war weiterhin kalt: Das Thermometer am Juwelier Fridrich in der Sendlinger Straße zeigte 10 Grad an.

Daheim knetete ich Brotteig: Es soll am Wochenende Terra Madre Brot mit Lievito Madre geben. Das Wochenende läuteten wir mit Gimlets ein, bevor Herr Kaltmamsell zum Nachtmahl glückliches Entrecôte briet und ich Ernteanteil-Salat dazu anmachte. Begleitung war ein Glas kastilischer Roter Dehesa la Granja.

Ich bin sicher, dass 95 Prozent der hier Mitlesenden mehr Ahnung von (oder Neigung zu) Inneneinrichtung haben als ich. Deshalb bitte ich um Rat zu einem Verstauungsproblem, Betreff: Sportgeräte. Mittlerweile gibt es in dieser Wohnung nämlich drei Orte, auf die sich unschön verteilen: Hanteln (2), Turnmatten (2), Faszienrollen (2), Therabänder (3-4), Igelball, Tennisball. Dafür hätte ich gerne eine Aufbewahrung, die Raum für Zukäufe bietet (z.B. mehr Hanteln), idealerweise im Wohnzimmer, leicht zugreifbar und nicht hässlich. Als Inneneinrichtungslaie stellte ich mir zunächst ein schönes Sofa auf Schubladen vor, da wir eigentlich eh seit Jahren gerne ein gemütliches Sofa hätten, doch erste Recherchen ergaben: schönes Sofa oder auf Schubladen. Tipps?

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Nachdem ich einem Gesprächsfetzen im Vorbeigehen entnommen hatte, wie schwer es die Menschen hinter den Drehbüchern von Soap Operas gerade haben, weil sie bei zwei Wochen Vorlauf vor Dreh alles Corona-tauglich schreiben müssen (keine Kussszenen!), wurde ich auch schon auf einen Artikel diese Woche in der Süddeutschen hingewiesen, der sich genau darum dreht: Wie wird derzeit in den Bavaria-Filmstudios die Daily Soap Sturm der Liebe gedreht?
“Romantisch, aber auf Abstand”.

Journal Donnerstag, 14. Mai 2020 – Ein weiterer Tag aktuelle Situation

Freitag, 15. Mai 2020

Das Stehenlassen des Fahrrads am Vorabend passte gestern Morgen: Es regnete so richtig, nach meiner Crosstrainer-Einheit nahm ich die U-Bahn in die Arbeit. (Regenwetter, Mund-Nasen-Maske und Brille sind eine schwierige Kombination.) Bisschen Muskelkater im Trizeps, ich hatte am Mittwochmorgen etwas Hantel-Armtraining drangehängt – und das war offensichtlich mehr als nötig.

Ich trug meinen warmen Kaschmirpulli, weil ich den ganzen Mittwoch über gefroren hatte. War genau richtig, ich konnte im Büro sogar hin und wieder das Fenster öffnen und hatte manchmal warme Finger.

Mittags Orange und Apfel mit Quark und Dickmilch, nachmittags Nüsse und Schokolade. Auf dem Heimweg (es war trocken, ich konnte radeln) blieb ich am Oststandl auf der Theresienhöhe stehen und kaufte Brotzeit für die nächsten Tage. Daheim hatte Herr Kaltmamsell aus den Mairübchen des eben geholten Ernteanteils eine Suppe gemacht, als zweiten Gang das Rübchengrün mit Maiskörnern gebraten. Die Hand voll Ruccola aus Ernteanteil gab einen Salat dazu. Zum Nachtisch Eis.

Unsere Unterstützung der lokalen Gastronomie pausiert im Moment: Ich konnte die Berge an Verpackungsmüll nicht mehr ertragen – das Unwohlsein verstärkt durch den Anblick damit überquellender Mülleimer in den Grünanlagen am Sonntag; offensichtlich hatten die Leute in großer Zahl ihr Essen in den umliegenden Lokalen geholt, es im Grünen verzehrt und dann die Einwegverpackungen weggeworfen.

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Herzerfrischendes beim mittäglichen Zeitunglesen: Ein kurzes Portät der italienischen Agrarministerin Teresa Bellanova.
“Die Agrarministerin in Rom weiß, was Feldarbeit bedeutet.”

Schönes Zitat: “Red’, wie du isst!”

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Schon seit Februar wird neben der Pandemie die “Infodemie” thematisiert – die Verbreitung falscher oder manipulativer Aussagen über das Corona-Virus. Ich merke selbst, dass ich diese Verbreitung wie ein Virus fürchte, dass ich Angst habe, Menschen in meiner Umgebung könnten sich damit infizeren und in den Sog von Verschwörungsmythen geraten. Auf netzpolitik.org beleuchtet Daniel Laufer das Phänomen und holt sich Tipps bei Expterinnen, wie Angehörige den Betroffenen helfen können:
“Wenn die Eltern plötzlich an Verschwörungstheorien glauben”.

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Ein weiteres Tiktok-Juwel:
“The Anderson guide to surviving in a global pandemic”.
via @lyssaslounge

Journal Mittwoch, 13. Mai 2020 – Ärgernisse, dreifach

Donnerstag, 14. Mai 2020

Ich hätte gerne noch länger so gut geschlafen.

Frühsport einmal durch alle Übungen nach ärztlichem Rat – fast, denn der rechte Hüftbeuger verhinderte energisch den Käfer (sonst gilt ja: Übungen mit Tiernamen sind die besten Übungen).

Arbeit in der Arbeit.

Corona-Frise, voll erblüht.

Mittags nochmal Tellersulz mit Brot, nachmittags Orange und Apfel. Es regnete immer wieder, auch zum Feierabend. Schließlich entschied ich mich dann doch für eine U-Bahn-Fahrt in die Innenstadt: Ich wollte eine Yogamatte kaufen, denn die weiche Turnmatte erschwert das Gleichgewichthalten unnötig. (Als Zentrumsbewohnerin einer Großstadt halte ich wiederum einen Internetkauf für unnötig, die Zustellfirmen drehen derzeit eh schon am Rad.) Das war dann doch ein größeres Abenteuer: Ich fing am Stachus an mit Karstadt Sport – die einzige dünne Matte war mir zu schwer, denn ich möchte dereinst, also post-OP, schon auch mal die Chance haben, einen Yoga-Kurs zu belegen (um mich von einer Fachkraft korrigieren zu lassen und dann wieder daheim weiter zu turnen), und ich will meine Matte dafür nicht mit einer Sackkarre transportieren müssen. Sport Scheck war wie bislang jedesmal eine Enttäuschung: Gar keine Matten – und niemand, den ich hätte fragen können. Dafür war Sport Schuster wie bislang jedesmal überzeugend: Auswahl, Beratung, ich habe jetzt eine Yogamatte.

Herr Kaltmamsell hatte zum Nachtmahl Dampfnudeln gemacht – auf seine Art, also mit kusprigem Boden. Sie schmeckten hervorragend mit Vanillesoße.

Telefonat mit meiner Mutter. Zum meiner großen Beruhigung sind meine Eltern weiterhin vernünftig: Sie verschob unseren Besuch bei Ihnen am Sonntag um eine Woche, weil das Wetter in vier Tagen nicht gut genug sein wird, dass wir in sicherem Abstand voneinander draußen in ihrem Garten sitzen können.

Meine Superheldinnenfähigkeit ist ja eigentlich, immer etwas zum Freuen zu finden, selbst im schwärzesten Schlick (der mich in den vergangenen Monaten erleichternderweise in Ruhe lässt), Sie müssen sich das wie ein Glühwürmchen über einem zähen Teersee vorstellen (GLÜHWÜRMCHEN!), aber. Derzeit weiß ich nicht, was mir mehr schlechte Laune macht (schlechte Laune ≠ schwarzer Schlick): Die Einschränkungen durch die Pandemie (kein Ausgehen, kein Schwimmen, kein Kino, keine Geselligkeiten, umständlicher Elternbesuch, Draußenbewegung nur als eine Abfolge von Hakenschlagen) oder die Einschränkungen durch kaputte Hüfte (kein Joggen, kein Wandern, kein Krafttraining, kein längeres Gehen) oder die Bestürzung durch unvernünftige Forderungen in der Bevölkerung nach Ignorieren der Pandemie.

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Gestern las ich mal wieder eine Folge NDR-Podcast mit Prof. Christian Drosten nach.
“Coronavirus-Update Folge 40”.

Unter andere über Aerosol-Komponenten, deren Infektiosität laut Drosten mittlerweile nachgewiesen ist.

Fast die Hälfte der Übertragung ist Aerosol, fast die andere Hälfte der Übertragung ist Tröpfchen und vielleicht zehn Prozent der Übertragung ist Schmierinfektion oder Kontaktinfektion. Wenn man sagt, irgendetwas klebt an den Händen. Und demgegenüber muss man Alltagsempfehlungen stellen.

Also vor allem in Innenbereichen ABSTAND zefix.

Wichtig zur Einordnung von Aussagen auch:

Ich bin Virologe und würde mich nie zu einem bakteriologischen Thema äußern. Und das ist ja für den normalen Zuschauer fast dasselbe, Viren und Bakterien, für einen Wissenschaftler aber nicht. Es geht sogar viel weiter. Ich würde mich auch nicht trauen, mich innerhalb der Virologie in dieser Breite und in dieser Meinungsstärke zu einem anderen Virus als dem Virus, an dem ich hier arbeite, zu äußern. Man kann die Literatur und die Fachkenntnis in diesem Gebiet nicht kennen, wenn man nicht absoluter Spezialist ist. Das ist der einzige Grund, warum ich als Person überhaupt in der Öffentlichkeit stehe. Nicht weil ich besonders schlau bin oder weil ich besonders gut reden kann oder irgendetwas, sondern weil ich als Spezialist an genau diesen Viren arbeite.

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Schöner Twitterfaden über Privatbibliotheken – echte und falsche.

Journal Dienstag, 12. Mai 2020 – Eisheilige

Mittwoch, 13. Mai 2020

Vor Wecker wach geworden, weil ich wieder dachte, er würde klingeln. Die Extrazeit hängte ich ans Crosstrainerstrampeln an.

Es war saukalt geworden, dieses Jahr sind die Eisheiligen wirklich zu Besuch gekommen. Ich radelte in Janker und Handschuhen in die Arbeit.

Mittags gab es die Tellersulz, die Herr Kaltmamsell aus dem restlichen Braten vom Sonntag gemacht hatte – obwohl es ein kleiner Braten gewesen war (und der sicher nicht aus einer Industrieschlachterei), reichte er für drei Mahlzeiten für zwei. In der Arbeit war es wieder sehr voll, ich verschanzte mich in meinem Büro. Premiere: Zum ersten Mal musste ich eine Aufgabe abgeben, weil ich dafür einige Stunden hätte herumlaufen müssen. Das kann ich derzeit nicht.

Späterer Feierabend als geplant, und das, wo ich den wichtigen Job hatte, Würschtl für den abendlichen Erbseneintopf mitzubringen. Ich kaufte sie auf dem Heimweg beim Vollcorner. Der Eintopf schmeckte sehr gut.

Als Abendunterhaltung ließen wir die Verfilmung von Nigel Slaters Toast von 2010 laufen, die überraschend langweilig geraten ist.

In puncto Pandemie habe ich mittlerweile die Phase Abstumpfung erreicht: Es liegt komplett außerhalb meiner Hand, wenn blühende Hirnlosigkeit die zweite Corona-Infektionswelle zerstörerisch hoch werden lässt. Dann kann ich sie auch ignorieren und mich darauf konzentrieren, auf meine liebsten Menschen zu achten. Denn weil die Beschränkungen des öffentlichen Lebens in den vergangenen Wochen in Deutschland erfolgreich waren, wird ihnen jetzt von vielen ihre Notwendigkeit abgesprochen. Wie titelte ich am 13. März? “Wenn es im Nachhinein aussieht, als hätten wir überreagiert, haben wir alles richtig gemacht.” Während ich früher Katastrophenfilme für unrealistisch hielt, weil so viele Leute sich unvernünftig verhielten, halte ich sie jetzt für unrealistisch, weil sich darin so viele Leute vernünftig verhalten.

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Ärzte ohne Grenzen schickt erstmals ein Team in die USA:
“Doctors Without Borders dispatches team to the Navajo Nation”.

Navajo Nation, home to roughly 170,000 people, now has more coronavirus cases per capita than any state in America. Due to a shortage in nursing and specialized medical staff, the most critical patients have to be airlifted to hospitals outside of the reservation. On top of that, Navajo people carry a high rate of diabetes and hypertension, rendering them more susceptible to infection. And as of early May, the region has a higher coronavirus death rate than that of 46 states.