Archiv für Mai 2020

Journal Montag, 4. Mai 2020 – Mitgenommenheiten

Dienstag, 5. Mai 2020

Der Wecker klingelte zu früh und holte mich aus seltsamen und unangehmen Träumen. Nach Routine-Kräftigung gab es ein eine halbe Stunde Yoga, zum Teil einseitig (immer wieder lustig, wenn eine Standübung auf der wehen rechten Seite beginnt und komplett unmachbar ist, auf der linken dann easypeasy).

Es war ein wenig milder geworden, doch unter trübem Himmel. Radeln und Gehen funktionierten gestern gar nicht gut.

Arbeitstag ohne Aufregungen. Doofe Sachen, die ich nicht lösen konnte, durften liegenbleiben – oft wächst mir die Lösung von allein zu. Mittags ein wenig Spinatstrudel vom Vorabend, nachmittags Orange und Grapefruit. Da es am Dienstag in der Arbeit wieder voll zu werden droht, packte ich alles für einen Dienstag in Heimarbeit.

Nach Feierabend ein Abstecher in den Vollcorner für Obst und Milch. Daheim wartete Herr Kaltmamsell mit einem Kichererbsen-Tomaten-Eintopf auf mich, und zwar mit braunen Kichererbsen aus österreichischem Anbau – sehr gut. Dann noch ein wenig Käse und Schokolade.

Früh ins Bett, um Romanmanuskript zu lesen.

Ein Todesfall in meinem Internet-Bekanntenkreis nimmt mich sehr mit, auch ohne direkte Berührungspunkte. Ausnahmesituation-bedingte Dünnhäutigkeit? Verstärkt dadurch, dass sich bald einige einschneidende Erlebnisse jähren und emotionale Überforderung auf mich zurollt?

Journal Sonntag, 3. Mai 2020 – Gemischte Küchendesaster

Montag, 4. Mai 2020

Durchwachsene Nacht: Durch Schmerzen am Einschlafen gehindert worden, zu Novalgin gegriffen mit sehr flauem Gefühl im Magen vor Furcht, dass das den Beginn einer neuen Phase Schmerzensnächte bedeuten könnte.

Über Nacht im Kühlschrank gegangenes Brot (Stückgare) rausgeholt, es war verdächtigerweise praktisch nicht aufgegangen. Das Brot wurde dann auch ganz anders, als es im Rezept aussah:

Schmeckte später beim Frühstück schon ok, war halt bloß misslungen.

Gleich früh ging ich auf den Balkon, um in den Morgen zu schnuppern, dabei eine Mönchsgrasmücke gesehen und gehört (LAUT), in der nördlichen Ferne eine weitere gegensingen gehört, Kampf zweier Amsleriche beobachtet. Der leicht geschwätzige Gesang der Grasmücke begleitete mich noch lange, ich hörte ihn den ganzen Tag über immer wieder. Ein kalter, sonniger Tag, kein Tropfen Regen.

Crosstrainerstrampeln, ich hörte meine gesammelte Filmmusik auf Shuffle. Das war ziemlich lustig, außerdem erinnerte ich mich an einige bereits komplett vergessene Filme.

Meine Coronafrisur kann sich derzeit nicht zwischen zwischen Lady Di und Cruella de Vil entscheiden.

Frühstück diesmal schon um eins!

Den Nachmittag verbrachte ich damit, das erste Drittel des Romanmanuskripts einer Freundin zu lesen, dessen Entstehung ich mitverfolgt hatte und auf das ich mich sehr freute. Ich las gefesselt und leicht geflasht, dass ich in Echt Menschen kenne, die so gut schreiben, plotten, charakterführen können. Sie werden mitbekommen, wenn der Roman veröffentlicht wird – sollte der Verlag nichts daran kaputtmachen, werde ich ihn hemmungslos bewerben.

Für das Abendessen sorgte ich, ich hatte mir den ersten Strudel meines Lebens vorgenommen: Spinatstrudel aus Österreich vegetarisch. Ich scheiterte in angemessener Spektakularität: Der Teig ließ sich wunderbar dünn ausziehen – wohl zu dünn. Und ich war zu blöd, die Anweisung zu kapieren, nach der ich vier kleine Strudel mit demselben Geschirrtuch aufrollen und aufs Backblech transportieren sollte.

Bis dahin sah alles noch gut aus.

Die positive Überraschung am Abend: Die Mauersegler sind schon da! Ich hatte in den vergangenen Tagen noch andere Menschen, die auf Twitter Mauerseglersichtungen in Deutschland behauptet hatten, verspottet. Doch Herr Kaltmamsell erspähte weit oben am blauen Himmel einen ganzen Schwarm, noch ohne Pfeifen, aber eindeutig Mauersegler.

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Der Wiener Architekturjournalist Maik Novotny verbrachte einige Zeit in seiner Herkunftsstadt Stuttgart und nahm das zum Anlass, sich Gedanken über den Einfluss der aktuellen Pandemie auf die Städteplanung zu machen:
“Stuttgart: Move over, Motorstadt”.

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@Caethan13 ist Anästhesist, Notarzt & Intensivmediziner. Auf Twitter erklärt er, warum Kliniken nicht einfach mal schnell in Normalbetrieb schalten können.

Bitterer Abschluss:

Das Krankenhaus als gewinnorientiertes Unternehmen, das hat schon vor der Pandemie nicht funktioniert.

Während sich vor kurzem noch alle einig waren, dass das Gesundheitswesen in den letzten Jahren kaputtgespart wurde, mehren sich nun schon die Vorwürfe der Geldverschwendung.

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Heike-Melba Fendel auf zeit.de über ein aktuelles Phänomen mit Geschichte:
“Der Hausfrauenkomplex”.

Als ich schwanger wurde, sagten alle, die davon erfuhren, erfreut: “Machste allein, ne?”, obschon dies gar nicht der Plan war. Nur meine, inzwischen geschiedene, Mutter war nicht erfreut: “Mach das nicht”, sagte sie entsetzt. “Du hast doch so ein schönes Leben.” Ich war 26 Jahre alt, als ich anhand dieses Ausbruchs erstmals begriff, wie unglücklich meine Mutter all die Jahre gewesen war.

(…)

Wir hatten es also zwar noch nicht ganz geschafft mit der Abschaffung des Hausfrauenkomplexes, waren aber immerhin auf einem guten, einem unumkehrbaren Weg. Doch dann kam Corona. Und seither ist viel von einem veritablen Backlash die Rede, weil die Männer das Heft des Handelns, Erklärens und Beratens neuerlich in die Hand nähmen, während die Frauen sich um Homeschooling, Mundschutznähen und Familie-bei-Laune-Halten kümmerten. Diese Krise katapultiere also die Frau in die Hierarchie der Fünfzigerjahre zurück, weil Krisenbewältigung immer noch und jetzt erst recht Männersache sei.

Symptome: Wissenschaftsmagazine weltweit berichten, dass Einreichungen von Frauen um 50 Prozent zurückgegangen sind, Julia Jäkel, Geschäftsführerin des Verlags Gruner & Jahr gesteht, dass in den Krisenteams ihrer Firma kaum Frauen sitzen.

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Projekt der Dubliner Fotografin Ruth Medjber:

Each evening, during twilight, I head out for a walk. I keep within the 2km area surround my own home.

I visit my neighbour’s home. Sometimes these are people I’ve known for years, other it’s the first time we meet. I knock on the window. The big light goes on and they all come together, pets and all. They pose for a photograph, marking history, capturing this incredible shared experience.

Einen kleinen Eindruck vermittelt diese Collage:

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https://youtu.be/kDHjOOzqedU

via @giardino

Journal Samstag, 2. Mai 2020 – Compliance durch Schabernack

Sonntag, 3. Mai 2020

Gut geschlafen, auch wenn mich die schlechte Pizza im Magen etwas drückte. Es regnete den Tag über immer wieder, auch mal ein paar Minuten energisch, doch das reichte nicht mal, um den Boden unter den großen Eiben im Hinterhof nass werden zu lassen. Am Ende des Tags dann auch Gewitter.

Plan für nach dem Bloggen und Twitterlesen war gewesen: Ausführliches Gesundheits-Krafttraining, Staubwischen & Möbelpflege, Crosstrainer. Doch dann dauerte das Staubwischen so lange (ich entdeckte schon wieder Ecken, an denen offensichtliche seit vielen Jahren niemand war, und machte mich darüber her), dass es halb eins und zu spät für Crosstrainer war. Ich duschte gleich und ging kurz Einkaufen in den Drogeriemarkt (mit Anstehen an der Tür), brachte auf dem Rückweg Semmeln mit.

Beim Staubwischen in den Buchregalen war ich auf eines meiner Kinderbücher gestoßen, das ich für schon lange weggegeben gehalten hatte – was ich bedauerte, denn ich dachte oft daran. Aber da war es!

Polly Hobson, Katharina Boje (Übers.), Fünf Kugeln im Kamin. Ich weiß nicht, wie es in meinen Besitz kan, ich war bei der Erstlektüre 11 oder 12. In diesem Alter besaß ich kaum Bücher, und das ist eine alte Ausgabe. Es war mir auch durch seine Illustrationen stark in Erinnerung geblieben, ich muss es oft gelesen haben.

Ich hatte dieses Rezept für den ersten Einsatz des Lievito Madre ausgesucht. Doch es wurde bereits schwierig bei: “Die Schüssel abdecken und für 8-10 Stunden an einen Ort mit durchgehend 27-28°C stellen. Bei mir ist das der Backofen mit eingeschaltetem Licht und einem Kochlöffel in der Tür.” Denn mein Backofen hat keinen Modus “mit eingeschaltetem Licht”. Das Licht funktioniert nur bei Beheizung, die niedrigste Temperatur beträgt 30 Grad, bei Öffnen der Ofentür (z.B. für einen Spalt) schaltet die Heizung aus. Ab acht Uhr morgens schaltete ich über den Tag also die 30-Grad-Beheizung alle halbe bis ganze Stunde an oder aus, je nachdem was mein Wecker mit Thermometer anzeigte, den ich neben die Schüssel gestellt hatte. Um 18 Uhr war es Zeit für den nächsten Schritt: Teig kneten, dann immer wieder falten.

Für Herrn Kaltmamsell war ein “Lehrer/innenkatalog” in der Post. Ich blödelte umgehend los, ob man sich darin Lehrpersonal aussuchen könne? Jeder und jede sich darin per Profil vorstelle mit Fertigkeiten in den verschiedenen pädagogischen und fachlichen Bereichen, dafür jeweils Schülerreferenzen angebend? Herr Kaltmamsell führte den Gedanken sofort aus: dass das bei konsequentem Unterrichten über Internet ja tatsächlich umzusetzen sei, dass man auf diesem Weg Klassen bilden könne. Wir spielten das auf Twitter weiter, wo die Idee entstand, dass sich besonders beliebte Lehrerinnen und Lehrer in der Folge die Schülerinnen und Schüler aussuchen würden, man sich also bei ihnen bewerben müsste.

Für mich in der Post war das hier:

Die Idee entsprang ebenfalls einer Blödelei auf Twitter – aber Pia, aka Frau Mutti, hat sie dann tatsächlich auch umgesetzt – große Freude! (Jajaja ich weiß, es handelt sich um eine kollektive Fehlerinnerung: Tatsächlich sagt er “Waf für eine Mafke?”) Ist es überzogen, wenn ich mir einbilde, dass man durch solch einen spielerischen Umgang mit der Maskenpflicht elegant andeuten kann, dass man fürs Gemeinwohl zu Verzicht auf Annehmlichkeiten bereit ist?

Das Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell: Risotto mit Radicchio und Ziegenfrischkäse, aufgegossen mit Spargelbrühe.

(War das nicht die Modefarbe des vergangenen Winters? Radicchiorisotto?)

Journal Freitag, 1. Mai 2020 – Hightech-Werkzeug Stecknadel

Samstag, 2. Mai 2020

Mit bösem Kopfweh aufgewacht, erste Mahlzeit des Tages war eine Ibu.

Der Regen hatte nicht mal die Nacht durchgehalten, am Vormittag schien auch noch hämisch die Sonne. Ich bloggte gemütlich, las meine Twittertimeline leer.

Dann griff ich zum Hightech-Werkzeug Stecknadel: Nachdem Ihre Kommentare meinen Verdacht bestätigten, dass die Kontakschwierigkeiten meines Handys beim Laden an Schmutz in der Buchse liegen könnten, pulte ich darin mit einer Stecknadel herum – und entfernte Fuseln in der Menge für einen halben Strickpulli. Nach nicht mal einer Minute war das Kontaktproblem beseitigt. Ich habe mein Handy repariert!

Gestern war wieder die Putzrunde Klo-Bad-Küche dran, und zwar gründlich (also mittelgründlich ohne Schränke oder tiefste Ecken und Fugen, aber mit alles wegräumen), Herr Kaltmamsell hatte am Vortag alle Böden gesaugt und gewischt (auch mit wegräumen). Ich halte weiterhin die Pandemie für ein deutlich überdimensioniertes Mittel, um mir in Erinnerung zu rufen, wie ungern ich putze, wie dankbar ich unseren Putzmännern dafür bin, dass sie mir das sonst ersparen, und wie gern ich sie dafür anständig bezahle.

Zur Belohung gab’s eine gute Stunde Crosstrainer mit Musik – ich bin sehr, sehr froh, dieses Gerät in der Wohnung zu haben, sonst wüsste ich nicht, wie ich mit kaputtem Hüftgelenk plus geschlossenen Sportstätten zu wenigstens ein wenig regelmäßer Bewegung käme.

Zum Frühstück machte uns Herr Kaltmamsell Blini, also Hefe-Buchweizenpfannkuchen, und servierte mit Crème fraîche und Räucherlachs: sehr wohlschmeckend und sehr sättigend.

Nach dem Frühstück, also gegen halb vier, raffte sich der Himmel nochmal zu ein paar dunklen Wolken und Regen auf, schaffte aber wieder nur 15 Minuten Spritzerchen. Das wiederholte er bis zur Nacht ein paar Mal.

Ich las Zeitung und Internet, wusch zwei Maschinen Wäsche – dann war schon wieder Abendessenszeit. Wir hatten den Ernteanteil für diese Woche abbestellt. Beim Kartoffelkombinat bekommen wir jährlich 46 Ernteanteile, denn über Weihnachten und Neujahr sind zwei Wochen Pause, außerdem haben wir vier sogenannte Joker, mit denen wir zum Beispiel für Reisen aussetzen. Da Reisen dieses Jahr unwahrscheinlich sind, müssen wir die Pausen anders planen – zum Beispiel diese Woche, in der wir frei kochen oder die lokale Gastronomie unterstützen.

Gestern holten wir dann Pizza vom nächst gelegenen Pizzadienst. Weil es regnete, gingen wir nach vielen Wochen erstmals wieder zu zweit raus, es sollte Platz genug sein. Die Pizza selbst (einmal Quattro Formaggi, einmal Regina) stellte sich als deutlich unterdurchschnittlich heraus, da gehen wir sicher nicht nochmal hin.

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In der Mediathek des ZDF eine Sendung von ZDFZoom:
“Chaos um die Corona-Apps
Mit dem Smartphone aus der Krise? – Film von Stefan Ebling und Tim Gorbauch.”

Vor allem technisch interessante Infos, das politische Hin und Her wird allerdings nur beschrieben, für eine Analyse fehlten den Redakteuren wohl die Hintergründe.

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Hystricidae hat in ihrem Blog weitere Erinnerungen an ihr Aufwachsen im oberbayerischen Hinterpfuideifi aufgeschrieben.
“Es gibt ein paar Jahre meiner Jugend, so zwischen 16 und 20, an die erinnere ich mich nicht sehr gut, oder besser gesagt vor allem in unzusammenhängenden, unscharfen Episoden.”

Jeder Absatz ein eigener Roman, jeder Satz eine Kurzgeschichte. So viel Weh.
(Mal wieder denke ich: Genau dafür gibt es Blogs, denn wohin denn sonst mit diesen Geschichten und Erinnerungen?)

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Grusliges auf instagram: Tiere und Menschen gephotoshoppt nach Kinderzeichnungen.

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Christine Baranski, Audra McDonald und Mery Streep singen zusammen, aber von daheim im Bademantel, Stephen Sondheim ein Geburtstagsständchen, Ausschnitt aus einer großen Online-Gala.

Journal Donnerstag, 30. April 2020 – Überraschungsblumen und erwarteter Backtrieb

Freitag, 1. Mai 2020

Gestern war wieder Yoga-Morgen, ich hatte mir 20 Minuten gegen verspannten Nacken ausgesucht – wie vermutlich alle Bildschirmarbeiterinnen kann ich mich nicht erinnern, wann mein Nacken zuletzt unverspannt gewesen wäre, es gibt nur Abstufungen im Grad und in der Schmerzhaftigkeit. Die Gymnastik tat dann auch gut.

Die Hasenglöckchen in ganzer Pracht.

Radeln in die Arbeit, es war kühl geworden – passend für die Jahreszeit.

Morgens hatte ich den nächsten Orthopädentermin: Da mich keine Schmerzen mehr vom Schlaf abhalten, gibt es derzeit nichts weiter zu tun, als auf eine OP-Möglichkeit zu warten. Auf meine Bitte gingen wir die Befunde aus Röntgen, Ultraschall und MRT nochmal durch, und ich lernte das Wort “Usuren”: Diese dellenförmigen Abnutzungen in Knorpel und teilweise schon Knochen des Gelenkkopfs kann man laut Dr. Orth2 nämlich deutlich erkennen. Meine Wahl der Spezial-Klinik begrüßte er als ausgezeichnet, dort wird allerdings seit Wochen wegen Corona nicht operiert (die Klinik hat eine Auswahl gymnastischer Übungen auf die Website gestellt, die man in der Zwischenzeit regelmäßig machen soll). Dr. Orth2 empfahl mir, mich dort auf die Warteliste setzen zu lassen.

Mehr Arbeit in der Arbeit (mittags ein Laugenzöpferl, rote Paprika, Gurke, Käse), es wurde wieder später als geplant. Dadurch war ich wieder so erledigt, dass ich keine Energie für den eigentlich geplanten Blumenkauf hatte. Was sich als gar nicht so schlimm erwies, denn im heimischen Wohnzimmer wartete ein Blumenstrauß auf mich, selbst gebunden und persönlich vorbeigebracht von einem lieben Menschen. Große Freude.

Eine weitere Postsendung war gestern eingetroffen: Eine meiner ältesten Internetbekanntschaften hatte Lievito Madre angesetzt und darüber getwittert, woraufhin ich um einen Anteil gebeten hatte. Gefühlt verwenden nämlich seit Monaten alle interessanten Brotrezepte in Blogs dies als Triebmittel, und ich war zu faul, selbst einen anzusetzen. Jetzt hatte ich eine Tafel getrockneten in Alu bekommen, den ich anweisungsgemäß mit etwas Wasser rehydrierte. Noch wird er ein wenig Zeit zum Aufwachen brauchen: Mögen Sie mir bis dahin Ihre Lieblingsbrote auf Basis von Lievito Madre verraten? Im Gegensatz zum Vater dieser konkreten LM-Kultur habe ich nichts gegen lange Gärzeiten, der Teig darf ruhige Tage brauchen.

Nachtmahl war nach langer Pause mal wieder der Klassiker zum Einläuten eines Wochenendes: Kuh auf Wiese. Als Wiese hatte ich um Spinat gebeten – jetzt geht seine Saison so richtig los, und frischer, lediglich kurz gedämpfter Spinat gehört zu meinen Lieblingsgrüns.

Dazu ein israelischer Pinot Noir, den ich ein paar Jahre in unserem Weinregal ignoriert hatte, weil er mir zuletzt nicht mehr recht schmecken wollte: Das Altern hatte ihm gut getan, ich mochte ihn sehr (allerdings nur ein Glas davon).

Abends hatte wieder Regen eingesetzt, ich hoffte, dass er diesmal ausgiebiger ausfällen würde. Drei Tage Regen ist zwar nicht das perfekte lange Wochenende, doch in der Coronazeit könnte das zum einen das Drinnenbleiben fördern, außerdem braucht es so dringend Regen, dass ich gerne mal drei Tage Sonnenwetter dransetze.

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In mir wanderte weiterhin eine kluge Twitter-Frage der auch sonst klugen Antje Schrupp:

Frage an die atheist*innen hier: Wie kann man ohne das Konzept einer Schöpfung die Gleichheit aller Menschen behaupten? Warum Menschen als „Gleiche“ betrachten, wenn sie es doch offensichtlich nicht sind? Also: woher kommt die Autorität dieser Behauptung, wenn da kein „Gott“ ist?

Erste Überlegungen führten zur ehrlichsten Antwort: Weil es sich besser anfühlt. Das ist allerdings die individualpsychologische Antwort: Dieses Gefühl ist Produkt meiner kindlichen und gesellschaftlichen Prägung, letzteres enthält bereits den soziologischen Teil der Antwort. (Und es schwächt meiner Einstellung nach das Festhalten an dieser Gleichheit/Gleichberechtigung, wenn jemand es nur unter dem Druck einer höheren Instanz tut.) Doch damit komme ich nicht weit, denn Antje Schrupp hatte in der Twitter-Diskussion präzisiert:

Die Autorität, die es ermöglicht (eventuell) das Konzept gegen die Evidenz der Realität und gegen die Interessen der Stärkeren kulturell durchzusetzen.

Weil ich ja gut trainiert im Rationalisieren bin, begründe ich mein Gefühl auch vernünftig: Spieltheorie. Kooperation gewinnt, und die funktioniert belegbar am besten durch Rücksicht auf der Basis angenommener Gleichheit. Mit dieser Evidenz zweiten Grades schlage ich die nur scheinbare Evidenz ersten Grades, nach der man doch sieht, dass die Menschen nicht gleich sind. Das ist allerdings kalt und technokratisch und wird nie die emotionale Überzeugungskraft von religiösen Himmelsversprechen oder Höllendrohungen haben.

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Gerburg Jahnke, die ich seinerzeit als Hälfte der Missfits kennengelernt habe, prägte einen schönen Satz für aufs Paradekissen sticken:
“Wenn man einmal ganz schlimm Feminismus hatte, geht das nie wieder weg.”
(Hier gefunden.)