Journal Samstag, 13. Juni 2020 – Richtig Sommer, zweiter und letzter Tag
Sonntag, 14. Juni 2020 um 9:22Sommertag Nr. 2, ganz herzlichen Dank!
(Dankbarkeit auch dafür, dass mich das kaputte Hüftgelenk weiterhin gut schlafen lässt.)
Für meinen Morgenkaffee zog es mich auf den Balkon, von wo ich herrliches Morgenlicht sah. So richtig sommerwarm war es allerdings nicht, trotz Bademantel und Socken war ich ordentlich durchgekühlt, als ich die zweite Maschine Wäsche füllte (Bettbezug und Handtücher waren dran) und mich zum Sport fertigmachte. Doch schon bei Gymnastik mit Ehrenrunde wurde mir warm, die große Einheit Crosstrainer bei geöffnetem Fenster brachte mich wieder richtig ins Schwitzen.
Fertig für Einkaufsrunde:
In der Sonne war es richtig heiß, und es stellte sich selbstverständlich als sehr schlechte Idee heraus, die neuen Schuhe gleich mal barfuß zu tragen. Ich hatte Nylon-Kniestrümpfe für Sandalenprobieren dabei und streifte sie unterwegs schnell über, um komplettes Blasenzerfetzen zu verhindern – bekanntlich Berliner Schick.
In einem Schuhladen beim Gärtnerplatz fragte ich vergeblich nach Tracey-Neuls-Sandalen, bekam aber eine freundliche Empfehlung. Über Viktualienmarkt und Feinkostabteilung des Kaufhof zurück. Zum Frühstück gab es ein Laugenzöpferl sowie Plattpfirsich und asiatische Mango mit Joghurt.
Den Nachmittag verbrachte ich auf dem Balkon, es war dort selbst im Schatten wärmer als im Wohnzimmer und ich genoss es. Nützen, nützen, nützen, denn schon ab Sonntag sollte es das mit Sommer auf unabsehbare Zeit gewesen sein.
Also gleich mal Eiskaffee.
Ich las Internet und die Wochenendzeitung. Das Geräusch von Nagezähneschaben auf Nussschale machte mich auf ein Eichhörnchen im Baum aufmerksam.
Dafür hatte ich mir aber die Spiegelreflexkamera von Herr Kaltmamsell geholt.
Auf der Suche nach einem bestimmten Foto stellte sich heraus: Auch ich habe einen #StapeldesGrauens. Nämlich ein Kistlein Fotoabzüge in Drogeriemarktumschlägen, und zwar die zwischen den ins Album eingeklebten (also bis 1996, hier endet das jüngste Fotoalbum) und den digitalen (beginnen ab 2004). Sie sind nahezu unsortiert und, wie ich jetzt feststellte, sauber verdrängt. Warum nur erfüllt mich jede (!) Konfrontation mit meinem früheren Ich mit Scham und Traurigkeit? Zumindest warf ich die Kiste nicht einfach ungesichtet weg, sondern schob sie nur schnell zurück in die Kommode, in der ich sie gefunden hatte.
Zum Nachtmahl packte Herr Kaltmamsell den Speiseföhn für verschiedene Föhnexperimente aus:
Panisse (rechts) geriet sehr gut, der panierte Seidentofu war allerdings am Föhnkörbchen hängengeblieben.
Auch die Zucchinischeiben litten unter Klebenbleiben. Die Zwiebel-Bahji und Auberginen-Pakoras gab’s dann aus der Pfanne. Zu trinken machte ich uns Pimm’s, weil Sommer.
Neues von Netflix: Ist ja nicht so, dass ich nur scrollen würde. Was ich unter anderem vergeblich gezielt suchte: Die Neuverfilmung David Copperfield (gibt’s bei Amazon), Mad Max (zum Auffrischen), Mad Max: Fury Road (zum Nachholen), Emma (gibt’s bei Amazon, YouTube und Google), The Lady in the Van (gibt’s bei Amazon, YouTube und Google), The Favourite (gibt’s bei Ama…). Und von dem, was mir als Alternativen angeboten wurde, fühlte ich mich unverstanden bis beleidigt.
Aber! Ich hatte ja noch das aktuelle Programm von Hannah Gadsby, Douglas. Das wurde die Abendunterhaltung und unterhielt mich sehr gut.
§
Carolin Emcke versucht, strukturelle Ausgrenzung zu erklärten (wie sie zum Beispiel People of colour widerfährt):
“Rassismus:
Raus bist du”.
Ein Gedankenexperiment: Nehmen wir an, es gälte die Regel, dass nur Menschen von einer Körpergröße über 1,85 Metern in die Oper gehen dürften. Alle anderen nicht.
(…)
Ob sie es wollen oder nicht: Die Körpergröße ist relevant, weil ihr von außen eine Bedeutung zugeschrieben wird, weil sie entscheidet, wer in die Oper darf und wer nicht.
(…)
Es illustriert, was bei dem aufgeregten Diskurs um “Identitätspolitik” gern unterschlagen wird: Wer sich wehrt gegen Ungleichbehandlung oder Ausgrenzung, muss notgedrungen oft in Kategorien argumentieren, die selbst erst durch die Ausgrenzung entstanden sind.
die Kaltmamsell
6 Kommentare zu „Journal Samstag, 13. Juni 2020 – Richtig Sommer, zweiter und letzter Tag“
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14. Juni 2020 um 10:10
ihr outfit gefällt mir sehr. so schick! und gelb = fröhlich.
14. Juni 2020 um 12:38
„Warum nur erfüllt mich jede (!) Konfrontation mit meinem früheren Ich mit Scham und Traurigkeit?“
Liebe Frau Kaltmamsell,
Dieser Satz beschäftigt mich jetzt schon seit ich ihn heute morgen gelesen habe. Mir geht es genauso wie Ihnen, Fotografien von mir aus längst vergangenen Tagen stimmen mich traurig. Vielleicht wäre der passendere Ausdruck „sentimental“. Ich wusste nicht, dass es anderen Menschen auch so geht.
Ich habe da übrigens eine Theorie, warum das mit den Photos so ist …. behalte ich jetzt aber mal lieber bei mir.
Viel Grüße und danke für den täglichen Bericht aus Ihrem Leben
Barbara
14. Juni 2020 um 15:48
Ich habe keine Theorie, möchte aber ein +1 hinzufügen. Vielleicht ein generationsspezifisches Mädchen-Erziehungsding? (bin Jahrgang 68)
Gerade gestern erst die Erinnerungskiste mit Tagebücher etc schambedingt wieder ins hinterste Regal zurückgeschoben.
I feel you also sehr.
14. Juni 2020 um 21:10
Spannend. Ich erlebe es umgekehrt. Stolpere ich über alte Arbeiten, Fotos bin ich immer verblüfft, wie gut das war, wie durchdacht, und wie jung und hübsch ich mal war. In der Zeit der Entstehung fühlte ich mich durchgehend – ungenügend. Die alten Gefühle klingen an, ich wünschte, ich könnte mein früheres Ich erreichen.
Nur Fotos der Exmänner werfe ich dann konsequent weg, ich kann schwer nachvollziehen wie ich so vieles übersehen konnte…
15. Juni 2020 um 19:48
Unsere Föhnprinzessin darf genau eins: Dünne Tiefkühlfritten. 20 Minuten bei 200 Grad (vorgeheizt) ohne zusätzliches Öl. Großes Abenteuer, reproduzierbar kinderleckergut. Ok, sie darf auch Süßkartoffelwedges. Ohne Vorheizen 20 Minuten bei 200 Grad. Alles andere Alte Schule.
15. Juni 2020 um 19:58
Danke für die Tipps, stattkatze!