Journal Dienstag, 9. Juni 2020 – Regen und Beifang aus dem Internetz
Mittwoch, 10. Juni 2020Unruhiger Schlaf – selbst schuld, ich hatte mir eingebildet, dass ich auch mal wieder ohne Ohrstöpsel schlafen könnte, da bei der Saukälte sicher keine Nachbarn auf dem Balkon feiern würden. Doch mittlerweile stören meinen Schlaf halt alle Draußen-Geräusche.
Beim Aufwachsen Regenrauschen, es blieb so düster, dass ich wieder für meine Yogarunde (Dehnen) Licht brauchte. Die kalte Düsternis bedrückte mich den ganzen Tag.
Tram und U-Bahn in die Arbeit, erster großer Auftritt des neuen Schirms.
Manchmal merke ich, wie viel Energie es kostet, die durchgehenden mit der kaputten Hüfte verbundenen Schmerzen (Brennen, Stechen, handelsüblicher Anhau-Schmerz) zu verdrängen, auch wenn sie nur ganz selten brutal sind. Dann habe ich kleine UUUAAAARRRRGGGH!-Momente.
Arbeitslast ein wenig leichter. Mittags ein gekaufter, mit Käse belegter Bagel und Dickmilch, nachmittags eine Hand voll Nüsse.
Nach Hause ging ich zu Fuß, weil ich beim Vollcorner einkaufen wollte (Obst, Gemüse, Zutaten für Donnerstagskochen). Ging, aber sehr langsam, und auf dem letzten Stück nach Hause im Schneckentempo. Es wurde milder, regnete noch hin und wieder.
Zum Abendessen hatte ich mir “Gemüse” gewünscht – und bekam:
Kurz gekochten Spinat und Champignons aus der Pfanne, dazu Samosas aus dem Speiseföhn (Frittieren ist das im Air Fryer halt dann doch nicht). Dazu rheinhessischen Riesling.
Vor dem Zu-Bett-Gehen trat ich auf den Balkon zum Rausriechen und sah einen stattlichen Igel auf der Wiese an der Plastikschüssel, die als Vogelbad dient. Ich beobachtete ihn, bis er davonwackelte.
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Am Montag hatte ich in der Süddeutschen über eine ungewöhnliche TV-Produktion gelesen:
“Kurzfilmreihe trotz Corona:
Beate, die Seelsorgerin”.
Maria Furtwängler als lebensmüde Fahrschulchefin Beate in einem Fahrsimulator (…). Das Ding hat ihr Mann angeschafft, der gerade mit einer Jüngeren durchgebrannt ist. Nun hat Beate Schlaftabletten genommen, sieht schwer verheult aus, doch auf einmal spricht der Fahrsimulator mit ihr. Durch eine Fehlschaltung im System werden Videoanrufe zu ihr durchgestellt, die für die Telefonseelsorge gedacht waren. Es entspinnen sich skurrile Gespräche und eröffnen sich Einblicke in seltsame Lebenssituationen.
Hier der Trailer:
https://youtu.be/m6HiVIJAzqI
Maria Furtwängler mag ich eh, und wie bei jeder guten Schauspielerin, jedem guten Schauspieler freue ich mich am meisten, wenn sie komplett gegen Typ besetzt sind (siehe George Clooney in The Descendants, wie er als schnarchiger Familienvater in Hausschlappen eine Einfamilienhaus-Wohnstraße runterrennt).
In ihre unkoordinierte, nicht so richtig helle Fahrlehrerin verliebte ich mich sofort.
Erste Folge:
https://youtu.be/e6k8-8S3lJ0
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“Racism in Germany: A Beginner’s Guide”.
via @misscaro
In a weird way, a fucked-up way, the most racist, Trumpy small town in the States could be less racist than some perfect Prenzlauer Berg bubble, one of those German dinner parties full of white people (I think Alice Schwarzer would call them fortschrittliche Kreise) who have never experienced racism, don’t have any non-white friends, and spend the evening arguing earnestly about integration, and why some integrate so well and some don’t and that’s so wrong – without giving a thought about the fact it could be a two-way street. Or why Islamophobia is not, officially, racism. Because white Germans say they don’t see race, when the truth is: they don’t see racism.
(…)
White Germans need to spend a bit less time Germansplaining about where racism starts and Diskriminierung begins and a bit more time listening to brown and black people talking about the ways in which life in this country is hard and uncomfortable.
Beispiel: Auch ich habe im Schulunterricht gelernt, dass Deutschland keine Rolle im Kolonialismus spielte. Deutschland als Kolonialmacht tauchte nur kurz vorm Ersten Weltkrieg auf, die damit verbundenen Verbrechen wurden nicht thematisiert.
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Frisch von Netzpolitik:
“Reconquista Internet
Neue Studie zeigt Wirksamkeit von Gegenrede im Netz”.
Mit sorgfältig aufgedröselter Untersuchungs-Methodik und angemessener Vorsicht in den Schlussfolgerungen.
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Um hanebüchene Verschwörungsmythen mache ich denselben Bogen, den ich um brabbelnde und fuchtelnde Menschen in der Fußgängerzone schlage: Solange sie niemanden bedrohen, auch nicht sich selbst, überlasse ich sie sich selbst. Außerdem wurde mir irgendwann klar, dass manche Medien einander zu übertrumpfen versuchen, wer den abwegigsten Mythos findet, den ihnen jemand ins Mikro sagt, sah zudem die Schaulustigen um Verschwörungsmythos-Demos (“Spinner gucken”?), und war angewidert.
Manche Strömungen bekomme ich dennoch mit. In der Zeit hatte sich Jakob Simmank vor Jahren mit dem Einfluss der Gates-Stiftung auf die WHO beschäftigt. Jetzt sieht er seine Rechercheergebnisse von Verschwörungsgläubigen missbraucht. Deshalb klärt und aktualisiert er:
“Bill Gates, die Weltverschwörung und ich”.
Kaum jemand dürfte von der aktuellen Weltordnung so profitiert haben wie der Microsoft-Gründer Bill Gates selbst. Warum sollte er die Stabilität, die auch seinen Reichtum und seinen Einfluss schützt, aufs Spiel setzen?
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Croco möchte ja dereinst gerne mit einem Schwert bestattet werden:
Ich denke, wenn man mich in 1000 Jahren wieder ausbuddeln sollte und meine ganzen verheilten Brüche sieht, denken sie vielleicht, ich sei ein Folteropfer. Wenn nun ein Schwert da liegt, vermuten sie, dass ich eine Kriegerin gewesen sei.
Ein genialer Kniff, wie ich finde. Letzthin erzählte sie von ihrer Begeisterung für Jean Jacques Cousteau und von eigenen Abenteuern in der Meeresbiologie, woraufhin Kommentatorin Christjann ein aktuelles Interview mit dem Meeresbiologen Hans Fricke verlinkte – und das empfehle ich dringend weiter:
“Wie es Hans Fricke in die Tiefe zog
‘Ein Fisch würde Ihre Frage nicht stellen'”.
Fricke klingt herrlicherweise durchgehend, als würde er von Clint Eastwood gespielt.