Archiv für Juli 2020

Journal Freitag, 24. Juli 2020 – Sommerferien-Beginn mit Dim Sum

Samstag, 25. Juli 2020

Nachtschlaf eher mittel, aber erträglich. Kühler, bewölkter Sommermorgen.

Gestern war wieder Crosstrainer dran, ich genoss die halbe Stunde. Über den Tag schien immer wieder die Sonne, es blieb jackenfrei warm.

In der Arbeit angenehm wenige Menschen, ordentlich Arbeit. Mittags Pfirsiche mit Manouri, nachmittags schwarze Schokolade und Nüsse. Nach Feierabend radelte ich zum Eataly, die Innenstadt war sehr belebt. Im Geschäft ebenfalls viel Betrieb, ich besorgte Rigatoni, Grana Padano, Pfirsiche und Schokolade.

Daheim setzte ich mich nur kurz, denn ich war mit Herrn Kaltmamsell verabredet: Wir feierten den Start der Sommerferien (obwohl Herr Kaltmamsell die ganze nächste Woche voller nicht-schulischer beruflicher Termine hat) im Schwabinger Hutong Club, zu dem uns eine Tram brachte.

Angenehm schlichtes Lokal, die Speisekarte bot zwar auch richtige Hauptgerichte an, doch wir aßen uns durch die vielen kleinen Speisen.

Ganz ausgezeichnet links Sesam-Krabben-Toast mit Dipp, rechts mongolische Lammtaschen in fein-würziger Soße (die Cocktails waren eher so lala).

Rechts Kohl-Schwarze-Bohnen-Chili-Teigtaschen, links sehr gute Spinat-Frischkäse-“Crystal”-Teigtaschen, nicht fotografiert habe ich die ebenfalls sehr guten schwarzen Dampfnudeln gefüllt mit gesalzenem Eigelb und sahnigem Spitzkohl. Zwar waren wir jetzt nicht mehr hungrig, aber da ging noch was, also bestellten wir nach.

Fladenbrot mit Koriander, Sesam und Limette (etwas enttäuschend, weil halt in erster Linie Brot) und knusprige Auberginen-Sticks mit würzigem Limetten-Joghurt, wieder gut. Da wir zu den ersten Gästen gehört hatten, war sehr schnell serviert worden, nach anderthalb Stunden machten wir uns auf den Rückweg. Im Licht der Abendsonne spazierten wir unter Mauersegler-Schrillen der Straßenbahn entgegen, vor allen Lokalen rege und fröhliche Geselligkeit.

§

Ines Schwerdtner nähert sich im Magazin Jacobin (das ich erst mal nachschlagen musste) Christian Barons Roman Mann seiner Klasse, der vom Leben “unten” erzählt – sehr vorsichtig, weil auch sie aus dieser Klasse stammt und sich vor Überwältigung fürchtet:
“Kinder ihrer Klasse”.

Viel zu wenig wird der materielle Aufstieg von Kindern aus den unteren Klassen auch als ein Kampf um Selbstachtung gewertet. Einmal mit den oberen Klassen, den Ämtern, der eigenen Vergangenheit, den ungelernten Umgangsformen und Sprachen konfrontiert, zweifeln nicht wenige Aufgestiegene an ihrem Selbstwert. Doch im öffentlichen Diskurs kommt es vielen so vor, als sollten sie sich nun bedanken, als sei das alles ein sehr großes Klassengeschenk, das die bürgerliche Gesellschaft ihnen überreicht hat. Nicht zu sprechen von den vielen Geschwisterkindern, die den Klassen-»Aufstieg« nicht schaffen, was ungeheure Risse durch Familien zieht. Nie wird soziale Spaltung deutlicher als in diesem Mikrokosmos, wo es einige vielleicht herausschaffen, andere ihre Wege suchen, um das Beste daraus zu machen.

Es wird immer das Paradoxon bleiben, dass von dieser Herkunft, von diesen Erfahrungen nur Menschen berichten können, die beides überwunden haben. Aber ihre Zeugnisse verhindern, dass diese Klasse vergessen und aus dem Blickfeld der Gesellschaft fortmarginalisiert wird.

§

Funktioniert einfach je-des-mal:

Hier die vielen, großartigen Antworten.

Journal Donnerstag, 23. Juli 2020 – Zielgerade zur neuen Hüfte in Sicht

Freitag, 24. Juli 2020

Gestern also der Klinik-Termin, auf den ich fast drei Monate runtergezählt hatte. In dieser Zeit hatte ich den Tag bereits so minutiös geplant und bis ins Untersuchungszimmer visualisiert, dass ich auf Autopilot lief – und befürchtete, unaufmerksam zu sein und etwas Wichtiges zu übersehen.

Hatte ich dann auch, nämlich den Umstand, dass das Bayernticket erst ab 9 Uhr gilt, ich aber schon um halb neun in der Regionalbahn saß. Nun, nicht wirklich wichtig, dann kaufte ich halt ein Ticket fürs erste Stück nach, die Schaffnerin erließ mir sogar den Bord-Zuschlag.

Draußen war Sommer und Voralpenlandschaft, ich sah viel aus dem Fenster, das half gegen meine Anspannung.

Im Krankenhaus waren alle sehr nett zu mir. Ich kannte das Gebäude ja schon von den Aufenthalten meiner Eltern, am Eingang musste ich meine Kontaktdaten hinterlassen und bekam ein Bändel mit Datum ums Handgelenk. Zum Untersuchungstrakt der Klinik fand ich gut.

Nachdem ich meine (selbstverständlich kompletten) Unterlagen abgegeben hatte, wartete ich zwar noch anderthalb Stunden, doch ich hatte eh nichts vor. Der Arzt nahm sich dann sehr ausführlich Zeit für Untersuchung, meine Unterlagen, mein Befinden, meine Fragen. Ich wollte halt schon sehr genau wissen, was da in meiner Hüfte verbaut wird (Dr. Chirurg ging eigens raus, um die drei Einzelteile zu holen), wie genau (ein Hüftmodell mit Muskeln war zur Hand) und wie das mit meinen konkreten Normabweichungen zusammenspielt. An einem Punkt meine der Arzt zwar: “Sie sind ja eine kritische Patientin,” was mich ein wenig verunsicherte, aber ich beteuerte, dass ich seiner Expertise vertraue und dass ich lediglich so funktioniere, dass mir Detailwissen Sicherheit verleiht. Ebenfalls Sicherheit verlieh mir, dass er die MRT- und Röntgenaufnahmen genau mit mir besprach, mir unter anderem zeigte, wo der Knorpel bereits völlig weg ist, wo man schon Dellen im Gelenkkopf sieht, wo sich Knochensporne gebildet haben – die Sicherheit, dass ich mich wirklich, wirklich nicht einfach nur anstelle.

OP-Termin ist Anfang Oktober – oder früher, ich ließ mich auf eine “Joker-Liste” setzen. Mir fiel auf, dass man mich den Eingriff explizit erbitten ließ. Der Arzt fragte nach Untersuchung und Besprechung: “Und was möchten Sie jetzt?” Worauf ich sagte: “Ich möchte bitte gerne eine Hüft-Prothese.” Obwohl die Klinik nichts anderes macht als Knie und Hüften, war die allererste Frage auch gewesen: “Was führt Sie zu mir?” Beides gefiel mir.

Eine herzliche Angestellte gab mir einen dicken Packen Unterlagen mit Details und zur Vorbereitung mit, nach zwei Stunden war ich fertig.

Und hatte jetzt Zeit, meine Freundin ein paar Stockwerke höher zu besuchen: Die Engländerin, die ich im Studium kennengelernt hatte, war zu einer Urlaubswoche in den Bergen gewesen und wäre eigentlich gestern Mittag heimgereist. Nur dass sie vorgestern auf einer Wanderung blöd abgerutscht war und sich den Knöchel gebrochen hatte – so gründlich, dass operiert werden musste. Ich hatte sie natürlich gefragt, ob ich ihr etwas mitbringen könne, Obst vielleicht? (Meiner Erfahrung nach gibt’s das sehr wenig im Krankenhaus.) Doch sie antwortete, ob Apfelschnecke als Obst gelte? Eine Apfelschnecke hatte ich also morgens im Bahnhof beim Rischart besorgt. Die Freundin war wohlauf, wir freuten uns beide sehr über den Zufall, der das Wiedersehen ermöglicht hatte. Und wir vereinbarten, dass wir uns mit unseren respektiven Heilungen so anstrengen, dass wir in einem Jahr zusammen Wandern gehen können.

Zurück in München holte ich mir ein ausführliches Eis mit Sahne (wer im Krankenhaus war, bekommt ein Belohnungseis für Tapferkeit, so lautet das Gesetz), davor hatte es nur am späten Mittag zu einem Käse-Bagel gereicht.

Auf der Hinfahrt hatte ich die Süddeutsche gelesen, auf der Rückfahrt weiter im Kinky Friedman: Nachdem ich mich während der ersten Seiten noch gefragt hatte, ob ich die hard boiled-Attitüde albern finde, erkannte ich jetzt, dass der Erzähler sie ja selbst albern findet – und las mit Vergnügen. („Sometimes you gotta find what you like and let it kill you.“ Es gibt also Kalendersprüche, die mit zusammengebissenen Zähnen wiederzugeben sind.)

Nachtmahl war ein großer Romanasalat aus Ernteanteil mit Pfirsich und Tomate.

Journal Mittwoch, 22. Juli 2020 – Zeitreise-Traumziele

Donnerstag, 23. Juli 2020

Wieder erholsamer Schlaf mit wenigen Unterbrechungen (vielleicht half das Novalgin vom Abend zuvor).

Mittlerweile ist es beim Weckerklingeln draußen fast noch dunkel. Gestern lag das aber auch am bewölkten Himmel.

Gymnastik und Crosstrainer, letzterer Abschnitt hätte gerne länger dauern dürfen.

Meiner Hüfte ging’s gestern so gut, dass ich erst nach dreieinhalb Stunden Büroarbeit (wie immer mit regelmäßiger Unterbrechung durch Fußwege) das Bedürfnis hatte, meinen Schreibtisch auf Stehhöhe zu fahren. Ichweißichweiß, fürs Kreuz ist es ideal, regelmäßig zwischen Sitzen und Stehen zu wechseln, doch mich trieb in den vergangenen Monaten vorher der Hüftschmerz zum Wechsel.

Über den Vormittag wurde es sommerlich sonnig, aber ohne Hitze. Mittags Bulgur-Salat mit Tomate, Salzzitrone, Petersilie, nachmittags etwas Joghurt mit Nüssen.

Der Arbeitstag zog nachmittags ordentlich an, allerdings vor allem an Intensität, so dass ich nicht zu spät aus dem Büro kam. Außerdem erreichte mich die Nachricht von einem Knöchelbruch, der mich bei allem Mitgefühl erheiterte: Er wird durch die Kombination reichlich unwahrscheinlicher Zufälle wohl dazu führen, dass ich am Donnerstag eine englische Freundin wiedersehe.

Auf dem Heimweg Einkäufe auf der Theresienhöhe. Daheim recherchierte ich für meine Eltern, wie man sich bei Fledermausbesuch im Wohnzimmer verhält (bei Tageslicht nicht wecken, ab Dämmerung Innentüren zu, Fenster und Türen nach draußen auf – dann wird sie ihren Weg schon raus finden).

Zum Nachtmahl hatte Herr Kaltmamsell umfangreich Sushi bestellt. Dessert war ein Schälchen Eis.

Mauerseglern vor rosa Wolken zugeguckt. Im Bett Kinky Friedmann, A Case of Lone Star angefangen.

§

Mit ihrem Handbuch für Zeitreisende haben Kathrin und Aleks mir einen Floh ins Gehirn gesetzt. Ich hadere ja seit langem damit, dass ich an viele Orte, mit denen ich intensive und schöne Erinnerungen verbinde, nicht zurückkehre kann: weil die Erinnerung nicht einfach an dem Ort hängt, sondern an dem Ort in einer Zeit. Doch seit dem Zeitreisebuch fantasiere ich von eben solcher Rückkehr. Unter anderem:
– Kindergarten und die Schulen, die ich besucht habe – zur Zeit meines Besuchs.
– El Olmo / Sepúlveda Anfang der 1970er, also zu Franco-Zeiten.
Die schönste Wohnung der Welt, in der ich als Studentin lebte, 1990.
– Swansea 1992, als ich dort studierte und als Barmaid im Duke of York arbeitete.
– Das Jugenkammerchor-Jahreskonzert 1985.

Zudem würde ich gerne Familiengeschichte besuchen:
– Sandomierz in Südpolen, als meine Großmutter dort in den 1930ern ihre Schneiderlehre machte.
– Meinen verschwundenen polnischen Großvater um dieselbe Zeit als Kunststudent in Krakau kennenlernen.
– Die Bodega meines Großonkels in Madrid 1957, als mein Vater die Berufsschule besuchte und nach dem Unterricht dort aushalf.
– Meine Mutter Anfang der 1960er als Lehrling im Ingolstädter Bauunternehmen Forster.

Journal Dienstag, 21. Juli 2020 – Weggegessener Hüttenkäse

Mittwoch, 22. Juli 2020

Bessere Nacht, ich schlief mehrere Stunden tief und am Stück.

Nach Gymnastik eine schöne Runde Yoga, ich brachte sogar die Ruhe für drei Minuten Abschlussmeditation auf.

Radeln in die Arbeit durch einen Hochsommermorgen mit vielen, vielen anderen Radlerinnen und Radlern (Träumchen).

Recht zackig durchgearbeitet. Mittags Pfirsiche mit Joghurt (eingeplant war ein Becher Hüttenkäse untergemischt, doch das ging aus Gründen nicht) und einer Hand voll Nüssen, nachmittags ein Stück Schokolade.

Ich schaffte einen nicht zu späten Feierabend, passend zum Ende eines kleinen Gewitters. Auf der Heimfahrt schrillten immer noch die Mauersegler.

Daheim gab es bald Abendessen, weil Hunger, Herr Kaltmamsell servierte eine Bolognese aus Ernteanteil-Gemüse (Karotten, Sellerie), Zwiebel, Tomate, Salsicce mit Rigatoni, das schmeckte sehr gut.

Auf dem Balkon las ich Margaret Atwoods Surfacing zu Ende – ein seltsames Buch, aber auf gute Art.

§

Bisher war meine Lieblings-Coverversion von “Smells like teen spirit” die des Ukulule Orchestra of Great Britain. Jetzt gibt es Konkurrenz: Eine Version auf Latein.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/PbEKIW3pUUk

via @jensscholz

§

Die Twitter-Comedy “The room next door” hat es ins britische Unterhaus geschafft und dafür nur wenige Monate gebraucht. Hier die Filmaufnahme davon.

(Vielleicht mögen Sie auch den jüngsten “Room next door” gucken, mit Stunt-Einlage von Michael Spicer?)

Journal Montag, 20. Juli 2020 – Spät aber doch: Biergarten

Dienstag, 21. Juli 2020

Schlimme Nacht, Einschlafen verzögert durch Schmerzen, mehrfaches Aufwachen später wegen diffuser Sorgen und Angst.
(Was die Angst verursacht hatte, fiel mir im Lauf des Vormittags ein und war schlimm.)

Aber Gymnastik und Crosstrainer gingen problemlos.

In der Arbeit verschärften die immer schmerzhafteren Verspannungen im Schulter- und Nackenbereich mein körperliches Unwohlsein, der beengte Nackennerv machte sich inzwischen wieder bis in die rechte Hand bemerkbar. #wasichechtnichtauchnochbrauchenkann

Da mochte draußen die Sonne noch so strahlen, eine Verabredung mit Herrn Kaltmamsell nach Feierabend locken: Gestern war mein Gemüt arg schattig.

Mittagessen waren Nudeln mit Karottenpesto vom Vorabend und ein Pfirsich.

Eigentlich hatte mich Herr Kaltmamsell mit dem Rad an der Arbeit anholen wollen, doch sein Rad hatte einen Platten. Also radelte ich allein zum Hirschgarten, er ließ sich mit den Öffis fahren. Ich hatte sicher mehr Freude am Weg durch herrliche Sommerluft.

Es gab Radlermaßen, ein halbes Hendl für mich, zum mitgebrachten Radi aus Ernteanteil holte sich Herr Kaltmamsell eine große Breze.

Wir saßen wieder direkt am Hirschgehege, sahen Krähen und Kaninchen, wurden von Hirschen angesehen.

Wussten Sie, dass Rehe einen Laut von sich geben, der zwischen Rülpsen und Schafblöken liegt? Ich erst seit gestern.

Es war perfektes Biergartenwetter, nachdem wir fertiggegessen und getrunken hatte, saßen wir eine Weile einfach nur herum.

Inzwischen hat man vom Fütterverbot umgeschwenkt zu Füttererziehung:

Auf dem Heimweg nochmal Mauersegler gesehen.

§

Erin L. Thompson, @artcrimeprof, erzählt auf Twitter von einem der vielen Museumsexponate, das aus weißem Überlegenheitsgefühl rücksichtslos den nicht-weißen Vorbesitzern entwendet wurde – und von den schlimmen Folgen: vom Ahnighito Meteorite im American Museum of Natural History (NYC). Eigentlich war dieser Meteorit für eine Gruppe Inuit seit dem 12. Jahrhundert die einzige Eisen-Quelle gewesen.

§

Diese Zeiten brauchen Glitzer. Wie ich ja regelmäßig beichte, haben mich die GoFug-Autorinnen dazu verführt, Angehörige von Königshäusern zu gucken – einfach schon indem sie für diese Menschen Persönlichkeiten und Leben erfinden (das tun Klatschblätter zwar auch, doch die behaupten sie als Realität). Und so weiß ich nicht nur, wer die englische Princess Beatrice ist, sondern finde tatsächlich interessant, dass sie zu ihrer Hochzeit im ganz kleinen Kreis (Pandemie-Vorschriften eingehalten) ein umgearbeitetes Kleid ihrer Großmutter trug, der Königin Elisabeth II. Womit sie ausgesprochen zeitgemäß ist. Mehr darüber und über ihre TIARA!1 hier:
“Princess Beatrice in Queen’s Vintage Gown for Private Wedding”.

  1. Verzeihung, aber das deutsche Wort Diadem klingt mir für diese Art Juwelen zu mickrig. []

Journal Sonntag, 19. Juli 2020 – Quilts im Augsburger Textilmuseum

Montag, 20. Juli 2020

Gestern besuchten wir die Schwiegers in Augsburg, meine Eltern kamen auch.

Ich hatte mir den Wecker gestellt, um vorher genug Zeit für Bloggen, Gymnastik und Crosstrainer zu haben. Das klappte, und als wir uns auf den Weg zum Bahnhof machten, war es auch warm genug für kurze Ärmel geworden.

Am Bahnhof Augsburg Haustetter Straße holte uns Herr Schwieger ab und fuhr mit uns zu einem italienischen Lokal mit viel Außenfläche, wo bald Frau Schwieger und meine Eltern zu uns stießen. Wir bekamen gutes Essen (gemischte Antipasti für alle, ich aß Calamari vom Grill mit Tomaten und Kapern), freuten uns an der lange vermissten Begegnung (immer noch ohne Anfassen), glichen Informationen über weitere Verwandtschaft ab, außerdem Hüftbeschwerden.

Die Frauen fuhren weiter zum Augsburger Textilmuseum: Frau Schwieger hatte angeregt, dass wir uns die Sonderausstellung “Amish Quilts meet Modern Art” ansehen.

Im Obergeschoß des Textilmuseums (hatte ich vor neun Jahren schon mal besucht) gab es zwar keine Führung durchs die Sonderausstellung, aber ein sehr freundlicher Angestellter, “Kunstvermittler”, erzählte uns Einführendes: Die Sammlung eines Münchner Paars von Amish Quilts aus den Jahren 1890 bis 1950 wurde nach Themen zeitgenössischen Kunstwerken gegenüber gestellt. Herr Kunstvermittler erklärte uns die Bedeutung des Quiltens für die Amish und weiteren kulturellen Hintergrund zu ihnen, ging mit uns auch beispielhaft zu zwei als Gegensätze platzierten Kunstwerken.

Wir freuten uns an den sehr unterschiedlichen Quilts, ließen uns von den zeitgenössischen Kunstwerken verstören.

Eine weitere Kunstvermittlerin hatte ein Stück neuen Quilt dabei, an dem sie uns die Herstellung erläuterte. Mir war sie nicht neu, Ella aka Riengelmiez hat einmal detailliert erklärt, wie sie die Quilts herstellt, die man bei ihr bestellen kann.

Die Stücke in der Ausstellung faszinierten mich sehr, zum ersten Mal sah ich ein Exemplar, das aus sehr großen Stoffstücken gearbeitet war und dessen figürliches Muster durch die Nähte entstand.

Die ständige Ausstellung besuchten wir bei dieser Gelegenheit auch noch kurz.

Wir beschlossen aber, nochmal für einen ausführlichen Besuch wiederzukommen, wenn es Vorührungen der alten Webstühle und Stoffdrucker gibt. Kurzer Abstecher in den Museumsshop, in dem ich vor Ort gewebte Grubentücher kaufte.

Der Tag war zu einem richtig hochsommerlichen geworden. Bei Schwiegers (die Herren hatten Formel 1 geguckt, Herr Kaltmamsell hatte von komplettem Desinteresse umgeschwenkt und meinem sowie seinem Vatern Löcher in den Bauch gefragt, weiß jetzt unter anderem alles über die Rolle von Reifen) gab es noch den ersten Zwetschgendatschi der Saison – köstlich, obwohl es eigentlich noch viel zu früh im Jahr ist für gute Zwetschgen – und Blaubeer-Rahm-Kuchen, ebenfalls großartig.

Die Heimfahrt geriet etwas anstrengend, da die Regionalbahn voll war. Um mit Abstand zu anderen Passagieren reisen zu können, setzten wir uns in verschiedene Waggons. Doch die Mund-Nasen-Schutz-Disziplin war gut.

Daheim setzte ich mich auf den Balkon und las, bis Herr Kaltmamsell zum Nachtmahl Nudeln mit Karottengrünpesto servierte. Abendunterhaltung war ein wiederholter Weimar-Tatort – ich mag Nora Tschirner arg gern.

Journal Samstag, 18. Juli 2020 – Geschwommen, Nachdenken über Migräne

Sonntag, 19. Juli 2020

Zerstückelte Nacht, vor dem letztem Stück merkte ich, dass mich eine Migräne anfiel. Triptan per Nasenspray, und nach zwei weiteren Stunden Schlaf war ich ok. Worüber ich mich sehr freute, denn ich hatte bereits befürchtet, dass die Migräne mich um meine herbeigesehnte Schwimmrunde bringen würde.

Ein sonniger, kühler Tag, schon das Radeln zum Olympiabad freute mich. Im Wasser war mehr los als bei den vorherigen beiden Malen, aber mit doppelt breiten Bahnen völlig ok. Ich fühlte mich fröhlich und energiegeladen, mein Körper machte 3.000 Meter mit, die meiste Zeit völlig gedankenverloren.

Auf der Rückfahrt (ohne Jacke) Semmeln geholt. Der Himmel zog mit düsteren Wolken zu, so wolkig und immer wieder bedrohlich düster blieb es dann den Tag über.

Frühstück mit Semmeln. Gleich danach bügelte ich die Wäsche der vergangenen beiden Wochen weg, anderthalb Stunden.

Trotz Wolken war es warm genug für Zeitunglesen auf dem Balkon (mit Strickjacke). Unter anderem schreibt in der Wochenendausgabe der Süddeutschen Titus Arnu, selbst schwerer Migräniker, über drei Tage in einer Migräneklinik (€):
“Der Feind im Kopf”.

Darin nicht viel Neues (Migräne ist eine neurologische Erkrankung, fungiert als Vollbremsung des Gehirns, erbliche Belastung ist ein Faktor, Auslöser so zahlreich, dass schwer zu behandeln, für die Wirkung esoterischer Methoden gibt es keine Evidenz), ich lernte aber, wie mein Triptan funktioniert:

Bei einer Migräne-Attacke entleert der Körper schlagartig seinen Vorrat an Serotonin, einem natürlichen Schmerzhemmer – die Triptane docken dann an diesen Serotonin-Rezeptoren an und lindern den Schmerz.

Das ist interessant, denn der Beginn meiner regelmäßigen Attacken fällt zusammen mit der temporären Einnahme eines Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmers (was natürlich Zufall sein mag). Viel interessanter fand ich die Gemeinsamkeiten, die Migränikerinnen nach derzeitigem Stand der Forschung haben:

“Migräniker haben ihre Antennen überall”, sagt die Psychotherapeutin Anke Pielsticker, “das ist eine Gabe, es kann aber auch zur Belastung werden.”
(…)
Offensichtlich haben Migräniker (…) eine innere Gemeinsamkeit. “Ihre Gehirne funktionieren anders”, erklärt mir Chefarzt Charly Gaul in seinem Sprechzimmer. “Migräniker sind aufmerksamer und können Dinge schlechter ausblenden.” Das kenne ich nur zu gut: Wenn zehn Menschen an einem Tisch durcheinanderreden oder zwei Musikstücke parallel zu hören sind, weil Radio und Fernseher gleichzeitig laufen, halte ich das kaum aus. Und in einem Raum, in dem ein Wecker tickt, kann ich nicht schlafen. Es kann eine Stärke sein, hypersensitiv zu sein, verursacht aber auch Probleme.

Ich zählte durch und bemerkte, dass unter meinen Freundinnen und Freunden über die Hälfte unter Migräne leiden (der Bevölkerungsanteil liegt in Deutschland laut Artikel bei zehn bis fünfzehn Prozent) – vielleicht verstehe ich mich mit solchen Zwangswahrnehmerinnen besonders gut (wobei mir auch nahe Antennen-Menschen einfallen, die noch nie Migräne hatten).

Fürs Nachtmahl war ich zuständig, es gab breite Bohnen (zugekauft) mit Kartoffeln aus Ernteanteil nach Art meiner spanischen Oma. Dazu ein Glas Rosé. Nachtisch war die frische, reife Ananas, die ich am Vortag beim Süpermarket Verdi bekommen hatte (und Schokolade).

§

Endlich eine vorgemerkte rbb-Doku angesehen:
“Vergessene Frauen – Vertrags- und Gastarbeiterinnen heute”.

Über ein Drittel der Vertrags- und Gastarbeiter die nach Deutschland kamen, sind Frauen. So wie Thu Fandrich, die gegen ihren Willen aus Vietnam hergeschickt wurde, und Gül Ataseven-Özen, die als junge Frau allein aus der Türkei kam. Sie leben noch immer in Deutschland.

Sehr empfehlenswertes Stück deutscher Geschichte.

§

Kemi Fatoba erzählt in der Zeit:
“Stadt, Land, Angst”.

Viele Städter fahren einfach raus ins Grüne, um mal abzuschalten. Unsere Autorin ist schwarz, für sie bedeutet ein Ausflug aufs Land Anspannung, nicht Entspannung.

via @AnnaDushime
(nicht die Kommentare lesen) (außer Sie suchen einen Beleg für die Ingoranz gegenüber Rassismus in Deutschland)

§

Ben Fergusson lebt mit seinem Mann und dem gemeinsam adoptierten kleinen Sohn in Berlin. Im Guardian beschreibt er an vielen Alltagsdetails, wie ein schwules Männerpaar als Eltern in der Öffentlichkeit Geschlechter- und vor allem Mütterstereotypen sichtbar macht.
“‘Mum’s day off, is it?’: what adopting as a same-sex couple taught us”.

Here in Germany, a new parent receives 12 months of parental leave (or 14 months, divided any way, if the time is shared between both parents) paid by the government at 70% of their salary. We covered our son’s first year by each taking seven months off, the first two together. Yet despite the government’s best efforts, 70% of fathers in Germany don’t take paid parental leave.

When there’s no social expectation about which parent stays at home and looks after the baby, the idea that either of you would do it single-handedly seems crazy. If my husband had suggested going back to work after two weeks, I’d have thrown the television out of the window. The fact that women tend to take on the bulk of childcare is not news. But having to negotiate how we share it, without external pressure about who should do what, has made us acutely aware of the chasm between how people talk about shared parenting and how it pans out.

§

Der launige Rausschmeißer für den Sonntag:
“Irgendwie holt die Heimat einen dann doch immer ein!”