Archiv für Juli 2020

Journal Freitag, 10. Juli 2020 – Hitze weggewittert

Samstag, 11. Juli 2020

Das war eine lange Woche.

Beim morgendlichen Yoga, eine entspannende Folge, spontaner Tränenausbruch, als ich mich nicht mal zur Schlussentspannung auf den Rücken legen konnte, ohne dass die rechte Hüfte schmerzend aufbrüllte.

In Sommerkleidchen und Sandalen in die Arbeit geradelt, sonnenbeschienen. Von draußen kam es heiß herein, ich schloss die Fenster und ließ mein Büro durch die offene Tür kühlen. Zäher Wochenabschluss, zumindest ohne Schrecken. Mittags Rote-Bete-Nudeln vom Vortag, Kefir mit Mango und Maracuja.

Früher Feierabend. Draußen war es heiß und stürmisch, eine eigenartige Kombination, bei der der Wind nicht kühlte. Ich radelte für Einkäufe zum Viktualienmarkt, die ohnehin Radverkehr-feindliche Schwanthalerstraße ist derzeit durch Baustellen für Radlerinnen das Gegenstück zu Motocross – Sehnsucht nach einem Ganzkörper-Schutzanzug. (Seit ich weiß, dass die Straße bis in die frühen 1930er feudale Vorgärten hatte, denke ich bei jedem Befahren daran.)

Auf dem schwül-heißen Viktualienmarkt kaufte ich im Wild- und Geflügelladen ein: Wildschweinbratwürste als Ergänzung des Abendessens, Rehsalami. Ich suchte nach österreichischen Marillen und fand sie, wenn auch nicht sehr schöne, nahm auch Pfirsiche mit. Nach Basilikum ohne Topf musste ich fragen, an den Ständen sah ich nur Töpfe; der Bund wurde mir aus der Kühlung geholt. Der Markt war deutlich leerer als sonst um die Jahreszeit und bei diesem Wetter: Es sind immer noch kaum Touristen in der Stadt.

Zuhause hatte ich mit Herrn Kaltmamsell Essen auf dem Balkon verabredet, statt mich mit ihm im Biergarten zu treffen: Wir wollten die neue Bank ausgiebig testen. Doch der Himmel wurde immer dunkler, der angekündigte Wetterumschwung kam schon jetzt.

Wir hielten an der hochsommerlichen Essensplanung fest, dann halt drinnen. Da sich die eben erworbenen Pfirsiche als überreif bis matschig heraustellten, gab es sie als Aperitif mit Prosecco aufgegossen. Zu Essen hatte Herr Kaltmamsell Okroschka gemacht, die kalte russische Kefirsuppe mit Gemüse und Kräutern (Wurst lassen wir seit dem ersten Versuch als überflüssig weg).

Sehr köstlich und den immer noch hohen Temperaturen angemessen. Als zweiten Gang gab es die Wildschweinbratwurst, die für unseren Geschmack grober und lockerer hätte sein dürfen.

Abendunterhaltung war aus der ZDF-Mediathek der Fernsehfilm Endlich Witwer mit Joachim Król: Überraschend gut gemacht (auch wenn das Fest, das die Set-Designer und Kostümmenschen gefeiert haben müssen, ein wenig stark im Vordergrund stand, jetzt ist mal wieder gut mit 70er-instagram-Filter).

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Winziges Glücklichmach-Filmchen mit Insekt.

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Kunst mit Mund-Nase-Maske.

Journal Donnerstag, 9. Juli 2020 – Beifang aus dem Büro

Freitag, 10. Juli 2020

Ich schlief wieder unterbrochen, aber das belastete mich nicht. (Auch wenn ich wirklich, wirklich nichts gegen mal wieder eine Nacht tief und durchschlafen hätte, idealerweise auch noch aus-.)

Von draußen kam herrlichste frische Sommermorgenluft herein.
Standard-Kraftübungen, Crosstrainertraining.

In der Arbeit stürzte ich mich sofort in diese, ich hatte sehr viel zu tun. Dennoch zwang ich mich zu einer echten Mittagspause (rote Paprika und Ernteanteilgurke mit einem Stück Käse) mit Zeitungslektüre.

Am frühen Nachmittag von Ferne vielminütiges, vielstimmiges und sehr irre machendes LKW-Hupen. Die Oktoberfest-Schausteller protestierten gegen die Absage des Oktoberfests. Für Forderungen nach finanzieller Rettung habe ich sehr großes Verständnis, Forderungen nach Großveranstaltungen oder schlichtes “Ich will wieder Party machen!” übersteigen meine Verständniskapazitäten bei Weitem. Glauben die Menschen ernsthaft, die Bilder aus Brasilien und den USA seien nicht echt?

Nachmittagssnack Eiweißriegel (zweite Hälfte, die erste gab’s gegen Unterzucker vormittags – seit wann habe ich bitteschön regelmäßig Unterzucker? Und so gerne ich esse: Ich werde sehr grantig, wenn ich ohne Appetit essen muss.)

Nach Feierabend war es draußen sonnig und sehr warm, aber noch nicht unangenehm heiß. Dennoch ließen wir die Fenster der Wohnung lieber noch geschlossen, die Kühle fühlte sich noch angenehmer an. Zum Nachtmahl verarbeitete Herr Kaltmamsell die jungen Rote Bete aus frisch geholtem Ernteanteil (kein Salat, den hat vor einer Woche der Hagel zu Matsch zerschossen) mit Ernteanteil-Knoblauch und Manouri zu einem Nudelgericht in Rosa.

Abendunterhaltung: Früher Rückzug ins Bett zum Lesen.

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Beruflich musste ich in den vergangenen beiden Tagen viel Wissenschaftsjournalismus unterschiedlichster Qualität lesen. Zum einen resultierte das in der Befürchtung, dass der Begriff “Künstliche Intelligenz” gerade den Weg von “Digitalisierung” geht: Er bezeichnet oft schlicht “irgendwas mit Computern”. (Und der kleine Algorithmus sitzt vergessen in einer Ecke und weint.) Zum anderen las ich auch richtig Spannendes. Zwei Lektüren gebe ich als Tipps weiter:

1) Heftig aber sehr aufschlussreich: Theresa Locker und Max Hoppenstedt haben im März 2019 für Vice die Ergebnisse ihrer monatelangen Recherche aufgeschrieben:
“Jagd auf ‘Elysium’: Das Ende der größten deutschen Kinderporno-Plattform”.
Eine Rekonstruktion der Ermittlungen, die zur Razzia führten, vom Auffliegen der Vorläufer-Plattform bis zur Urteilsverkündung im Elysium-Prozess. Der Fokus liegt zwar auf der Internet-Technik dahinter, doch Locker und Hoppenstedt schließen auch die menschlichen Aspekte ein.

2) Ähnlich aufwändig war die Recherche zu diesem Vice-Artikel vom November 2019:
“Die Applausfabrik: So funktioniert die Industrie hinter gekauften Likes und Followern”.

Diesmal hat sich Theresa Locker mit Sebastian Meineck daran gemacht, der Technik und den Schöpfern hinter dem Handel mit Likes und Followern auf die Spur zu kommen, von denen ich bis dahin nur durch die Selbstoffenbarung von kommerziellen Influencerinnen gelesen hatte. Superspannend!

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Niedliches kleines britisches Mädchen beim Musizieren.

Journal Mittwoch, 8. Juli 2020 – Yoga bei der Selbstwertkalibrierung

Donnerstag, 9. Juli 2020

Extra den Wecker auf Keinsport gestellt – um dann zu üblicher Zeit von RUMPELGETÖSEGEPOLTER aus dem Müllkammerl unter meinem Schlafzimmerfenster geweckt zu werden. Noch ein bisschen gedöst, dann zeitig genug für eine Runde Kräftigung aufgestanden.

Jetzt versuche ich doch, aus Yoga etwas fürs sonstige Leben mitzunehmen: Das Annehmen von Seiten an mir, die ich bislang bekämpft habe. Zum Beispiel dass jedes Ankleiden bei mir eine Kalibrierung des Selbstwertgefühls ist. Die Skala reicht von:
– Rockbund bequem, gar mit Luft = ich bin lebenswert, darf mich freuen, mein Herz darf leicht sein
bis
– Hose schließt nur mit Baucheinziehen, alles zwickt = ich bin Abschaum, den Raum nicht wert, den ich in der Welt einnehme, nur schlechte Gefühle sind angemessen, jeder Freu-Impuls wird niedergedrückt
Dazwischen entsprechende Abstufungen, inklusive paradoxer Mischungen, mit denen ich mir bei dunkelgrauer Grundstimmung einrede, der Rockbund säße nur deshalb bequem, weil sich ein Knopf gelockert hat oder die mich bei bequemem Kleidungssitz wehmütig werden lassen, weil ich an den Selbsthass beim Verschwinden der Bequemlichkeit denke.

Seit vielen Jahren versuche ich diesen Mechanismus niederzukämpfen, weil er beschämend idiotisch ist (und damit auch noch auf den Selbsthass einzahlt), ab jetzt teste ich Wahrnehmen, Annehmen, Durchwinken, Weitermachen. Das gehört halt zu mir.

Sehr viel hochkonzentrierte Arbeit in der Arbeit. Mittags ein Laugenzöpferl und Hüttenkäse mit Joghurt, nachmittags Nüsse und ein Stück Schokolade. Es wurde spät, dennoch hätte ich eigentlich gerne noch weitergearbeitet, aber ich konnte nicht mehr. Immer wieder musste ich mich daran erinnern, dass erst Mittwoch ist.

Auf dem Heimweg Einkäufe im Drogeriemarkt und im Vollcorner, schönes Heimradeln in Sonne und milder Luft.

Zum Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell gefüllte und mit Käse überbackene Enchiladas (Aubergine und chinesische Keule aus Ernteanteil), dazu gab es ein kleines Glas entspannenden Rosé. Zum Nachtisch Schokolade.

Abendunterhaltung war der erste Teil der arte-Doku “Menschenhandel – Eine kurze Geschichte der Sklaverei”, die gestern quer durch mein Internet empfohlen worden war. Ich gebe die Empfehlung weiter, bereits in diesem Teil lerne ich eine Menge, unter anderem wie stark die Gesellschaftshierarchie einiger afrikanischer Länder bis heute durch den Sklavenhandel im späten Mittelalter geprägt ist – und dass er bis heute existiert.

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“On Hilary Mantel’s birthday, please enjoy her 1988 review of RoboCop.”

1987 bis 1991 war die heute gefeierte Romanautorin Hilary Mantel Filmkritikerin beim Spectator, und ihre Rezensionen waren offensichtlich hinreißend. Zum Beispiel eben die über RoboCop.

“All in all, it provides a stimulating evening for those who can jettison the ‘cultural baggage’; and a pure delight for those of us who have never had any culture at all.”

via @HelenJMacdonald

Bis zu dieser Besprechung hatte mich Robocop kein bisschen interessiert; jetzt schon.

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Noch was Schönes: Auf Twitter hat @GrantTucker eine Werbekampagne ausgegraben, in der Filmgrößen der englischsprachigen Welt mit Fischen posierten, um auf die Gefahren der Überfischung aufmerksam zu machen. Nackt.

Journal Dienstag, 7. Juli 2020 – Feierabend im Outback

Mittwoch, 8. Juli 2020

Wenige Minuten nach Weckerklingelzeit aufgewacht mit dem Gedanken: “Sollte nicht langsam der Wecker klingeln?” Ich hatte vergessen, ihn zu aktivieren.

Kraftübungen, Crosstrainerrunde.

In die Arbeit nahm ich trotz (kühler) Sonne die U-Bahn, denn ich wollte nach Feierabend zu einer Verabredung ins Umland.

Schlimme Schmerzen, Ibu half nichts, Sitzen oder Stehen machte keinen Unterschied.

Mittags Bratenreste mit Spätzle, Apfel. Nachmittags ein Töpfchen Quark.

Nachmittags klangen die Schmerzen zum Glück deutlich unter Verzweiflungsgrenze ab.

Überstürzter Aufbruch, denn ich wollte eine bestimmte S-Bahn erwischen, die mich nach Unterschleißheim brachte. Dort war gerade eine Bloggerin aus der Schweiz mit Familie zu Besuch, und ich nutzte die Gelegenheit der Greifbarkeit für ein Treffen.

Also spazierte ich in der Feierabendsonne in ein Gewerbegebiet, das mich sehr an meine Herkunftsgegend erinnerte: In dieser Mischung aus Autohäusern, Großdiscountern, Baumarkt, indischem und griechischem Restaurant, fehlenden Gehwegen (hier leben nur Autos) liegt zumindest eine meiner Wurzeln, ob ich will oder nicht.

Wir trafen uns in einem riesigen, edel eingerichteten Konferenzhotel (wenn Sie eine Empfehlung für eine Veranstaltung mit mehreren 100 Teilnehmenden brauchen, fragen Sie mich einfach), das nicht ganz so leer war wie befürchtet, aber immer noch für seine Dimensionen sehr leer. Das ausgedünnte Personal überschlug sich vor Entgegenkommen und Herzlichkeit.

Ich ließ mir den Grund der Reise erzählen, wir tauschten Pandemie- und Eltern-Erfahrungen aus, mit der Gesamtfamilie aß ich auf der Terrasse zu Abend (Süßkartoffelcurry mit Erdnüssen, sehr gut). Ich freute mich arg, dass der Reiseanlass und ein ausgesprochen unerfreulicher Reisetag der Besucherfamile mir diese Begegnung ermöglicht hatte.

Spaziergang zurück zur S-Bahn – jetzt war es so ruhig, dass fehlende Gehwege mich nicht mehr in Gefahr brachten. Fahrt zurück in die Stadt mit Abendrot vorm Fenster und Roman auf dem Schoß. Daheim konnte ich Herrn Kaltmamsell noch schnell einen Gute-Nacht-Kuss geben.

Journal Montag, 6. Juli 2020 – Legginspresse

Dienstag, 7. Juli 2020

Kurz vor Wecker aufgewacht. Draußen war es sehr mild.

Besonders viel Bauchstärkung mit Gymnastik und Yoga.

Auf der Fahrt in die Arbeit holte ich in lauen Lüften das Foto von den blühenden Wegwarten nach: Die sind nämlich Frühaufsteherinnen, am Vorabend waren die Blüten geschlossen, man sah sie gar nicht.

So, jetzt stand fest, dass mir die Calcedonia-Verkäuferin zu kleine Leggins verkauft hatte. Ich hatte mich über ihre Empfehlung Größe M durchaus gewundert, haber hey! Sie war die Fachkraft. Doch selbst der sehr breite Bund (ca. 12 cm) verteilte die Enge nicht genug: Ich bekam Bauchschmerzen davon, egal ob ich den Bund auf die Hüftknochen herunterzog, ihn in der Taille ließ oder hoch unter den BH klemmte. Gestern wurde das im Büro so schmerzhaft, dass ich zur Schere griff und mir Platz verschaffte. Nicht dass ich jemals mit Shapewear geliebäugelt hätte, aber das wäre ja sowas von nix für mich. Mal wieder die Frage in die Runde: Findet jemand die Anzeige aus den 70ern “Mein Mieder bringt mich um”? Mit dieser Frau, die in eine Holzkiste geklemmt ist? Das kann doch nicht sein, dass ich mir die nur einbilde.

Es dauerte fast zwei Stunden, bis die Schmerzen abklangen.

Mittags Rehbraten und Spätzle vom Vortag.

Nach Feierabend war ich verabredet. Tagsüber war es immer wieder sehr düster geworden, wir entschieden uns für einen Biergarten mit Drinnen und trafen uns in dem am Bavariapark.

Als ich das Bürohaus verließ, überraschte mich kalte Luft. Der Biergarten nahm die Hygieneregeln sehr ernst: Wir mussten am Eingang unsere Kontaktdaten auf Papier oder über eine App hinterlegen, uns wurde ein Tisch zugewiesen, den wir ebenfalls eintragen mussten. Über Gesprächen über universitäres Leben in Zeiten der Pandemie, Ausstellungen, Urlaubspläne in Zeiten der Pandemie und Geldanlage (öha!) tranken wir Biergartliches, aßen Salat – und froren. Obwohl die Sonne nun wieder durchgehend schien, war es ganz schön kalt, deutlich kälter als morgens. Daheim ließ ich mir tatsächlich erst mal ein heißes Bad ein, weil ich durchgefroren war. Das tat auch meiner Hüfte so gut, dass ich das vielleicht wieder öfter machen sollte.

Journal Sonntag, 5. Juli 2020 – WmdedgT? Geschwommen!

Montag, 6. Juli 2020

Rechtzeitig daran gedacht, dass ja der fünfte war und damit der Tag für Frau Brüllens Frage: Was machst du eigentlich den ganzen Tag?

Was ich neben dem Ausgebuchtsein des Schyrenbads noch auf der Bäderseite der Münchner Stadtwerke entdeckt hatte: Die Hallenbäder sind seit 1. Juli wieder offen, und man kommt ohne Reservierung rein. Plan war also die erste Schwimmrunde seit 4. März im Olympiabad.

Ich schlief wieder gut aus, wachte auf zur Ankündigung eines sonnigen Tags – allerdings war er auch gestern zu morgenkühl für Kaffee auf dem Balkon.

Gegen zehn machte ich mich nach Katzenwäsche fertig zum Schwimmen. Ich dachte gründlich nach, was ich dazu alles einpacken musste – und musste erst mal den Sportrucksack abwischen, der in den Monaten ohne Draußensport deutlich mehr eingestaubt war als ich.

Das Radeln zum Olympiabad war bereits ein großes Vergnügen, das rechte Bein machte sehr gut mit. Im Bad selbst waren Einbahnwege angelegt, die Bahnen im Becken doppelt breit abgetrennt, um Platz für Überholen auf Distanz zu schaffen. Mein Kalkül ging auf: Es waren sehr wenige Menschen da. Und es stellte sich heraus: Schwimmen ist wie Schwimmen, das verlernt man nicht. Ich zog meine Bahnen bald in gemütlichem Rhythmus, beschränkte mich auf 2.500 Meter. Allerdings zwickte die Hüfte durchaus, und die linke Schulter schmerzte (Letzteres führe ich auf Ganzkörper-Ausweichbewegungen plus Vorbelastung zurück).

Als ich um halb eins aus dem Olympiabad kam, war es überraschend heiß geworden.

Auf dem Heimweg besorgte ich Semmeln und sah nach der Baustelle Hauptbahnhof: Immer noch kommt man nur zu Fuß vorbei, ich schob mein Fahrrad.

Zum Frühstück (Käsesemmel, Pflaumenmussemmel, Käsekuchen) folgte ich der Empfehlung von Kommentatorin Frauke und sah die aktuelle BR-Doku über Ellen Ammann an – wirklich sehr empfehlenswert.

Diesmal war ich müde genug für eine kleine Siesta (nach einer Dosis Novalgin, da die Hüfte mich mit Ruheschmerz ärgerte).

Kleine Bügelrunde, damit’s nicht wieder so lange dauert.

Eiskaffee auf dem Balkon, es war dort angenehm warm.

Internet gelesen, Zeitung auslesen. Dann zog es mich doch raus, ich wollte nach der Theresienwiese sehen. Sonst wurde sie ja immer genau jetzt, Anfang Juli, für den Oktoberfestaufbau dicht gemacht.

Die Linden dufteten noch, unter ihnen lagen Haufen abgefallener Blüten.

Ganz zauberhaft: An einer Stelle trainierten etwa zehn Paare Formationstanz (irgendwas Lateinamerikanisches), nicht weit entfernt davon wurde Cricket gespielt. Und ich genoss die Sonne auf meiner Haut, dazu den Wind, der Hitze verhinderte.

Zudem war die Hüfte so freundlich mitzumachen.

Zurück daheim steuerte ich zum Abendessen die Spätzle bei, Herr Kaltmamsell hatte eine Rehkeule zubereitet (Sie erinnern sich? Wild gibt’s derzeit sehr viel, weil es eh geschossen werden muss, die sonstigen Hauptabnehmer Restaurants aber lang geschlossen waren und jetzt nur teilweise geöffnet sind).

Als Abendunterhaltung ließen wir Tatort laufen. Draußen wurde es lange nicht dunkel, langsam etwas kühler, ich sah den Mauerseglern am langsam von blau zu grau wechselnden Himmel zu.

Braten und Spätzle als Brotzeit für Montag vertuppert, Wohnung Putzmann-fertig geräumt. So lange aus dem Fenster geguckt, bis ich eine Fledermaus sah – derzeit flattern mindestens drei übern Hinterhof.

Im Bett noch Nancy Mitford, The Blessing gelesen.

Das war ein schöner Tag.

Journal Samstag, 4. Juli 2020 – Neue Entdeckungen auf dem Alten Südfriedhof

Sonntag, 5. Juli 2020

Ausgeschlafen, trotz drei Unterbrechungen fühlte es sich nach gutem Schlaf an.

Die Luft roch wundervoll und rief zum Wandern (…), doch für Morgenkaffee auf dem Balkon war es zu frisch.

Gymnastik, eine gute Stunde Crosstrainer vor offenem Fenster mit Filmmusik auf den Ohren.

Zum wiederholten Mal musste ich Leute vertreiben. Den benachbarten Nußbaumpark habe ich ja aufgegeben, der gehört halt dem saufenden, dealenden Multitoxler-G’schwerl (ich wiederhole: nein, das sind keine Obdachlosen) – zum Glück werden der große Kinderspielplatz und die Tischtennisplatten noch von Familien und anderen Nachbarn genutzt. Doch in letzter Zeit schwappt dieses G’schwerl immer öfter in unseren Hauseingang und in den Hinterhof – das möchte ich wirklich nicht. Gestern unterbrach ich meine Crosstrainerrunde, als ich sah, wie zwei übern Hof im Müllkammerl verschwanden. Ich bat sie sachlich zu gehen, was sie zum Glück ohne Widerstand taten.

Bislang ist das Gegenmittel der Stadt, Polizeikontrollen zu schicken und eine eigene Überwachungstruppe einzurichten, die hin und wieder den Park patrouilliert. Das resultierende Spiel: Beim Kreuzen des Parks zum Einkaufen beobachte ich regelmäßig, wie Polizeibeamte kontrollieren, Teile der Dutzende verlagern sich auf den Sendlinger Torplatz. Doch wenn ich eine Stunde später vom Einkaufen zurückkomme, belegen sie bereits wieder Bänke und Plätze des Parks. Nein, ich weiß keine Ursachenlösung, aber das ist auch weder mein Fachgebiet noch meine Aufgabe.

Frühstück noch vor zwei: Kräuterkartoffeln vom Vorabend und Käsekuchen.

Gemütlicher Nachmittag auf dem Balkon mit Internetlesen und Zeitunglesen – sehr müde, ich war immer wieder kurz vor Siesta, dann aber doch nicht bettschwer genug. Viel Freude an Vogelbeobachtung an Meisenknödel und Wasserschale: Die Meisen drehten oft ab, wenn sie mich bemerkten (manchmal mit einem beleidigend lauten Schreckensquäken), der Jungkleiber konnte jetzt auch am Knödel fressen (und wartete nicht mehr drunter, bis etwas herumliegt), der Herr Buchfink war zum Sterben elegant und schön.

Richtig raus wollte ich aber auch noch, einen Spaziergang über den Alten Südfriedhof traute ich meiner kaputten Hüfte zu.

Wieder fielen mir Gräber auf, die ich noch nie bemerkte hatte – und die ich fotografierte, um daheim nachzuschlagen (beide Grabmäler Ersatz für die Originale, die in der Bombennacht Oktober 1943 zerstört wurden).

Das von Franz von Kobell.

Das Nachschlagen von Eduard Schleich brachte mich zu einigen seiner Gemälde.

Gezielt wiederum ging ich zum Grab Ellen Ammanns. Die Süddeutsche hatte sie anlässlich ihres 150. Geburtstages portraitiert, ich erfuhr einige neue Details über diese unglaublich umtriebige Politikerin (“Frauenführerin und Hitler-Gegnerin”).

Überrascht und gerührt entdeckte ich, dass Ammanns Grab feierlich geschmückt war, dass ihr Werk heute gewürdigt wird.

Ich setzte mich auf ein Bankerl, genoss das Spiel der langsam schrägeren Sonne in den hohen Gräsern.

Abends gab es tinto de verano, Herr Kaltmamsell servierte ein Garnelen-Curry (butter chicken, aber halt mit Garnelen) mit Reis, danach Erdbeeren und Pralinen.

Ewig hin und her überlegt, ob ich am Sonntag ins Schyrenbad zum Schwimmen gehen sollte. Als ich abends das Reservierungs-Prozedere recherchierte, stellte ich fest: Eh ausgebucht.

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Morgens hatte ich weiter Filmchen von und Interviews mit Hannah Gadsby geguckt. Sehr interessant fand ich dieses Interview von Leigh Sales von September 2017.

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https://youtu.be/tbjbTb3s6Xo

Gadsby formuliert präzise und klug, unter anderem erklärt sie, warum sie es für falsch hält, über die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Ehe per Plebiszit bestimmen zu lassen (das stand zum Interview-Zeitpunkt in Australien gerade an):

This shouldn’t be happening. What we’re doing is we’re asking a minority to basically prove ourselves worthy of the majority. And that’s not fundamentally what democracy is about.

Sie kann auch sehr genau schildern, was eigentlich in Comedy passiert, im Zuschauerraum, zwischen Künstlerin und Zuschauerraum – und wie sie persönlich das für ihre Shows nutzt.

Zum Schluss lässt sich Leigh Sales noch erklären, warum der Diskurs über Kunst heute so abgehoben und volksfern ist – auch darüber hat sich Kunsthistorikerin Hannah Gadsby nachvollziehbare Gedanken gemacht.

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Warum eine Drag Queen die ideale Kandidatin für eine kurze Einführung in Quantenphysik ist. (via @vonhorst)