Journal Dienstag, 4. August 2020 – Urlaub in Frankfurt mit Museum Judengasse, Kleinmarkthalle und Emma Metzler
Mittwoch, 5. August 2020 um 8:48Hier in Franfurt wohnen wir im Bahnhofsviertel – das tun wir ja in München auch, und wenn man sich schon mal so weit weg von Zuhause und in eine derart fremde Kultur begibt, möchte man halt eine vertraute Umgebung.
Das ist (wie ich bereits von Geschäftsreisen wusste) ein ganz besonders schönes Bahnhofsviertel: Sensationell bunt und kuschlig, allerdings viel weitläufiger als das in München, minus Krankenhäuser, dafür hat’s dazwischen auch schicke Häuser. Auf unseren Wegen entdeckte ich gestern eine türkische Buchhandlung, spannende Bäckereien und einen hochgradig schicken Barber-Shop. Und vom Fenster unseres Hotelzimmers aus sieht man die Rückseite einer Nachkriegskirche.
Wir folgten gestern zum Frühstück einer weiteren Empfehlung: Café im Liebieghaus. Da es erst um 10 Uhr öffnet, trödelten wir bis dahin lesend herum. (Mein Nachtschlaf war zwar häufig unterbrochen, beim Aufstehen schmerzten erstaunlich viele Körperstellen, doch ich schlief immer gleich wieder ein.)
Blauer Himmel und Sonne, der Spaziergang zum Café war sehr schön, das Café selbst auch, Cappuccino, Müsli, Baguette, Kuchen bildeten ein befriedigendes Frühstück.
Frankfurt verbinde ich schon immer mit jüdischer Kultur, sowohl historisch als auch aktuell. Beim Recherchieren nach einem jüdischen Museum erfuhr ich zum einen, dass das große (und älteste in Deutschland) derzeit wegen Umbaus geschlossen ist, dass es aber ein kleines und im Grunde viel besondereres gibt: Das Museum Judengasse gleich beim Alten jüdischen Friedhof, dass die Ausgrabung des einstigen Ghettos einschließt, des ersten überhaupt. Dorthin spazierten wir also nach dem Frühstück.
An den anderen Touristen sah ich, dass man auf der Eisernen Brücke ein Selfie machen muss, sonst kriegt man den Touristenstatus abgesprochen. Und Frankfurt BRAUCHT den Tourismus!
Gleich vor dem Museumseingang stoppte ich an der Mauer um den alten Friedhof:
Name um Name von jüdischen Frankfurterinnen und Frankfurtern, die die Nazis in der Shoa umgebracht haben.
Der Alte jüdische Friedhof ist eine Rekonstruktion, auch ihn haben die Nazis zerstört.
Das Museum ist großartig: In verschiedenen Medienformen erzählt es die Geschichte der Juden in Frankfurt und welch integraler Teil der Frankfurter Geschichte sie ist.
Eine Animation führt durch die Jahrhunderte, unterstützt von einem durchsichtigen Modell des Ghettos um die Judengasse und jeweilige Beleuchtung das Dargestellten.
Die Erklärung der Schaukästen wird in einem unauffälligen Bildschirm in der Oberfläche dagestellt, mit einer Taste schaltet man weiter.
In einem eigenen Raum kann man Musik hören, sich literarische Quellen vorlesen lassen.
Und dann natürlich die ausgegrabenen Fundamente, die mit Grundrissen, Schildern, anhand von Fundgegenständen erklärt werden. Sehr, sehr empfehlenswert.
Das Laufen ging gut genug, dass wir anschließend in die Innenstadt abbogen, zunächst zum Kaiserdom. Ich mochte die gemütliche Ausstrahlung der Proportionen, den roten Stein, die vielen Farben.
Wieder eine Empfehlung auf meine Twitterfrage war die Kleinmarkthalle. Da ist es schön: Solch ein Vielfalt an Fleisch, Fisch, Gemüse, Gewürzen, Käse, Spezereien! Hier würde ich sehr viel lieber einkaufen als am Münchner Viktualienmarkt, der mir ob seiner Schlitzohrigkeit und Touristenausrichtung einfach nie näher gekommen ist.
Nach einem ausführlichen Rundgang ließen wir uns bei einem Italiener auf der Galerie nieder, tranken Wein (Herr Kaltmamsell) und Hugo (ich) aßen Antipasti und ruhten uns aus.
Und dann wollte ich doch die Zeil entlangehen: Die Einkaufsstraßen anderer Stadtviertel sind sicher origineller, doch beim ersten Besuch einer Stadt müssen es erst mal die Mainstream-Attraktionen sein, und wenn es halt eine Fußgängerzone ist, deren Läden sich nicht von denen in der Münchner Kaufingerstraße unterscheidet. Außerdem hielt ich es für wahrscheinlich, dass man in der aktuell so touristenarmen Zeit dort viel gemischte Frankfurter zu sehen bekommen würde.
Genau so war es dann auch, ich guckte mich gerne unter den Leuten um. Hier bestätigte sich zudem mein bisheriger Eindruck der Innenstadtarchitektur Frankfurts: Stark von den 1960ern geprägt, die ich ja mag (Messing!).
Ausruhen im Hotelzimmer. Ich erfuhr aus dem Interet, dass es in der bayerischen Heimat seit Montag so stark weitergeregnet hatte, dass es Hochwasserwarnungen gab, sogar für Münchner Stadtteile (Giesing, Thalkirchen – hatte nicht genau das durch die Isar-Renaturierung verhindert werden sollen?).
Fürs Abendessen hatte ich einen Tisch bei einer weiteren Empfehlung reserviert: Emma Metzler. Wir saßen im schönen Freien und wurden entspannt umsorgt. Von der Speisenkarte lachten uns die Vorspeisen am meisten an – wir fragten vorsichtig, ob wir einfach bei denen bleiben könnten? Selbstverständlich, und so bestellten wir davon jeweils drei.
Zum Start gab es Tomaten “Berner Rosen”, geräucherten Ricotta, Kürbiskerncreme und Tagetes (!) für mich, für Herrn Kaltmamsell Sauerteigbrot und aufgeschlagene Nussbutter. Dazu ein Glas Riesling Kabinett “Wallufer Oberberg” aus dem Rheingau. Alles ganz wunderbar.
Dann aßen wir beide Entenleberterrine, gegrilltes Brioche und eingelegte Aprikosen, dazu wurde uns ein Glas Cidre “Roter Trierer” empfohlen, der ganz ausgezeichnet passte.
Dritte Vorspeise war gegrilltes Knochenmark für den Herrn, ich hatte Buchweizenblini, Pfifferlinge, Onsenei und Schafskäse. In die Desserkarte hatten wir eigentlich nur interessehalber schauen wollen, doch es wurden dann doch Erdbeeren Mara de Bois, Sahne und Karamellblatt für ihn und Joghurtparfait, Kirschen und eingelegte Nadelbaumtriebe für mich – wunderbar.
Blick zurück aufs Lokal, das an den Metzlerpark angrenzt.
§
Alle Jobs an einem Filmset im Kurzüberblickfilmchen.
die Kaltmamsell7 Kommentare zu „Journal Dienstag, 4. August 2020 – Urlaub in Frankfurt mit Museum Judengasse, Kleinmarkthalle und Emma Metzler“
Sie möchten gerne einen Kommentar hinterlassen, scheuen aber die Mühe einer Formulierung? Dann nutzen Sie doch den KOMMENTAROMAT! Ein Klick auf einen der Buttons unten trägt automatisch die gewählte Reaktion in das Kommentarfeld ein, Sternchen darüber und darunter kennzeichnen den Text als KOMMENTAROMAT-generiert. Sie müssen nur noch die Pflichtfelder "Name" und "E-Mail" ausfüllen und den Kommentar abschicken.
5. August 2020 um 9:15
******************KOMMENTAROMAT**********************
Gerne gelesen
*******************************************************
5. August 2020 um 10:51
Meine große Frankfurt-Liebe: die Kleinmarkthalle.
Ihr “Abendbrot” liest sich köstlich.
5. August 2020 um 10:57
Ich mag dieses kleine Museum Judengasse so sehr!
Dass man dort herumlaufen kann, wo vor so langer Zeit so viele Menschen gewohnt haben, hat mich mich etwas Magisches.
Kann sein, dass man an diesem Ort in den Zeitreisemodus gerät, wenn man sich dort länger meditierend aufhält.
5. August 2020 um 11:43
Interessant auch die Gedenkstätte an der Grossmarkthalle, von wo die Transportzüge mit Juden in den Osten gingen. Finde ich gut gemacht.
5. August 2020 um 18:14
Bei jedem diese Museen fehlen Daten, weil die nicht bekannt sind. Ich finde das furchtbar für die Angehörigen. Darum mache ich seit einiger Zeit bei #JederNamezählt der Arolsen Archive mit und hoffe, dass wenigstens die Daten vervollständigt werden können um den Familien Gewissheit zu geben. Der Aufwand ist überschaubar und man kann auch nur so viel machen, wie man schafft und erträgt.
Ansonsten – weiter schönen Urlaub, guten Appetit und genießen Sie den Touristenstatus.
Viele Grüße
Ilka
5. August 2020 um 22:20
Das Hochwasser in Thalkirchen und Giesing ist keine überschwappende Isar, sondern Grundwasser-Hochwasser. Das Grundwasser ist an diesen Stellen normalerweise schon höher als anderswo und steigt schnell bei starkem, lang anhaltenden Leben.
H. glaubt zu wissen, was Margarete meint.
Trotz ihrer verkürzten Aussage sollte nicht überreagiert werden.
5. August 2020 um 22:57
Tatsächlich, auch für mich las sich die sprachlich kühle Selbstverständlichkeit, mit der “die Transportzüge mit Juden” im Zusammenhang mit den Begriffen ‘interessant’ und ‘gut gemacht’ genannt werden, äußerst unangenehm. Keine Unterstellung einer irgendwie gearteten Einstellungen der mir unbekannten Schreiberin, aber sprachlich für mein Empfinden sehr schwierig.
Ich bin ein wenig überrascht, dass nicht zumindest die Intention des Kommentars Margaretes nachvollzogen werden konnte.