Journal Montag, 14. September 2020 – Gerichtete Zähne und Erinnerung an eine Mitschülerin
Dienstag, 15. September 2020 um 7:02Früher Wecker, um vor dem Termin bei der Zahnärztin Zeit für Yoga zu haben (und ein bisschen Bankstütz von allen Seiten). In der Nacht reichlich Schlaf bekommen, nur wenige Unterbrechungen.
In diesen Halbschlaf-Unterbrechungen war mir eingefallen, dass am U-Bahnhof Münchner Freiheit gerade gebaut wird und ich besser mal die sonst so bequeme ÖPNV-Verbindung zur Zahnärztin überprüfe. Blöderweise hatte ich das nach Weckerklingen bereits vergessen und erinnerte mich erst im Abfahrt-U-Bahnhof daran. Zum Glück hatte ich reichlich Zeit eingeplant und war nach Verlassen des Schienenersatzverkehrs zwischen Universität und Münchner Freiheit nur wenig in Eile. Wundervolles Spätsommerlicht.
Dottoressa Dent richtete meine bröselnden Schneidezähne, wir tauschten uns über Altersgebrechen und alternative sportliche Bewegungsformen aus. Auf dem Rückweg zur Bushaltestelle blieb ich an besonders schöner Schwabinger Typografie hängen. (Herr Kaltmamsell behauptet ja, Zu-Fuß-Gehen mit mir gleiche Gassigehen mit einem Hund).
Ein weiterer Sommertag. Arbeit in der Arbeit. Mittags Pfirsiche (wenig Geschmack) mit Feta, nachmittags eine Hand voll getrocknete Aprikosen. Die Tageskarte für den MVV nutzte ich, um nach Feierabend zu Einkäufen an den Ostbahnhof zu fahren: Bei Mittemeer besorgte ich spanischen Käse und typische Geschmackszutaten für Eintöpfe.
Zum Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell Pakchoi aus Ernteanteil mit gebratenem Tofu und Reis, sehr gut. Nachtisch Schokolade.
Es gibt nur einen Menschen, mit dem ich meine gesamte Schulzeit geteilt habe: Die C. Sie war neben mir das andere Arbeiterkind in der Klasse, das von der Grundschule St. Pius aufs humanistische Gymnasium übertrat und dort Abitur machte (ich glaube, C. wollte immer Apothekerin werden). Wir kamen beide in die B-Klasse (die “brave”), wählten beide Griechisch, soweit ich es erinnere, saßen wir auch zusammen im Leistungskurs Griechisch. Auch wenn wir nie Freundinnen waren, besuchte ich sie zu Grundschulzeiten hin und wieder bei ihr daheim in einem etwas älteren Wohnblock als unserem zum Spielen. Ich erinnere mich an einen zutraulichen blauen Wellensittich, um den ich sie beneidete, an eine zarte und zierliche Mutter mit beeindruckend toupiertem schwarzen Haar, an ein Wohnzimmer mit vielen Rumsteherles, von denen mich die Porzellanfigürchen mit durchbrochenem Spitzenröckchen ungeheuer anzogen (meine Mutter war schon früh damit gescheitert, mir Design-Geschmack beizubringen). C. habe ich als eine heitere und freundliche Mitschülerin mit Biss vor Augen, nicht besonders sportlich, im Gegensatz zu mir ausgesprochen ehrgeizig. Eine weitere Erinnerung, die ich mit ihr verbinde: Eines Morgens zu Gymnasiumszeiten kam sie etwas aufgelöst in die Schule – sie habe morgens vergessen, die Badezimmertür zu versperren, und ihr Bruder sei hereingeplatzt, als sie gerade völlig nackt gewesen sei! So lernte ich, dass es in anderen Familien nicht wie bei uns üblich war, sich nackt in der Wohnung zu bewegen.
Gestern erfuhr ich über einen Facebook-Post (Zufall, denn ich bin dort selten), dass sie sehr krank ist – und im Oktober Großmutter wird. Und dachte dann viel an unsere gemeinsame Vergangenheit.
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