Journal Montag, 30. November 2020 – Ausflug in den Olympiapark mit Aussicht

Dienstag, 1. Dezember 2020 um 8:11

Beim nächtlichen Klogang gesehen, dass das Wohnzimmer vom Vollmond hell erleuchtet wurde. Gestörter Schlaf diesmal in den Stunden vor Weckerklingeln.

Ganz früher Reha-Sport: Frostige Sonne, wunderschönes Licht. (Wenige Reha-Patient*innen.)

Endgegner Wackelbrett: Ich muss darauf mit einem Fuß im Ausfallschritt stehen und dann freihändig ganz langsam das hintere Bein zu einem Knee-up nach Vorne führen.

Daheim Duschen – ich kann mich wieder komplett im Stehen anziehen, olé!

Zum (für mich) frühen Frühstück gab es zwei Scheiben Schokoladenbrot 60 Prozent mit Butter: Ausgezeichnet! Die Schokolade darin roch ich mehr als dass ich sie schmeckte, das war sehr gut.

Der Plan zur Putzmannflucht: Alter Nordfriedhof, an dem ich schon unzählige Male vorbeigeradelt bin, den ich aber noch nie besichtigt hatte. Hoffentlich würde die Physis das mitmachen.

Der Alte Nordfriedhof stellte sich dann als überraschend überschaubar heraus: Um alle, wirklich alle Wege gemütlich abzuspazieren, inklusive Krähengucken und Infoschilder lesen, reichte eine halbe Stunde. (Ich kannte die Friedhofsmauern durchaus vorher, ging aber irgendwie von einer übersehenen Erweiterung aus.) Sollten Sie also den Alten Nordfriedhof bezaubernd finden: Kommen Sie unbedingt rüber zu unserem Alten Südfriedhof. Bringen Sie viermal so viel Zeit mit.

Also fuhr ich weiter zum Olympiapark, ich hatte Lust, vom Olympiaberg runterzuschauen. Das stellte sich als ausgezeichnete Idee heraus: Das Wetter wechselte zwischen Sonne und Wolken, ich bekam Weite zu sehen, Ausblicke auf die ganze Stadt und auf die atemberaubende Olympia-Architektur, in der Nase Novemberfeuchte mit Laub und Erde (Wander-Erinnerungen und -Vorfreude), ganz oben auf dem Olympiaberg segelte sogar ein Wanderfalke an mir vorbei.

Links die Piktogramm für EiskunstlaufKunstturnen und Handball, in Orange (wie ich eben gelernt habe), weil diese Wettbewerbe 1972 in der Olympiahalle stattfanden, an denen sie befestigt sind.

Ich lese gerade Mark Holts Monumentalwerk Munich ’72. The Visual Output of Otl Aicher’s Dept. XI weiter, in dem er wirklich, wirklich erschöpfend die Erarbeitung des Designs um die Olympischen Spiele in München rekonstruiert; u.a. ist das 42-seitige Design-Manual abfotografiert und ins Englische übersetzt, u.a. beschreibt Holt die Entwicklung der bis heute verwendeten Icons für Sportarten, hat auch den Schöpfer Gerhard Joksch interviewt. Joksch war eigentlich Karikaturist und beschreibt, wie monatelang für jede Sportart auf Fotos eine charakteristische Bewegung oder Haltung gesucht wurde, die zum Vorbild für seine Piktogramme taugten (Holts Buch zeigt auch Vorstudien). Hier ein Interview mit Gerhard Joksch von 2013, an dessen Ende es auch darum geht, warum er nicht als Schöpfer der Piktogramme bekannt ist.

Zurück nahm ich die U-Bahn, stieg aber schon am Marienplatz aus, weil ich in zwei Läden nach einem dunkelblauen Kleid suchen wollte. Ich fand eines in tintenblauem Breitcord, doch die Filiale führte meine Größe nicht. Die freundliche Verkäuferin erkundigte sich in einer anderen Filiale: Ja, hatten sie, man legte mir das Kleid zurück. Mit der Folge, dass ich gestern deutlich länger zu Fuß unterwegs war als geplant.

Daheim bekam ich Schimpf von Herrn Kaltmamsell, ruhte mich umgehend mit Füßehoch aus. Gegen den Hunger gab es Linsensalat vom Sonntag.

Ich erledigte Bürokratisches. Schlechte Nachrichten aus der Arbeit, besäufniserregend.

Bis zum Abendessen stellte ich die Lieblingstweets des Novembers zusammen, dann gab es Nudeln mit den Entenresten vom Samstag in Entensoße. Und ein entspannendes Glas Rotwein.

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Was bei all den Corona-Sorgen fast untergeht: Es gibt ja auch noch Brexit. Für die ARD berichtet Annette Dittert: “Der Brexit-Parkplatz in Kent”.

Zudem: Als Bürger eines Nicht-EU-Lands dürfen Briten ab 1. Januar höchstens drei Monate am Stück in der EU verbringen – auch wenn sie ein Ferienhaus in der Provence oder einen Altersruhesitz in Spanien besitzen. So war die Regel natürlich schon immer, aber die britischen Tabloids stellten das gestern als extra Gemeinheit der EU gegen Briten dar, “EU’s new post-Brexit travel rules”.

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“How to make an AC/DC song in 30 seconds”.

via @holgi

die Kaltmamsell

7 Kommentare zu „Journal Montag, 30. November 2020 – Ausflug in den Olympiapark mit Aussicht“

  1. Nathalie meint:

    Eiskunstlauf 1972 in München? – Das würde mich wundern. ;-)

  2. die Kaltmamsell meint:

    Kunstturnen! Danke für denHinweis, Nathalie – womit meine Begeisterung über die Genialität der Piktogramme gelitten hat: Ich habe in diesem Piktogramm immer schon Eiskunstlauf gesehen.

  3. Trulla meint:

    Der alte Nordfriedhof, zu jener Zeit immer voller Leben (spielende Kinder, Jogger*innen, Obdachlose, Picknickende), war mein bevorzugter Spaziergang mit dem Enkelkind, als meine Sohnesfamilie noch in der Maxvorstadt ums Eck wohnte. Entweder dort oder nach kurzem Weg im Englischen Garten zu sein war größtes Vergnügen. Kinderwagen schiebend habe ich mir das ganze interessante Viertel erlaufen. Zudem habe ich bei meinen Besuchen aber ganz München lieben gelernt, gewohnt habe ich nämlich in den unterschiedlichsten Stadtteilen. Den Alten Südfriedhof kenne ich leider noch nicht, vielleicht nach Corona, wer weiß.

    In Hamburg haben wir einen riesigen Zentralfriedhof, den Ohlsdorfer Friedhof. Das ist nicht nur der größte Friedhof der Welt, sondern zugleich die größte Parkanlage Hamburgs, wunderschön gepflegt und gestaltet mit Seen, üppigst blühenden Rhododendren, unterschiedlichen Gedenkanlagen. Ein Besuch ist unbedingt lohnend und gehört für mich neben anderem zu den Kenntnissen über eine Stadt, in der man lebt. Deshalb hat es mich in Gesprächen immer verwundert, dass Hinzugezogene, die schon jahrzehntelang in meiner Stadt leben, noch nie dort waren und oft nur die Stadtteile kennen, in denen sie wohnen oder arbeiten. Das finde ich sehr schade.

    Ich habe leider schon öfter festgestellt, dass ich Piktogramme nur schlecht verstehen kann. Ein weiteres Manko, mit dem ich leben muss (geht aber gut).

  4. Flusskiesel meint:

    Das Wackelbrett sieht so aus, als könne man darauf Mühle spielen!

  5. Hans-Georg meint:

    Ich habe das Wackeldings geliebt während meiner Reha.

  6. SabineL meint:

    Besäufniserregend, das Wort merke ich mir. Vielen Dank für ein Grinsen im Gesicht an einem trüben Arbeitstag!

  7. Alexandra meint:

    Dachte ich auch immer – aber wird Eiskunstlauf nicht auch genauso dargestellt, ergänzt um Schlittschuhpiktogramme? *geht googeln*

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