Journal Sonntag, 21. Februar 2021 – Familien-Update mit scharfem Ostwind
Montag, 22. Februar 2021Wecker auf sieben, damit noch Zeit für Sport war. Denn ich fuhr gestern nach zweieinhalb Monaten mal wieder Zug, und zwar um meine Eltern zu besuchen. (Ich hoffe sehr, dass das kein Pandemie-Leichtsinn war.)
Sport war dann Crosstrainer-Aufwärmen mit Blick in einen weiteren sonnigen Tag und eine Runde Reha-orientiertes Krafttraining.
Wenn gewohnte technische Handgriffe plötzlich nicht funktionieren, ärgert mich das immer sehr. Gestriges Beispiel: Der Handy-Kauf eines Bayerntickets für die Bahnfahrt scheiterte, weil der Zahlungsschritt überraschend eine Verifizierung erforderte, die ich bei meiner Bank einholen müsse – dafür (oder für die Suche nach einem anderen Zahlungsweg) war in diesem Moment natürlich keine Zeit. Ich brach früher zum Bahnhof auf (warme Sonne, milde Luft) und holte mir ein Ticket am Automaten – der zum Glück ohne Überraschungen funktionierte.
Auf der Zugfahrt nach Ingolstadt wurde es in der Holledau immer nebliger, das hielt in Ingolstadt an – und dieser Nebel stellte sich als überraschend kalt heraus. Auf dem Fußweg zu meinen Eltern hätte ich Mütze und Handschuhe gut brauchen können, die mir im sonnigen München nicht in den Sinn gekommen waren. Aber ich war ja gut bepackt (nach der langen Zeit ohne Begegnung hatte sich einiges angesammelt, von ausgemusterter Kleidung über leere Plätzchendosen und Flaschen bis zu selbst gebackenem Brot und ein paar Bio-Avocados), richtig kalt war mir nicht.
Große Freude über das Wiedersehen mit meinen Eltern, beide wohlauf und mit pragmatischem Umgang mit der Pandemie-Situation (allerdings traurig über die fehlenden Reisemöglichkeiten, weil “uns läuft die Zeit davon”). Ich versuchte vergeblich, ein Computerproblem meines Vaters zu lösen (gemeinsames Weihnachten war ja ausgefallen): Er möchte seinen Laptop auf dem Fernseher spiegeln, wie es mit seinem Handy ganz einfach funktioniert, doch wenn ich dieselben Schritte über den Rechner mache, erkennen die beiden Geräte zwar einander, doch wenn ich am Smart-TV die Erlaubnis zum Verbinden anklicke, rödeln beide Seiten eine Weile, dann kommt die Fehlermeldung “Verbindung nicht möglich” – Herr Kaltmamsell wusste abends auch keinen Rat.
Meine Mutter hatte polnisch gekocht: Es gab Steinpilzcremesuppe, dann Kaninchenschenkel, Kopytka (allerdings nach einem anderen Rezept als meinem, ihres erzeugte deutlich flaumigere) und Rote-Bete-Gemüse – alles köstlich.
Mittlerweile war auch hier die Sonne rausgekommen, die gesamte Bruderfamilie (maskiert) holte uns ab zu einem Spaziergang Richtung Osten – in mittelbösem Ostwind. Über industriell bewirtschaftete Felder (an einem frisch gepflügte Feld sahen wir von fern einen Storch und einen Silberreiher) mit Industrieschloten im Hintergrund führten meine Eltern uns zum Himmelreich – jetzt habe ich das auch mal gesehen, liegt gleich vorm Fußballplatz des TSV Mailing-Feldkirchen, ich glaube ich schaue mir vor einer Entscheidung fürs Leben nach dem Tod doch erst nochmal die Hölle an (oder vielleicht ist das ja nur das Himmelreich für Ingolstädter und ich als Münchnerin bekäme im Fall des Falls ein anderes?). Wir begegneten vielen Radlern und Radlerinnen, 90% mit Elektromotor, doch Gegend und Wetter waren nicht verlockend genug für unangenehme Menschenmassen. In den knapp anderthalb Stunden wechselte ich zu Gesprächen mit jedem und jeder mal durch, ich habe jetzt wieder einen kleinen Einblick in das Leben meiner Eltern und der Bruderfamilie (und rede mir fest ein, dass im scharfen Ostwind und mit Abstand kein Aerosol eine Chance gehabt hätte).
Bepackung für meine Heimfahrt war eine Seite heimische geräucherte Lachsforelle von Frau Schwägerin und ein Flasche spanischer Brandy Carlos I. von meinem Vater, die schon so lange auf Einsatz gewartet hatte, dass sie noch in Peseten bepreist war. Mit einem Glas davon stoßen wir in zwei Wochen auf erfolgreichen Umzug an (oder beruhigen uns nach Katastrophen).
Zu Hause half ich Herrn Kaltmamsell, den seit Jahren ungeputzten geerbten Kronleuchter in unserem Bad abzunehmen, damit Herr Putzmann ihn bei seinem Einsatz am Montag vor Umzug ins neue Bad reinigen kann. Ich machte noch eine Runde Yoga, bis ich als Begleitung des Lauch-Flammkuchens aus der Hand von Herrn Kaltmamsell zum Abendessen einen weiteren Avocadosalat mit Grapefruit und diesmal auch einer Blutorange zubereitete.