Journal Sonntag, 14. März 2021 – Pop-up-Kunst im Schlafzimmer

Montag, 15. März 2021 um 6:24

Nach genügend Schlaf zu Schneeregen/Schnee aufgewacht, von kräftigem Wind schräg geblasen.

Nach gemütlichem Morgenkaffee und Bloggen zog ich Sportkleidung an. Plan war, das Bücherregal im Flur zu befüllen und dann endlich mal wieder ausgiebig Reha-Gymnastik zu treiben.

Nach gut zwei Stunden Kistenheben, leere Kisten Falten und Stapeln, Büchereinräumen und -umräumen, Leiter Hoch- und Runtersteigen, volle Kisten Neustapeln, freigewordene Fläche mit Teppich und Sesseln Ausstatten, Stapel leerer Kisten in den Keller Räumen – war das dann doch genug Workout für den Tag und die Sportkleidung verschwitzt. Der Lohn: Aus einem bestimmten Blickwinkel sieht man im Wohnzimmer keine Umzugskisten mehr.

Das Wetter war weiterhin unwirtlich, beim Semmelholen geriet ich in einen Graupelschauer. Den ganzen Tag über wechselten sich Sonne, Schnee, Graupel, Wind und Regen ab – der März übte April.

Blick aus dem Schlafzimmerfenster in einer Sonnenphase.

Zum Frühstück gab es eine der Samstag gelieferten Avocados gleich mal auf Semmel. Dann machte ich es mir im Sessel wirklich gemütlich und las liegengebliebene SZ-Magazine.

Doch noch eine Runde geräumt: Weitere leere Kartons flachgefaltet und in den Keller gebracht (nur vorübergehend, bis alle leeren Umzugskarton über ebay Kleinanzeigen o.Ä. weitergegeben werden können).

Mein Schlafzimmer wird noch eine ganze Weile auf seinen Einbauschrank für ALLES warten müssen. Gestern nutzte ich die bis auf Weiteres leere Wand dahinter, um nach vielen Jahren Besitz diesen großformatigen Druck (180cmx114cm) aufzuhängen.

“Blauer Himmel” von Sandra Anzer. Er ist ein Resultat der Zusammenarbeit des Lehrstuhls für Kunstpädagogik der Uni Augsburg mit (damals noch) MAN B&W Diesel – wo ich zu dieser Zeit arbeitete. Ein Kollege organisierte immer wieder ein Malen in der Fabrik: Studierende des Lehrstuhls kamen in die schönen alten Werkshallen, in denen riesige Schiffsdieselmotoren gebaut wurden, und malten oder zeichneten dort. Damals gehörte auch MAN Roland noch zum MAN-Konzern, auf deren Druckmaschinen wurden von einer Auswahl der Werke Drucke angefertigt – und diesen hier hatte ich für mich erbeten. Bis gestern stand er zusammengerollt in einem Eck und überstand jede meiner Wegwerf-Aktionen; ich mochte das Bild wirklich gern (wer mal in einer der Werkshallen war, erkennt das Orange der riesigen Krane sofort wieder), außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass der Druck unersetzlich ist.

Zum Befestigen verwendete ich englisches Blue-Tack, ich hatte noch den Rest einer uralten Packung. Selbst wenn die Knetklebemasse Flecken auf der Wand hinterlässt: Verschwinden ja hinter dem Einbauschrank. Das Alter des Blue-Tack macht es allerdings wahrscheinlicher, dass der Druck recht bald runterfällt.

Zeit, Muße und Platz (!) für eine Einheit Yoga, ziemlich anstrengend.

Zum Nachtmahl gab es Sauerkraut und Salzkartoffeln aus Ernteanteil, dazu Leber- und Blutwurst (gibt’s die überhaupt noch mit Speckwürfeln? habe ich möglicherweise zuletzt vor Jahrzehnten gegessen). Nachtisch Schokoladenspeise.

§

Ich fange an, Artikel über den aktuellen Streit zu “Identitätspoltik” (wann hat er diesen Titel bekommen?) zu überblättern, weil mir von allen Seiten nur noch unsachliche Zuspitzungen ins Auge stechen, auf den ersten Blick vor allem extreme Einzel-Auswüchse der Gegenseite als Argumente aufgeführt werden und nicht über die unterschiedlichen Prämissen gesprochen wird, die meiner Ansicht nach zu den unterschiedlichen Betrachtungen desselben Sachverhalts führen.

Sibylle Bergs Essay ist ebenfalls anekdotisch, doch sie fasst die derzeitige Lage zusammen, wie auch ich sie sehe:
“Debatte über Identitätspolitik
Lesen hilft!”

Viele fliegen aus der Kurve und verkehren nur noch mit Menschen, die ihnen sehr ähnlich sind. Wie alle gesellschaftlichen Veränderungen braucht auch der aktuelle Kampf für Gerechtigkeit für alle eine Aggressivität, denn viele sind es leid, die gleichen Auseinandersetzungen immer und immer wieder zu führen.

Die Wut, die Lautstärke sind verständlich, denn es ist immer ein Kampf, anderen klarzumachen, dass sie außer Gewohnheiten nichts verlieren, wenn wir teilen. Und zwar alle dasselbe: die Abhängigkeit von Arbeitgebern und die absolute Ohnmacht. Und wenn wir Kleinbürger uns die Augen ausstechen, wird es natürlich nichts mit einem gemeinsamen Gefühl dafür, was eigentlich die Macht der Massen wäre.

(…)

Bernd Stegemann hat aus der Sicht eines weißen Mannes über Wutkultur geschrieben und liefert viele gute Positionen. Die Wichtigste ist: dass hinter all den Forderungen, die im Moment scheinbar zu laut vorgetragen werden, nur eines steht: Alle sollten die gleichen Rechte haben. Gleich im Ansehen, in der Wertung, die gleichen Chancen, sich ausbeuten und unterdrücken zu lassen.

die Kaltmamsell

2 Kommentare zu „Journal Sonntag, 14. März 2021 – Pop-up-Kunst im Schlafzimmer“

  1. Alexandra meint:

    Die kleinste Einheit des oben genannten Streits ist doch: “Du bist Deine Meinung – ich lehne diese ab, also auch Dich!”.

    Die Sensibilität, diese beiden Aspekte fein zu trennen, könnte der konstruktiven Auseinander-Setzung dienlich sein.

    Denke ich.

  2. Gaga Nielsen meint:

    Der Schlafzimmerausblick! So schön. Ich stelle mir vor, das ist die Serengeti, gleich kommt eine Giraffenfamilie vorbei. Wenn dann erst die grünen Blätter an den Bäumen sind – wie in der Ferienwohnung!

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