Journal Donnerstag, 8. April 2021 – Pandemie-Erinnerungen

Freitag, 9. April 2021 um 6:52

Gut geschlafen – aber halt nur bis dreiviertel vier, dann gab’s bis Weckerklingeln nur noch Dösen in verschiedenen Lagen.

Draußen immer noch Winter.

Es war ein bisschen wärmer geworden: Kein gefrorener Boden mehr. Über den Vormittag aber weiterer Schneefall.

Mittags eine Breze, Orange mit Hüttenkäse.

Anruf der Installationsfirma wegen des defekten Eckventils zur Waschmaschine: Ich konnte zwar Details erklären, für Terminvereinbarung musste ich allerdings an Herrn Kaltmamsell verweisen, der jetzt noch Ferien hat.

Anruf des Amtsgerichts (ZWEI Anrufe auf meinem Smartphone an einem Tag, damit ist ja das Kontingent für den ganzen Monat aufgebraucht): Ob ich Freitagmorgen als Schöffin einspringen kann. Klar kann ich, dafür sind Hilfsschöffinnen da.

Auf dem Heimweg (sonnig, weiterhin kalt) schnelle Einkäufe im Supermarkt für Brotzeit. Zu Hause Yoga, dann kam Herr Kaltmamsell vom Friseurbesuch heim, mit sehr kurzen Haaren. Er servierte zum Nachtmahl Sauerkraut aus frisch geholtem Ernteanteil mit fränkischen Bratwürsten. Dann wieder viel Osterschokolade (diesmal aber Stopp vor Übelkeit).

Abenunterhaltung eine weitere Folge Star Trek Picard.

§

Melissa Fay Greene recherchiert für The Atlantic ausgehend von unseren persönlichen Pandemie-Geschichten zu einem meiner Lieblingsthemen: Wie Erinnerung funktioniert.
“You Won’t Remember the Pandemic the Way You Think You Will”.

via @ankegroener (in einem Blogpost geht sie ausführlich auf den Aufsatz ein)

Unter anderem:

“Even as we experience an event,” Robyn Fivush has written, “we are already beginning to think about how to tell this event to another person at a later time.”

(…)

According to Halbwachs, we begin composing our memories in anticipation of sharing them.

Ach – ich dachte, das gehe nur Blogger*innen so.

Meinen Moment, in dem die Pandemie bei mir persönlich ankam, habe ich schon bald so erzählt: Es war der 10. März 2020. Die Nachrichten zu Covid-19-Infektionen waren immer näher gekommen, es hatte bereits den Ausbruch in Bayern gegeben und Ischgl als – wie man heute weiß – europäisches Superspreader-Event. Für diesen Dienstagabend war ich mit Herrn Kaltmamsell seit Monaten zu einem Quigong-Schnuppertraining verabredet. Nachmittags schrieb ich dann per Twitter-DM:

Am Donnerstag, 12. März, sagte die Gastgeberin diese Familienfeier ab (ein 50. Geburtstag, den wir bis heute nicht nachgefeiert haben), am Sonntag war Kommunalwahl in München, bei der mir die körperliche Nähe zu den anderen Wahlhelfenden beim zweitägigen Auszählen als Infektionsrisiko sehr bewusst war (Masken gab es ja keine, sie waren damals aber auch noch nicht als Schutz belegt).

Weitere sehr lebendige Erinnerung der Anfangszeit: Wie Herr Kaltmamsell von nix auf gleich sein Unterrichten auf Distanz umplanen musste, gleichzeitg 24/7 daran ackerte, die Schule, an der er arbeitet, zu Distanzunterricht zu befähigen, durch Technik und Fertigkeiten.

Seither hat sich mein Berufsalltag wenig verändert, ich bin weiterhin fast täglich im Büro, zum einen, weil ich viel mit Dingen zu tun habe, die ich für eine Verarbeitung daheim aufwändig zu mir nach Hause und wieder zurück transportieren lassen müsste, zum anderen um den anderen in der Abteilung das Arbeiten von daheim zu ermöglichen. Verändert haben sich im Job alle Besprechungen, die mittlerweile durchwegs über MS Teams stattfinden. Ich bin dankbar, dass ich hier Sicherheit und Einkommen habe.

Fast komplett eingefroren ist halt mein Leben abseits des Geldverdienens: Keine Treffen mit Freunden und Familie, kein Ausgehen, keine Restaurants, kein spontanes Einkaufen, keine echten Ausflüge, kein Kino, kein Theater, keine Reisen. Und keine Unbefangenheit beim Verlassen der eigenen vier Wände. Aber Dankbarkeit, dass ich mich nicht um Kinder kümmern muss.

Der allgemeine Schrecken der Anfangszeit, der die gesamte Gesellschaft zu Zusammenhalt und Disziplin brachte, die Politik zum Abweichen von parteipolitischen und sonst gewohnten Reflexen, ist längst verflogen. Derzeit sehe ich die Zukunft der Pandemie wie das Wetter: Ich kann keinen Einfluss nehmen, die Motivation der komplett erratischen politischen Entscheidungen ist mir ein Rätsel, ich kann nur abwarten und mich selbst schützen.

§

Nachdem #metoo zu lange her zu sein scheint, hier ein Twitter-Thread inklusive Antworten, was das Berufsleben von Frauen in der Gastronomie mit sich bringt.

die Kaltmamsell

2 Kommentare zu „Journal Donnerstag, 8. April 2021 – Pandemie-Erinnerungen“

  1. Beate meint:

    “Derzeit sehe ich die Zukunft der Pandemie wie das Wetter: Ich kann keinen Einfluss nehmen, die Motivation der komplett erratischen politischen Entscheidungen ist mir ein Rätsel, ich kann nur abwarten und mich selbst schützen.”

    Danke hierfür, genau meine Gedanken. Solange wir nicht “Herdenimmunität” durch Impfen haben, werde ich meinen eigenen kleinen Lockdown machen (müssen).

  2. obadoba meint:

    Der Absatz, den Beate zitiert hat ist auch der, der bei mir laut klingelt.

    So hat sich das inzwischen bei mir auch etabliert. Und genau wie ich beim Wetter nur zu besonderen Anlässen schaue, wie es werden wird, lasse ich die politischen Entscheidungen inzwischen weitgehend an mir vorbei rauschen und kümmere mich nur zu besonderen Gelegenheiten darum.

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