Archiv für April 2021

Journal Freitag, 16. April 2021 – Gästevermissung

Samstag, 17. April 2021

Das war eine lange Woche. Ich fühlte mich knochenmüde und mag nicht mehr.

Mit dem Rad in die Arbeit, weil ich nach Feierabend noch zum Viktualienmarkt wollte. Ich brauchte wieder Mütze und Handschuhe.

Mittags gab es Breze, Apfel Orange, Grapefruit, Quark – das war zu viel, aber irgenwie schien es mir umständiglich, die halbe Schüssel Orange und Grapefruit mit Quark stehen zu lassen.

Einige Stunden niederhirnige Arbeit. Mache ich hin und wieder ganz gerne, weil meine Gedanken dabei umherschweifen können. Immer mit dem Nachteil, dass ich dazwischen hochschrecke, keine Erinnerung daran habe, was ich in den vergangenen Minuten getan habe – und befürchte, Mist produziert zu haben.

Nach Feierabend radelte ich nach Langem mal wieder die Schwanthalerstraße lang: Sie erfordert immer noch Baustellen-Slalom und endet in einem Hindernis-Parcour über die Sonnenstraße, auf der die Straßenbahnschienen erneuert werden.

Am Viktualienmarkt steuerte ich erst mal den vertrauten Wild- und Geflügelladen an: Die Rollläden waren herabgelassen, doch die Tür stand zum Glück offen. Ich bat um ein Kaninchen (Sonntagsbraten) – und war verdutzt, dass eine Packung aus der Kühlung geholt wurde, wie ich sie aus Supermärkten kenne (ich war wohl von einem Direktlieferanten ausgegangen). Auf meine Bitte bekam ich das Kaninchen gleich in Stücke zerteilt. An einem Obst- und Gemüsestand besorgte ich noch Grü-Soß-Kräuter und Bouquet Garni für den Kaninchenbraten.

Durch dichten Freitagabendverkehr (Pandemie? welche Pandemie?) radelte ich heim, dort erst mal eine Runde Yoga – der Baum wurde bei zweiter Pflanzung bereits aufrechter.

Herr Kaltmamsell bereitete das Abendessen zu, ich reichte zum Aperitif Negronis an. Im Abendlicht in der Küche stehend erkannte ich, wie hervorragend sie sich für den ersten Teil einer Abendessenseinladung eignet: Gäste haben genug Platz, mit einem Gläschen irgendwas herumzustehen, das Balkönchen lädt zum Rausgehen ein und bietet den wundervollen Blick über den Park. Ich vermisse Gäste. Sehr.

Vorspeise waren frittierte Garnelen (selbst paniert, knusprig und saftig und köstlich). Dazu Riesling.

Dann teilten wir uns ein Entrecôte, dazu Ruccola aus Ernteanteil und Kartöffelchen aus dem Speiseföhn.

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Die Neue Züricher Zeitung hat sich strukturiert und ausführlich mit einem sonst nur zum Schimpfen verwendeten Phänomen befasst:
“Die vielen Gesichter der Dummheit”.

Autorin Lea Haller geht den Konzepten der Dummheiten durch die Menschheitsgeschichte nach und wie sie gewertet wurden – durchaus nicht immer negativ.

Journal Donnerstag, 15. April 2021 – Arbeitsgedanken

Freitag, 16. April 2021

Eine Nacht mit dreimal Aufwachen aber recht bald wieder Einschlafen gilt mittlerweile als eine gute.

Eisiger Arbeitsweg, die Theresienwiese war gefrostet.

In der Arbeit Erinnerungen an katholische Jugendarbeit und an Kreativ-Workshops in Agenturen und an anderen Arbeitsplätzen vor 20, 15, 10 Jahren: Manche Dinge kommen immer wieder.
Schlimme Erkenntnis: Auf meinem persönlichen Berufsweg wurden merkliche Änderungs-/Verbesserungssprünge nur erzielt, wenn Alpha-Männer, die sich nix schissen, bei den Silberrücken damit durchkamen. Lag hoffentlich nur an den Branchen, in denen ich unterwegs war.

Zu Mittag gab es ein Schinkenbrot aus Selbstgebackenem aus der Gefriere und ein paar frühe, aber aromatische Tomaten.

Vor dem Bürofenster sah ich hin und wieder Schneeflocken.

Viel Arbeit, es wurde später als geplant. Auf dem Heimweg büßte ich meine Mützenverweigerung, ein böser Wind biss in meine Ohren.

Beim Heimkommen keine Lust auf Yoga. Ich machte zum Abendessen eine sehr große Schüssel Salat aus den ersten Salatkopf (Batavia) des Jahres aus Ernteanteil mit Tahini-Dressing und weiteren Tomaten. Dazu ein Butterbrot, danach eine Schale Vanilleschokopudding aus der Hand von Herrn Kaltmamsell.

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Das New York Times Magazine über Jo van Gogh-Bonger, die Schwägerin von Vincent van Gogh: Ausführliche historische Recherchen haben ergeben, dass sie es war, die nach dem frühen Tod des Malers und kurz darauf seines Bruders für den Weltruhm sorgte – indem sie über Vincents Briefe Leben und Werk unzertrennlich machte und das Bild vom gequälten, leidenden Künstler formte, das wir bis heute vor Augen haben. (Liegt hier vielleicht ein Schlüssel zu dem Umstand, dass für den Marktwert eines Kunstwerks seine Herkunft von einem konkreten Menschen definitorisch ist? Weil die Rezeption das Werk nur zusammen mit einer bestimmten Biografie denken kann? Und wenn sich herausstellt, dass dasselbe Meisterwerk von jemand anderem geschaffen wurde, zerreißt dieses Band und es ist schlagartig nichts mehr wert?)
“The Woman Who Made van Gogh”.

A question that had never been completely answered: How exactly did the tortured genius, who alienated dealers and otherwise thwarted his own ambition time and again during his career, become a star? And not just a star, but one of the most beloved figures in the history of art?

Journal Mittwoch, 14. April 2021 – Keine Aussichten

Donnerstag, 15. April 2021

Aufgewacht zu keinem Schneefall. Kalt war es auf dem Weg in die Arbeit aber doch ganz schön (verweigere allerdings inzwischen Mützen und verlasse mich auf meine rausgewachsenen dichten Haare), ich lief zackig.

Meinen Lippen geht es gerade deutlich besser, ohne dass ich irgendwas getan habe – was für Stoffwechsel/Hormone als Ursachen spricht. (Die Creme mit Harnstoff hatte ich nach einer Woche ohne Besserung bleiben lassen, nur noch meine gewohnte Lippencreme benutzt, damit ich lächeln konnte, ohne dass die Haut platzte.)

Nebeneffekt der seit sechs Monaten ungeschnittenen Haare: Ich lerne, dass ich mit dem Altern Locken bekommen habe, zumindest Wellen.

Emsigkeit in der Arbeit. Zu Mittag gab es Birnen mit einem Stück Käse.

Überraschender Rücksendegrund eines bei mir bestellten Pakets:

Auf dem Heimweg Corona-Koller: Steigende Infektionszahlen, keine Aussicht auf wirkungsvolle Maßnahmen zur Beendigung der Pandemie (die Politik scheint sie lediglich dauerhaft verwalten zu wollen), daher auch keine Aussicht auf ein Ende des Ausnahmezustands vor Ende dieses Jahres – ich war durch und durch niedergeschlagen. Wieder vereinzelte Schneeflocken, das verbesserte meine Laune nicht. Unterwegs Obst und Gemüse für die nächsten Tage eingekauft.

Zu Hause eine kurze, aber anstrengende Einheit Yoga (erster Versuch Baum wurde eher bodendeckendes Gebüsch), die mache ich nochmal.

Fürs Abendessen war ich zuständig. Ich versuchte eine Köstlichkeit aus Studienzeiten (1990er) nachzubauen, die Freund Frank gerne im Ausgburger Annapam aß: Tortellini in Schinken-Sahne-Soße (mit Erbsen). Ganz falsch wären dafür Zutaten von einer Qualität gewesen, die wir heutzutage anstreben, doch selbst bei Aldi fand ich nicht mehr die billigen getrockneten Tortellini von damals. Das Gericht wurde also durchaus wohlschmeckend, aber nicht wirklich wie seinerzeit. Dazu gab es Gurkensalat.

Zu viel Schokolade zum Nachtisch (leichte Übelkeit).

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Dasselbe Thema schon wieder – auch mich langweilt es schon seit Langem, aber davon geht es nicht weg. Weil:

Die allermeisten Männer haben keine Ahnung davon, was Frauen alles tun, um sich vor übergriffigem Verhalten von Männern zu schützen. Das können praktische Dinge sein wie: nicht allein im Dunkeln bestimmte Wege gehen, Selbstverteidigung lernen, Pfefferspray in der Jackentasche haben oder Fake-Telefongespräche führen, in der Bahn dicke Kopfhörer tragen, obwohl da gar keine Musik rauskommt, oder einen BH anziehen, obwohl es nicht nötig wäre. Oder es können eher psychische Vorgänge sein: dumme Sprüche ignorieren, sich Situationen schönreden oder Hinweise auf Gefahren ausblenden, um sich nicht permanent ablenken zu lassen.

So beginnt Margarete Stokowski ihre aktuelle Spiegel-Kolumne:
“Die Unschuldsvermutung gilt nicht nur für Männer”.
Was dann folgt, wurde ebenfalls unzählige Male berichtet und analysiert: Wie Frauen bis heute in Fällen sexualisierter Gewalt immer erst mal eine Mitschuld zugeschrieben wird. Margarete Stokowski nimmt ein weiteres Mal auseinander, was das anrichtet.

Journal Dienstag, 13. April 2021 – Foto von kein Frühlingsfest

Mittwoch, 14. April 2021

Anblick beim Weckerklingeln (nachts mehrfach aufgewacht, aber immer gleich wieder eingeschlafen).

Und hier sehen sie nicht das Frühlingsfest, das zum zweiten Mal wegen der Corona-Pandemie ausfiel, vor der Kirche St. Paul. (Auch zum zweiten Mal: kein Theresienwiesen-Flohmarkt.)

Die verschneiten Bäume um die Theresienwiese sind durchwegs Linden, die in zwei Monaten bitteschön programmgemäß zu blühen, duften und summen haben.

Also ein Arbeitstag ohne Brille. Korrekturlesen von Ausdrucken auf dem Schreibtisch und Lesen am Bildschirm gingen problemlos, doch alle entgegenkommenden Menschen, die mich anschauten, lächelte ich vorsichtshalber an.

Mittags gab’s mehr Bulgursalat aus der sonntäglichen Produktion. (Jaha! Ich hatte mich ein wenig verschätzt und eine Party-Portion hergestellt. Vermutlich musste ich einfach ganz dringend mal wieder IRGENDWAS in Party-Portionsgröße herstellen.) Ich aß ein wenig zu viel und fühlte mich abschließend unangenehm überfressen.

Tagsüber blieb es trocken, doch nach Feierabend ging ich in erneutem Schneefall zur Post (erste Male: internationales Einschreiben mit Rückschein), von dort zum Optiker. Ich bekam meine reparierte Brille und Erläuterungen zu Gleitsichtgläsern: routiniertes Verkaufs-Shtick mit schiefen Vergleichen (Brillengläser seien wie Schuhe – es gebe nicht ein Paar für jeden Einsatz) und wenig Naturwissenschaft – dabei bekäme man mich mit echter Optik, inklusive Diagrammen etc. Erste Messungen zu Sichtrichtungen durch den ausgewählten Brillenrahmen, das Seh-Messen verschoben wir auf die ausgeruhten Stunden am Samstagvormittag.

Die Blüte meiner Referenz-Zierkirschen habe ich dieses Jahr wohl verpasst: Vergangene Woche waren erst ein Drittel der Blüten geöffnet, und als ich Montagabend im Schneefall daran vorbeikam, vermischten sich die Blütenblätter bereits am Boden mit den Schneeflocken.

Daheim eine Runde Yoga mit viel Hüfte, gestern hatte ich richtig Lust darauf.

Zum Abendessen gab es Reste: Die Brühe, in der das Tellerfleisch gegart worden war, restlichen Karottenkuchen, Osterschokolade.

Abendunterhaltung eine Folge Star Trek Picard – aber ich verliere das Interesse (das Star Trek-Konzept der abgeschlossenen Handlung pro Folge hatte schon was).

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Corona-Leugnung enthält gerne mal das Argument, ganze Intensivstationen in Krankenhäusern stünden leer. Dass das keine Erfindung ist und wie das trotz immer lauteren Notrufen von Intensivmedizinerinnen kommt, erklärt @narkosedoc in einem Twitter-Thread.

Journal Montag, 12. April 2021 – Brille kaputt

Dienstag, 13. April 2021

Diese Arbeitswoche begann wie die vorhergehende mit Schneetreiben. Ich war von daheim mit Schirm losgezogen, weil es durchaus energisch regnete, doch im Lauf meiner guten halben Stunde Fußweg zum Büro verwandelte sich der Regen erst in Griesel, dann in Schnee. (Nachdem ich am Sonntag den ganzen Tag Fenster offenlassen konnte.)

Vormittags vor dem Bürofenster Leiserieselter, nachmittags immer wieder vereinzelte Flocken bis Schneeschauer.

Zu Mittag gab es ein Stückchen Cheese-and-Onion-Pie und Bulgursalat.

Den ganzen Tag über emsiges Arbeiten.

Auf dem Heimweg stoppte ich noch im Supermarkt für Einkäufe, beim Einräumen hinter der Kasse passierte es: Wieder einmal rutschte mir die Brille bei Runterschauen von der FFP2-Maske, und diesmal fing ich sie nicht auf (weil beide Hände voll), sie federte auch nicht vom Boden ab, sondern brach auf den Supermarkftfliesen mitten durch am Steg. Mit zwei halben Brillen in der Tasche meines Ledermantels ging ich heim und hoffte darauf, dass mein freundlicher Nachbarschafts-Optiker noch offen sein würde. (Die Sekundenkleber-Methode hatte ich beim letzten Nasensteg-Bruch angewendet und mir fürchterlichen Schimpf der Optikerin eingehandelt: Der Sekundenkleber macht eine echte Reparatur unmöglich.) Ich brachte nur schnell meine Einkäufe hoch und eilte weiter ins Brillengeschäft.

Noch ein Glück hatte der Laden noch offen, noch ein Glück beruhigte mich die Optikerin gleich: Die Brille könne man kitten. Das dauert allerdings, weil die Stelle für Stabilität erst trocknen muss, 24 Stunden lang bin ich brillenlos.

Ich sah den Unfall als ein Zeichen: Eigentlich ist die Korrekturstärke der Brille schon seit Jahren nicht mehr aktuell. Also sah ich mich bei dieser Gelegenheit nach einer neuen Brille um. Die Optikerin (diese Angestellte kannte ich noch nicht, ich war schließlich viereinhalb Jahre nicht mehr da) hielt mich vermutlich für eine Angeberin, als ich sie warnte: “Mir steht jede Brille – was die Wahl leider nicht leichter macht.” Nachdem ich mir querbeet alles mögliche aufgesetzt und sie damit angesehen hatte, auch ausgesprochen alberne Gestelle, musste sie lachen: Das habe sie ja noch nie erlebt. Während sie auf meine Bitte Modelle heraussuchte, die meiner vorherigen Brille möglichst nahe kamen (am liebsten hätte ich das gleiche nochmal gehabt, doch der Hersteller produziert es nicht mehr), machte ich mir den Sport welche zu finden, in denen ich zweifelsfrei scheiße aussah. Ich gewann.

Die Optikerin riet mir, die Entscheidung nicht gleich zu treffen, sondern Selfies zu machen und darüber nachzudenken – sie vielleicht jemandem zu zeigen. Lassen Sie uns das doch mal anders als sonst machen: Ich zeige Ihnen nicht die beiden Modelle, zwischen denen ich mich entscheiden werde, sondern die Schabernack-Exemplare.

Zurück zu Hause war mir die Lust auf Yoga vergangen, ich half Herrn Kaltmamsell bei der Zubereitung des Abendessens (auf die Nähe brauche ich ja keine Brille): Es gab nochmal Tellerfleisch mit Meerrettichsauce und Salzkartoffeln. Nachtisch Osterschokolade.

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Smilla hat in einem früheren Arbeitsleben mit Peter Patzak zusammengearbeitet, dem kürzlich verstorbenen Film-Regisseur von u.a. Kottan ermittelt. Sie schreibt einen ganz persönlichen und anrührenden Nachruf:
“Nur eins”.

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Das hier sollte international viral gehen. (Augsburger Schwäbisch.)

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https://youtu.be/A0EqaSBurX0

Journal Sonntag, 11. April 2021 – Ein bisschen Frühling im Südfriedhof

Montag, 12. April 2021

Lang geschlafen, bis sieben, das machte die nächtlichen Unterbrechungen wett. Nach dem Aufwachen erst mal Rollläden hochgezogen, mit Brille und mehr Kopfkissen zurück ins Bett und auf Park und Himmel geschaut. Das Wetter wechselte gestern zwischen Wolken und Sonne mit überwiegend Sonne.

Vormittags meine wöchentliche Runde Quietschknarzklack auf dem Crosstrainer. Vor dem Fenster Natur inklusive Tauben, die ich bereits vom Balkon kannte und inzwischen unterscheiden kann: Weißbäckchen, Lochschwanz, Shabby.

Ein bisschen ins Draußen zum Semmelholen, in der Sonne war es T-Shirt-warm. Ich machte einen kleinen Umweg, um nach dem Alten Südfriedhof zu schauen.

Einige Bärlauchsammleri*nnen, zum Teil mit großen Plastikkörben; ich roch den Bärlauch, obwohl er noch nicht blühte.

Zum Frühstück zwei Semmeln und ein Stückchen Cheese-and-Onion-Pie. Der Pie war ja als besonders Picknick-geeignet deklariert – kalt ist er allerdings deutlich wuchtiger als warm.

Internetlesen, im besonnten Sessel las ich die Wochenend-Süddeutsche, außerdem holte ich die vom Freitag nach.

Eine Runde Yoga in der Sonne (ab Montag zeigt die Wetter-App wieder Schneesymbole).

Herr Kaltmamsell sorgte fürs Nachtmahl, ich bereitete Bulgur-Salat für uns beide als Montags-Brotzeit zu, mit viel Petersilie und einer Karotte aus Ernteanteil, außerdem roter Paprika und Datteltomaten.

Das Nachtmahl dann:

Tellerfleisch aus Bürgermeisterstück (göttlich) mit Meerrettichsauce und Salzkartoffeln. Ich hatte Lust auf ein Glas Rosé dazu. Danach Osterschokolade.

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Auf diesen Artikel in der Wochenend-Süddeutschen hatte ich mich nach der Ankündigung mit Abonnenten-Newsletter gefreut (€):
“Erben für alle”.

Barbara Vorsamer schreibt über die soziale Ungleichheit in unserem Land durch Vermögen – doch sie ist nicht etwa (wie sonst fast alle Autor*innen zum Thema) jemand, die mit dem Nicht-Erben klarkommen muss, sondern gehört zur erbenden Schicht, in der viele von den Verwandten mehr Geld bekommen, als sie selbst jemals durch Erwerbsarbeit verdienen werden. (Es gibt also durchaus bedingungsloses Grundeinkommen – halt nur nicht vom Staat.) Vorsamer findet das nicht nur ausgesprochen ungerecht, sondern kritisiert auch die fehlende Selbstwahrnehmung von Vermögenden als vermögend.

Wer aber zugleich behauptet, Mittelklasse zu reisen und dann allen Mitreisenden die Aussicht vom Oberdeck beschreibt, gibt allen anderen das Gefühl, einfach zu blöd zum Aus-dem-Fenster-Schauen zu sein. Während dieser Text entsteht, spreche ich mit vielen Leuten über Geld, zum Beispiel mit einem Unternehmensberater-Paar, das gemeinsam eine Viertelmillion im Jahr verdient, mit einer Grafikerin, die in der Eigentumswohnung ihrer Oma lebt, und mit einem Rentner, der sein Häuschen im Speckgürtel Münchens abgezahlt hat. Alle protestieren beleidigt, wenn ich sie als reich bezeichne.

(…)

Weil man sich aber nur ungern eingesteht, Profiteur der Verhältnisse zu sein, redet man den eigenen Wohlstand klein. Dann sinkt der Preis der Eigentumswohnung im Small Talk um 100 000 Euro, womit man den anderen allerdings das Gefühl gibt, den Immobilienmarkt nicht richtig zu durchschauen. Das Designer-Sofa? War ganz günstig, Zufallsfund. Die Ferienwohnung in Kitzbühel? Haben meine Eltern schon eeewig, früher war es ja auch noch gar nicht so teuer da. Diese Pseudo-Bescheidenheit ist oft nett gemeint. Tatsächlich aber lassen solche Sätze weniger Privilegierte verzweifeln. An der eigenen Arbeitskraft, dem eigenen Geschick, dem eigenen Wert. Wieso schaffen die das und ich nicht? Vielleicht sollte man lieber sagen: Ich habe eine Viertelmillion geerbt und kann mir das leisten, du halt nicht, sorry.

Auch die Autorin bemerkt, wann sie an die Grenzen ihres Ungerechtigkeitsgefühls kommt:

Am wichtigsten aber wäre es, politisch für Veränderung zu kämpfen, allem voran für höhere Erbschaftssteuern und eine Vermögensabgabe. Und dann sagt Julia Friedrichs noch: “Das Finanzministerium hat ein Spendenkonto.”

Echt jetzt? Das Geld, das ich geschenkt bekommen habe, lag deutlich unter der Bemessungsgrenze für die Erbschaftssteuer. Ich finde das natürlich falsch, ich finde die Erbschaftssteuer zu niedrig, die Bemessungsgrenze zu hoch, doch so geht es mir auch mit der Pendlerpauschale oder dem Ehegattensplitting. Finde ich alles nicht gut, taucht aber alles in meiner Steuererklärung auf, und ich zahle keinen Euro mehr an den Fiskus als ich muss. Ist das wohlfeil? Eine höhere Erbschaftssteuer theoretisch richtig finden, aber praktisch nichts freiwillig rauszurücken, solange mich die Politik nicht dazu zwingt? In Gedanken rechtfertige ich mich vor mir selbst: Ich zahle doch nicht freiwillig Erbschaftssteuer an einen Staat, der dann damit seine Schulden bezahlt, da spende ich das Geld doch lieber.

(Zur Sicherheit: Auch ohne Erbe und Vermögen bezeichne ich mich regelmäßig als reich, weil ich das mit unserem monatlichen Haushaltseinkommen nunmal bin – und weil ich gerne damit provoziere.)

§

Laurie Penny ist kürzlich von Los Angeles zu ihrem Partner nach Australien gezogen (inkl. 14 Tage Hotel-Quarantäne ab Einreise). Sie berichtet von dem schlagartigen Wechsel von Corona-Alptraumleben zu einer Welt ohne Corona – in der noch dazu niemand nachvollziehen kann, was sie durchgemacht hat.
“A Report from the After Times”.

Jetzt verspüre ich die Sehnsucht, meinen gesamten derzeit verfügbaren Urlaub von 45 Tagen (wegen langer OP-Abwesenheit viel Resturlaub aus dem Vorjahr) September/Oktober im australischen Frühling zu verbraten, davon halt zwei Wochen in einem schönen Hotelzimmer eingesperrt.

Journal Samstag, 10. April 2021 – Ausflug nach Pasing an die Würm

Sonntag, 11. April 2021

Ganz gut geschlafen, vor allem aber genoss ich das Aufwachen ohne Aktionszwang.

Nach dem Bloggen buk ich erst mal Kuchen, auf den Wunsch von Herrn Kaltmamsell (“wenn mal wieder Karotten im Ernteanteil sind”) englischen Passion Cake. Das Anstrengendste am Rezept ist das Karottenraffeln (das immer nur enttäuschend wenige 150 Gramm Karotten wegbekommt – kennen Sie ein Rezept, das deutlich mehr verlangt?), ansonsten geht es ja ratzfatz.

Während der Backzeit absolvierte ich eine Runde Krafttraining von Fitnessblender, wieder rundum und ohne Probleme (außer dass ich weiterhin die Rückenschmerzen seit Weihnachten haben, die als neues Feature nicht nur die bekannten Hotspots verwachsene LWS und einklemmende HWS betreffen, sondern auch den hinteren Brustkorb).

Nach dem Duschen ging ich mit Herrn Kaltmamsell zum Corona-Schnelltest in die Sendlinger Straße; da ich ja wegen Büroarbeit doch Kontakte habe (außerdem öfter im Supermarkt bin als dringenst nötig), mache ich den jetzt sicherheitshalber wöchentlich. Der Herr an meiner Seite muss ab Montag wieder in die Schule und parallel Wechsel- (also er dabei immer vor Ort) und Distanzunterricht geben (zum Teil aus Zeitgründen von der nicht darauf ausgelegten Schule aus) und sich bitte zweimal die Woche testen lassen.

Mit ihm war ich auch zu einem Ausflug verabredet, wir wollten die angekündigte Frühlingsphase nutzen. Ich hatte einen Spaziergang an der Würm ausgesucht. Die Würm (nach der die Würm-Eiszeit benannt ist) fließt vom Starnberger See (der ja bis 1962 Würmsee hieß, ein schönes Beispiel für Standortmarketing?) bis nach Dachau. Ich hatte diesen Ausschnitt gewählt, weil er gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist und weil mich sowohl der Pasinger Stadtpark als auch die Blutenburg interessierten.

Das mit dem öffentlichen Nachverkehr war etwas unbequem: Wegen Bauarbeiten und daher reduziertem Angebot warteten wir am Stachus recht lange auf eine S-Bahn, die nicht infektionsbedrohlich voll war.

Ab Pasinger Bahnhof war das Ganze aber ein Genuss in milder Luft und hauptsächlich Sonne.

Ich entdeckte, dass es einen Wanderweg (eigentlich Radwanderweg) nach Starberg gibt, diese 20 Kilometer ab Pasing nahmen wir uns für die erste richtige Wanderung mit neuem Hüftgelenk vor.

An der Blutenburg war ich tatsächlich noch nie gewesen (Herr Kaltmamsell hatte bereits mal einen Betriebsausflug zur dortigen internationalen Jugendbibliothek unternommen).

Auch hier zogen die Gefangenen des KZs Dachau auf ihrem Todesmarsch 1945 vorbei.

Inklusive Weg vom Bahnhof (die S-Bahn hielt ganz außen an den Starnberger Gleisen) waren das dann 12 Kilometer, die ich durchaus spürte – obwohl wir dieses Mal Wasser dabei hatten und nach der halben Strecke ein Päuschen einlegten.

Daheim gab es Karottenkuchen und Tee, nach denen ich so steinmüde war, dass ich mich kurz schlafen legte, auch wenn es schon nach sechs war und Herr Kaltmamsell bereits in der Küche das Abendessen zubereitete. Ich schlief eine gute halbe Stunde tief, das hatte es wohl gebraucht.

Nämliches Abendessen war ein Cheese and Onion Pie, englischer Klassiker der alten Schule, den Herr Kaltmamsell mal ausprobieren wollte. Dazu bereitete ich aus Radiserln (Ernteanteil) und roten Paprika ein Salätchen.

Die Füllung besteht aus Zwiebeln, sehr viel Käse (klassisch ist Cheddar, hier wurde unter anderem Red Leicester verwendet), Frühlingszwiebeln, und ist sehr herzhaft. Schmeckte ok, sättigte wohlig, aber Herr Kaltmamsell war enttäuscht. Nach dem Kuchen am Nachmittag hatte ich nicht mal Lust auf Schokolade zum Dessert.

Ruhiger Abend mit Internetlesen.