Archiv für April 2021

Journal Freitag, 9. April 2021 – Drogenlehrstunde am Gericht

Samstag, 10. April 2021

Für gestern hatte die Wettervorhersage den Beginn einer mehrtägigen Frühlingsphase angekündigt, fürs frühe Radeln in die Arbeit brauchte ich aber noch energisch Mütze und Handschuhe. Früh, weil ich vor meinem Schöffinnentermin am Amstgericht noch ins Büro wollte, Radeln, weil ich damit vom Büro am schnellsten ins Justizzentrum am Stiglmaierplatz kam. (Radlfitness auf diesen kurzen Stadtstrecken übrigens so trainiert wie vor einem Jahr, auch auf Steigungen. Auf längere Tourenstrecken habe ich immer noch keine Lust.)

Die Gerichtsverhandlung, in der ich als Hilfsschöffin eingesprungen war, drehte sich um Betäubungsmittel, beschuldigt wurde ein junges Hetero-Paar aus meiner Geburtsstadt. Die Staatsanwältin verlas zwei (unverbundene) Anklagepunkte, der erste beruhte auf der Aussage einer Zeugin, die aus dem Ausland geladen war – und mit deren tatsächlichen Erscheinen eigentlich niemand rechnete. Es war dann ein filmreifer Moment, als diese Zeugin aufgerufen wurde (dazu spricht die Protokollantin in ein Mikrofon, das im Richtertisch eingelassen ist), erst mal nichts passierte, als die Richterin den nächsten Zeugen aufrufen ließ, sich die Tür zum Gerichtssaal öffnete und mit diesem nächsten Zeugen auch die zentrale Zeugin aus dem Ausland hereinkam.

So erlebte ich gestern ein Verfahren, das ganz anders verlief als vorhergesehen. Ich lernte viel über die zeitgenössischen Aggregatsformen von Drogen (Cannabis gibt es jetzt auch als “Wachsstifte” für E-Zigarretten), dass Anklageschrift den Ausdruck “schwunghafter Handel” verwenden kann, machte Bekanntschaft mit einem nahezu Diphtong-freien österreichischen Dialekt, mit den Kriterien, an denen Polizisten bei jemandem wahrscheinlichen Drogenrausch festmachen, hörte psychatrische Gutachten zu Sucht. Zum ersten Mal waren auch die Plätze im Zuschauerbereich besetzt – alle fünf, die wegen Corona-Maßnahmen von den ca. 20 Sitzen freigegeben waren.

Um die Mittagszeit radelte ich zurück ins Büro; jetzt brauchte ich weder Mütze noch Handschuhe, mein Janker fühlte sich zu warm an. Gegen den bohrenden Hunger aß ich nur schnell ein Stück Käse, ich hatte morgens eine eigentlich pressierige Aufgabe unerledigt zurücklassen müssen und machte mich sofort daran. Dann aß ich noch zwei Orangen und einen Apfel. Nachmittags gab es einen Haferriegel (hatte ich am Vortag als Notration fürs Gericht besorgt, damit mir bei einer unerwartet langen Verhandlung nicht wieder schwindlig würde).

Nach Feierabend radelte ich direkt heim und genoss die milde Luft.

Die Yoga-Einheit des Tages bestand hauptsächlich aus Dehn- und Entspannungsübungen, die wiederhole ich nicht.

Herr Kaltmamsell hatte das traditionelle Freitagabend-Pfannenfleisch besorgt: ein schönes Stück Lende. Ich bereitete Ernteanteil-Salat (Postelein und Kresse) mit zugekauften Tomaten zu und machte eine Flasche Rotwein auf (Südafrikanischen Owl Post). Auch wenn ich es schade finde: Zwei Schluck guter Rotwein entspannen mich deutlicher als 30 Minuten Yoga.

Nachtisch viel Osterschokolade. Nach der Tagesschau schauten wir noch eine Folge Star Trek Picard, gingen früh ins Bett.

§

Wieder eine Heldinnengeschichte aus der Naturwissenschaft, diese in der New York Times:
“Kati Kariko Helped Shield the World From the Coronavirus”.

She grew up in Hungary, daughter of a butcher. She decided she wanted to be a scientist, although she had never met one. She moved to the United States in her 20s, but for decades never found a permanent position, instead clinging to the fringes of academia.

Now Katalin Kariko, 66, known to colleagues as Kati, has emerged as one of the heroes of Covid-19 vaccine development. Her work, with her close collaborator, Dr. Drew Weissman of the University of Pennsylvania, laid the foundation for the stunningly successful vaccines made by Pfizer-BioNTech and Moderna.

Aber es ist halt auch eine Geschichte, durch wie viel Mühe und materielle Not der akademische Lebensweg üblicherweise führt. Und eine Geschichte, wie notwendig Grundlagenforschung ist, deren Ergebnisse scheinbar keinen praktischen Nutzen haben: Die daraus gewonnen Erkenntnisse können jederzeit und schlagartig ungeahnte Einsatzbereiche bekommen.

Journal Donnerstag, 8. April 2021 – Pandemie-Erinnerungen

Freitag, 9. April 2021

Gut geschlafen – aber halt nur bis dreiviertel vier, dann gab’s bis Weckerklingeln nur noch Dösen in verschiedenen Lagen.

Draußen immer noch Winter.

Es war ein bisschen wärmer geworden: Kein gefrorener Boden mehr. Über den Vormittag aber weiterer Schneefall.

Mittags eine Breze, Orange mit Hüttenkäse.

Anruf der Installationsfirma wegen des defekten Eckventils zur Waschmaschine: Ich konnte zwar Details erklären, für Terminvereinbarung musste ich allerdings an Herrn Kaltmamsell verweisen, der jetzt noch Ferien hat.

Anruf des Amtsgerichts (ZWEI Anrufe auf meinem Smartphone an einem Tag, damit ist ja das Kontingent für den ganzen Monat aufgebraucht): Ob ich Freitagmorgen als Schöffin einspringen kann. Klar kann ich, dafür sind Hilfsschöffinnen da.

Auf dem Heimweg (sonnig, weiterhin kalt) schnelle Einkäufe im Supermarkt für Brotzeit. Zu Hause Yoga, dann kam Herr Kaltmamsell vom Friseurbesuch heim, mit sehr kurzen Haaren. Er servierte zum Nachtmahl Sauerkraut aus frisch geholtem Ernteanteil mit fränkischen Bratwürsten. Dann wieder viel Osterschokolade (diesmal aber Stopp vor Übelkeit).

Abenunterhaltung eine weitere Folge Star Trek Picard.

§

Melissa Fay Greene recherchiert für The Atlantic ausgehend von unseren persönlichen Pandemie-Geschichten zu einem meiner Lieblingsthemen: Wie Erinnerung funktioniert.
“You Won’t Remember the Pandemic the Way You Think You Will”.

via @ankegroener (in einem Blogpost geht sie ausführlich auf den Aufsatz ein)

Unter anderem:

“Even as we experience an event,” Robyn Fivush has written, “we are already beginning to think about how to tell this event to another person at a later time.”

(…)

According to Halbwachs, we begin composing our memories in anticipation of sharing them.

Ach – ich dachte, das gehe nur Blogger*innen so.

Meinen Moment, in dem die Pandemie bei mir persönlich ankam, habe ich schon bald so erzählt: Es war der 10. März 2020. Die Nachrichten zu Covid-19-Infektionen waren immer näher gekommen, es hatte bereits den Ausbruch in Bayern gegeben und Ischgl als – wie man heute weiß – europäisches Superspreader-Event. Für diesen Dienstagabend war ich mit Herrn Kaltmamsell seit Monaten zu einem Quigong-Schnuppertraining verabredet. Nachmittags schrieb ich dann per Twitter-DM:

Am Donnerstag, 12. März, sagte die Gastgeberin diese Familienfeier ab (ein 50. Geburtstag, den wir bis heute nicht nachgefeiert haben), am Sonntag war Kommunalwahl in München, bei der mir die körperliche Nähe zu den anderen Wahlhelfenden beim zweitägigen Auszählen als Infektionsrisiko sehr bewusst war (Masken gab es ja keine, sie waren damals aber auch noch nicht als Schutz belegt).

Weitere sehr lebendige Erinnerung der Anfangszeit: Wie Herr Kaltmamsell von nix auf gleich sein Unterrichten auf Distanz umplanen musste, gleichzeitg 24/7 daran ackerte, die Schule, an der er arbeitet, zu Distanzunterricht zu befähigen, durch Technik und Fertigkeiten.

Seither hat sich mein Berufsalltag wenig verändert, ich bin weiterhin fast täglich im Büro, zum einen, weil ich viel mit Dingen zu tun habe, die ich für eine Verarbeitung daheim aufwändig zu mir nach Hause und wieder zurück transportieren lassen müsste, zum anderen um den anderen in der Abteilung das Arbeiten von daheim zu ermöglichen. Verändert haben sich im Job alle Besprechungen, die mittlerweile durchwegs über MS Teams stattfinden. Ich bin dankbar, dass ich hier Sicherheit und Einkommen habe.

Fast komplett eingefroren ist halt mein Leben abseits des Geldverdienens: Keine Treffen mit Freunden und Familie, kein Ausgehen, keine Restaurants, kein spontanes Einkaufen, keine echten Ausflüge, kein Kino, kein Theater, keine Reisen. Und keine Unbefangenheit beim Verlassen der eigenen vier Wände. Aber Dankbarkeit, dass ich mich nicht um Kinder kümmern muss.

Der allgemeine Schrecken der Anfangszeit, der die gesamte Gesellschaft zu Zusammenhalt und Disziplin brachte, die Politik zum Abweichen von parteipolitischen und sonst gewohnten Reflexen, ist längst verflogen. Derzeit sehe ich die Zukunft der Pandemie wie das Wetter: Ich kann keinen Einfluss nehmen, die Motivation der komplett erratischen politischen Entscheidungen ist mir ein Rätsel, ich kann nur abwarten und mich selbst schützen.

§

Nachdem #metoo zu lange her zu sein scheint, hier ein Twitter-Thread inklusive Antworten, was das Berufsleben von Frauen in der Gastronomie mit sich bringt.

Journal Mittwoch, 7. April 2021 – Friseurverzögerung und Januarwetter

Donnerstag, 8. April 2021

Aufwachen zu neuem Schneefall, Arbeitsweg in Schneefall.

Gleich am Morgen bekam ich eine SMS vom Friseur (ich trug extra meine dichteste FFP2-Maske): Er musste wegen Erkrankung unseren Termin absagen. (Und Sie dachten, SIE hätten Probleme?) Da ich halt nur nach Feierabend kann, sind es bis zum neuen Termin noch sechs Wochen – es hätte noch länger gedauert, hätte ich da nicht Urlaub und könnte auch tagsüber. No na, vielleicht hat sich dann zumindest die Infektionslage beruhigt und der Friseurbesuch ist sicherer. Bis dahin versuche ich mich an meine Flechtfertigkeiten zu erinnern und bitte vielleicht Herrn Kaltmamsell um Freischneiden des Nackens mit Langhaarschneider, Anleitungen gibt’s ja mittlerweile genug im Internet.

Es schneite immer wieder, mal vor Sonne, mal vor dunklem Himmel. Nein, das war kein Aprilwetter, das war Januarwetter. Ich ließ im Büro gleichzeitig Licht an (für die finsteren Schneeschauer) und die Jalousien unten (für die Sonnenphasen).

Mittags zwei gekochte Eier (bunte Schale, also Ostereier), ein Stück Käse, eine Orange. Nachmittags ein Apfel und getrocknete Aprikosen.

Meine Lippen flippen seit einer Woche völlig aus (gnihihi Lippenflippen). Dass sie über ein paar Tage hinweg erst knallrot brennen und bitzeln, dann weiß versteinern, um dann die Haut in Fetzen zu verlieren – das habe ich ja seit vielen Jahren immer wieder, schlimmstenfalls inklusive eingerissenen Mundwinkeln, sommers wie winters, egal welches Nahrungsergänzungsmittel ich einnehme (Hausärztin gab z.B. Eisen), egal was ich draufschmiere (aktuell probiere ich eine Harnstoff-haltige Creme, den hatte ich noch nicht). Doch seit gut einer Woche passieren die oben beschriebenen Phasen gleichzeitig, die Lippen brennen schmerzhaft UND schälen sich. Ich schiebe das jetzt einfach auf die Hormone des Klimakteriums, dafür ist es zumindest gut, dass man alles damit erklären kann.

Eine Folge der vielen Lektüren über Abläufe auf Intensivstationen: Ich habe meine Patientenverfügung (basierend auf dieser Vorlage) aktualisiert. Jetzt untersage ich auch den Einsatz der ECMO, vulgo Herz-Lungen-Maschine; sollte ich in einem so schlechten Zustand sein, ist bitte Schluss. (Und die ECMO bleibt frei für jemanden, der oder die gerne lebt.)

Heimweg in scharfem, eisigen Wind, der auch mit Graupelkörnern warf.

Zu Hause nochmal die Yoga-Runde vom Vortag, um die fünf Minuten Atemerklärung am Anfang gekürzt (aber mit der eigentlichen Atemübung).

Als Abendessen servierte Herr Kaltmamsell Spaghetti mit Tomatensoße, auf die hatte ich mich richtig gefreut. Danach große Mengen Pralinen und Osterschokolade (leider etwas zu viel, mir war ein bisschen schlecht).

Abendunterhaltung war die zweite Folge Star Trek Picard, die Serie wird ebenfalls von Amazon angeboten, wo Herr Kaltmamsell uns für Good Omens angemeldet hatte. Die Anfangsfolge hatte mir sehr gut gefallen, das Drehbuch hatte mich mit besonders geschickter Erzähltechnik der Hintergründe überrascht, ich mochte auch die Vermischung von Realitätsebenen. Die zweite Folge ging offensichtlich nicht davon aus, dass man die erste kannte, viel wurde nochmal erklärt. Noch möchte ich aber wissen, wie es weitergeht.

Eingeschlafen zu weiterem Schneefall.

§

Hatte irgendjemand geahnt, dass der Brexit das Nordirlandproblem aufwärmen würde? Ach – ganz viele? Na ja, sie hatten recht.

“‘Dishonesty’ over Brexit fuelled loyalist anger, says Stormont minister
Justice minister Naomi Long points finger at UK ministers after four nights of street violence in Northern Ireland”.

Northern Ireland’s justice minister has said the government’s “dishonesty” over the consequences of hard Brexit has contributed to the anger felt by loyalists, as police counted the cost of 41 officers injured during violence on the streets over four nights.

Journal Dienstag, 6. April 2021 – Aprilwinter

Mittwoch, 7. April 2021

Doch mal wieder gut geschlafen.

Draußen Winter und scheißkalt, das soll jetzt erst mal so bleiben.

Blick vom Küchenbalkon.

Eisige Winde auf dem Fußweg in die Arbeit.

Kaiser-Ludwig-Platz.

Theresienwiese.

Bavariapark.

Der Schnee blieb nicht nur den ganzen Tag liegen, es gab immer wieder Schnee- und Graupelschauer, aber auch Sonne – April halt.

In der Arbeit viel Arbeit, durchaus mit Druck und mit Menschen.

Die Feierabendbeschäftigung stand schon lange fest, schließlich war Osterschokolade-für-die-Hälfte-Tag! Doch der Edeka, den ich abräumen wollte, hatte wohl fast punktgenau kalkuliert: Es war kaum etwas übrig, ich bekam KEINEN! LINDT! HASEN!

Ein Glück wartete daheim ein Osternestl der Schwiegereltern (Herr Kaltmamsell hatte sie gestern besucht) und eine Schokoladenlieferung aus Franken von Freunden.

In einer sonnigen Phase des Abends (Sommerzeit ist super) legte ich im Wohnzimmer meine Yogamatte aus und absolvierte eine Runde Yoga mit langweiligen Atemübungserklärungen (Stoßatmen kenne ich aus meiner Chorzeit, allerdings ging es da ums Zwerchfell, nicht um den Nabel und Energie), aber interessanten Sachen für die Bauch- und Rückenmuskulatur.

Zum Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell Palak Paneer, also Spinatcurry mit selbst gemachtem Frischkäse.

Letzter Blick auf die Corona-Friese 2, Mittwoch geht’s nach Feierabend zum Abschneiden. Ob es wohl das Klügste wäre, um einen Schnitt zu bitten, der wieder sechs Monate hält?

Journal Ostermontag, 5. April 2021 – #WMDEDGT mit Isarspaziergang

Dienstag, 6. April 2021

Fünfter des Monats, Frau Brüllen fragt wieder: Was machst du eigentlich den ganzen Tag, #WMDEDGT.

Zweites Aufwachen erst kurz vor fünf – doch das war’s dann mit Schlaf. Ich ruhte noch ein wenig, verschob dann die Hoffnung auf Schlaf Richtung Siesta.

Schon lange hatte ich geplant, den Ostermontag für meinen ersten Joggingversuch nach OP zu nutzen (in allen Tabellen stand “Joggen” in der Spalte “nach 6 Monaten”, unter der Voraussetzung, man dass man es nicht als neue Sportart beginnt – zudem verlief meine Heilung bislang ja überdurchschnittlich gut und schnell). Doch mein operiertes Hüftgelenk signalisierte schon nachts durch leichte Schmerzen und Druckempflindlichkeit, dass ich diesen Versuch besser mal verschiebe (SEHEN SIE: ICH KANN SEHR WOHL DIESES “AUF DEN KÖRPER HÖREN”!). Obwohl draußen überwiegend blauer Himmel und Sonnenschein lockten.

Ich änderte meine Pläne (hier: flexibel!) in Spaziergang. Vorher versuchte ich noch, den extrem langsam ablaufenden Badewannenabfluss zu befreien, denn das lange stehende Duschwasser hinterlässt eklige graue Seifenränder in der Badewanne. Meine Mutter hatte sich am Tag nach unserem Einzug bereits mit Pömpel zu schaffen gemacht – ohne Veränderung. Ich versuchte mich am Vorgehen der besuchenden Freundin in der alten Wohnung, also Rumstochern, doch dieser Abfluss ist ein komplett anderes Modell: Ca. 10 cm unter dem Sieb ist Schluss, hier trafen Spieß und Putz-Zahnbürste auf eine Metall-Ebene. Zwar holte ich bis dort hin Einiges an Haaren und Flusen raus, doch mir war bei dieser Menge und Durchlässigkeit des Materials klar, dass das nicht das Hindernis fürs Abfließen sein konnte. Mist, Klempner.

Draußen war es mittlerweile sehr windig, doch ein Check auf dem Balkon ergab, dass die angekündige Kälte-und-Schnee-Front noch nicht eingetroffen war. Gegen halb elf radelte ich die Isar entlang, und da überraschend wenig Leute unterwegs waren, ließ ich das Radl schon an der Braunauer Eisenbahnbrücke stehen (in Erwartung von Spaziermassen hatte ich eigentlich die abgelegene Großhesseloher Brücke angesteuert).

Es wurden sehr schöne anderthalb Stunden, in denen ich zum Tierpark ging, ihn umrundete und über den Flaucher zurück zur Braunauer Brücke spazierte – immer in heftigem Westwind, doch bei später recherchierten 14 Grad fühlte sich der wundervoll in meinen Corona-langen Haaren an. (Während Oldenburg auf Twitter bereits Schnee gemeldet hatte.)

Verschwindendes Heizkraftwerk.

Neue Kunst unter der Brudermühlbrücke.

Blick in den geschlossenen Tierpark Hellabrunn (an Ostersonntag wurden wegen drei Tagen Inzidenz über 100 einige Öffnungen zurückgenommen, unter anderem die des Tierparks; übers Osterwochenende wurde kaum getestet, also haben wir jetzt wieder eine Inzidenz unter 100 – ab Mittwoch soll allen Ernstes wieder ringsum geöffnet werden, denn Vorschriften sind eben Vorschriften, dass die Intensivbetten in München schon jetzt voll belegt sind, spielt keine Rolle):

Neues Streichelgehege mit Ziegen.

Eisbär!

Flamingos (das müssen Sie mir einfach glauben).

An einer Quelle neben der Marienklause. Wasseraufseher klingt nach Traumberuf.

Auf dem Rückweg fiel mir am Flauchersteg dieses Schild auf:

Donaulachse! (Gebadet wurde übrigens durchaus, allerdings ein Stück nördlicher.)

Ich postete das Foto auf instagram und bekam von @_angelabos_ eine höchst spannende Info:

In Utrecht gibts jetzt an der Schleuse eine Fischtürklingel (visdeurbel). Eine Unterwasserkamera zeigt an, ob Fische durch die Schleuse zu ihren Laichplätzen wollen. Vorbeigänger, die wartende Fische auf dem Bildschirm sehen, können auf eine Klingel drücken u den Schleusenwärter warnen, der dann die Schleuse bedient.

Sie ergänzt:

Hier ein paar Fotos von wartenden Fischen https://visdeurbel.nl/beelden/ Kein Aprilscherz!

Blumen sah ich auch, unter anderem:

Schuppenwurz.

Schlüsselblumen.

Frühstück gab’s gegen eins (Osterpinze und Orange mit Dickmilch) – nach Aufwachen schon um fünf hatte ich sogar deutlich früher Hunger gehabt, aber da war ich halt noch unterwegs.

Mit vollem Bauch wurde ich bettschwer für eine ausführliche Siesta.

Am Nachmittag bügelte ich, guckte YouTube (hier, bitteschön 30 Minuten Eichhörnchen-Niedlichkeit von einer Tierfilmerin in Nordschweden), aß die letzte Torrija und mehr Pinze, machte Yoga. Zum Abendessen servierte Herr Kaltmamsell eine Quiche mit Lauch aus Ernteanteil.

Beim Zu-Bett-Gehen sah ich, dass die Kälte-und-Schnee-Front München erreicht hatte.

Journal Ostersonntag, 4. April 2021 – Kleines Ostern mit Eltern

Montag, 5. April 2021

Noch vor sechs vom energischen, aber sonoren Geläut der benachbarten Kirchenglocken geweckt worden (auf dieser Seite des Hauses sind sie deutlich lauter) – da feierte aber jemand seinen und ihren Herrgott, halleluja!

Nach Corona-Schnelltest früher Aufbruch mit dem Großteil Pinzen und dem Mazurek zum Bahnhof (sonnige, kalte, aber leere Straßen): Auf der Bahnstrecke München-Nürberg wurde gebauarbeitet, die Fahrtzeit zum Osterfrühstück verdoppelte sich. Der Anschluss zum Schienenersatzverkehr ab Reichertshausen und die Busfahrt nach Ingolstadt verliefen aber reibungslos. Tiersichtungen unterwegs: Bussard, mehrere Fasane, davon zwei in Turbotempo hintereinander über eine Wiesen stiebend (Silhouette sehr Dinosaurier), und kurz vor Ingolstadt ein weghoppelnder Feldhase.

Große Freude über das Wiedersehen mit meinen Eltern, polnische Ostertafel mit reichlich Schinken und Wurst (meine Mutter hatte sogar echt polnische Kiełbasa aufgetrieben), geriebene Rote Bete, wie immer von Bruderhand geriebener Meerrettich (heftige Vermissung des Osterfrühstücks in ganz großer Familienrunde *fiep*), Brot, gefüllter Osterzopf von Mutter, meine Pinzen, schwarzer Tee (eine weitere polnische Note), Weißwein. Abschließend ein Stück Mazurek, der überraschend gut schmeckte (ohne die Osterdeko wäre er nicht mal so süß gewesen – merke ich mir für auch abseits von Ostern).

Videotelefonat mit der Tante in Italien (die Dame rechts), die immer weiter neben der Kappe ist. Das ist traurig, doch sie wirkte fröhlich und aufgeräumt. Und ich hörte zum ersten Mal seit ca. 40 Jahren, ich sei „ja SO groß geworden!“.

Das Wetter war freundlich sonnig, wir sind eine Rausgehfamilie, und so bot mein Vater einen Spaziergang an. Er blickte zwar besorgt auf meine feinen Schuhe (ich hatte mich zum ersten Mal in Pumps mit Absatz getraut, seit mir vor ca. anderthalb Jahren meine Hüftbeschwerden Absätze unmöglich gemacht hatten), doch ich wusste aus Erfahrung, dass ich in ihnen lange bequem gehen kann.

Wir spazierten den Mailinger Bach entlang und schlugen eine große Schleife. Mein Vater plauderte über die Neubauten, an denen wir vorbeikamen, erklärte zeitgenössische Bauvorschriften und die Stadtteilentwicklung. Auch er war erstaunt, wie wenige Menschen wir trafen – vielleicht war es für den Osterspaziergang noch recht früh am Tag.

In Unterhaunstadt passierten wir die 700 Jahre alte Kirche St. Georg (Zwiebelturm allerdings aus dem 18. Jahrhundert).

Nach anderthalb Stunden gaben meine Schuhe ihre Bequemlichkeit auf, meine Fußballen schmerzten und ich war sehr froh über unsere Rückkehr.

Eine zweite Mahlzeit gab es auch: Lammschulter – auf kastilische Art nur mit Salz und Pfeffer gewürzt, langsam im Ofen gegart.

(Jetzt auch in meinem Elternhaus: “Magst es nicht fotografieren?”) Das Lamm war zart und köstlich, dazu gab es gebratene grüne Paprika und Hirse mit Auberginen, ein Glas portugiesischen Rotwein. Beim Nachtisch (auch in diesem Hause waren Torrijas gebacken worden) kniff ich.

Die Rückfahrt war anders umständlich: Statt Bus gab es per Zug einen Umweg mit Umsteigen in Augsburg Hochzoll. Beim Heimkommen war es bereits dunkel. Schönes Ostern.

Journal Karsamstag, 3. April 2021 – Osterbäckerei Teil 2 und 3: Mazurek und Pinzen

Sonntag, 4. April 2021

Wieder gemischte Nacht, doch morgens hatte ich das Gefühl, genug Schlaf bekommen zu haben.

Weitere Osterbäckerei: Zum ersten Mal polnischen Osterkuchen Mazurek (meine Mutter erzählte auf meine Ankündigung, meine polnische Oma habe immer in Erinnerungen daran geschwelgt, ihn dann aber doch nie gemacht; da meine Oma ja sehr jung war, als die Nazis sie aus Polen zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppten, nehme ich an, dass sie daheim nie einen selbst gemacht hatte und das einfach nicht konnte). Die Anweisung des beratenden Lieblingspolen war gewesen 1. unten Mürbteig, 2. oben Belag – Hauptsache knallsüß, beim Recherchieren war mir dieses Rezept am sympatischsten gewesen.

Funktionierte wunderbar (zum ersten Mal Schokolade in der Mikrowelle geschmolzen – wie super ist DAS denn!), Geschmacksbeurteilung gibt’s erst am Ostersonntag. (Sind Sie vertraut mit Mazurek? Haben vielleicht ein Familienrezept? Ich würde mich über Weitergabe freuen.)

Jetzt wurde die Sehnsucht nach richtig schweißtreibender Bewegung doch zu groß: Ich mutete meiner Umwelt eine Stunde Crosstrainer-Klackquietschknarz zu – Herr Kaltmamsell zog sich in die Küche zurück zum Lesen. Ich genoss die Stunde sehr.

Frühstück: Rest Rote-Bete-Gratin, Käse, Orange. Nachmittags aß ich das letzte Stück Colomba.

Wäschewaschen/-aufhängen/-trocknen, Zeitunglesen. Das Draußen war gemischtwolkig und kühl, ich mied es einen zweiten Tag, um mich für einen Osterbesuch bei meinen (geimpften) Eltern zu quarantänisieren.

Am späteren Nachmittag startete ich das letzte Osterbackprojekt: Endlich mal Pinzen nach Katharina Seisers Rezept. Ich begann so spät wie möglich, um sie am Sonntag noch frisch meinen Eltern mitbringen zu können. Den Anis hatte ich bereits am Freitag in Wein eingelegt. Das Rezept ließ sich gut umsetzen (ich erschrak nur kurz, als ich den aromatisierten Wein in die Milch gießen sollte, weil sie dabei ja ausflockte – aber das tat dem Teig wie erwartet keinen Abbruch). Die ersten Stunde Teig-Gehen nutzte ich für eine Runde Yoga.

Dazu bitte den Duft von warmem, zitronigem Hefegebäck vorstellen – eine Pracht.

Zum Abendessen servierte Herr Kaltmamsell eine Suppe aus gerösteten Pastinaken (Ernteanteil), dazu machte ich Ruccola-Salat (Ernteanteil).

§

Ich zitiere @misscaro:

Die Politik des Zögerns (sehr sinnvoller Begriff von @mspro) führt dazu, dass Kliniken jetzt gezwungen sind, selbst zu zeigen, wie es bei ihnen ist, weil die Politik die Sachlage offensichtlich nicht versteht und kommunizieren kann.

Hier Einblicke in eine der vier Covid-Intensivstationen der München Klinik.

Und hier die Online-Ausstellung des Universitätsklinikums Tübingen:
“Intensiv-Zeit”.

§

Eines meiner Lieblingslieder der Beatles, “Blackbird”, gesungen von Emma Stevens, in der Sprache der Miꞌkmaq, die in Nova Scotia, Kanada leben.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/99-LoEkAA3w

via @AndreasSchepers

§

Mehr Musik! Hier drei coole Georgierinnen (das Trio Mandili) und ein nur mittel kooperativer Esel.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/EDK9KOfknTw

via @fragmente