Journal Mittwoch, 9. Juni 2021 – Schifferlsitzen auf der Alten Utting
Donnerstag, 10. Juni 2021 um 6:37Nach dem letzten Zwischenaufwachen kurz nach vier nur schwierig wieder eingeschlafen, dafür um dreiviertel sechs vom Wecker aus tiefem Schlaf gerissen.
Ein neuer Anblick: Nach sechs Jahren Baustelle ist die neue Portalklinik so weit, dass der angrenzende Gehweg wieder begangen werden kann. Wenn aber die aktuelle Ankündigung auf der Website eingehalten werden soll, laut der die Eröffnung “in der ersten Jahreshälfte 2021” stattfindet, pressiert’s jetzt.
Vor lauter Begeisterung rief ich einem der Gärtner zu: “Schee is worn!”1
Mit langen Ärmeln brauchte ich auch morgens für den Arbeitsweg keine Jacke, das fühlte sich wundervoll an.
Emsigkeit im Büro, viel davon unvorhergesehen, aber fruchtbar.
Mittgessen: Rest Heringsalat von Montagabend, Butterbreze (ungebutterte waren schon aus), nachmittags ein Stück schwarze Schokolade.
Nachmittags zog der Himmel zu, es wurde schwül, hin und wieder grollte Donner – aber es blieb trocken.
Auf dem Heimweg noch ein jetzt von Bauzäunen unverstellter Blick auf die neue Klinik.
Notaufnahme.
Haupteingang.
Ich war verabredet mit Herrn Kaltmamsell, zum Abendessen auf die Alte Utting zu spazieren: Seit drei Jahren kann man mitten im Münchner Schlachthofviertel in einem ehemaligen Ammersee-Ausflugsdampfer einkehren, der auf einer stillgelegten Eisenbahnbrücke steht.
Wir sahen uns erst mal um: Gesessen wird halt, wo man auf einem Ausflugsschiff sitzt.
Drinks holten wir uns innen an einer Theke, zu Essen gab es an Stationen außerhalb des Schiffs. Herr Kaltmamsell brachte uns afrikanische Gerichte, Gemüse mit Tamarinde, Rindfleisch und Gemüse mit Erdnuss-Soße, beides mit Couscous. Schmeckte beides sehr gut.
Das war der Ausblick von unserem Tisch auf dem obersten Deck. Die Sensation des Abends: Wir sahen einen Turmfalken vorbeifliegen, mit Beute in den Krallen, wahrscheinlich einer Maus. Außerdem sah ich unweit das neu gebaute und noch uneröffnete Volkstheater.
Heimweg durchs Schlachthofviertel, unter anderem um am Volkstheater vorbei zu gehen (sensationell!).
Daheim Tagesschau und als Nachtisch Süßigkeiten.
§
Klaus Kastberger (den ich als Juror de Bachmannpreises kennengelernt habe) versucht, das Gesamt-Sprachkunstwerk Friederike Mayröcker zu beschreiben:
“Es war ihr gegeben. Ein Nachruf auf Friederike Mayröcker (20.12.1924 – 4.6.2021)”.
§
Kate Crawford untersucht die gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz. Sie ist research professor of communication and science and technology studies an der University of Southern California und arbeitet für Microsoft Research.
“Microsoft’s Kate Crawford: ‘AI is neither artificial nor intelligent’”.
via @AndreasSchepers
Sehr interessant, u.a. weil sie mit dem Glauben aufräumt, größere Datenmengen würden Vorurteile aufwiegen: Die Kategorien, in denen einsortiert wird, sind ja immer noch von (durch Stereotype geprägte) Menschen vorgegeben. Und dann widerspricht sie einer weiteren gefährlichen Fehlannahme: Dass man Menschen ansehen könne, wie es ihnen geht.
The idea that you can see from somebody’s face what they are feeling is deeply flawed. I don’t think that’s possible. I have argued that it is one of the most urgently needed domains for regulation. Most emotion recognition systems today are based on a line of thinking in psychology developed in the 1970s – most notably by Paul Ekman – that says there are six universal emotions that we all show in our faces that can be read using the right techniques. But from the beginning there was pushback and more recent work shows there is no reliable correlation between expressions on the face and what we are actually feeling. And yet we have tech companies saying emotions can be extracted simply by looking at video of people’s faces.
- Schön ist es geworden. [↩]
10 Kommentare zu „Journal Mittwoch, 9. Juni 2021 – Schifferlsitzen auf der Alten Utting“
Sie möchten gerne einen Kommentar hinterlassen, scheuen aber die Mühe einer Formulierung? Dann nutzen Sie doch den KOMMENTAROMAT! Ein Klick auf einen der Buttons unten trägt automatisch die gewählte Reaktion in das Kommentarfeld ein, Sternchen darüber und darunter kennzeichnen den Text als KOMMENTAROMAT-generiert. Sie müssen nur noch die Pflichtfelder "Name" und "E-Mail" ausfüllen und den Kommentar abschicken.
10. Juni 2021 um 7:57
Danke für die Fußnote. Es amüsiert mich jetzt sehr, nachdem ich kapiert habe, dass es sich „nur“ eine Übersetzung ist. Ich brauchte die halt nicht.
10. Juni 2021 um 11:35
Die Klinik wird am kommenden Dienstag eröffnet.
10. Juni 2021 um 11:44
Ja wie, Stephan Handel, wurden etwa die jahrelang geplagten Anwohner*innen nicht eingeladen? Ich bin beleidigt.
10. Juni 2021 um 12:08
Ist nur ein kleiner, einstündiger Festakt im Freien vor der Klinik. Keine Besichtigung, kein Tag der offenen Tür. Kommt alles später.
10. Juni 2021 um 12:33
Ein Schiff mitten auf einer Brücke! Wie geil ist das denn!
Es gibt so einen Kahn am Rhein, die “Alte Liebe“. Da waren wir schon mal zu einem Jubiläum, also dem der Liebe.
Die Tür zum Tür zum Bürogebäude Viehhof kenne ich, erzähl ich Dir mal.
Danke für die Erinnerung.
Was kann man übrigens reparieren lassen in dem Krankenhaus?
10. Juni 2021 um 13:13
Oh, die Geschichte wüsste ich gern, Croco! Und wenn ich die Bezeichnung “Portalklinik” richtig deute, kommt da alles Akute rein und wird dann auf Innere, Chirurgie, Nothilfe und Geburtsmedizin verteilt, je nach dem.
Viel interessanter: Nachbarn erzählten etwas von italienischem Café mit Außenbereich, das auch Externen offensteht.
10. Juni 2021 um 14:05
Ja, schee is worn. Und noch gespannter bin ich auf das neue Volkstheater.
10. Juni 2021 um 20:45
Das ist einfach die Innenstadtklinik der LMU München. Reparieren alles oder schicken weiter.
11. Juni 2021 um 9:30
Sowas Unkonventionelles wie ein Schiff auf einer Eisenbahnbrücke hätte ich München gar nicht zugetraut.
Eindeutig: Ich weiß zu wenig über Bayern.
Und “dass es keine zuverlässige Korrelation zwischen Gesichtsausdrücken und unseren tatsächlichen Gefühlen gibt” kann ich von Herzen bestätigen. Als Kind dachte ich immer, meine Mutter sei permanent böse auf mich – dabei war ihr vermeintlich wütender Gesichtsausdruck Resultat von Stress und Überforderung. Fatal, für sie und für mich.
11. Juni 2021 um 9:32
@Croco
Die `Alte Liebe`! Große Liebe in Köln von uns, als wir 2019 zu Gast waren. Auf einem Schiff, Aussenbereich Rheinseite sitzen, mit kühlen Getränken und große Rheinschiffe gucken. Da waren selbst die berliner Wasserratten schwer beeindruckt! Und das die `Alte Liebe` auch noch die Farben des heimatlichen Lieblingsfussballvereins trägt … hach! SCHEE WARS!!