Journal Samstag, 24. Juli 2021 – Abenteuerwandern von Tutzing nach Herrsching
Sonntag, 25. Juli 2021Endlich mal wieder Balkonkaffee.
Gestern war ein Wandertag geplant, nach drei Jahren mal wieder von Tutzing am Starnberger See nach Herrsching am Ammersee. Der Tag war zum Großteil als sonnig und heiß angekündigt, also wählte ich eine kurze Wanderhose und ein Trägertopp, cremte mich entsprechend sorgfältig mit hochfaktorischem Sonnenschutz ein.
Was ich nicht im Blick hatte: Mückenschutz. Auf den bisherigen Wanderungen waren Stechmücken nicht mal in Erscheinung getreten, ich hatte das unter Artensterben verbucht. Gestern aber hatte es direkt vor unserer Ankunft in Tutzing gegen elf einen Regenguss gegeben, der Boden war ohnhehin nass – und schon nach wenigen Metern bemerkte ich mein Versäumnis. Die folgenden sechs eigentlich schönen Wanderstunden verbrachte ich mit wedelnder und schlagender Steckmücken-Abwehr, beim zwanzigsten erfolgreichen Mückenmord auf Schultern, Armen, Hals, Ohren, Gesicht, Beinen hörte ich auf zu zählen, und das waren nur die, die ich erwischt hatte. Gerne hätte ich öfter Blümchen genauer angesehen, Ausblicke genossen, doch bei jedem Stehenbleiben hatte ich die Biester in Dreier- bis Fünfer-Formation auf der Haut. So stelle ich mir August in Schweden vor. Da die Stiche bei mir meist erst nach 24 Stunden richtig zu jucken beginnen, sehe ich mich die Nacht auf Montag bereits in Ganzkörper-Fenistil verbringen. (Herr Kaltmamsell war zum einen bekleideter, zum anderen interessieren sich Moskitos generell wenig für ihn.)
Die schönen Abenteuer der Wanderung: Reichlich Tiersichtungen. Beim Deixelfurter See sahen wir weit vor uns auf dem Weg etwas sitzen, was ich zunächst für eine junge Katze hielt; als es über den Weg sprang, wurde klar: ein Wiesel oder Iltis. Auf den ersten Metern im Wald hatte Herr Kaltmamsell bereits einen Grasfrosch entdeckt, dem wir eine Weile zusahen. Später kamen dazu: Eine mächtige Schnecke auf einem Zweig, freilaufende Schweine, Kühe auf Weiden und im Stall, Eichelhäher, viele Schwalben, mindestens ein Bussard.
Zauberhafter Start der Wanderung: Himbeerweg in Tutzing.
Über Tutzing offensichtlich arg steiniger Boden.
Diesmal fanden wir endlich den Weg um den Deixlfurter See und seine Nachbarseen, oft nur durch schmale Stege getrennt; bei den letzten Versuchen hatten wir den schmalen Zugang verpasst. Doch die letzten zehn Minuten war das ein fast nicht sichtbarer Pfad durch Schilf und Gestrüpp – meine nackten Beine bekamen ordentlich Brennnessel ab, die ich noch nachts im Bett spürte. (Herr Kaltmamsell setzte fest, dass wir das Stück künftig wieder auslassen würden: “Wo kein Weg ist, soll man nicht gehen.”)
Verkehrsgesperrte Straße hoch zum ehemaligen Warnamt X Kerschlach.
In Gut Kerschlach kurz vor zwei machten wir die erste Rast: Ich bekam mit, dass das Café Tagesbar seit Februar nach Umgestaltung von neuen Pächtern bewirtschaftet wird. Wir tranken einen guten Cappuccino.
Dieses Blümchenfoto kostete mich wahrscheinlich zwei weitere Mückenstiche.
Kloster Andechs erreichten wir gegen vier. Da wir auf der beliebten Wanderung bis dahin fast keine anderen Wanderer und vor allem fast keine Radler*innen angetroffen hatten, hoffte ich auch hier auf deutlich weniger Menschen als sonst – präpandemisch wäre an einem schönen Sommerwochenende vor lauter Reisebussen und ihren Inhalten kein Durchkommen gewesen. So war es dann auch, wir setzten uns auf der funktionalen überdachten Freifläche zu einem Radler und zur zweiten Rast.
Neue Abenteuer, als wir das letzte Stück am Ufer des Ammersees entlang gingen. Am Ende dieser knappen Stunde standen wir unerwartet vor Wasser: Der vertraute Uferweg war fast knietief geflutet. Uns kam eine ebenso überraschte Radlfamilie entgegen, die die Schuhe ausgezogen hatte und Rad schiebend watete. Also Wanderstiefel und Socken in die Hände und los. Das kühle Wasser fühlte sich sehr angenehm an, doch meine Prinzessinenfüßchen hatten mit dem steinigen Boden zu kämpfen. Anschließend im Gras Socken und Schuhe wieder angezogen – doch nach der nächsten Biegung stellte sich heraus, dass das voreilig gewesen war: Noch ein überflutetes Stück. Diesmal stand das Wasser aber nur knöcheltief, ich ging einfach mit Stiefeln durch, sie hatten sich ja schon mehrfach als wasserfest erwiesen.
Foto: Herr Kaltmamsell. Diesen Übergang auf Steinen (deutlich vor den überfluteten Passagen) kannten wir.
Einkehrschwung in Herrsching beim Andechser Hof. Appetit hatte ich zwar immer noch nicht, doch die vernünftig bestellten Nudeln mit Pfifferlingrahm schmeckten dann doch.
Wir beendeten die Wanderung, wie wir sie begonnen hatten: mit Regen. Schon beim Warten auf die S-Bahn sahen wir Blitze über den Hügeln, auf der Fahrt wurde der Regen immer stärker, bei jedem Halt kamen mehr nasse Wanderer und Radlerinnen hereingeflohen. In München gönnten wir uns für das letzte Stück vom Bahnhof nach Hause eine Straßenbahn, wurden aber auf den wenigen Metern im Freien recht nass. Da wir eh heimkamen, zogen wir die Wanderjacken gar nicht erst aus dem Rucksack.
Wohlige Dusche und Eincremen mit kühlendem Gurken-Minz-Gel.