Archiv für Juli 2021

Journal Samstag, 24. Juli 2021 – Abenteuerwandern von Tutzing nach Herrsching

Sonntag, 25. Juli 2021

Endlich mal wieder Balkonkaffee.

Gestern war ein Wandertag geplant, nach drei Jahren mal wieder von Tutzing am Starnberger See nach Herrsching am Ammersee. Der Tag war zum Großteil als sonnig und heiß angekündigt, also wählte ich eine kurze Wanderhose und ein Trägertopp, cremte mich entsprechend sorgfältig mit hochfaktorischem Sonnenschutz ein.

Was ich nicht im Blick hatte: Mückenschutz. Auf den bisherigen Wanderungen waren Stechmücken nicht mal in Erscheinung getreten, ich hatte das unter Artensterben verbucht. Gestern aber hatte es direkt vor unserer Ankunft in Tutzing gegen elf einen Regenguss gegeben, der Boden war ohnhehin nass – und schon nach wenigen Metern bemerkte ich mein Versäumnis. Die folgenden sechs eigentlich schönen Wanderstunden verbrachte ich mit wedelnder und schlagender Steckmücken-Abwehr, beim zwanzigsten erfolgreichen Mückenmord auf Schultern, Armen, Hals, Ohren, Gesicht, Beinen hörte ich auf zu zählen, und das waren nur die, die ich erwischt hatte. Gerne hätte ich öfter Blümchen genauer angesehen, Ausblicke genossen, doch bei jedem Stehenbleiben hatte ich die Biester in Dreier- bis Fünfer-Formation auf der Haut. So stelle ich mir August in Schweden vor. Da die Stiche bei mir meist erst nach 24 Stunden richtig zu jucken beginnen, sehe ich mich die Nacht auf Montag bereits in Ganzkörper-Fenistil verbringen. (Herr Kaltmamsell war zum einen bekleideter, zum anderen interessieren sich Moskitos generell wenig für ihn.)

Die schönen Abenteuer der Wanderung: Reichlich Tiersichtungen. Beim Deixelfurter See sahen wir weit vor uns auf dem Weg etwas sitzen, was ich zunächst für eine junge Katze hielt; als es über den Weg sprang, wurde klar: ein Wiesel oder Iltis. Auf den ersten Metern im Wald hatte Herr Kaltmamsell bereits einen Grasfrosch entdeckt, dem wir eine Weile zusahen. Später kamen dazu: Eine mächtige Schnecke auf einem Zweig, freilaufende Schweine, Kühe auf Weiden und im Stall, Eichelhäher, viele Schwalben, mindestens ein Bussard.

Zauberhafter Start der Wanderung: Himbeerweg in Tutzing.

Über Tutzing offensichtlich arg steiniger Boden.

Diesmal fanden wir endlich den Weg um den Deixlfurter See und seine Nachbarseen, oft nur durch schmale Stege getrennt; bei den letzten Versuchen hatten wir den schmalen Zugang verpasst. Doch die letzten zehn Minuten war das ein fast nicht sichtbarer Pfad durch Schilf und Gestrüpp – meine nackten Beine bekamen ordentlich Brennnessel ab, die ich noch nachts im Bett spürte. (Herr Kaltmamsell setzte fest, dass wir das Stück künftig wieder auslassen würden: “Wo kein Weg ist, soll man nicht gehen.”)

Verkehrsgesperrte Straße hoch zum ehemaligen Warnamt X Kerschlach.

In Gut Kerschlach kurz vor zwei machten wir die erste Rast: Ich bekam mit, dass das Café Tagesbar seit Februar nach Umgestaltung von neuen Pächtern bewirtschaftet wird. Wir tranken einen guten Cappuccino.

Dieses Blümchenfoto kostete mich wahrscheinlich zwei weitere Mückenstiche.

Kloster Andechs erreichten wir gegen vier. Da wir auf der beliebten Wanderung bis dahin fast keine anderen Wanderer und vor allem fast keine Radler*innen angetroffen hatten, hoffte ich auch hier auf deutlich weniger Menschen als sonst – präpandemisch wäre an einem schönen Sommerwochenende vor lauter Reisebussen und ihren Inhalten kein Durchkommen gewesen. So war es dann auch, wir setzten uns auf der funktionalen überdachten Freifläche zu einem Radler und zur zweiten Rast.

Neue Abenteuer, als wir das letzte Stück am Ufer des Ammersees entlang gingen. Am Ende dieser knappen Stunde standen wir unerwartet vor Wasser: Der vertraute Uferweg war fast knietief geflutet. Uns kam eine ebenso überraschte Radlfamilie entgegen, die die Schuhe ausgezogen hatte und Rad schiebend watete. Also Wanderstiefel und Socken in die Hände und los. Das kühle Wasser fühlte sich sehr angenehm an, doch meine Prinzessinenfüßchen hatten mit dem steinigen Boden zu kämpfen. Anschließend im Gras Socken und Schuhe wieder angezogen – doch nach der nächsten Biegung stellte sich heraus, dass das voreilig gewesen war: Noch ein überflutetes Stück. Diesmal stand das Wasser aber nur knöcheltief, ich ging einfach mit Stiefeln durch, sie hatten sich ja schon mehrfach als wasserfest erwiesen.

Foto: Herr Kaltmamsell. Diesen Übergang auf Steinen (deutlich vor den überfluteten Passagen) kannten wir.

Einkehrschwung in Herrsching beim Andechser Hof. Appetit hatte ich zwar immer noch nicht, doch die vernünftig bestellten Nudeln mit Pfifferlingrahm schmeckten dann doch.

Wir beendeten die Wanderung, wie wir sie begonnen hatten: mit Regen. Schon beim Warten auf die S-Bahn sahen wir Blitze über den Hügeln, auf der Fahrt wurde der Regen immer stärker, bei jedem Halt kamen mehr nasse Wanderer und Radlerinnen hereingeflohen. In München gönnten wir uns für das letzte Stück vom Bahnhof nach Hause eine Straßenbahn, wurden aber auf den wenigen Metern im Freien recht nass. Da wir eh heimkamen, zogen wir die Wanderjacken gar nicht erst aus dem Rucksack.

Wohlige Dusche und Eincremen mit kühlendem Gurken-Minz-Gel.

Journal Freitag, 23. Juli 2021 – Nachdenken über Parkplatzbedürfnisse

Samstag, 24. Juli 2021

Wackligere Nacht, denn zu meiner Einschlafzeit klang noch ungewöhnlich laute Live-Musik aus dem Nußbaumpark herein, dann wachte ich von lauter Fröhlichkeit auf der Straße auf und konnte nur schwer wieder einschlafen, kurz nach fünf war die Nacht schon zu Ende.

Aus dem zunächst wolkigen Morgen wurde bald ein sonniger.

Morgendunst über der Theresienwiese. Die Karussels gehören zur Aktion “Sommer in der Stadt”.

Wie nötig sind die Parkplätze im Viertel wirklich? Nach diesem Foto von @formschub sah ich mir die unter Bäumen parkenden Autos mit Anwohnerparkausweis mal an, die ich auf meinem Weg in die Arbeit passiere: Ich schätzte, dass fast die Hälfte davon mindestens seit einigen Tag dort steht, einige sicher seit Wochen. So ist es ja auch bei den Anwohnerparkplätzen vorm eigenen Wohnhaus: Wochenlang unbewegte Privat-Pkw oder Wohnmobile. Es fällt mir schwer zu verstehen, dass auch nur die Mehrzahl davon “nunmal aufs eigene Auto angewiesen” sein soll (auch wenn ich Leute kenne, bei denen es tatsächlich so ist), wenn so viele private Blechkisten in einer Gegend mit hervorragender Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr öffentlichen Raum besetzen (wer aufs Auto angewiesen ist, fährt es fast täglich). Kostet ja auch nur 30 Euro pro Jahr.

Zu Mittag gab’s Pumpernickel mit Butter, außerdem zwei große Flachpfirsiche und zwei Pflaumen – endlich richtig gutes und aromatisches Obst. Allerdings auch ein bisschen zu viel, ich fühlte mich anschließend vollverklebt. Dabei hielt ich mich eigentlich für Süßigkeiten-geübt. Unangenehm: Gestern packte mich eine Glut-Attacke nach der anderen, bereits am frühen Nachmittag hatte ich fünf gezählt. Mit dem Standardbegriff “Hitzewallung” kann ich weiterhin nichts anfangen; ich fühle mich eher wie eine X-Men, die von innen glüht und sich lieber nicht mal am Bürostuhl anlehnt, um den nicht anzusengen. Im Gegenzug fröstle ich dazwischen auch bei Sommerhitze bis Gänsehaut. Hormone, Oida! Aber die fand ich ja schon vorm Klimakterium Scheiße.

Ich machte pünktlich Feierabend und spazierte über eine große Schleife im herrlichen Westpark nach Hause.

Blick aufs Café Gans am Wasser.

Heimweg über die Theresienwiese.

Hochsommerlicht und -temperaturen wollen in meinen Augen einfach nicht mit Volksfest zusammenpassen.

Zum Abendessen hatte Herr Kaltmamsell mal wieder beim Herrmannsdorfer Entrecôte gekauft. Er servierte es mit den restlichen neuen Kartoffeln aus Ernteanteil und Schnittlauf-Sauerrahm.

Im Glas ein Biowein aus Mallorca, den ich im Mittemeer entdeckt hatte: Binigrau e negre, Merlot mit Mantonegro. Schön würzig, das Holz schmeckte ich gar nicht, ein untypischer Spanier.

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Architektur-Philosoph Matthias Warkus erklärt, wer warum auf Wohnen in Altbau abfährt – und was wir eigentlich unter Altbau verstehen.
“Altbau oder nichts: Warum viele meinen, dass an Dielenboden und Stuck kein Weg vorbeiführt”.

via @goncourt

Journal Donnerstag, 22. Juli 2021 – Geschenke per Post

Freitag, 23. Juli 2021

Nachts fast sechs Stunden am Stück tief geschlafen, das war schön. Aufgewacht in einen frischen Sommermorgen.

Mittags lauerte ich vor meinem Rechner auf einen Schwimm-Slot in Schyren- oder Dantebad, währenddessen schaute ich nach, ob es wohl schon einen Wiedereröffnungstermin fürs Olympiabad gibt, und fand heraus: IST SCHON OFFEN! Doch für Sonntag erjagte ich einen Slot im Dantebad.

Mittagessen waren ein Laugenzöpferl sowie Pfirsiche mit Joghurt.

Nach Feierabend ging ich über den Vollcorner nach Hause, Einkäufe Obst, Tomaten, Milchprodukte.

Daheim freute ich mich über eine halbe Stunde Yoga, einmal durchgedehnt.

Mit der Post waren Geschenke gekommen: Eine Blogleserin hatte mir nach Nachfrage zwei Freikarten für die Münchner Bäder geschickt (danke! eine werde ich gleich am Sonntag einsetzen), und Bov Bjerg hatte mir die Neuauflage seines Roman-Erstlings Deadline zukommen lassen (große Freude, vielen Dank).

Eines der 224 verkauften Exemplare der ersten Auflage (der Rest wurde bei einem Lagerbrand vernichtet) besitze ich ja als immer noch sehr rührendes Geschenk eines weiteres Bloglesers und hatte es gern gelesen (hier unten hatte ich darüber geschrieben, hier gibt es mehr Info zum Roman, die Buchpremiere in Berlin verpasse ich leider, ich reise erst in der Woche danach an), jetzt darf es sich im Regalabschnitt mit der Bücherkategorie “Bücher von Blogger*innen und Twitter*innen” (wahrscheinlich keine sehr häufige Bibliothekskategorie) ans neue kuscheln.

Zum Abendessen bereitete ich aus frisch geholtem Ernteanteil pinken Chinakohl-Salat mit Joghurt-Sesamöl-Dressing und ein paar zugekauften Tomaten. Danach reichlich Schokolade.

Die Tagesschau berichtete über den zehnten Jahrestag der Terrormorde von Utøya – und nannte dabei konsequent den Namen des rechtsextremen Täters nicht. Das begrüßte ich sehr, auch vor dem Hintergrund, dass er sich bis heute als Held sieht und mit seinen Terrorakten weltweite Strahlkraft erreichen wollte.

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Lustiges Spiel entdeckt: Eine Website, auf der man aktuelle Hochwasserrisiken nachschauen kann, und zwar die richtig offizielle der Bundesanstalt für Gewässerkunde:
“Hochwassergefahren- und Hochwasserrisikokarten in Deutschland (Status aktuell)”.

So sieht dort München aus:

Und so meine Geburtsstadt Ingolstadt:

Zumindest meine Familie lebt im ungefährdeten Gebiet.

Journal Mittwoch, 21. Juli 2021 – Feierabend draußen, mehr aus der Bürgerversammlung

Donnerstag, 22. Juli 2021

Schlechte weil unruhige Nacht, entsprechend benebelt war mein Morgen.

Ich nahm mir überm Morgenkaffee die Zeit zum Bloggen über die Bürgerversammlung, kam ich halt eine halbe Stunde später als sonst ins Büro. Draußen war Sommer.

Beim Mitschreiben mit Füller in einem Meeting verwendete ich erstmals Gender-Sternchen (ohne nachzudenken) – ging besser als erwartet, hielt mich weniger auf als erwartet. Aber vielleicht wechsle ich bei Handschrift doch zu einem schnelleren + statt *.

Zu Mittag gab es zwei Hände voll Datteltomaten, außerdem Flachpfirsich mit Sahnequark. Nachmittags viel Basteln in einer Excel-Tabelle und Nachdenken über Work-arounds.

Nach der Arbeit war ich mit Herrn Kaltmamsell verabredet, im Westpark trafen wir uns im Café Gans am Wasser. Ich checkte mit der lokalen App ein (dieselbe wie im Biergarten Aumeister, sie kannte meine Daten schon), aß in wunderbar goldenem Licht einen Teller gegrilltes Gemüse mit Humus und Fladenbrot, trank Rhabarberschorle.

Schöner Spaziergang nach Hause über die Theresienwiese, die immer noch rege für Sport und Rumsitzen genutzt wird.

Daheim noch eine Runde Schokolade als Nachtisch.

Ein wenig Nachklapp zur Bürgerversammlung am Dienstagabend, unter den Anträgen/Anfragen gab es einiges Interessantes. (Aber Vorsicht: Ich bin keine verlässliche Quelle, weil ich zum einen kein Korrektiv in Form einer Redaktion habe, außerdem war ich durch vorzeitiges Gehen weder bei allen Wortmeldungen anwesend noch bei den Antworten aus der Verwaltung oder bei den Abstimmungen.)

Zwei Anträge/Anfragen (das wurde diesmal nicht deutlich unterschieden, das hat man wohl erst bei der Abstimmung wirklich gemerkt, denn nur über Anträge wird abgestimmt) fragten nach Häusern: Ein Bewohner Pettenkoferstraße 25 war vom Abriss seines Wohnhauses bedroht; ein Anwohner der Gegend Schubertstraße (zweigt von der Theresienweise ab) fragte nach einem Gebäude, das mir vor Jahren beim Spazierengehen als wunderschön aufgefallen war und damals auch gerade renoviert wurde. Bis ich bei weiteren Spaziergängen über die Jahre merkte, dass sich nichts am Renovierungsstatus änderte – das war in Wirklichkeit eine malerische Ruine.

Gestern auf dem Heimweg gleich mal fotografiert.

Auf der Bürgerversammlung wurde sich erkundigt, warum diese Häuser denn nicht von der Stadt gekauft würden. Da Zeite Bürgermeisterin Habenschaden in ihrem Vortrag die städtische Wohnungsbaupolitik gerühmt hatte und unterstrichen, dass die beiden städtischen Wohnungsbaugesellschaften kontinuierlich Wohnhäuser aufkauften, hätten mich ihre Antwort und die Kriterien für Ankauf interessiert.

Ein Künstlerkollektiv beantragte auf der Bürgerversammlung, dass die Stadt ein Gelände (“Freiraum”) zum Feiern findet, damit Gärtnerplatz und Isarauen von Müll und Lärm entlastet werden.

Zweimal hörte ich Anträge, die Stadtbäche freizulegen, interessant fand ich den Antrag auf eine Mülleimer-Task-Force, an die man überquellende Mülleimer melden kann.

Was sich wiederholte: Immer wieder und gerade von Menschen, die bereits seit Jahrzehnten im Viertel wohnen, kamen Hinweise auf eine immer aggressiveren Atmosphäre unter immer mehr Menschen, egal ob im Verkehr oder bei Lärm.

Neuheit im Ablauf: Auf der Leinwand für die Eingangs-Präsentationen wurden Fotos und sonstige Illustrationen gezeigt, die die Antragstellenden eingereicht hatten.

Nachtrag: Hier der Bericht der Süddeutschen über die Bürgerversammlung Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt.

Journal Dienstag, 20. Juli 2021 – Bürgerversammlung im Zirkus

Mittwoch, 21. Juli 2021

Nur leicht unruhige Nacht, der Wecker holte mich aus Tiefschlaf.

Ich spazierte durch einen frischem Sommertag in die Arbeit, der sonnig blieb, aber nicht heiß wurde. Mittags Birchermuesli mit Joghurt und Aprikosen.

Auf dem Heimweg blieb ich zum Obstkauf an einem Standl stehen. Ich kaufte weniger als geplant, weil die Waage mangels Strom nicht funktionierte und die Standlerin Gewicht und Preis schätzte, ich beließ es bei Pfirsichen und Tomaten.

Daheim gab es frühes und schnelles Abendessen, von Herr Kaltmamsell serviert: Er hatte nochmal Okonomiyaki zubereitet, weil der Ernteanteil Spitzkohl enthalten hatte, und dazu chinesische Wurst gekauft. Schmeckte wieder sehr gut.

Das Nachtmahl war so früh angsetzt, weil ich die gestrige Bürgerversammlung meines Stadtbezirks Ludwigvorstadt-Isarvorstadt besuchen wollte. Letztes Jahr war sie wegen Corona ausgefallen, dieses Jahr war sie aus dem gleichen Grund von der gewohnten Schulturnhalle in den Circus Krone verlegt worden. Eine schriftliche Einladung war nicht in unserem Briefkasten angekommen, ich hatte den Termin zufällig bei einem Check der Bezirksausschuss-Website entdeckt.

Dort hatte ich auch die Corona-Maßnahmen nachgelesen – und war etwas ungehalten, als anders als dort angegeben das Einchecken per Corona-Warn-App und QR-Code auf Aufsteller nicht akzeptiert wurde und der Wachdienst mich zusätzlich den Meldebogen ausfüllen ließ.

Alle bekamen Platzkarten, um die Teilnehmenden Corona-konform über die Sitze zu verteilen, und wurden von sehr freundlichen Stadtangestellten zu diesem Platz gelotst.

Erste Male: Die 2020 neu gewählte Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) führte durch die Versammlung und präsentierte eingangs aktuelle Entwicklungen und Zahlen für München und meinen Stadtbezirk Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt. Neu war auch der Vorsitzende des Bezirksausschusses, Benoît Blaser, erstmals erlebte ich an dieser Stelle einen Einwanderer erster Generation. Blaser informierte über aktuelle Entwicklungen im Bezirk, keine Überraschungen, ebenso wenig gab es die im Sicherheitsbericht der örtlichen Polizei (deutlich gesunkene Anzahl Straftaten und Verkehrsdelikte wahrscheinlich wegen der Ausgangsbeschränkungen, deutlich gestiegene Anzahl Notfalleinsätze, weit überwiegend wegen Ruhestörung und “Infektionsschutz”).

Über den eigentlich interessanten Teil, die Anträge und Anfragen von Bürger*innen, berichte ich diesmal nicht detailliert: Es waren derart viele, dass ich nicht bis zum Ende durchhielt (Verdacht, dass die eh nicht vielen Teilnehmenden zu 70 Prozent Antragstellende waren). Nach deutlich über drei Stunden Versammlung stieg ich nach dem Antragstellenden Nr. 44 aus (ich hatte mitgezählt, und die Redezeit war unabhängig von der Anzahl der Anträge für jede Person auf fünf Minuten beschränkt), als immer noch kein Ende in Sicht war, und radelte durch die wundervolle Nacht heim. Ich fühlte mich schäbig, weil ich so nicht mit abstimmte, war aber zumindest froh, dass ich nicht auch eine Anfrage gestellt hatte (mich hatte das Fahrradparkkonzept um den neuen Hauptbahnhof interessiert).

Was bis dahin deutlich geworden war:
Zum einen das weiterhin zentrale Thema Verkehr in zwei deutlichen Ausprägungen: Die einen brachten Anträge zur Verringerung des Autoverkehrs in ihrer Wohngegend ein und wollten weniger Parkplätze, die anderen beschwerten sich über zu wenige Parkplätze, u.a. durch Baustellen, und wollten mehr, am liebsten alle zu Anwohnerparkplätzen umdeklarieren (dass das rechtlich nicht geht, weiß ich aus Antworten in früheren Bürgerversammlungen) bis hin zu Anträgen auf Änderung der Straßenverkehrordnung (ernsthaft).

Alle aber beobachteten immer stärker werdenden Kfz-Verkehr und wünschten sich weniger Autoverkehr von Nicht-Anwohnenden, das reichte vom Antrag auf Maut für Einfahrende bis Deklarierung des gesamten Bezirks zum Anwohnerparkbereich oder gar “Superblock” wie in Barcelona. Zudem natürlich viele, viele Anträge auf konkrete Verkehrsmaßnahmen (Ampeln, Radwege, Umbauten).

Zweites großes Thema: Nächtliche Ruhestörungen durch Partyvolk. Und hier erlebte ich echte Verzweiflung von Anwohnenden Gärtnerplatz und Schillerstraße, weil weder Polizei noch KVR-Hilfskräfte echte Handhabe gegen diesen Missstand haben. Stellte sich heraus, dass es uns am Nußbaumpark ja noch Gold geht: Um den Gärtnerplatz werden Hoftore überklettert und Innenhöfe als Klo benutzt. Hierzu hätten mich wirklich die Antworten der Stadt interessiert, aber so lange hielt ich ja nicht durch.

Exotische Beiträge: Eine Anwohnerin litt unter einem Pfeiffgeräusch vor ihrer Wohnung und bat um Unterstützung beim Finden der Quelle / ein Anwohner fragte, ob die Polizei am Bahnhof Radfahrer kontrolliere – “neben dem illegalen Alkoholverbot”.

Nach einigen Bürgerversammlungen identifizierte ich auch Dauer-Ideen, die jedesmal wieder auftauchen und ganz frisch und neu gehabt werden: 1. Weitere Nutzung der Theresienwiese, 2. Ausbau Braunauer Eisenbahnbrücke für Rad- und Fußverkehr (diesmal wusste der Antragsteller sogar, dass es die Deutsche Bahn ist, die sich querstellt, und beantragte deshalb, die Stadt solle “endlich Druck machen”).

Ein unangenehmes erstes Mal: Ein Störer. Unweit von mir saß jemand, der bereits während der Ausführungen von Bürgermeisterin Habenschaden durch Zwischenrufe auffiel (u.a. “Verbote verbieten!”) und später laut versuchte, eine Antragstellerin (konkrete Umweltschutz- und Klimaschutzmaßnahmen) am Weiterreden zu hindern: “Sie hatten schon zwei Anträge, das ist Bevorzugung.” Habenschaden erklärte kurz, dass die Redezeit noch nicht zu Ende sei, die Versammlung lief weiter. Doch er gab keine Ruhe, es kamen Ordner, mit denen er weiterstritt und die ihn irgendwann rausbegleiteten. Später tauchte er wieder an seinem Sitz auf (er war der mit der kuriosen Anfrage zu Radkontrollen am Bahnhof).

Es waren drei Vertreter*innen der Lokalpresse da – die mussten ja beruflich bis zum Ende bleiben. Mein Mitgefühl und großer Dank an sie, auf diese Berichterstattung bin diesmal auch ich angewiesen.

Journal Montag, 19. Juli 2021 – Musik und Yoga

Dienstag, 20. Juli 2021

Nach ordentlicher Nacht schon um halb fünf aufgewacht, mit Bomben-Kopfweh und auch sonst Rundum-Verkaterung – vielleicht lag das am Samstagmorgen doch nicht an den zweieinhalb Gläsern Wein des Vorabends, denn am Sonntag hatte ich nicht einen Tropfen getrunken.

Draußen Sonne, nur leicht dunstig, es wurde ein gemischtwolkiger Sommertag. Ich war allerdings den ganzen Vormittag körperlich ziemlich durch den Wind, nahm dann doch eine Ibu, nachmittags kämpfte ich gegen aggressive Müdigkeit.

Mittags ging ich das letzte Mal zu Frau Physio und ließ die operierte Hüfte kneten. Mittagessen zurück im Büro: Gurke aus Ernteanteil (köstlich), Aprikosen (meh) mit Hüttenkäse, Apfel.

Immer wieder warf ich einen Blick auf den Hochwasserstand der Münchner Isar, gestern wurde die zweite Meldestufe erreicht. Doch für die Zuflüsse gab es Entwarnung, diesmal sind wir wohl nochmal davongekommen. In den Medien immer lautere Kritik an der Struktur und Unzuverlässigkeit des hiesigen Katastrophenschutzes, nicht nur ich erinnerte mich an den verpatzten Sirenentest 2020.

Nach der Arbeit spazierte ich in einem etwas schwül-warmen Tag nach Hause.

Daheim eine halbe Stunde Yoga, anstrengend aber sehr wohltuend. (Musik und Yoga wirken derzeit lindernd. Merken.)

Zum Abendessen kochte ich uns neue Kartoffeln aus Ernteanteil, wir aßen sie mit dem Rest Tomaten-Oliven-Basilikum-Sößchen vom Samstag und dem Oregano-Pesto, das Herr Kaltmamsell gemacht hatte. Zum Nachtisch noch ein Rest vom Samstag: Sticky Toffee Pudding. Das war insgesamt sehr viel und abschließend Zehennägel-rollend knallsüß.

Aus dem Nußbaumpark-Biergarten tönte Trance Music herüber, die wunderbar zur Abendstimmung passte

Früh ins Bett und zurück zu meiner Lektüre von Zadie Smith, Grand Union, das sich genau so erfreulich liest wie vorhergesehen (gestern war sogar eine nicht-realistische Geschichte dabei).

§

70 Jahre Catcher in the Rye (ach guck, hier habe ich das englische Wort für Roggen gelernt), schöner Artikel im Spiegel (Gratulation zur Überschrift!).
“Der Landneurotiker”.

Auch bei mir war der Roman Schullektüre in der Oberstufe. Manche Mitschüler*innen wollten mit der deutschen Übersetzung (Heinerich Böll) mogeln, dadurch wurden wir uns schnell einig, dass das ja wohl eine beschissene Übersetzung war und beschlossen eine gemeinsame Neuübersetzung. (Ja, wir waren ein seltsamer Jahrgang mit vielen seltsamen Schüler*innen – ganz sicher nicht fleißiger als andere Jahrgänge, aber auf eine Art seltsam, die ich erst viele Jahre später als akzeptabel seltsam erkannte, weil seltsam davor halt nur im Zusammenhang mit rauchen, pöbeln, Schule schwänzen, Haare färben verwendet wurde. Doch unter anderem stieß in meinem Jahrgang praktisch jede Schullektüre auf Interesse.) Nach wenigen Seiten Übersetzen wurde uns klar, wie scheißschwierig das war, und das Projekt versickerte – zack! schon was gelernt.

Erst Herr Kaltmamsell machte mich mit Salingers Kurzgeschichten bekannt – die ich viel lieber mag, die sogar zu meinen Lieblingsbüchers gehören (z.B. Nine Stories).

Journal Sonntag, 18. Juli 2021 – An der hohen Isar

Montag, 19. Juli 2021

Gut geschlafen, nach Aufwachen um sieben sogar nochmal eine Stunde geschafft.

Draußen war es weiter grau und regnerisch. Ich vertändelte den Morgen, erst kurz nach elf verließ ich das Haus zum Laufen.

Ich radelte zum Friedensengel, rollte die Regenjacke zusammen, band sie mir um den Bauch und trabte im Trockenen los.

Die Isar stand sehr hoch und war Hochwasser-braun, noch aber sah ich nirgends überschwemmte Wege.

Ausgewandert.

Insgesamt 80 Minuten Joggen (inklusive natürlicher Foto- und Filmpausen), ging wunderbar, auch als es ein wenig regnete. Ich hörte nur auf, weil die linke untere Wade aufmuckte, die sich in der Nacht schon mal gemeldet hatte. Ausführliches Dehnen (wie ich es seit Lauf-Neustart immer mache) am Isarring – weil es dort Stufen gibt, die ich beim Wadendehnen nutze.

Hochwasserwarnung gab es auch für die Isar, aber auf niedrigem Niveau.

Beim Heimradeln besorgte ich Semmeln, die gab es zum Frühstück um halb drei mit ein wenig Räucherfisch-Paté vom Vorabend, außerdem Erdbeeren und Aprikosen mit Joghurt. Pediküre, Zeitunglesen auf dem zwischendurch sogar sonnigen Balkon.

Bügeln der Wochenwäsche, dazu Musik (ich sollte wirklich mehr Musik hören).

Das Abendessen kochte ich: Es gab Lauch aus Ernteanteil überbacken mit einer Couscous-Tomaten-Kruste. Nachtisch Schokolade, zum Teil mitgebracht von lieben Händen aus der Schweiz.

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Ein langjähriger Elektroauto-Fahrer spielt mit dem Gedanken, auf Verbrenner umzusteigen, hat da aber noch ein paar Detailfragen. (Satire.)

via @FrauBruellen

Meine Übersetzung:

1. Ich habe gehört, dass Benzinautos nicht tanken, während man schläft? Wie oft muss man es denn anderswo tanken? Mehrmals im Jahr? Wird an einer Lösung für ein Tanken daheim gearbeitet?

2. Welche Teile benötigen Wartung (Kundendienst) und wie oft? Der Autohändler erwähnte eine “Gangschaltung”: Was ist das und gibt es eine Anzeige im Auto, die signalisert, wann ich einen Gang wechseln muss?

3. Kann ich mit demselben Pedal beschleunigen und bremsen wie jetzt mit meinem Elektroauto?

4. Wird Kraftstoff wiederhergestellt, wenn ich langsamer werde oder bergab fahre? Ich gehe davon aus und frage nur zur Sicherheit.

5. Das Auto, das ich testgefahren bin, schien eine deutliche Verzögerung zu haben zwischen dem Druck auf das Beschleunigungspedal und dem tatsächlichen Einsetzen der Beschleunigung. Ist das normal bei Benzinautos?

6. Wir zahlen derzeit pro Meile Fahrt mit unserem Elektoroauto etwa 1,2 Pence. Ich habe gehört, dass Benzin bis zu zehnmal so viel kosten kann, also nehme ich an, dass wir erst mal draufzahlen. Wir fahren etwa 20.000 Meilen im Jahr. Hoffen wir mal, dass immer mehr Menschen Benzinautos fahren, damit die Benzinkosten sinken.

7. Stimmt es, dass Benzin leicht entzündlich ist? Sollte ich den Tank lieber entleeren und das Benzin an einem sicheren Ort aufbewahren, bevor ich das Auto in einer Garage abstelle?

8. Gibt es ein automatisches System um sicherzustellen, dass das Benzin bei einem Unfall nicht in Brand gerät oder gar explodiert? Was kostet es?

9. Ich habe erfahren, dass der Hauptbestandteil von Benzin Erdöl ist. Stimmt es, dass die Förderung und Verarbeitung von Erdöl Umweltprobleme verursacht, zumdem kriegerische Konflikte, die in den vergangenen 100 Jahren Millionen Leben gekostet haben? Gibt es für diese Probleme eine Lösung?

Wahrscheinlich habe ich später mehr Fragen, aber diese sind jetzt erst mal die wichtigsten. Vielen Dank schon im Voraus für Ihre Antworten.

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In der Fotografie ist es immer Fotojournalismus, der mich am meisten packt, nicht künstlerische Fotografie. Hier ein wundervolles Beispiel aus dem Jahr 1934: Dorothea Lange, berühmt geworden vor allem durch ihre Fotos von der Great Depressio, und ihr “A Sign of the Times–Mended Stockings, Stenographer, San Francisco”.

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Beim Bügeln Musik gehört und dieses schöne Stück von Marlene Dietrich entdeckt: “Illusions”.

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https://youtu.be/Phnnlrb7oRM