Journal Donnerstag, 26. August 2021 – Bayerischer Wald 5: Rumgammeln in Bodenmais
Freitag, 27. August 2021 um 7:44Nachtschlaf mit unruhiger Pause, das Bier war’s also wohl doch nicht das Heilmittel, wenn es zweimal hintereinander nicht hilft. Aufgewacht zum angekündigten Dauerregen.
Wir planten für den Regen einen Ruhetag mit ein wenig Erkundung von Bodenmais. Hatten allerdings die Tücke des Regens unterschätzt: Ich hätte zur Superduper-Wanderjacke auch die wasserabweisende Wanderhose anziehen sollen, nach Verlassen der Pension am Vormittag war meine Jeans innerhalb von zehn Minuten klatschnass. Für den ersten Stopp (dringend nötiger Hosenkauf in einem “Oulet”) ließ ich die tropfende Jacke beim draußen untergestellten Herrn Kaltmamsell. Wir waren kurz davor umzukehren und den Rest des Tages im Pensionszimmer zu verbringen, als der Regen versiegte. Also sahen wir uns im schönen Bodenmais um.
Es gibt einen Twitter-Kanal “Pictures of the end” – wäre er nicht englischsprachig, reichte ich das Foto hier ein.
Doch wir guckten uns auch die Kirche an, die wir in den vergangenen Tagen über dem Ort thronen hatten sehen.
1805 erbaut, eine alte, baufällige Kirche ersetzend, barockisierende Ausmalung stammt von 1924. Centerpiece: eine Schwarze Madonna, wundertätig (als man sie einmal aus der Kirche trug, kam PLÖTZLICH die Sonne heraus).
Sowas hat man hier in der Gegend gern: Ehrentafeln für verdiente Bürger*innen.
Wegen Religionsfrieden (ich war schließlich mit einem gebürtigen Augsburger unterwegs) schauten wir auch zur evangelischen Kirche. Außerdem suchten wir nach dem Schornstein, den man aus vielen Ecken sieht, um herauszufinden, wozu er gehört.
Wir fanden das Gelände, aber dort findet nichts mehr statt. Abschließend folgten wir einem Schild, das in einer Schnapsbrennerei nicht nur das dort Gebrannte anbot, sondern auch Pralinen. Sie stellten sich als frische Konditor-Pralinen heraus, ich kaufte ein.
Viel mit Herrn Kaltmamsell über Politik gesprochen, zum ersten Mal systematisch seine politischen Ansichten und Gedanken hinter seiner aktuellen Wahlunterscheidung erfragt – macht man ja nie bei Menschen, die man schon lange kennt, und so beruhte meine Einschätzung eher auf Vermutungen.
Gammeln in der Pension: Ich aß einen Flapjack und las dann Internet am Panoramafenster des Frühstückraums. Entgegen der Vorhersage schien immer wieder die Sonne, es regnete nicht nochmal. Dennoch hatte ich nicht das Gefühl, etwas zu verpassen: Ich genoss den Ruhetag, an den drei vorherigen Tagen war ich viel gelaufen.
Auf dem Zimmer Romanlesen, Zeitunglesen. An der eben gekauften Hose löste sich gleich mal ein Knopf. Ich griff zum Nähzeug, das das Zimmer bereitstellte – und stieß zum ersten Mal im Leben auf eine Nähnadel, deren Öhr zu klein für den Faden war. Nein, das hatte nichts mit schwächerem Augenlicht zu tun, auch Herr Kaltmamsell versuchte sich und kam zu dem Schluss, dass ein Einfädeln schlicht unmöglich war. Werde ich den Knopf also erst daheim annähen.
Fürs Abendessen hatten wir wieder Fremdländisch reserviert, diesmal im chinesischen Lokal. Die Speisenkarte dort bot nicht mal echte deutsche chinesische Küche, sonder deutsche Take-away chinesische Küche, doch wir bekamen rundum gut gemacht: Gemüse mit Tofu, knusprige Ente und gebratene Nudeln mit Rind und Gemüse. Dazu schmeckten mir zwei Radler. Schon bei der Reservierung war uns eingeschärft worden, dass wir nur mit Impf-Zertifikat reinkommen würden, auch sonst wurden die aktuellen Pandemie-Maßnahme so streng eingehalten wie sonst nirgends hier.
Zurück in der Pension gab’s ein paar frische Pralinen zum Nachtisch.
Was mir am Vortag wieder klar geworden war, als wir die erste Hälfte der Wanderung fast nur felsig bergauf unterwegs waren, das letzte Drittel felsig nass berab: Bergwandern ist nicht meine liebste Wanderform, weil ich zu wenig dabei sehe. Wenn ich bei jedem Schritt darauf achten muss, wohin ich meinen Stiefel setze – sonst Risiko des Umknickens oder Abrutschens und Hinfallens -, bekomme ich nichts links und recht neben dem Weg mit. Das fiel mir gestern auf, als ich nicht einmal hätte sagen können, aus welchen Bäumen auch nur der Wald bestand, den ich in der vorherigen halben Stunde durchklommen hatte. Die sportliche Seite ist am Berg interessant, aber ich vermisse das Gucken und Horchen, das mir die bequemeren Wege abseits von Bergen bieten.
die Kaltmamsell9 Kommentare zu „Journal Donnerstag, 26. August 2021 – Bayerischer Wald 5: Rumgammeln in Bodenmais“
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27. August 2021 um 7:58
Darf ich kurz eine Info hinterher schicken? Das sind keine Ehrentafeln, sondern Totenbretter und als alter Brauch Teil der Trauerkultur des Bayerischen Waldes.
27. August 2021 um 8:00
Danke für die Info, Ilse! (Ich war faul für Recherche gewesen.)
27. August 2021 um 8:19
Gut auswärts gegessen während unseres Bayerwaldurlaubs haben wir nur im Nationalparkzentrum Falkenstein. Da gab es auch fleischlose Auswahl.
Ich wünsche noch schöne Tage auf ruhigen Wanderwegen.
27. August 2021 um 9:21
Die Totenbretter-Info wollte ich auch gerade geben, aber Ilse hat das schon erledigt.
Empfehlung für Genusswanderer: eine traumhafte Tour mit einmaligem Naturerlebnis ist die große Schachtentour ab Buchenau. Einfach mal googlen, die Bilder sprechen für sich :-) Wir waren zuletzt 2019 dort oben, siehe https://rausgelinst.de/2019/10/2019-300/
27. August 2021 um 10:42
Die Totenbretter heißen in Nbaiern
Marterl
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Bildstock
27. August 2021 um 11:09
Totenbretter ist der “most metal” Ausdruck, den ich diese Woche gehört habe!
27. August 2021 um 11:33
@Arnulf Sinz: Totenbretter sind keine Marterl, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Totenbrett
Marterl gibt’s hier aber auch viele – und bemerkenswerte!
Petra, seit über 40 Jahren im Bayerwald zu Hause.
27. August 2021 um 13:29
Danke für den link zu der wunderbaren Seite “pictures of the end”! Ja, Ihr Foto macht dort Sinn.
27. August 2021 um 18:23
Interessant.
Mir geht es genau anders herum: Wandere ich auf bequemen Wegen im Flachen herum, fehlt mir der weite Ausblick, den mir die Berge bieten. Landschaft und Himmel galore, das fehlt mir im Wald. Und eines der ersten Dinge, die mir mein Papa beim Bergsteigen beibrachte, ist: Gehen oder sehen, niemals beides :-) Und wenn’s steil ist, ist gelegentlich kurz Durchschnaufen eh nichts Schlechtes.