Journal Mittwoch, 25. August 2021 – Bayerischer Wald 4: Mit allen anderen auf dem Großen Arber
Donnerstag, 26. August 2021 um 8:07Gestern war der einzige sonnige Tag unserer Urlaubswoche angekündigt. Wir überlegten also gründlich, welche Wanderroute am meisten von ihm profitieren würde und entschieden uns für eine Runde um Großen und Kleinen Arber. Es stellte sich heraus: Wie halt alle, alle derzeit im Bayerischen Wald Urlaubenden auch – so voll habe ich Wanderwege zuletzt im Voralpenland während der pandemischen Bewegungseinschränkungen erlebt. Und wir sprechen hier nicht nur von Wanderwilligen: Viele nutzten den Berg gestern für Sport, von Trekking (sehr schnelles Wandern in Turnschuhen) über Nordic Walking bis Radeln mit Motor oder ohne. Dazu sehr viele Hunde (deutlich mehr als Kinder), ein Drittel davon nicht angeleint (trotz zahlreicher Schilder, die Hunde in diesem Naturpark nur an der Leine zulassen).
Die Tour selbst war eigentlich schön: Meist schien die Sonne, es gab wundervolle Himbeeren, Blaubeeren, auch großartige Ausblicke, und ich schaffte es die meiste Zeit, die Menschenmassen skurril und witzig absurd zu finden. Mein Humor versiegte leider beim Versuch, auf den Kleinen Arber zu kommen: Auf dem schmalen, felsigen und matschigen Steig zum Gipfel mussten wir alle paar Schritte anhalten, um Leute vorbei oder herunterwärts zu lassen – 50 Meter vor ganz oben kapitulierte ich und bat um Umkehren.
Unterm Strich waren wir sieben Stunden mit zwei ausgiebigen Pausen und 20 Kilometer unterwegs, das ging körperlich erstaunlich gut – lag sicher am wieder zur Sicherheit angeklebten Tape.
Eine Ahnung vom Ausgang des Tages bekamen wir, als auf den meist Bürgersteig-freien Bodenmaiser Straßen vor lauter Autos schon kein Platz für Fußgänger beim Anmarsch zum Start der Wanderung war, wir mussten uns mehrfach in die Büsche drücken. Mein Fehler, es gibt in unserer Welt nur Anfahrt zum Wanderparkplatz.
Weder das eine noch das andere wurde konsequent beachtet.
Auf dem ersten Teilabschnitt bis zu den Rieslochfällen legten wir hin und wieder einen Zwischenspurt ein, um anderen Wanderern aus dem Weg zu gehen, zum Beispiel um genügend Abstand zu Steine werfenden Kindern zu schaffen.
Die Wasserfälle hatten wir ja schon am Montag im Regen und nahezu allein gesehen, wir wanderten zügig weiter.
Am Fuß des Großen Arber entdeckte ich, dass dort die vielen, vielen Blaubeerbüsche, an denen wir ständig vorbeikamen, nicht abgeerntet waren. Ich brockte eine Hand voll, es gab sie als Snack.
Auch Himbeeren konnte ich immer wieder naschen.
Großer Arber von unten:
Kreuzen einer Rinderweide mit sehr lautem Kuhglockengeläut und viel Muh.
Die aufregenste Blumenentdeckung gestern:
In der Nähe der Blumen machten wir auf einem Stein nach gut zwei Stunden Wanderung Pause und tranken etwas Wasser.
Oben auf dem Großen Arber war die Hölle los, ungefähr so ging es am Ende des Jakobswegs in Finisterre zu: Es mischten sich Auto-Gefahrene, Seilbahnnutzer*innen, Wandervolk und Sportleri*innen, wir hörten praktisch alle deutschen Dialekte. Schwankend zwischen Unglauben und Amüsement stapften wir den ausgeschilderten Gipfelrundweg ab, aufs Erklettern der Gipfel hatte ich wirklich keine Lust (nicht im Bild: die zusätzlichen E- und Mountainbiker):
Man nennt den Großen Arber ja auch den Marienplatz des Bayerischen Waldes. (Oder man sollte es.)
Aber: Aussicht.
Über ein Stück breiten Schotterweg gingen wir hinüber zum Kleinen Arber – Kolonnenwandern. Auf dem Weg zum Gipfel nahmen wir erst mal eine falsche Abzweigung – was uns schnell klar wurde, als plötzlich um uns keine Menschen mehr lärmten, Stille einkehrte und wir sogar Vögelchen hörten.
Zurück auf dem richtigen Weg verließ mich eben die Laune: Der Ausblick vom Gipfel war mir egal, ich wollte nur weg von den Menschen, hier auf dem Weg nach unten.
Herr Kaltmamsells Routenplanung führte uns danach zurück in einsamere und idyllische Gegenden: Wir stiegen entlang des Schwellbachs ab, machten unterwegs nochmal Pause, ich aß einen Apfel.
Zusammenfluss von Schwellbach und Arberbach:
Zurück in Bodenmais hatten wir erstmals einen klaren Blick auf den Silberberg.
Gegen fünf kehrten wir zum Abschluss des Wandertages direkt in den Brauereigasthof Adam ein: Die Brotzeitbrettln hatten attraktiv ausgesehen, und das Pils hatte besonders gut geschmeckt. Erstmals wollte man unsere Impf-Zertifikate sehen (vielleicht kommt auch sowas hier verzögert an). Während wir auf einen Tisch warteten, erkundigte sich ein englischsprachiges Paar nach einer vegetarian option. Die Bedienung ging die Tageskarte mit ihnen durch, Slapstick live: “Meat, meat, meat, fish, salad – but with meat.” Die beiden gingen wieder.
Bei uns gab es einmal Braumeister-Brettl:
Einmal Jäger-Brettl:
Wir waren zufrieden.
Zurück im Pensionszimmer war es immer noch warm, durch die offene Balkontür ließen wir echte Augustgerüche ein. Zur Abenunterhaltung lief Grey’s Anatomy – in den aktuellen Folgen wird praktisch ganz auf medizinische Inhalte verzichtet (also auf das, was Ärzteserien für mich attraktiv macht), die zwischenmenschlichen Interaktionen und Dramen finden eher zufällig in einem Krankenhaus statt.
die Kaltmamsell11 Kommentare zu „Journal Mittwoch, 25. August 2021 – Bayerischer Wald 4: Mit allen anderen auf dem Großen Arber“
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26. August 2021 um 11:10
Die wissenschaftliche Evidenz der Kineso Tapes ist nicht so berauschend.
https://www.doccheck.com/de/detail/articles/34932-kinesio-tapes-wann-hoert-ihr-auf-zu-kleben
Aber wenns schee macht.
26. August 2021 um 13:00
Die Blume könnte ein ungarischer Enzian sein. Aber vielleicht auch ein anderer. Es scheint, als ob der bayerische Wald nun das neue Malle ist. Ein bisschen gruselig.
26. August 2021 um 13:34
Ja, croco, danke für die Blumenbestimmung! (Ich sagte gestern nicht nur einmal zu Herrn Kaltmamsell: “Wenn man mal wirklich eine Biologin braucht, ist keine zur Hand.”)
26. August 2021 um 13:41
Vielen Dank für das Teilhaben lassen ihrer Erlebnisse im bayrischen Wald. Freuen Sie sich auf Regentage mit weniger Menschenansammlung. Meinen Plan, mal dorthin zu reisen lass ich lieber sein. Als Vegetarierin wird mir ganz schwach, ob meat, meat, meat. Neulich auf der schwäbischen Alb das gleiche. Ich bestellte, zur Belustigung des halben Wirtshauses einen strammen Max ohne Schinken
26. August 2021 um 13:50
Das wusste ich, Joe, aber vielen Dank für Ihre Fürsorge. Ich hätte nicht “Tape” schreiben dürfen, das impliziert Kineso. Meine Hausärztin hatte kein Kineso Tape empfohlen, sondern explizit nicht-elastische Meterware. Dafür habe ich zwar auch keine Evidenz gefunden (ich google alle Therapie-Empfehlungen oder Medikamente erst mal kombiniert mit dem Stichwort “Evidenz”): Dazu gibt es noch viel zu wenig Daten.
26. August 2021 um 14:03
Eine Alternative, Bobbie, die ich schon überlegt habe, wäre das Mieten einer Ferienwohnung und Selberkochen – aber eigentlich gehört auch für mich zum Urlaub gutes Auswärtsessen.
26. August 2021 um 14:19
Grey’s Anatomy hat es allerdings in den letzten Wochen (also vor vermutlich einem Jahr in den USA) hinbekommen, die Situation in der aktuellen Pandemie im Gesundheitswesen eindringlich darzustellen und ich frage mich, wieso keine deutsche Arztserie das gemacht hat. Könnte mir vorstellen, dass das einen großen Beitrag gegen Querdenker hätte leisten können.
Außerdem positionieren sie sich sehr stark bei Black Lives Matter (und gestern dann eben auch bezüglich Native Americans etc.). Der einzige Minuspunkt, wenn sie schon überall so fortschrittlich sind: Wieso wird in der Geburtshilfe immer noch traditionell auf dem Rücken entbunden. Aber gut, man kann nicht alles haben :-)
26. August 2021 um 14:54
Kochen in Ferienwohnungen ist auch ein Abenteuer: Wenn das Wasser für “mal schnell Nudeln” auf der schwachbrüstigen 2er-Elektroplatte eine halbe Stunde braucht um überhaupt mal zu kochen… Oder man lernt, dass auf einem Gasherd keine Wassertropfen unten am Topf sein dürfen…
Allerdings bin ich da sehr verwöhnt, ich habe zuhause einen riesigen Induktionsherd.
Ansonsten muss man im Urlaub abwechseln zwischen “schön und wenig Leute” und “es gibt abwechslungsreiches Essen in den Restaurants”.
Wie geht es Ihnen mit den Leuten in der Gastronomie? Auf Rügen merkte man allerorten, dass seit Mai mit zuwenig Leuten zuviel gearbeitet wurde.
Dafür habe ich aber kross gebratene Sprotten und Sanddornspritz kennengelernt.
26. August 2021 um 16:15
Meine Pflanzen-Identifikations-App (PlantNet) tippt auf den Purpur-Enzian – meine eigenen Botanikkenntnisse haben dem nichts entgegen zu setzen.
26. August 2021 um 17:26
Als Vegetarierin habe ich mich gut aufgehoben gefühlt in einer Art Wellnesshotel in Frauenau, es gab im Hotel immer Büffet und echt eine gute vegetarische Auswahl, oft auch vegan.
Deshalb bin ich total überrascht, dass es in Bodenmais, der gefühlt der belebteste Ort in der Gegend ist mit den meisten Unterkünften und Besuchern, die Auswahl an veget. Gerichten so mau ist. Würde wohl sehr oft Pizza und Nudeln beim Italiener essen.
26. August 2021 um 23:01
“Bleibt meine Zunge jetzt blau?”