Archiv für August 2021

Journal Dienstag, 24. August 2021 – Bayerischer Wald 3: Flusswanderung am Großen Regen

Mittwoch, 25. August 2021

Wieder gut geschlafen! Ich wachte vor dem Weckerklingeln auf, gemütliche Körperpflege. Nach dem Morgencappuccino präsentierte Herr Kaltmamsell das mögliche Programm für diesen weiteren Regentag: Baumwipfelpfad mit benachbartem Wildgehege – und über zweistündiger Anreise / Stadterkundung Zwiesel / gemütliche Wanderung entlang dem Fluss Großer Regen von Bayerisch Eisenstein bis Ludwigsthal, 45 Minuten Anreise mit der Waldbahn.

Dem Titel des Blogposts entnehmen Sie, wofür wir uns entschieden. Nach ein wenig online Zeitunglesen spazierten wir zum Bahnhof und nahmen die Waldbahn nach Bayerisch Eisenstein, Umsteigen in Zwiesel. Es wurde eine ganz wundervolle Wanderung den wilden Großen Regen entlang: Ohne Regen und mit vielen Farben und Tiersichtungen lief es sich doch ganz anders als am Montag; ich konnte Herrn Kaltmamsell sogar dazu überreden, die Tour weiter bis nach Zwiesel zu gehen. Über diesen Abschnitt hatte er sich allerdings nicht erkundigt, es bestand also das Risiko, dass diese zusätzlichen zweieinhalb Stunden langweilig entlang einer Straße verlaufen würden. Zu finden war er leicht, weil als Flusswanderung weiter ausgeschildert; und er war sogar noch abenteuerlicher als der erste Abschnitt bis Ludwigsthal: Wir kamen durch ein Moor, und an einer Stelle war ein neuer Bach an die Stelle des Wanderwegs getreten – wir musste einen großen Bogen schlagen, den aber zum Glück bereits Wanderer vor uns zum Pfad getrampelt hatten.

Wir kamen an vielen Bäumen vorbei, die ungewohnt aussahen: Die Tannen waren so mächtig, wie ich sie noch nie gesehen hatte / manche hatten auffallende Krankheiten und Pilzbefall / umgestürzte Bäume morschten vor sich hin / die Rinde mancher gefällten und umgestürzten Bäume war in Streifen maschinell abgetragen, wie ich es noch nie gesehen habe.

Tiersichtungen: Auf der Anfahrt Rehe, Kälber, Wildpferde, Eichelhäher, unterwegs viele, viele Schwalben, ein frischer Ameisenhügel, eine Maus, die über den Weg huschte. Einen Greifvogel und Amseln hörten wir lediglich (eine apfelnaschende Amsel sahen wir auch von fern). Dominanter Duft auf dem gesamten Weg: Indisches Springkraut, das überall dick blühte. Großer Pluspunkt wie schon am Montag: Keine Radler*innen, weder Elektro- noch Mountainbike, gar keine.

Bayerisch Eisenstein stellte sich als ganz reizend heraus und hatte einen imposanten Bahnhof.

Start am Großen Regen:

Was Sie hier nicht sehen und hören: unzählige Schwalben, die knapp überm Wasser flitzen:

Herrlicher Wanderweg.

Unterwegs eine Mühle, deren Wasser vom Großen Regen abgezweigt wurde.

So mächtig kannte ich Tannen bisher nicht:

Der Ort Seebachschleife:

Goldgelber Ziegenbart:

Gut ausgeschilderter Weg:

So sahen viele der gefällten und gestürzten Baumstämme aus – weiß jemand, warum das gemacht wird?

Pilz auch in sehr Groß: eine Breitblättrige Krause-Glucke, die ich unbedingt anfassen musste.

Beim Ort Regenhütte machten wir gegen zwei Pause. Wir setzten uns auf ein Bankerl, ich teilte mir mit Herrn Kaltmamsell einen Hafer-Flapjack und aß einen Apfel. Hier besprachen wir, ob wir wie geplant von Ludwigsthal die Waldbahn zurück nehmen sollten oder doch weiter bis Zwiesel gehen. Ich freute mich, dass auch Herr Kaltmamsell Lust auf Weitergehen hatte.

Der Große Regen floss jetzt weniger spektakulär, dafür wurde der Weg immer wieder abenteuerlich, war mal von Forstmaschinen weggepflügt, führte auch mal ein Stück aufwärts und damit weg vom Fluss. Doch die ausgezeichnete Ausschilderung stellte sicher, dass wir uns nicht verliefen.

Eine sehr lebendige Pflanze machte ich zu Hutschmuck (Foto: Herr Kaltmamsell):

Die letzte halbe Stunde mussten wir durchs Industriegebiet von Zwiesel zum Bahnhof gehen, das war der einzige langweilige Teil der knapp 20 Kilometer und fünfeinhalb Stunden.

Erst als wir zurück in Bodenmais aus dem Zug stiegen, wurde wir nass: Jetzt regnete es Schnürlregen.

Zum Abendessen versuchten wir Fremdländisches. Der örtliche Chinese war bereits ausgebucht, also steuerten wir nach kurzem Abladen und Umziehen in der Pension (wieder mit Schirm) ein bulgarisches Lokal an, das wir am Montag beim Vorbeigehen gesehen hatten. Und siehe da: Anständiges Essen, ich bekam sogar Gemüse in Form des typisch bulgarischen Salats Schopska mit geriebenem Schafskäse (richtig gut).

Und dann noch ein mit Pilzen und Käse gefülltes Hackfleisch, dazu Pommes (Herr Kaltmamsell hatte den Grillteller).

Zurück im Pensionszimmer ein wenig Fernsehen. Der riesige Apparat hier verfügt über die hochmoderne Technik, die alle wie echte Menschen wirken lässt: Ich sehe ihre Hautunreinheiten und Poren, sehe den Schweißglanz des Nachrichtensprechers. Und weiß nicht, ob ich das möchte.

Journal Montag, 23. August 2021 – Bayerischer Wald 2: Rieslochfälle und Silberberg im Regen

Dienstag, 24. August 2021

Nach schwierigem Einschlafen eine gute Nacht, vielleicht sollte ich das mit dem Bier zum Abendessen beibehalten.

Vom Wecker geweckt, weil wir die Frühschicht beim Frühstück gewählt hatten: Abstandsregeln machen es unmöglich, alle Gäste gleichzeitig mit Frühstück zu versorgen. Während Herr Kaltmamsell frühstückte (ebenfalls wegen Corona gab es kein Buffet, er hatte sich am Vortag sein Wunsch-Frühstück aus einer Liste zusammengestellt, es wurde an den Tisch gebracht), trank ich meinen Morgen-Cappuccino.

Die Wettervorhersage kündigte die einzigen beiden regenfreien Stunden des Tages jetzt gleich an, also brachen wir umgehend zu der Rundwanderung auf, die Herr Kaltmamsell ausgesucht hatte: Rieslochfälle, Schönebene, Silberberg, Riederinfelsen, etwa 15 Kilometer ohne viel Aussicht – die hätten wir gestern eh nicht gehabt. Vorher schauten wir noch bei der Tourist Information vorbei und holten eine Wanderkarte ab.

Die Wanderung war schön, auch nachdem vorhersagegemäß der Regen einsetzte. (Und anstrengend.) Genau so hatte ich mir den Bayerischen Wald vorgestellt: Nass und düster, waldig und felsig. Einzig die Tiersichtungen fehlten mir, Vögel hörten und sahen wir nicht mal ein halbes Dutzend. Außer uns waren durchaus weitere Wander*innen unterwegs, aber nicht zu viele.

Leider zickte (neben meinem Kreislauf immer wieder mit Herzdröhnen) der Akku meines Handys, ich musste bald Herrn Kaltmamsell bitten, statt meiner die Fotos zu machen. Eine Pause legten wir nach zwei Stunden ein, es regnete gerade weniger. Um eins aß ich einen Apfel und einen Eiweißriegel.

Kurz nach Start der Wanderung wurde es gleich abenteuerlich: Wir mussten die Rissloch queren. Ich ging voran, Herr Kaltmamsell hielt fest, wie ich um Gleichgewicht rudern musste.

Er hingegen meisterte die Querung souverän.

Vor den wirklich wilden Rießlochfällen gab’s ein Selfie.

Danach ging’s ausgesprochen gach hoch, für den Steig entlang den Wasserfällen brauchten wir bei dieser Nässe alle Viere.

Der Regen verwandelte den Wald in eine dunstige und mystische Gegend (Fotos: Herr Kaltmamsell).

Den Silberberg, den Bodenmaiser Hausberg, erstiegen wir in dichtem Regen. Vor dem letzten Stück nach der Seilbahn wollte uns eine entgegenkommende Wanderin gleich ganz abhalten: “Man sieht überhaupt nichts!” No na, das Gipfelkreuz sahen wir schon. (Foto: Herr Kaltmamsell)

Auf dem Abstieg ganz andere Wege, vom Erz des Berges gefärbt. (Fotos: Herr Kaltmamsell)

Von hier aus hätte man ohne Regen wahrscheinlich wirklich eine schöne Aussicht gehabt.

Als wir an den Riederinfelsen kamen, stieg ich die Leiter bis ganz nach oben – und wurde mit einem Blick über Bodenmais belohnt (mein Handy hatte jetzt am externen Akku genug Strom getankt).

Nach fünfeinhalb Stunden waren wir zurück am Ortsrand von Bodenmais.

Ich weiß, dass das unfair ist – aber bei all der geschniegelten Schickizität der Fremdenverkehrgebäude ziehen mich die Ausnahmen besonders an (demnächst wachsen mir Hippsterbart und Man Bun). Und: Warum nur hat sich die Zeitgemäßheit der Neubauten nicht auf die Speisenkarten ausgewirkt?

Bei der Rückkehr in unsere Pension waren wir nass und schmutzig, kümmerten uns erst mal um unsere Wanderausstattung. Ein wenig flachlegen.

Wieder durch Regen auf die Suche nach Abendessen, auch in diesem Wirtshaus lieblose Touristen-Abfütterung. Ich dachte, mit Schweinsbraten könnte ich nichts falsch machen, doch es kamen zwei dünne Scheiben Fleisch in Packerlsauce, dazu ein flummi-artiger Semmelknödel. Satt wurde ich und zumindest gab es ein wenig Salat dazu. Aber jetzt brauche ich wirklich irgendwas, das zumindest mit Liebe zubereitet ist. Außerdem wunderte ich mich, dass niemand unsere Impf-Zertifikate sehen wollte, wie auch in diesem Landkreis derzeit Pflicht, sondern wir wieder bloß unsere Kontaktdaten hinterlassen mussten.

Journal Sonntag, 22. August 2021 – Bayerischer Wald 1: Reise in den Regen

Montag, 23. August 2021

Ganz wunderbar geschlafen, und das bis halb acht, so schön.

Dadurch wurde allerdings das Kofferpacken etwas konfus, denn meine Eltern wollten vormittags vorbeikommen, meine Mutter würde für ein paar Tage Münchenurlaub bleiben.

Als es klingelte, war ich noch nicht mit Morgentoilette fertig, und der Koffer war noch nicht zu Ende gepackt. Mit Begrüßen, Erzählen, Wohnungzeigen und meiner ohnehin derzeit sehr schlechten Reizverarbeitung stand ich dann nach Verabschiedung mit den Koffern vorm Haus und war nicht sicher, ob wir alles eingepackt hatten. Zum Glück ging Herr Kaltmamsell nochmal hoch: Ich hatte meinen gesamten Kulturbeutel im Bad vergessen. Wetter grau, aber warm.

Der Zug Richtung Bayerischer Wald fuhr pünktlich los, mit Rausschauen (vier Falken innerhalb der ersten Stunde Fahrt!) und Zeitunglesen wurde ich ruhiger. Umsteigen in Plattling und Zwiesel (jeder Zug mit Durchsagen von Frauenstimmen in tiefstem Niederbayerisch, “Mia kemmon jetz noch Plottling”), um halb drei waren wir in Bodenmais. Auf den letzten Kilometern sah ich ein großbuchstabiges Brücken-Graffiti: “Proletarier aller Länder vereinigt euch”, man ist hier nicht von gestern (höchstens von vorvorgestern. In meiner Jugend wurde noch gescherzt, die letzten Missionare seien im Bayerischen Wald erst vor 50 Jahren abgezogen.).

Der überraschend große Ort liegt zwischen Bergen, der Spaziergang zur Unterkunft führte uns bereits ordentlich hoch und runter – und praktisch ausschließlich an Hotels, Pensionen, Restaurants, Ferienwohnungen, Cafés vorbei. Unsere ist eine sehr schicke Pension, der Wirt (ausgesprochen unbayerisch, es fiel die Formulierung, etwas gehe “über die Wupper”) erzählte unter anderem, dass sie erst im Frühjahr vergangenen Jahres geöffnet hatte. Vorgreifend auf die Corona-Regeln, die ab Montag für Beherbergungsbetriebe in Kraft treten, mussten wir unsere Impfzertifikate vorzeigen, das Datum der zweiten Impfung wurde in einem Formular festgehalten.

Wir checkten das Funktionieren des WLANs, packten aus, ich legte mich ein wenig hin. Draußen begann es zu regnen, bald verstärkt durch Donner.

Trotzdem nochmal raus, irgendwann musste ich ja doch was essen – das ist schlecht eingerichtet. Unterm Regenschirm (ich) und in Regenjacke (Herr Kaltmamsell) gingen wir zu einem riesigen Wirtshaus an der örtlichen Adam-Brauerei.

Highlight auf dem Weg: Ein Denkmal der örtlichen Weißwurstkönigin, im Hintergrund ein Video über Wurstherstellung in Dauerschleife. Fleisch wird hier schon sehr gefeiert.

Zum Abendessen gab es eine Halbe dunkles Bier (gut! aber wirklich gut war das Pils des Herrn Kaltmamsell, es schmeckte geradezu blumig) und ein mit Käse überbackenes Schnitzel – wenn ich in den nächsten Tagen auf meine Gemüsekosten kommen möchte, werde ich mich anstrengen müssen. Die zwei fleischlosen Gerichte auf der Karte waren Kässpatzen und Nudeln mit Gorgonzola-Sauce, der einzige Salat war ein Backhendl-Salat – dass man Gemüse in Speisen verwandeln kann, ist hier möglicherweise noch nicht angekommen.

Zurück in die Pension kamen wir in einer Regenpause. Abendunterhaltung war ein Film im Fernsehen, auf den sich der Fanboy an meiner Seite schon lange gefreut hatte: Der Oscar-prämierte Spider-Man: A New Universe, ein Zeichentrick-Spider-Man-Film, der nicht nur die gesamte Comic-Geschichte um diese Figur verarbeitete, sondern sehr kreativ mit Comic-Elementen spielte, ganz ausgezeichnet.

Journal Samstag, 21. August 2021 – Letzter Freibadschwumm, Reisevorbereitungen

Sonntag, 22. August 2021

Schlechte Nacht mit langer Pause, erster Gedanke beim letztendlichen Aufwachen wie ein Betonklotz an den Füßen: Ich bin ja immer noch da.

Ich hatte einen Schwimmslot im Schyrenbad erjagt, das Wetter war dafür so sommerlich wie angekündigt – der wahrscheinlich letzte Sommertag für dieses Jahr.

Verschwindendes Kohlekraftwerk.

Allerdings fürchtete ich Wadenkrämpfe im kalten Wasser – wenn sie schon nachts ohne Sport immer häufiger sind! Doch ich hatte Glück (vielleicht haben Muskelkrämpfe beim Sport tatsächlich Elektrolyt-Gründe, die nächtlichen hingegen sind was Neurologisches?): Zwar fror ich immer wieder auf meinen 2500 Metern über glitzerndem Beckenboden, doch die Waden hielten durch.

Anschließend duschte ich warm drinnen, zog mich um und cremte mich mit Sonnenmilch ein. Auf der Liegewiese hörte ich Musik und döste ein wenig.

Sonnensatt machte ich mich gegen halb drei auf den Heimweg über den Alten Südfriedhof. Wieder hatte jemand das Grab der Marija Naryschkina mit Blumen geschmückt.

Nochmal satte Sommerfarben.

Frühstück um halb vier: Fader Pfirsich mit Joghurt.

Ich bügelte die neuerliche Bügelwäsche weg, plante mit Herrn Kaltmamsell die Handgriffe vor Abreise Sonntagvormittag sowie die Wohnungsübergabe an meine Frau Mama. Mir war elend und bis in die Knochen müde.

Wir bewegten uns vorsichtig durch die Wohnung: Wespen haben im Rollladenkasten von Herrn Kaltmamsells Arbeitszimmer ein Nest gebaut. Wir wissen, dass sie nur bis Herbst dasein werden und haben sie als friedlich kennengelernt, aber bei offenen Fenstern und Balkontüren wie gestern fliegen sie halt auch herein. Und geben bei Überraschung oder Drauftreten möglicherweise ihre Friedfertigkeit auf.

Fürs Abendessen nutzten wir die wahrscheinlich letzte Gelegenheit für einen Biergartenbesuch: Wir radelten zum Aumeister, die Isar entlang und durch den wundervollen nördlichen Englischen Garten.

Schon bei der Anfahrt schallte uns Bayerische Musik entgegen: In einem Teil des Biergartens feierte eine kleine Hochzeitsgesellschaft und kam während unseres Essens bei “Wer im Januar gebooooren ist, steh auf…” an. Die Menschen allen Alters wirkten sehr vergnügt, später sah ich sie in meiner ersten Polonaise mit Mund-Nasen-Schutz.

Wir holten uns helles Bier, zu essen gab es Spareribs (werden hier nach Gewicht verkauft, an der Theke gibt man an, wie viele man haben möchte – sehr gute Idee) sowie eine kleine Schweinshaxe, Beilage Riesenbreze. Ich stellte zu meiner großen Erleichterung fest, dass es mir ein wenig besser ging.

Noch im Hellen machten wir uns auf den Rückweg, und mit Tageslicht verfuhr ich mich auch nicht.

Im Vorbeifahren dem Friedensengel zugenickt, der für mich sehr mein Münchner Daheim ist (Ankommgefühl nach Reisen, wenn ich ihn sehe).

Zu Hause gabe es als Nachtisch Süßigkeiten, Räumen und Reisevorbereitungen.

Journal Freitag, 20. August 2021 – Bruderfamilienbesuch

Samstag, 21. August 2021

Dann halt wieder eine Nacht mit Lücke plus klassischem Wadenkrampf (trotz Magnesium vor dem Schlafengehen und ausführlichem Wadendehnen in der Yoga-Einheit), auch das Schließen des Fensters gegen einen ausdauernden Laut-Monologisierer im Nußbaumpark half nicht.

In der Mittagspause rascher Einkauf in der Apotheke: Viel Anti-Brumm für den Wanderurlaub. Zu Mittag gab es ein Laugenzöpferl, außerdem Pfirsich und Orange mit Kefir. (Schon wieder zu viel: Nudelkoma. Und ein wenig Bauchweh.)

Urlaubsübergaben, zumindest wird mich nichts Unerledigtes belasten. Auf dem Heimweg zeichnete sich bereits der für Samstag angekündigte echte Sommertag ab.

Für den Feierabend hatte sich die Bruderfamilie angekündigt, die gerade “in der Gegend” sei. Als ich nach Hause kam, war sie bereits in kompletter fünfköpfiger Besetzung da, der erwachsene Neffe 1 war auch dazugestoßen. Wir zeigten die neue Wohnung vor, sie präsentierte sich in der Sommerabendsonne aufs Vorteilhafteste.

Wir (also die drei, die überhaupt Alkohol tranken) stießen mit Kir Royal an, den Cassis dafür hatte der Luxemburg-Besuch aus Familienproduktion mitgebracht hatte. Als Abendessen hatte sich mein Bruder Take-away gewünscht, das er aus meinem Blog kannte: Nah-östliches. Ich bestellte also umfassend bei Servus Habibi, holte die Bestellung zusammen mit Bruder und Neffen ab, während Herr Kaltmamsell mit Schwägerin und Nichte den Tisch dafür deckte. Allgemeines Schlemmen bei Austausch von Informationen und Erinnerungen.

Den übrigen Ernteanteil, den wir durch Fremdessen nicht vor Abreise wegbekommen, nahm die Bruderfamilie dann mit heim, außerdem allerlei für meine Eltern.

Die Wettervorhersage für den Wanderurlaub ist durchwachsen, zumindest werden wir nicht mit Hitze kämpfen müssen. (Aber ein paar Ausblicke wären schon recht.) Es wird mehr Anti-Brumm als Sonnenschutzfaktor nötig sein. Aber ein Glück: Der angekündigte Bahnstreik beginnt erst einen Tag nach unserer Anreise. Ebenfalls einzukalkulieren: Ab Montag ändern sich in Bayern die Corona-Regeln. Wir als voll Geimpfte werden uns auf wenige Umstände einstellen müssen, auch wenn am Zielort die Corona-Inzidenz bereit über 50 liegt.

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Antje Schrupp beobachtet mit Sorge, dass in Afghanistan Frauenrechte zur ideologischen Waffe geworden sind – und welche Konsequenzen das hat.
“Emanzipation ist kein Exportgut”.

Deshalb wird es zunehmend zum Problem, dass die Propagandisten des Westens die Verteidigung der Frauenrechte zu ihrem Markenzeichen erklärt haben (obwohl diese, um das nur kurz zu erinnern, von der Frauenbewegung gegen großen Widerstand vieler Männer und praktisch aller traditionellen europäischen Institutionen erkämpft worden sind). Man hat so lange erzählt, dass Frauenrechte, Meinungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit etwas speziell Westliches seien, dass diese Ideale nun, wo der Stern des Westens am Sinken ist, ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen werden.

Vor allem China bedient diese Logik ganz gezielt: Der Westen, so die dort erzählte Propaganda, will sich überall einmischen und anderen Ländern seine Meinung aufdrücken. Menschenrechte, Frauenemanzipation, individuelle Selbstverwirklichung – all das seien keine universalen Anliegen, sondern lediglich kulturelle Eigenarten Europas und der USA, die für andere Weltregionen keineswegs verbindlich gemacht werden dürften. In ein ähnliches Horn bläst inzwischen auch Russland. Und in der Tat haben beide Länder bereits freundliche Signale in Richtung der Taliban ausgesendet.

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In einem Twitter-Thread schilderte eine Rechtsanwaltfachangestellten ihre Arbeitstagsroutine – sowas finde ich ja immer hochspannend.

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Kathrin Passig hat ihr Handy selbst repariert, nachdem sein Display durch Sturz komplett zersplittert war. Das liest sich in der Techniktagebuch-Schilderung gar nicht so schwierig, aber halt aufwendig (möglicherweise waren allerdings die Kerzen entscheidend, die die Techniktagebuch-Redaktion dafür in Kirchen entzündet hat):
“Jetzt nur noch 16 Schrauben und ein bisschen Turnschuhkleber”.

Darin verlinkt: Eine Plattform, die die Reparierbarkeit von Smartphones analysiert und auflistet – iphones gehören demnach (und zu meiner Überraschung) zu den einfacher reparablen.

Journal Donnerstag, 19. August 2021 – Rollkragenpulli vs. Sandalen

Freitag, 20. August 2021

Zwar tief und fast durchgeschlafen, doch der Wecker klingelte viel zu früh. Ich war morgens und den Vormittag über müde bis in die Knochen.

Ein grauer, kühler Tag. Während die Kolleg*innen in Rollkragenpulli oder Strickjacke im Büro saßen, hatte ich Sandalen an den nackten Beinen – frisch rasierte Haut und frisch pedikürte Füße wären doch sonst verschwendet gewesen. Ich brauchte auch nur hin und wieder meine Bürojacke über dem kurzärmligen Kleid.

Mittags gab es einen Salat, den Herr Kaltmamsell zubereitet hatte: Gekochte Rollgerste mit Frühlingszwiebeln, frischer Chilli vom Berliner Balkon, Erbsen, Tomaten.

Nach Feierabend Abstecher zum Supermarkt, um Proviant für den Wanderurlaub zu besorgen (Äpfel, Fruchtgummi).

Daheim eine halbe Stunde Yoga, dann bereitet ich zum Abendessen aus Ernteanteil eine große Schüssel Salat: Blattsalat, junge Zucchini, Tomaten, junger Knoblauch mit Joghurt-Meerrettich-Dressing. Zum Nachtisch Schokonüsse.

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Sascha Lobo analysiert die Social-Media-Reaktionen auf Afghanistan.
“Hilflose Übersprungswut”.

Er warnt vor Übersprungswut, Spontanbigotterie und Drama-Surfing im Web.

Ich dachte sehr an die altmodische Warnung: “Mach dich nicht unglücklich!” Sie erklang einst in Situationen, in denen jemand etwas Unüberlegtes zu tun drohte, das er/sie danach sicher bereuen würde.

Mein Praxistipp: Wenn sie etwas weitergeben wollen mit dem Kommentar “Wenn das stimmt, ist es ungeheuerlich/furchtbar etc.” – lassen Sie es. Auch zum Aufregen unbedingt nur Inhalte weitergeben, auf deren Tatsachenbasis Sie sich verlassen können. Zudem bitte hin und wieder darüber nachdenken, ob Sie mit dem Weitergeben in erster Line die Propaganda des Aufregungsgegenstands verstärken und stützen (z.B. mit bestimmten Motiven der Taliban). Vielleicht ist das sogar der ideale Filter: Sachinfos ja, Aufregungs-Brennstoff lieber nicht.

Journal Mittwoch, 18. August 2021 – Taverna und Schullektüre

Donnerstag, 19. August 2021

Beim Weckerklingeln war Dämmerung nur erahnbar. Blumen gegossen, Wäsche aufgehängt. Ich muss inzwischen eingestehen: So lässig ich bei der Anordnung von Zeug in der Geschirrspülmaschine bin (macht doch, was ihr wollt), so klare Vorstellungen habe ich, wie ich nasse Wäsche aufgehängt haben möchte (mag daran liegen, dass ich das 20 Jahre länger mache). Herr Kaltmamsell kennt meine generellen Vorgaben, also möglichst bügelfreundliche und schnelltrocknende Aufhängung – macht es mir aber nie ganz recht.

Ein grauer, sehr kühler Morgen, zumindest kam ich trocken in die Arbeit.

Mittagessen Birchermuesli, zur Abwechslung mal mit Kefir statt Joghurt – das mache ich nicht nochmal, das Vergorene des Kefir schmeckte, als hätte das eingeweichte Muesli seit einer Woche in der Sonne gestanden. Außerdem war es wohl zu viel und zu Kohlenhydrat-lastig, ich fiel in Nudelkoma und konnte mich nach der Mittagspause nur schwer wachhalten.

Vorzeitiger Feierabend, weil der einzige Pediküretermin, den ich vor dem Urlaub und ungefähr nach der Arbeit bekam, 16.15 Uhr war. Herzlicher Termin, schöne Füße – und Frau Kosmetik bot mir einen Lack exakt in der Farbe meiner Sandalen an.

Obst- und Gemüseeinkäufe im Vollcorner, daheim ein wenig Yoga.

Zum Abendessen war ich verabredet, ich traf mich mit einer Freundin in der Taverna Melina. Es war mild genug geworden, dass wir in Jacke/Mantel draußen saßen, wir aßen Fischteller (Freundin) und Imam-Aubergine mit Bratkartoffeln. Im Gespräch viel Information-Nachholen und gute Nachrichten.

Herr Rau sammelt Erinnerungen an Schullektüren (bislang fast nur westdeutsche, umso interessanter ist die ostdeutsche Liste von Kittykoma) – und ich kann nur schwer mitspielen. Die Jahresberichte meiner Gymnasialzeit 1977-1986 führten die Schullektüren zwar auf, doch diese Hefte habe ich schon vor vielen Jahren weggeworfen. Und ohne Nachschlagen verschwimmen in meiner Erinnerung Schullektüren mit den Büchern, die ich zu dieser Zeit selbst las (aus der Pfarrbücherei oder der Schulbibliothek, ich schrieb ja jeden Buchtitel mit, den die Deutschlehrer auch nur erwähnten) sowie mit Theateraufführungen (meine Mutter nahm mich etwa ab dem Alter von elf Jahren zu meiner großen Begeisterung in ihre Abo-Vorstellungen am Ingolstädter Stadttheater mit, außerdem gab es Schultheater, in dem ich selbst mitspielte oder das ich sah). Weiterer Verschwimmfaktor: Ich hatte nach Schuljahresstart Mitte September bis spätestens November das jeweilige Lesebuch durch (unter der Bank bei langweiligem Unterricht, unter Umgehung der Gedichte, zu denen die ich leider noch nie Zugang hatte). Meine Schulnoten – nur zur Einordnung – waren übrigens nie sehr gut, ich lag lediglich immer leicht über dem Durchschnitt.

Als Erinnerungsstütze ging ich die anderthalb Meter Reclams in unserem Buchregal durch (gleich mal wieder zwei Dutzend rausgeworfen) und stellte fest: Die meisten Klassiker mit meinem Ex-Libris sind auf die Jahre nach meiner Schulzeit datiert. Ich las Schillers Maria Stuart oder Goldonis Diener zweier Herren wirklich aus Interesse, oft angeregt durch den Spielplan des Ingolstädter Stadttheaters. Außerdem fand ich dieses.

Weihnachtsgeschenk einer Mitabiturientin: Shakespeares Komödie der Irrungen.

Aus mir konnte nur eine Queen of Uncool werden, wenn mich schon mit 17, 18, 19 Shakespeare wirklich begeisterte. Es ist bis heute nicht geklärt, was in meiner Gymnasialzeit schiefgegangen ist, die ja offensichtlich eigentlich dazu da ist, Schüler*innen die Lektüre vor allem von Klassikern auf Lebenszeit zu vergällen.

Ein paar lebendige Erinnerungen an Schullektüre habe ich aber:

Franz Kafka, Die Verwandlung (Las uns in der 6. Klasse Referendar Willi Plankl Stück für Stück am Ende der Unterrichtsstunden vor – bis heute eines der eindrücklichsten Literaturerlebnisse überhaupt.)

Walter Kempowski, Tadellöser & Wolff (Zitate aus dem Roman wurden umgehend in die Alltagssprache der Klasse aufgenommen; Deutschlehrer Robert Köhler war zwar ein schwieriger Mensch, hatte aber immer Interessantes zu sagen.)

Friedrich Schiller, Die Verschwörung des Fiesco zu Genua (Umso weniger verständlich, dass Herr Köhler uns dieses elend langweilige Stück vorsetzte.)

Homer, Odyssee (Die Bilder, die da gezeichnet werden! Außerdem fand ich es ausgesprochen cool, die ersten 20 Zeilen auswendig zu können.)

Platon, u.a. Symposion (Wie so Vieles in meinem Leistungskurs Altgriechisch prägten die platonischen Dialoge meine Argumentations- und Anaylseweise bis heute.)

Thukydides, Der peloponnesische Krieg (Weil ich in der zugehörigen Klausur den einzigen Einser – 13 Punkte – meiner gesamten Altgriechisch-Zeit schrieb. Purer Zufall.)

William Shakespeare, Macbeth (In meiner Erinnerung von der LK-Englisch-Lehrerin eingeführt mit: “Ach, finde ich ja auch doof, aber das müssen wir halt machen.” Der siebenköpfige Leistungskurs sah das ganz anders und versuchte unter anderem tagelang, selbst Shakespeare-Englisch zu sprechen.)

J.D. Salinger, Catcher in the rye (Englisch war noch viele Jahre für mich sehr anstrengend zu lesen, vor allem erinnere ich mich an unseren eigeninitiativen Versuch, eine bessere als die Böll’sche Übersetzung zu erstellen. Wodurch wir lernten, wie scheißschwer literarische Übersetzungen sind.)

Autorinnen? Welche Autorinnen? Im Griechisch-LK war sicher das eine oder andere Gedicht von Sappho dabei, und meine LK-Hausarbeit schrieb ich über das damals eben erschienene Kassandra von Christa Wolf – aber auf eigenen Vorschlag. Ich gleiche den Frauenmangel meiner Schulzeit ein wenig dadurch aus, dass ich auf die Frage des Deutschlehrers an meiner Seite, ob mir zu einer Gattung oder einer Epoche Autorinnen einfallen, immer Vorschläge parat habe.

Was es in meiner Schulzeit sicher nur in den Fremdsprachen gab: Gemeinsames Lesen im Unterricht. Deutsch-Lektüren wurden daheim gelesen, alles andere hätte mich sehr wahrscheinlich irre gemacht.

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Hin und wieder lohnt es sich, sich über unser Krankenversicherungssystem zu freuen, weil es global gesehen alles andere als selbstverständlich ist . Jajaja, es hat Verbesserungspotenzial, und nicht zu knapp, aber hier zum Vergleich eine Twitter-Geschichte aus Chile.

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Immer wieder interessant: Juristische Perspektiven. Dr. Miriam Vollmer untersucht:
“Baurecht und Schottergärten”.

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Die Macht der Sprache, oder: Was keinen Namen hat, existiert nicht. Zum Beispiel war mir nicht klar, wie besonders das deutsche Wort “Feierabend” ist, es gibt keine englische Entsprechung. Die BBC machte sich vergangenes Jahr Gedanken über die Auswirkungen:
“How ‘Feierabend’ helps Germans disconnect from the workday”.

Feierabend isn’t just a German word for ‘work-life balance’. While it’s related, ‘work-life balance’ is a term that can often end up just as nebulous in meaning as the problem it’s trying to correct. Instead, the German approach seems to acknowledge that there will always be tension between the work self and the private self. Rather than attempting to reconcile the two, the disconnection that comes with Feierabend establishes boundaries between them.