Archiv für August 2021

Journal Dienstag, 17. August 2021 – Gewichtheberin

Mittwoch, 18. August 2021

Zerhackte Nacht, wenigstens ohne Schlafpausen. Der Regen versiegte morgens, ich traute mich ohne Schirm in die Arbeit.

Auf dem Weg wundervolle Luft, wenn auch kalt, klare Sicht.

Viel gearbeitet, auch abseits des Schreibtischs und Computers.

Mittags ein Kanten selbst gebackenes Brot, rote Paprika und der Rest Quitte in Earl-Grey-Sirup.

Mehr intensive Arbeit. Fast pünktlicher Feierabend, weil ich wieder im Verein Crosstrainerstrampeln und Rudermaschinenrudern wollte. Fußweg dorthin in kühler Sonne.

Im Sportverein hatte ich mich ja seinerzeit für die Abteilung “Fitness” angemeldet, doch auf meinem neuen Mitgliedsausweis steht als Abteilung die vermutlich urprüngliche Bezeichnung “Gewichtheben” – und das freut mich ungemein. (“Und? Was machst du im MTV?” “Gewichtheben.”) Ich sprach die Trainerin, die mich auf der Fitness-Galerie mit Kontaktdaten registrierte, darauf an, und sie bestätigte, dass der Gewichthebe- auch der Verband sei, bei dem sie ihre Lizenz gemacht habe und fortgebildet werde.

Mein Ausblick beim Strampeln mit Musik auf den Ohren war diesmal nicht nur Badminton in der Halle, auch die Kletterhalle rechts von mir wurde gestern besportelt.

Ich duschte wieder daheim – und zum ersten Mal vergaß ich dabei, meine Augen vorher abzuschminken (normalerweise mache ich das immer vor dem Sport, doch mit Stirnband schwitze ich der geräumigen, gut gelüfteten MTV-Turnhalle nicht in den Strömen, die dieses Abschminken dringend nötig machen würde). Anschließend sah ich sehr lustig aus.

Abendessen serviert von Herrn Kaltmamsell: Tortellini in Brühe aus der Tiefkühle mit Erbsen und Pilzen. Zum Nachtisch viel Süßigkeiten.

Im Bett Weiterlesen in Christine Cazon, Lange Schatten über der Côte d’Azur, das sich als Erklärstück über die Rolle der Einheimischen im Nazi-Südfrankreich herausstellt, transportiert in langen Monologen, eingebettet in eine dünne Krimi-Handlung. Aber es erreicht mein Ziel der geringen emotionalen Verwicklung.

Journal Montag, 16. August 2021 – Verschiedene Seiten der heutigen Mobilität

Dienstag, 17. August 2021

Unruhige Nacht, beim Weckerklingeln war ich aber nicht zu benommen. Das Draußen präsentierte sich düster, zum einen weil die Nacht noch da war, zum anderen wegen Regenwolken. Auf dem Weg in die Arbeit begann es erst auf den letzten 500 Metern zu tröpfeln, ich hatte einen Schirm dabei.

Die Mittagspause verbrachte ich wenig erholsam: Zur Rückfahrt unserer Berlinwoche Anfang September hatte ich morgens eine Nachricht der Bahn vorgefunden, der Zug ist gestrichen. Zwar verlinkte die Mail die Suche nach einer Alternative, doch ich fand keine Möglichkeit, online umzubuchen – ich hätte nur für den vollen Preise eine neue Rückfahrkarte kaufen können. Also nahm ich mittags eine U-Bahn zum Hauptbahnhof und stellte mich am Schalter an.

Dieses Bild der Schlange vor dem Reisezentrum führt irre: Zum einen hatte ich mich versehentlich vorgedrängelt und nicht am Ende der Schlange angestellt, sie hatte eine weitere Schleife hinter mir. Zum anderen entstand sie hauptsächlich durch den Corona-bedingten Einzeleinlass in den Raum; alles war ganz hervorragend organisiert, 20 Minuten nach Anstellen war ich mit erledigtem Anliegen zurück am U-Bahn-Gleis. Die Erledigung war allerdings kompliziert gewesen, da der freundliche Bahn-Angestellte die Streichung der Rückfahrt nicht im System fand und die E-Mail auf meinem Handy als Information benötigte. Dann aber richtete er alles für eine alternative Verbindung ein, fand auch zwei besonders schöne Plätze für die Reservierung. Manchmal habe ich den Verdacht, dass die Bahn-Führung alle ihre geduldigen und engagierten Angestellten nicht verdient, die das systemische Schlamassel der Deutschen Bahn Tag für Tag ausbaden. Eine Reise, die ich online gebucht habe, aber bei Wegfall der Verbindung nicht online umbuchen kann?! So bringt man niemanden von Auto oder Flugzeug ab. Das wird ein Spaß, wenn ich in Herrn Kaltmamsells Sabbatjahr 2022/2023 die eine oder andere mehrwöchige Reise mit Zugverbindungen in halb Europa buchen möchte. Wenn Sie bereits selbst (!) Erfahrungen (!) mit einer auf internationale Zugreisen spezialisierte Stelle gemacht haben (Agentur? Plattform?), wüsste ich die sehr gerne.

Zurück im Büro gab’s zu Mittag eine Scheibe Pumpernickel und einen Becher Hüttenkäse. Verabschiedung einer Kollegin in Gruppe mit Abstand.

Noch vier Wochen bis Friseur und schon jetzt beginnen mich die in die Stirn und über die Augen fallenden Haare zu nerven. Back to spangerl.

Der Tag wurde immer grauer, es regnete immer wieder energisch und wurde immer kühler. Auf dem Heimweg war ich um meinen großen Schirm sehr froh, bekam dennoch sehr nasse Füße (Sandalen sind die Gummistiefeln des Sommers).

Zu Hause eine Yoga-Einheit mit viel Dehnen und Gleichgewicht. Zum Abendessen servierte Herr Kaltmamsell Quiche aus aufgetautem Teig und Ernteanteil: Zucchini, Frühlingszwiebeln, Knoblauch, Berliner Balkon-Chilli. Zum Nachtisch gab es Vanilleeis mit Quitten in Sirup, die nicht unbedingt die nächste Quittenernte erleben sollen.

Schon vergangene Woche hatte das Münchner Mobilitätsreferat auf meine Idee einer Bürgerbüro Mobilität reagiert – sehr herzlich und ausführlich. Die E-Mail schilderte, mit welchen Mitteln derzeit und in Zukunft Münchnerinnen und Münchner aktiv auf die Möglichkeiten von gemeinschaftsverträglicher Mobilität hingewiesen werden. Die Stadt nimmt dabei Lebensumbruchsphasen, sprich Umzug, Zuzug, Renteneintritt und Familiengründung zum Anlass, und hat dafür zum Beispiel das Projekt Go Family! aufgesetzt. Meiner Idee eines Bürgerbüros Mobilität recht nahe kommen die “Mobilitätszentralen”, die in Neubauquartieren eingerichtet werden. Das liest sich alles sehr gut.

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Maik Novotny hat für den Standard über einen Münchner Neubau hinterm Rathaus geschrieben – der mir durchaus aufgefallen war, dessen Besonderheit ich aber erst durch den Artikel einordnen kann:
“Ungewöhnliches Haus in München: Die Kurve gekratzt”.

Auf einer Münchner Fassade trifft ein spielerischer Umgang mit der Geschichte auf eine kluge Kombination von Handwerk und Digitalisierung.

Journal Sonntag, 15. August 2021 – Fauler Sonntag, Beifang aus dem Internetz

Montag, 16. August 2021

In Bayern sehen wir vor lauter extra kirchlichen Feiertagen ja praktisch nie den Arbeitsplatz, ichweißichweißichweiß. Aber gestern fiel der 15. August, Mariä Himmelfahrt, auf einen Sonntag und wurde uns damit geklaut, ich war verstimmt in diesem Jahr voller Samstags-/Sonntagsfeiertagen.

Das mit dem besseren Schlaf klappte, denn nach einigen Malen Aufwachen und einer Episode mit seitlichem Wadenkrampf schlief ich bis halb acht aus.

Über den Vormittag buk ich das 7-Pfünder Hausbrot, das ich am Vorabend angesetzt hatte. Morgenkaffee auf dem Balkon (Wetter: Hochsommer in Dunstig) mit Bloggen. Der Brotteig hatte deutlich mehr Trieb als gewohnt, wahrscheinlich wegen der sommerlichen Wärme, und ich stellte mich nicht rechtzeitig darauf ein.

Der Backstein bekam eine kleine Umarmung. Das Brot wurde insgesamt aber ok.

Ich beschloss einen faulen Sonntag und ließ die Gelegenheiten Hochsommertag sowie Zeit für ausführlichen Sport ungenutzt.

Bei doch recht großer Hitze spazierte ich für Frühstückssemmeln zum Bäcker, mit Rückweg über den Alten Südfriedhof.

Jemand hatte einen alten Grabstein mit Nelken geschmückt, ein Zettel mit einem zusätzlichen Namen und dem Jahr 1854 war angeklebt. Auf dem älteren, anscheinend fremdsprachigen Grabstein (es muss nicht unbedingt der ursprüngliche sein, nach der Zerstörung durch Bombenangriffe im Oktober 1943 wurde einige durch neue ersetzt) kann ich nur “Marie Farischkin” und das Jahr 1759 entziffern. Ich sollte mal wieder eine Führung mit Florian Scheungraber machen und mich auf neueren Stand bringen (meine letzte ist ja schon wieder vier Jahre her).
Nachtrag: Kommentatorin Kathrin weist auf diesen Wikipedia-Eintrag zu Marija Antonowna Naryschkina hin, die hier wohl begraben liegt. Wilde Geschichte!

Daheim Frühstück mit Tomaten und Semmeln. Die satte Bettschwere nutzte ich für eine kleine Siesta.

Auf dem Balkon las ich die Wochenend-Süddeutsche, wurde durch Rascheln auf Eichhörnchen auf den alten Kastanien aufmerksam und sah zweien beim Klettern und Spielen zu. Ich machte uns Eiskaffee, mangels Sahne nur mit Vanilleeis, war auch so sehr gut. Währenddessen zog der Himmel dunkelgrau zu, ein Gewitter mit Sturm und Regen entlud sich.

Einziger unfauler Programmpunkt gestern: ausführliches Bügeln, in drei Wochen hatte sich ein Zweieinhalb-Stunden-Stapel angesammelt. Dazu hörte ich zwei Podcasts:

1. Im Berufsleben wird heute erwartet, dass Angestellte nicht nur ihre Arbeit sehr gut und zuverlässig erledigen, sondern dass sie sich leidenschaftlich damit und mit dem Arbeitgeber identifizieren, dass sie ihr persönliches mit dem beruflichen Fortkommen gleichsetzen. Wie sich das im 20. Jahrhundert dorthin entwickelt hat und was das impliziert, zeichnet dieser Podcast aus historischer und soziologischer Sicht nach:
“Seit wann wir für die Arbeit brennen – Geschichte der Arbeitsfreude”.

2. Holger Klein hat für einen Podcast des Baumarkts Hornbach den Dudelsackbauer Florian Ganslmeier besucht. Zwar wusste ich einiges davon schon über ein Dudelsack-spielendes Familienmitglied, erfuhr dennoch sehr viel Neues. Highlight: Holgi imitiert eine Bourdunpfeife: “ÜÄÄÄÄÄH!”

Zum Abendessen gab es frisches Brot, Tsatsiki mit Ernteanteilgurke von mir, hochoffizielles Käse-Omelette von Herrn Kaltmamsell, der großen Omelette-Ehrgeiz hat. Nachtisch eine weitere direkt gekaufte Honigmelone – auch diese nach zwei Wochen Nachreifen weitgehend geschmacksfrei.

Die Nachrichten dominierte gestern der Zusammenbruch Afghanistans durch die Übernahme der Taliban. Auffallend in meinem Internet: Keine reflexartige Besserwisserei “man müsste doch nur” – über die Jahrzehnte hat sich wohl die Erkenntnis verbreitet, dass das hier extrem kompliziert und nicht einfach zu lösen ist.

Abendunterhaltung: Blues Brothers auf arte (Erstens: Blues Brothers ist inzwischen arte-Material!). Dass einer der Zitat-Hauptlieferanten meiner Jugend (u.a. “Du magst den Wagen nicht?” “Nein, ich mag den Wagen nicht.” / “We’re on a misson from God” – Deutsch und Englisch gehen in meinem Kopf wild durcheinander) zudem filmisch richtig, richtig klasse ist, sieht man schon an den ersten fünf Minuten.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/MW5WUejMZHU

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Nina Jäger nutzt ihr Blog, um vergangene Reisen zu erzählen, zum Beispiel:
“Alaska Airlines Milk Run (2019)”.

Mit vielen Passagierflugzeug-Nerd-Details, Fisch und Bären als Flugzeugunfallgefahren und atemberaubenden Fotos: Vieles habe ich noch nie gesehen. Manches davon gibt es möglicherweise schon jetzt nicht mehr, weil Klimakatastrophe.

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Der Spiegel provozierte mit einem Titel zu maternal gatekeeping (bedeutet: Väter würden ja gerne die Hälfte der Elternarbeit übernehmen, aber die Mütter lassen sie nicht), mein Internet sprang bereitwillig darauf an. Es ist mal wieder Patricia Cammarata, die das Thema sachlich einordnet und die eigentlichen Probleme dahinter aufdeckt:
“Offene Wunden”.

(Meine Erfahrung aus dem Berufsleben ist ja, dass diejenigen Väter, die tatsächlich Elternarbeit übernehmen – von Kita-Eingewöhnung über Teilzeit bis Hinweis auf nicht verhandelbaren Feierabend -, kein Gewese drum machen.)

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Der Journalist Günter Hack twittert über seine Balkonvögel, vom Psychospatz bis Madame Amsel: Folgeempfehlung @guenterhack. In einem Interview mit der taz erklärt er, warum er das macht.
Twittern über Vögel: „‚Didü‘ ist ein Stimmfühlungslaut“.

Würden Sie auch zu dem Menschen zurückkehren, der Ihnen Rosinen hinlegt?

So funktioniert Kapitalismus: Man muss jeden Tag zur Arbeit gehen. Ich denke aber, dass der Hausamslerich kein größeres Entfremdungsproblem hat, wenn er meine Rosine nimmt. Er mag ja lieber Würmer und nimmt die Rosine nur, wenn er grad nichts anderes findet.

Und warum kriegt er von Ihnen keine Würmer?

Weil er die selber findet.

Warum überhaupt Rosinen?

Weil Amseln Wein mögen.

Journal Samstag, 14. August 2021 – Chiemsee mit Luxemburger Besuch

Sonntag, 15. August 2021

Sehr unruhiger Schlaf, der bereits kurz nach sechs vorbei war. Nach der Weinbegleitung vom Vorabend fühlte ich mich auch nicht verkaterter als sonst nach schlechter Nacht. Aber hey! Immer noch keine Rückkehr der Migräne.

Draußen weiter Hochsommer, ich bekam nach drei Wochen Pause nochmal Balkonkaffee.

Sie sehen auch die nachreifende Melone aus Kastilien, die sich ebenso wie die beiden anderen beeilen muss, da wir ja in einer Woche verreisen.

Nachdem wir in Luxemburg ein großartiges Schloss vorgeführt bekommen hatten, revanchierten wir uns mit einem großartigen bayerischen Schloss: Herrenchiemsee. Mittags trafen sich Herr Kaltmamsell und ich mit dem Luxemburger Besuch am Holzkirchner Bahnhof und nahmen einen Zug zum Chiemsee. Er war dicht besetzt, aber nicht überfüllt, kam mit nur wenig Verspätung in Prien am Chiemsee an. Wir spazierten die Gleise der Chiemseebahn entlang zur Schiffsanlegestelle und setzten mit nicht zu vielen anderen Ausflügenden über auf die Insel Herrenchiemsee. Es war gerade nicht so heiß, dass man die Sonne konsequent fliehen wollte, wir konnten gut auf einem Außendeck sitzen und den Blick über See und Insel genießen.

Kurz nach dem Anlegen mein Triumphmoment des Tages: Nach dem ersten spürbaren Mückenstich am Ellbogen kramte ich meine Sprühflasche Anti-Brumm raus. Die Begleiter und ich sprühten uns damit umfassend und reichlich ein, und so gehörten wir nicht zu den vielen Chiemseebesuchenden, die wir die Anzahl ihrer Mückenstiche vergleichen hörten, die wir wild um sich schlagen sahen, deren viele rote Quaddeln ich auf den weiteren Schifffahrten ich auf deren Beinen, Armen, Nacken sah. HA! Danke, Chemie-Industrie!

Das glich fast aus, dass ich so dumm gewesen war, nicht bereits von daheim Eintrittskarten fürs Schloss Herrenchiemsee zu besorgen: Jetzt kam Herr Kaltmamsell mit der Auskunft vom Ticketschalter, dass die Touren bereits ausgebucht waren. Also sahen wir uns lediglich auf der Insel um und bestaunten das Schloss von außen.

Der Besuch lud uns im Schlosscafé auf einen Eiscafé ein, der für das Wetter genau das richtige Frühstück war.

Gemütlicher Spaziergang zurück zum Schiffsanleger, jetzt fuhren wir rüber zur Fraueninsel.

Wir hatten Badehose und Handtuch dabei, doch nur der Besuch hatte dann tatsächlich genug Lust aufs Eintauchen in den Chiemsee. Während wir anderen beiden auf einer Bank im Schatten lungerten, zog er sich um und drehte eine Runde im Wasser. Ich machte zumindest meine Füße nass.

Wir umschlenderten das wirklich herzerfrischende Idyll der Fraueninsel. An einem der Bootshäuser blieben wir hängen, weil darin interessante Keramik angeboten wurde – und der Besuch verliebte sich in diese Vase (Linoldruck auf Ton, wurde uns erklärt). Mich faszinierten vor allem die Fischmotive der Künstlerin Iris Stoff, fast hätte auch ich nach einer Vase gegriffen – doch rechtzeitig leuchtete die innere Warnlampe “NICHT NOCH MEHR ZEUG!” auf.

Es war immer noch heiß, als wir kurz vor sechs ein Schiff zurück nach Prien nahmen, der Zug zurück nach München hatte immerhin eine funktionierende Klimaanlage.

In der Abenddämmerung verabschiedeten wir den Besuch, der am Sonntag heim fährt – auf ein Baldiges. Zu Hause zogen wir den Rollladen-Hitzeschutz hoch, aber zum Fensteröffnen war es auch um neun noch zu warm draußen. Herr Kaltmamsell bereitete das Abendessen zu, Ernteanteil-Mangold mit Orecchiette, während ich Brotteig ansetzte und uns zwei kleine Aperol Spritz eingoss. Nachtisch edle Schokolade aus Luxemburg, mit Hoffnung auf eine bessere Nacht.

Journal Freitag, 13. August 2021 – Abschied, Broeding mit Luxemburger Besuch

Samstag, 14. August 2021

Aus tiefem Schlaf geweckt worden, im Spiegel sahen mich übermüdet und verkatert rote Augen an – ich schaffe das auch mit siebeneinhalb Stunden Schlaf und ohne Alkohol. Das innere Elend wird statt heller immer düsterer, ich setze die verbliebene Hoffnung auf den Urlaub, der in einer Woche beginnt.

Wegen einer Mittagsverabredung mit dem Fahrrad in die Arbeit, ich geriet in ein überraschendes Gewitter (KATWARN-Warnung!), wurde zum Glück nur ein wenig feucht (und sah ein Eichhörnchen vor mir auf einen Baum fliehen, garantierter Lächler – wenn dieser Reflex nicht mehr funktioniert, sollte ich mich vermutlich einweisen lassen).

Im Büro drohte das Elend meine Konzentrationsfähigkeit zu beeinträchtigen, zum Glück gab es Serotonin-Ausschüttung durch eine menschliche Interaktion – ich war wieder voll einsatzfähig.

In der Mittagspause ein Abschiedstreffen am Busbahnhof, das mich vorher wochenlang mitgenommen hatte. Keine closure, kommt auf den wachsenden Stapel verlorener Freundschaften. Dessen erste Schicht gelegt wurde, als ich mit sieben aus dem Wohnblock mit den vielen gleichaltrigen Kindern wegzog, mit denen ich sechs Jahre gespielt hatte und mit denen ich aufgewachsen war.

Zurückgeradelt durch echte Sommerhitze. Mittagessen im Büro: Eine Scheibe Pumpernickel und eine Hälfte der ersten von vier Honigmelonen aus meinem Crowdfarming-Paket, nach einer guten Woche nachreifen (yoah…).

Nachmittags war ich arg müde, obwohl ich meinen Arbeitsplatz gut temperieren konnte. Ich machte früh Schluss, daheim legte ich mich im kühlen und abgedunkelten Schlafzimmer vor der Abendverabredung ein wenig ins Bett.

Die Abendverabredung war mit Herrn Kaltmamsell und dem Besuch aus Luxemburg im Broeding.

Wir saßen im schönen Gastgarten und aßen von Dämmerung bis in die Nacht Köstlichkeiten. Zum Merken: Der Mohn, der so gut zu Roter Bete und Blauschimmel passte, und der Milchbrätling, ein Pilz mit Grillaromen und ganz besonders mürber Textur.

Im Bett war ich erst nach Mitternacht (für meine Verhältnisse ist das dicht an Sodom und Gomorrha), erst jetzt kam die echte Sommernacht von draußen mit ein wenig Kühle herein.

Journal Donnerstag, 12. August 2021 – Luxemburger Besuch, Trezza Azzopardi, The Hiding Place

Freitag, 13. August 2021

Gut geschlafen, aber zu kurz. Beim Weckerklingeln ist es jetzt noch fast dunkel: Ich muss nachts die Rollläden nicht mehr herablassen, weil mich die Morgensonne nicht mehr weckt.

Arbeitsweg in einem weiteren herrlichen Sommertag, nur leicht dunstig. Am Himmel sah ich noch einmal zwei, einmal einen Mauersegler am Himmel, ganz weit oben.

Mittags Orange, Feigen, Maracuja mit Sahnequark.

Immer noch happy über die Erfindung von Oberschenkelbändern (Bandelettes) und über deren Erwerb – Röcke und Kleider ohne Strumpfhosen machen jetzt auch bei Hitze im Sommer so richtig Spaß. Allerdings stelle ich bei der jüngsten Erwerbung (also vor drei Jahren) Qualitätsmängel fest: Die Silikonschicht löst sich in Fetzen.

Auf dem Heimweg kurze Einkäufe beim Vollcorner: Kefir, Quark, Hüttenkäse.

Zu Hause hatte ich noch Zeit für eine Runde Yoga mit Rückenübungen, derzeit zwickt es ein wenig im Kreuz, bevor es klingelte: Der Besuch aus Luxemburg kam zum Abendessen. Der Ernteanteil hatte die Zutaten für Gazpacho geliefert (die genaue Zusammenstellung ergibt sich erfahrungsgemäß nur einmal im Jahr) Herr Kaltmamsell hatte ihn bereits kaltgestellt. Während er und Besuch auf dem Küchenbalkon Aperol Spritz in der einsetzenden Abenddämmerung tranken, verarbeitete ich den Blattsalat aus Ernteanteil und rührte ein Tahini-Dressing.

Jetzt stand die Sonne tief genug, dass wir im Wohnzimmer alle Rollläden hochziehen konnten und die Balkontür öffneten. Es gab Gazpacho, zum Salat servierte Herr Kaltmamsell Spaghetti mit Agretti und gerösteten Pinienkernen. Nachtisch war Schokolade aus Luxemburg, der Besuch hatte von der legendären Konditorei Oberweis die Sorten mit karamelisierte Mandeln, mit gerösteten Haselnüsse sowie Mandelpraline mit Sesamkrokant mitgebracht – sensationell.

Frau Brüllen beschreibt ihre aktuelle Lektüre mit “nix, was mich gefühlsmässig besonders mitnimmt”, und vielleicht sollte das in nächster Zeit mein Hauptkriterium bei der Auswahl werden: The Hiding Place von Trezza Azzopardi, das ich gestern auslas, ist zwar richtig, richtig gut – aber das Elend dieser bitterarmen Kindheit unter maltesischen Einwanderern im Cardiff der 1960er, ohne Verbündete und unter bösartigen Geschwistern, ist schon belastend. Die Struktur des Romans zeichnet vergrabene entsetzliche Erinnerungen nach. Das meiste wird aus der Ich-Perspektive der ein- bis fünfjährigen Dolores erzählt, die viele Details wahrnimmt (aus dem titelgebenden Versteck), aber uninterpretiert oder falsch eingeordnet/gewichtet wiedergibt (es wird sogar aus ihrer Perspektive als Baby erzählt, das nach vielen Töchtern endlich ein Sohn hätte werden sollen – und eine so bittere Enttäuschung ist, dass man sich scheut, es dem gewalttätigen Vater auch nur mitzuteilen).

Andere Passagen sind aus der Perspektive der komplett überforderten Mutter erzählt, weitere aus der des Vaters, der die Familie mit seiner Spielsucht in noch größeres Unglück bringt. Viele der sachlich erzählten Details legen eine Interpretation nahe, die sich erst gegen Ende als falsch erweist: Als sich einige der mittlerweile erwachsenen Geschwister zur Beerdigung der Mutter treffen (und sind dann noch schlimmer, als es vorher geschildert, oder besser angedeutet wurde).

Interessanterweise erzeugt Azzopardi in diesem ersten Roman von 2000 die würgend hoffnungslose Atmosphäre, indem gerade nicht Gefühle vorkommen oder innere Vorgänge. So wie man beim Stolpern erst den Stoß registriert und dann den Schmerz, bleibt es hier bei der Beschreibung der Stöße – es herrscht fast durchgehend die Erstarrung des Entsetzlichen. Und ich fand gut, dass am Ende auch nicht alle Lebenswege zu Ende erzählt werden, einige wichtige Personen bleiben als schmerzhafte Lücke; sie sind verschwunden und werden das im Leben der Hauptperson Dolores auch immer bleiben.

Journal Mittwoch, 11. August 2021 – Mit Luxemburger Besuch am Chinesischen Turm

Donnerstag, 12. August 2021

Sehr unruhige Nacht, die ich mit geschlossenem Fenster begann, weil mich sonst das ausdauernde Gröhlen einer Männergruppe im Nußbaumpark wachgehalten hätte. Mehrfaches Aufwachen, bei einem davon öffnete ich das Fenster wieder. Nach dem Aufwachen kurz vor halb fünf schlief ich nicht mehr ein. Gefühl mittlerer Verkaterung durch den ganzen Vormittag.

Nach ein paar Wolken beim Sonnenaufgang war der Himmel auf meinem Weg in die Arbeit knallblau.

Keine Mauersegler mehr, weder morgens noch abends – jetzt sind sie wohl weg.

Zu Mittag gab’s eine kleine Gurke, die restlichen Karotten und Kartoffeln vom Vorabend, Pflaumen. Das war ein bisschen viel und resultierte in Bauchweh. Zusätzliches Horchen in den Körper, wann der Muskelkater vom Vorabend einsetzen würde, es waren ja dann doch ungewohnte Bewegungen und Belastungen dabeigewesen. Zu meiner Überraschung fiel er aus.

Pünktlicher Feierabend, weil neuer Besuch in der Stadt war, diesmal aus Luxemburg. Ich nahm die U-Bahn zum Hauptbahnhof und traf mich mit Herrn Kaltmamsell an seinem Hotel. Gemeinsame U-Bahn zum Odeonsplatz, von dort spazierten wir durch den sommerlichen Hofgarten und Englischen Garten zum Biergarten am Chinesischen Turm, vorbei an dicht bespielten und belegten Wiesen, Badenden, berittener Polizei, Picknicks. Allerdings war immer noch deutlich weniger los als in Zeiten mit prä-pandemischem Tourismus.

Der Biergarten selbst sah durch die Umbauten für Corona-Kontrollen deutlich anders aus (umzäunt wie alle im Moment, aber auch zweigeteilt mit Gasse mittendurch), war gut genutzt, aber ebenfalls sichtlich Touristen-arm. Eher schon glaubte ich bei den vielen nicht Deutsch sprechenden Einheimischen Besuch sitzen zu sehen; Merkmal: es wurde sehr viel erklärt zu Umgebung und Biergarten an sich – wie an unserem Tisch halt auch. Herr Kaltmamsell und ich besichtigten und befreuten erst mal die vielen Mitbringsel aus Luxemburg: spannende Schokoladen, Lektüre und Wein – Letzterer ein Fru Georges Schiltz Terraphon, der nicht wie die sonstigen Luxemburger Weine an der Mosel wächst, sondern am viel luxemburgerischen Flüsschen Sauer.

Vom Ausschank holte ich Getränke und Riesenbreze, dann in einer neuen Runde das Abendessen: Schnitzel mit Pommes, Bratwurst mit Pommes, Obatzten. Wir saßen und plauderten, bis es sehr deutlich dämmerte, spazierten durch den immer noch belebten Englischen Garten zurück

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Als Kartoffelkombinatlerin weiß ich inzwischen, warum in der Landwirtschaft immer gejammert wird: Irgendwas ist halt auch immer. 2020 war es in unser Gärtnerei in Spielberg zu trocken, die Niederschläge konnten die tiefe Bodentrockenheit durch die Dürre der Vorjahre nicht ausgleichen. Und 2021 war das Frühjahr sehr lange kalt, bis jetzt ist das Wetter deutlich zu nass. Und so sind die Tomaten in den Gewächshäusern so stark von Pilzen befallen, dass uns das Gärtnerei-Team auf massive Ernteausfälle vorbereiten musste. Dafür wird es viel Kohl geben (und Auberginen und Paprika). Vielleicht mögen Sie drei unserer Gärtner*innen selbst zuhören (hinter Kamera und Mikrofon ist Gründer und Vorstand Daniel):

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https://youtu.be/HtuaG_bpmWg

Hier übrigens unsere Ernteplanung mit aktuellem Stand, darin auch gelistet die Parnter-Gärtnereien, von denen wir zur Vernetzung und Risikostreuung ebenfalls Gemüse beziehen.