Journal Samstag, 4. September 2021 – Berlin 5: Rückreise / Ein 80. Geburtstag

Sonntag, 5. September 2021 um 9:13

Wecker auf früh, denn wir wollten vorsichtshalber früh am Bahnhof sein.

Abschied vom Zimmer mit angemessener Nummer, name’s Bond. (Wenn Sie sich tiefer für dieses besondere Hotel Oderberger interessieren, möchten Sie vielleicht meinen ersten Aufenthalt vor drei Jahren nachlesen, hier gibt’s Fotos, hier mehr Fotos, hier mit Hintergrundinfos.) Wir rollkofferten durch ein morgennebliges Berlin zum Hauptbahnhof, die alte Gehwegpflasterung machte uns in den leeren Straßen zu genau der Lärmbelästigung, wegen der Anwohnende Touristen fürchten.

Stickerkultur.

Im Hauptbahnhof war es ruhiger als erwartet, ich war in der aktuellen Streiksituation auf gestrandete und aufgeregte Passagiere gefasst gewesen – doch am dritten Streiktag wurde wohl niemand mehr überrascht. Die DB-Infotheke am Eingang war gut besetzt, eine zusätzliche Bahn-Servicekraft lief herum und kümmerte sich direkt um die Menschen in der Schlange davor. Wir ließen uns bestätigen, dass die reservierte Verbindung nach München über Hannover und Nürnberg noch existierte und gingen Kaffeetrinken.

In der 1. Klasse, die wir für unser ursprüngliches Schnäppchenticket gebucht hatten, war es dann sogar ruhig (die paar Euro Aufpreis machten sich sowas von bezahlt) mit vereinzelten leeren Sitzen. Ich bastelte bei funktionierendem (!), aber wackligem WLAN den gestrigen Blogpost. Umstieg in Hannover mit einer Stunde Aufenthalt; Herr Kaltmamsell nutzte sie für ein Mettbrötchen zur Brotzeit. Auch der nächste Abschnitt Hannover-Nürnberg verlief ruhig, ich aß zwei Äpfel und ein Stück Eiweißriegel, las auf meinem Smartphone die Süddeutsche vom Wochenende. In Nürnberg hätten wir über anderthalb Stunden auf den nächsten Zug warten müssen, doch kurz vor Ankunft informierte eine Durchsage, es stehe ein extra ICE nach München bereit, gleich im Anschluss am Gleis gegenüber. Darin erfuhren wir, dass es sich um einen Zug handelte, der eigentlich nur bis Nürnberg gefahren wäre und jetzt zur Entlastung bis München fuhr – well played, Deutsche Bahn. Ankunft 16.40 Uhr, nach knapp sieben Stunden.

In München schien warme Sonne, die Menschen waren sommerlich gekleidet. Wir brachten schnell unsere Koffer heim, banden eine Schleife um ein Mitbringsel und nahmen eine U-Bahn nach Obersendling: Freunde hatten uns zur Nachfeier eines 80. Geburtstags der Frau Mama eingeladen. Dort konnten wir die Dame hochleben lassen, liebe Gesichter wiedersehen, und wir bekamen fränkische Köstlichkeiten serviert – ich freute mich besonders über die sauren Zipfel und das Kellerbier. Allerdings waren wir so durch, dass wir uns schon kurz nach neun wieder verabschiedeten.

§

Ja, der Lokführer-Streik hat unsere Rückreise unbequemer gemacht (und uns trotzdem am selben Tag fast 600 Kilometer nach Hause gebracht). Aber das hat nichts mit dem Bahnfahren zu tun, ich erinnere an die jüngeren Streiks in der Luftfahrt. Vor allem aber halte ich das Streikrecht für eine enorme gesellschaftliche Errungenschaft und wünschte manchmal sogar, es würde öfter genutzt. Siehe diesen taz-Kommentar:
“Wo bleibt die Solidarität?”

Wer in Deutschland streikt, erfährt mehr Wut als Solidarität. Tief verwurzelt ist der Neid auf alle, die es wagen, für ihre Forderungen einzutreten.

(…)

Der Job ist entweder unterbezahlt oder stressig und voller Überstunden oder das Klima zwischen Kol­le­g*in­nen vergiftet – wenn man richtig Glück hat, geht gleich alles drei zusammen. Ab und zu hört man vom Burn-out als Volkskrankheit des 21. Jahrhunderts. Wenn man selbst betroffen ist, geht man in Therapie und sucht das Problem bei sich. Kann man machen. Echte Veränderung kann es aber nur geben, wenn Arbeit und Arbeitsbedingungen als etwas Politisches gesehen werden.

Grund für Wut war im Gegensatz dazu im August 2006 der vereitelte Anschlag auf Flugzeuge mit Flüssigbombe, der unsere Anreise nach Brighton verhinderte und uns die Mühe kostete, am nächsten Tag per teurem Nachtzug über Paris anreisen zu müssen.

die Kaltmamsell

2 Kommentare zu „Journal Samstag, 4. September 2021 – Berlin 5: Rückreise / Ein 80. Geburtstag“

  1. Hauptschulblues meint:

    Ich liebe die Reisebeschreibungen und dankeschön.

  2. Frau Irgendwas ist immer meint:

    Die ZIMMERNUMMER!!!!!
    Kündigen Sie ihren Berlin Besuch gerne an, die südöstliche Stadt (Treptow-Köpenick) ist einen Ausflug (mit dem Dampfer eine schöne Fahrt raus aus der Stadt) wert und ich biete mich gerne als Reiseleiterin an.

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