Journal Sonntag, 19. September 2021 – Voller Sonntag mit mehr Altmühltalexotik
Montag, 20. September 2021 um 6:26Gerade die Stunden vor Weckerklingeln schlief ich tief, hätte gerne länger geschlafen. Aber die Tagesplanung erforderte Weckerklingeln. Wieder hing vorm Fenster unseres Pensionszimmers Nebel im Tal.
Frühstück für Herrn Kaltmamsell, Tee für mich.
Auf dem Weg zur Bushaltestelle nochmal ein exotisches Erlebnis in den Gassen von Riedenburg. Erst hörten wir eine leiernde, elektronisch verstärkte Männerstimme und rätselten: Wahlkampf? Gottesdienst? Dann sahen wir ihre Quelle in einer bunten katholischen Prozession. Vorneweg trug ein Mann eine bunt bestickte Standarte, hinter ihm gingen mindestens hundert Menschen, darin trug jemand zwei Lautsprechertrichter auf einer Stange. Der Mann, dessen Stimme mit einem kleinen Headset-Mikrophon übertragen wurde, ging in der Mitte der Menschen und las aus einer Mappe vor. Es handelte sich offensichtlich um ein Gebet, in dem unter anderem die Ungläubigen erwähnt wurden (fühlte mich sofort aufs Stolzeste ertappt), außerdem Wallfahrt und eine heilige Anna Schäffer, wahrscheinlich der Anlass und das Ziel der Wallfahrt. Während in den Fremdenverkehrsprospekten die Buntheit solcher Prozessionen durch Blumen und Trachtengewänder erzeugt wird, bekam dieser Anblick seine fröhliche Buntheit dadurch, dass die Pilgerinnen und Pilger Wander-Funktionskleidung trugen, und die ist halt derzeit ausgesprochen farbenfroh. Nach dem Erlebnis Überland-Busfahrt also ein weiteres abgefahrenes kulturelles Abenteuer – ich hatte zuvor noch nie eine Wallfahrt live gesehen.
Noch am Vorabend war ich befremdet gewesen von der Deko des Gasthauses, in dem wir zu Abend aßen: Im hellen, schick ländlich gestalteten Gastraum mit weißen Wänden hing neben hölzernen Heiligenfiguren ein ehemaliges Wegkreuz, gleichranging mit dekorativen Holzscheiben und ähnlichem rustikalen Schmuck. Bei aller Glaubensferne fand ich diese Art der Säkularisierung religiöser Objekte der Kultur, aus der ich stamme, schon gewöhnungsbedürftig. Dann wieder überschätzen Ungläubige wie ich ja gerne mal, wie ernst die tatsächlich Gläubigen die offiziellen Details ihrer Religion nehmen.
Fast hätten wir unseren Bus für die Rückfahrt verpasst: An der regulären Bushaltestelle hing ein Schild, das uns zu einer Ersatzbushaltestelle schickte. Doch als der Bus mit etwas Verspätung einfuhr, hätte er dort nicht gehalten, der Fahrer reagierte zum Glück auf unser heftiges Winken. Er mahnte uns, dass die Haltestelle doch weiter hinten liege – er wusste nichts von der ausgeschilderten Verlegung. Egal, jetzt saßen wir, die Rückfahrt brachte uns erst mal nach Regensburg. (Das war übrigens ein Bus mit Fahrradanhänger, man braucht also auch für Radlurlaub im Altmühltal kein Auto.)
Befreiungshalle bei KehlheimKelheim.
Im Regensburger Bahnhof war noch Zeit für einen hochwillkommenen Cappuccino, bevor wir in den Zug nach München stiegen. Auf der Fahrt sahen wir zahlreiche Greifvögel, nach der samstäglichen Flugvorführung auf der Rosenburg bin ich mir nicht mehr nur bei Falken sicher, sondern traue mich auch Bussarde bestimmen.
Auf dem Heimweg in München Sichtung eines ganz wunderbaren Business Modells fürs Team Eichkätzchen.
(D’Oachkoda = die Eichkater, Spiel mit dem bayerischen Oachkatz = Eichkatze. Und diese Baumpflegemenschen klettern ja wirklich fast wie Eichhörnchen durch Baumkronen.)
Zurück daheim holte ich Milchkaffee nach, bereitete dann das Abendessen vor. Ich kochte Wirsinggemüse aus Ernteanteil, versuchte diesmal, die erwünschte Zerkochtheit durch die Zubereitung nach Bayerischem Kochbuch zu erzeugen: Geputzten Wirsing in Stücken vorkochen, dann hacken, in Einbrenne (ich briet dafür gehackte Zwiebel an) gar kochen.
Bürokratisches erledigt, ich lernte die Bezeichnung “Verwahrentgelt” für den Umstand, dass wir mittlerweile nicht nur keine Zinsen für unser Guthaben bei der Bank bekommen, sondern sogar dafür zahlen müssen.
Um halb vier aß ich dann doch etwas, wenn auch ohne Appetit: Weizenkleie mit Joghurt. Das Wetter hatte von gemischt auf bedeckt gewechselt, vor dem angekündigten Regen verließ ich das Haus zu einem Spaziergang über die Theresienwiese zum Westpark und zurück.
Schon von Weitem hatte ich Alphorn zu hören geglaubt.
Und tatsächlich: An der Bavaria wurde Alphorn gespielt. (Wenn ich am Wochenende hier spaziere, spielt immer wieder Musik von dort oben.)
Im Westpark war viel los – sowohl Menschen als auch Gänse. Letztere erheblich lauter.
Zurück zu Hause gönnte ich mir eine Runde Yoga – Anstrengendes für den Oberkörper. Und ich stellte mal wieder fest, dass ich Fersensitz einfach nicht kann, dabei schmerzen meine unteren Oberschenkel zu sehr – ich werde mich nach Übungen erkundigen, die mich dem näher bringen könnten.
Zum Abendessen wärmte ich das Wirsinggemüse auf, servierte es mit Bauernwürsten (Direktimport aus Ingolstadt). Zum Nachtisch gab’s wieder Riedenburger Pralinen.
die Kaltmamsell11 Kommentare zu „Journal Sonntag, 19. September 2021 – Voller Sonntag mit mehr Altmühltalexotik“
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20. September 2021 um 6:43
Wie spannend, ich wusste gar nicht, dass Walhalla und Befreiungshalle zwei verschiedene Sachen sind! Ich erinnere mich nur an den Überbegriffe “Walhalla” von den Fahrten zu den Grosseltern als Kind (und das unhinterfragte Hinnehmen solcher Bauwerke mitten in der Landschaft).
Hat das Wirsing nicht zerkochen geklappt?
20. September 2021 um 8:13
Nochmal drüber nachgedacht und doch, ich wusste, dass das zwei Sachen sind, aber sie wurden halt immer in einem Aufwasch genannt und ich habe den “tolleren” Namen (Walhalla) und das “tollere” Gebäude (Befreiungshalle) in meinem Kopf gemischt. Ist ja an sich egal, aber ich habe mich gefreut, nach 30 Jahren das erste Mal wieder da dran zu denken :-)
20. September 2021 um 8:25
Bin im gleichnamigen Landkreis geboren und aufgewachsen und weiß daher, dass die Bewohner der Stadt Kelheim Wert darauf legen, dass der Name der Stadt ohne “h” geschrieben wird. ***Gescheidhaferlmodus aus***
20. September 2021 um 9:05
Geht mir exakt genauso, Frau Bruellen, große Walhalla/Befreiungshalle-Schwäche (in Wirklichkeit plus Feldherrnhalle und Ruhmeshalle). Ich hoffe, dass ich die jetzt durch Ansicht in Kelheim plus all die Hinweisschilder “Befreiungshalle” geheilt bin.
Ziel WAR das Zerkochen des Wirsings! Meine Mutter hatte einen Knackigkeitswahn, ihr Gemüse hat immer halb-roh beim Beißen geknirscht. Bei Wirsinggemüse halte ich das für völlig verfehlt, da muss jedes Vitamin rausgekocht sein. Bei meinen vorherigen Versuchen erwiesen sich die Blätter als ausgesprochen Zerkoch-beständig, doch mit 30 Minuten vorkochen in Salzwasser wurden sie ausreichen matschig.
Verzeihung, Franz Maier, wird korrigiert.
20. September 2021 um 9:26
Ach so, ich habe die Wirsingstory schlampig gelesen :-)
20. September 2021 um 9:38
“fühlte mich aufs Stolzeste ertappt”
das gefällt mir!
20. September 2021 um 10:02
Meine Laufrunde erledige ich eigentlich immer gegen Sonnenaufgang. Vor einiger Zeit kam mir aber trotzdem mal eine Pilgergruppe mit Monstranz entgegen. Diese war sehr schnell unterwegs – viel schneller als Wanderer sonst. Und ich wusste echt nicht, wie ich mich in nassgeschwitzten Sportklamotten zu verhalten hätte. Stehenbleiben und bekreuzigen? Einfach ignorieren? Freundlich nickend weiterlaufen
20. September 2021 um 13:12
Absolut!!! Wirsing muss zerkocht sein. Gelingt auch hervorragend nach dem Rezept meiner Großmutter, die die gekochten Blätter durch die grobe Scheibe des Fleischwolfs gedreht hat und dann weiterverarbeitet hat.
Passt hervorragend zum fränkischen Schäuferla.
20. September 2021 um 14:14
Ah, der Fachmann! Das Durchdrehen, Rainer, wird im Bayerischen Kochbuch sogar explizit als Option genannt, ich war allerdings zu bequem den Fleischwolf rauszuholen.
25. September 2021 um 12:20
Dehnen der Oberschenkelmuskulatur zum Fersensitz:
1. Im Stehen ein Bein am Knie abwinkeln und die Hüfte gestreckt haltend den Fuß hinten nach oben Richtung Po ziehen. Die Dehnung immer 30 sec da halten, wo es unangenehm ist aber nicht zu sehr weh tut.
2. Kniend ein Bein aufstellen. Langsam den Po nach hinten Richtung Boden absenken. Oberkörper bleibt aufrecht.Wieder dort wo’s unangenehm ist jede Seite 30 sec halten.
3. Wieder aufrichten (immer noch knieend ein Bein aufgestellt). Hände neben vorderen, aufgestellten Fuß abstützen. Mit der Gegenhand nach hinten greifen und dabei das knieende Bein nach oben anwinkeln und den entsprechenden Fuß greifen. Wieder halten… (hoffe, das war verständlich)
25. September 2021 um 14:42
Vielen Dank, Frau Klugscheisser! 1. mache ich regelmäßig, nach praktisch jedem Training, aber die anderen beiden sind mir neu.