Wir wollten nochmal wandern. Auf der Bahnfahrt in den Bayerischen Wald waren wir auf die Idee gekommen, die Isar, die wir eine Weile sahen, entlang zu gehen: Eine Fortsetzung der Isarwanderung von Ismaning nach Freising vor vier Jahren.
Nach Ausschlafen bis acht und gemütlichem Morgen brachen wir gegen elf zum Bahnhof auf. Das Wetter war als durchwachsen angekündigt, wir packten Regenjacken ein (der Sonntag mit sicherem Sonnenschein passte uns nicht so gut). Ziemlich voll besetzte Regionalbahn nach Freising, die Bayern-Cosplayer darin deuteten bereits an: In Freising ist Volksfest (ohne infektionsträchtige Bierzelte und deshalb in “Familienpark” umbenannt).
Auf der Wanderung bekamen wir einige Tiere zu sehen: Schon auf der Hinfahrt sah ich ein Reh vor einem Maisfeld und den ersten Falken. Die Wanderung bot dann Schwalben, Eichelhäher, endlich mal einen Grünspecht, Gänsesäger, Graureiher, Libellen, Schmetterlinge, Kormorane, auf der Heimfahrt saß ein Kaninchen im Feld. Blöderweise hatte ich die unangenehmen Tiere schon wieder vergessen: Stechmücken. Wieder hatte ich nur an Sonnenschutz gedacht und nicht an mein Mückenspray. Direkt am Fluss war das gar nicht schlimm, doch sobald wir uns in die Nähe von stehenden Gewässern begaben, von Pfütze bis Tümpel, also zu den Mücken-Brutplätzen, versuchten die Viecher mich zu fressen. Zum Glück schützten mich lange Hosenbeine und kurze Ärmel, doch ich ärgerte mich sehr über meine Dummheit. Zumindest habe ich das Fenistil für die Folgen bereits daheim.
Um Abwechslung in die Strecke zu bringen, hatte Herr Kaltmamsell eine alternative Route über Dörfer nördlich der Isar als Alternative herausgesucht. Dahin bogen wir bald Richtung Marzling ab und genossen Ausblicke übers Isartal, musste aber feststellen, dass es sich um eine Radwanderroute hauptsächlich auf Landstraße handelte. Da geht sich’s nicht schön, nach wenigen Kilometern kehrten wir an den Uferweg der Isar zurück (ebenfalls Radwanderweg, doch es waren nicht viele unterwegs). Was es dort nicht gab, waren Bankerl zum Pausenmachen. Wir ruhten uns auf einem als “Picknickplatz” deklarierten Baumstamm aus, ich aß Äpfel.
Das Wetter hielt, wir gingen meist in Sonnenlicht, das von Bäumen gefiltert wurde. Der Auwald war wildromantisch, wir sahen viele zerbrochene und umgestürzte Weiden.
In Moosburg hatte ich zum Einkehren einen Gasthof in der Nähe des Bahnhofs ausgesucht. Auf dem Weg dorthin von der Isar kreuzten wir die Stadt einmal, stellten fest, dass auch hier Volksfest war und dass das ein ganz bezauberndes Städtchen ist, einen eigenen Besuch wert. Hier erwischte uns auf den letzten Metern doch noch ein Regenschauer, jetzt aber wirklich verschmerzbar. Für die rund 20 Kilometer waren wir gut fünf Stunden unterwegs – und beide erstaunlich erschöpft. Allerdings hatten wir auch beide bereits beim Start gemerkt, dass wir unterdurchschnittlich fit und von der Woche müde waren.
Zur abschließenden Brotzeit gab es Kässpatzen für Herrn Kaltmamsell, den größten Teil eines Brotzeittellers für mich, außerdem den Beilagensalat meines Begleiters.
Die Bahn zurück nach München war wieder gut gefüllt, auf dem Heimweg holten wir uns noch zum Nachtisch ein Eis beim Nachbarschafts-Eisdieler.
Isar bei Freising.
Marzling
Aussicht übers Isartal.
Idyllischer als die im Verlauf der Wanderung immer breitere Isar war die ein Stück parallel fließende Moosach:
Aber an der Isar ging es sich auch schön.
Einkehren in Moosach:
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20 Jahre war es gestern her, dass Terroristen vier Passagierflugzeuge als Massenmordwaffen verwendeten, zwei davon ins World Trade Center in New York flogen, eines ins Pentagon; das vierte – das hatte ich fast schon vergessen – wurde von eingreifenden Passagieren zum Absturz gebracht, ohne dass es mehr zerstören konnte (das hatte mich seinerzeit fast am meisten bewegt). Gestern fragte ich Herrn Kaltmamsell zum ersten Mal, wie er dieses Ereignis erlebt hatte – unsere Berufsleben waren damals sehr weit voneinander entfernt.
Immer noch ist die Brutalität der Tat so unfassbar, dass ich mich ihr nur anhand von Details nähern kann. Esquire schreibt über den Umgang mit Fotos des Ereignisses, genauer: mit den Fotos von den Menschen, die sich zwischen Einschlag der Flugzeuge und Zusammenbruch der Wolkenkratzer in den Tod stürzten.
“The Falling Man”.
Lange waren sich nämlich die Redaktionen einig gewesen, dass man diese Bilder nicht zeigen würde. Und alle Stellen, dass man diesen Aspekt ausblenden würde – bis hin zur Unmöglichkeit, die Zahl der so ums Leben gekommen Menschen zu erfassen. Das ändert sich wohl gerade.