Journal Freitag, 15. Oktober 2021 – Abend im Dantler
Samstag, 16. Oktober 2021 um 9:49Aufgewacht zu sternenklarem Himmel (ich lasse nachts schon seit einer Weile die Rollläden nicht mehr herunter, weil die Sonne zu spät zum vorzeitigen Wecken aufgeht) – und mit etwas verlegener linker Schulter.
Weg in die Arbeit durch herrlichen, aber sehr kalten Morgen. Beim Warten an der roten Ampel am Kaiser-Ludwig-Platz sah ich einen Turmfalken, der sich in goldenem Morgenlicht auf die Wetterfahne der Backstein-Gründerzeit-Villa setzte.
Schon am Donnerstag war mir aufgefallen, dass die über die Monate gewachsenen Büsche und Blumen auf der Theresienwiese verschwunden waren.
Voilà: G’mahde Wiesn. HAHAHAHAHA!
(Sie fragen sich sicher regelmäßig, wie ich es nur mit all den unglaublich witzigen Einfällen in meinem Kopf aushalte.)
Mittags gab es Apfel, Breze, Quark mit Joghurt. Nachmittags kämpfte ich leider wieder mit Schwindel, das war auch auf dem Weg nach Hause mit Einkaufsabstecher beim Vollcorner unangenehm.
Heimeranplatz in herbstlichem Technicolor.
Daheim nur kurzes Ausruhen (und Wegwerfen des Paars Schuhe, rote Pumps, das ich gestern nach zwei Jahren Pause getragen hatte und das böse Blasen verursacht hatte – mir war eingefallen, dass die noch nie richtig passten), zum Nachtmahl führte ich Herrn Kaltmamsell aus: Wir hatten einen Tisch im Dantler, das bis vor vier Jahren einer meiner Lieblinge war, das Upper Eat Side. Die Wirte Jochen Kreppel und Maximilian Süber blieben aber, die beiden Vollblut-Gastronomen setzten eine weitere Idee um (mögen sie ihnen nie ausgehen): Bayerisch Deli, “Dantler” heißt auf Bayerisch Händler, genauer Trödler – “Dantler” findet man auf Flohmärkten. Man kann dort jetzt auch Feinkost kaufen, im ursprünglichen Konzept lag der Schwerpunkt auf kleinen Deli-Gerichten, nur Freitagabend gab es klassisches Menü. Nach der Pandemie-bedingten Schließung hat der Dantler mit abends festem Menü wiederereröffnetet (mittags gibt es Einzelgerichte und ein kleines Menü), Freitagabend in einer umfassenderen Deluxe-Version. Und die ließen wir uns gestern nach einer kurzen U-Bahn-Fahrt nach Obergiesing servieren.
Stellte sich heraus: Auch als Dantler ist das Lokal uneingeschränkt empfehlenswert, vielleicht gerade jetzt, wo es noch nicht wieder auf Monate ausgebucht ist (wie zuvor schon das Upper Eat Side, in dem ich gerne viel öfter gegessen hätte und gerne auch Besuch mitgenommen – doch ein paar Wochen Vorlauf reichten nie).
Wir wurden wieder sehr herzlich empfangen, lernten neue freundliche Gesichter im Service kennen. Für den Aperitif erinnerte ich mich daran, dass die Wirte bei einer Brauerei ein eigenes IPA brauen ließen und bat um das – um zu erfahren, dass es inzwischen auch ein Dantler Pale Ale gibt. Also bestellten wir eins von jedem.
Das Pale Ale war tatsächlich wunderbar duftig, das Brot fast schon kuchig saftig, die Butter mit Zitrone aromatisiert.
“Topinambur”
Nußbutterschaum, Pinienkerne, Kohlrabi, Crostini – rundum köstlich, der erste war gleich mein Lieblingsteller des Abends.
Den Wein dazu ließen wir uns glasweise empfehlen, hier einen Weißburgunder Kellerei Eisacktal – eine perfekte Kombi.
“Hasenfutter”
Geröstete Karotte, Mandarine & Macadamia, Karottengrünmayo – viel Spaß mit den verschiedenen Röstgeschmäckern. Auf den Wein war ich besonders gespannt: Ein Naturwein “Fruit Loops” 2020 von Claus Preisinger aus Gols. Nach anfänglicher Begeisterung bin ich bei Naturweinen vorsichtig geworden, weil ich ein paar Mal zu oft einfach nur eine Most-Bombe im Glas hatte. Doch Clausi Preisinger kann man weiterhin blind vertrauen: Sein Naturwein, ein Cuvée von Furmint, Riesling, Scheurebe, ist perfekt zum Einstieg ins Thema, weil schön fruchtig, gleichzeitig eine Einführung, dass man bei Naturweinen nicht auf bisherige Weinschmeckerfahrung zurückgreifen kann, sondern neue Kategorien braucht.
“Carpaccio”
Saibling mit wunderbarer brauner Butter und gerösteten Mandeln. Ich hätte eine Weinpause gemacht, aber als ich nebenbei meinte, ich hätte ohnehin “ein Thema” mit Riesling, den Jochen gerade in der Hand hatte – musste ich zumindest ein Schlückchen dazu probieren; ich hatte vergessen, dass ich es mit einem erklärten Riesling-Botschafter und -Aficionado zu tun hatte. Der natürlich recht hatte: Der Wittmann “Riesling Fass 68” passte hervorragend und hatte nur eine ganz sanfte Riesling-Note.
“Risotto”
Steinpilze, Trüffelbutter, Pecorino.
Dazu ließen wir uns einen Lagrein Muri Gries einschenken, der wunderbar bewies, wie schön sich Südtiroler Rotweine inzwischen entwickelt haben.
“Flat Iron Steak”
mit Kartoffel, Sellerie, knackigen Bohnen mit Lardo – vor allem Letzteres Bombe. Wein war ein Valpolicella 2014 I Saltari, der sich hervorragend mit dem Gemüse verstand.
Maracuja-Weißbier – mit den explodierenden Zuckerbröseln meiner Kindheit.
“Pina Colada”
Ananas und Kokusnuss, ein Schluck Riesling Kabinett von Diel im Glas – kein Süßwein, sondern ein wunderbar vielschichtiger Kabinett mit ein wenig Restsüße.
Zum abschließenden Espresso gab es Trüffel – die die zauberhafte Bedienung als “von mir gemacht” servierte.
Ein großartiger Abend.
die Kaltmamsell8 Kommentare zu „Journal Freitag, 15. Oktober 2021 – Abend im Dantler“
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16. Oktober 2021 um 12:42
So schön, wie Du uns immer an besonderem Essen teilhaben lässt.
Das sieht so gut aus!
Habe an Dich gedacht, als wir letzte Woche Sterneessen waren. Und Deine Disziplin.
Ich habe nämlich alles aufgegessen, ratzeputz, alle sieben Gänge.
Und erst beim Nachtisch daran gedacht, vorher ein Foto zu machen.
16. Oktober 2021 um 12:56
Bei dem Begriff “Dantler” wäre ich nie darauf gekommen dass der Händler gemeint ist. Ich spreche das anders aus: Dandler.
16. Oktober 2021 um 13:58
Zum Spaß flechte ich manchmal die schöne Redewendung “Des is a gmahde Wiesn!” bei meinen Erklärungen ein, wissend, dass die Empfänger meiner Ansprache meistens nicht wissen, was das bedeutet*. Aber ich erkläre es dann sogleich gerne und die Redewendung gefällt immer sehr gut. Dabei habe ich immer die Stimme vom Monaco Franze im Ohr! Gott hab ihn selig (also den Fischer Helmut).
*sinngemäß hdt.: Selbstläufer
16. Oktober 2021 um 14:04
P.S. ich hätte eher die Tendenz “Tandler” zu schreiben, kommt ja von Tand. Wenn das “harte T” auch etwas weicher zu sprechen ist. So ein Mittelding zwischen hartem T und weichem D. Also ein extraweiches T oder ein härteres D. Das können aber die eingeborenen Münchner besser verifizieren. Das Wort gehörte aber auch zu meiner Großeltern- und Elterngeneration, die aus Böhmen stammt.
16. Oktober 2021 um 19:18
Das sieht mouthwatering aus!
16. Oktober 2021 um 19:46
Das Maracuja-Weißbier weckt bei mir Assoziationen zum Bananen-Weißbier bayerischer Landdiscos der 90er. Ansonsten (? – oder zumindest unabhängig davon) schaut das alles sehr gut aus – Danke für’s mitnehmen und die Anregung.
(Was die Aussprache angeht: Ich bin auch eher “Team Dandler”, wobei das zweite “d” in meiner dialektalen Prägung etwas härter klingt als das erste. Dantler passt also auch.)
16. Oktober 2021 um 22:11
@Defne und Gaga Nielsen: Ja, meine Gedanken als native speaker waren ähnlich. Im Innviertel würde man sagen: Dandla, mit zwei sehr hellen “a”s. Das “t” in der Mitte irritiert. Es muss weich sein. Nach dem “n” verschwindet es sogar fast.
17. Oktober 2021 um 13:01
Oh, der Lagrein vom Kloster Muri Gries, das ist mein Tischwein….. Schön, dass er es in ein Spitzenrestaurant in München geschafft hat. Anfang November hol’ ich mir wieder Nachschub!