Archiv für Oktober 2021

Journal Sonntag, 3. Oktober 2021 – Ausflug Dinkelsbühl und Harburg

Montag, 4. Oktober 2021

Früh aufgewacht nach eher unruhiger Nacht. Die Familie genoss das Frühstück (Semmeln, Butter, Marmelade, Wurst-Käse-Teller auf einer Etagere für alle, der Rest an einem kleinen Buffet), ich freute mich über einen Cappuccino.

Wieder mit dem Auto machten wir uns auf den Rückweg und fuhren erst mal Dinkelsbühl an. Das ist ein Fixpunkt in der Schwiegerfamilie, ausländischer Besuch wurde schon immer dorthin geführt, vor allem weil der idyllische Ort weniger überlaufen sei als das nahe gelegene Rothenburg ob der Tauber.

Wetter: Grau, aber trocken und nicht zu kühl. Die lieben Schwiegers setzten sich wieder in ein Café, Herr Kaltmamsell und ich erkundeten die “schönste Altstadt Deutschlands”.

Es war sehr schnell klar, dass es strenge Vorgaben für Veränderungen an den historischen Häusern gab, besonders amüsierten mich die offensichtlichen Schriftvorgaben.

Doch das Städtchen bietet wirklich hübsche Anblicke – gestört von Autos.

Diese Ansicht von der Stadtmauer ist laut Frau Schwieger das berühmteste Fotomotiv von Dinkelsbühl, wer es ignoriert, darf nicht wiederkommen.

Zeughaus.

Segringer Tor.

Nachdenken, was eigentlich das angestrebte Ziel der gestalterischen Maßnahmen und Vorgaben ist oder auch nur welcher Eindruck – also nicht das erklärte Ziel, sondern das tatsächliche, das sich aus den Ergebnissen ableiten lässt. Historische Authentizität ja sicher nicht, denn die Infrastruktur der Gebäude ist mit Elektrizität und modernden sanitären Anlagen zeitgenössisch. Und auch nicht der historische Eindruck einer bestimmten Zeit kann das Ziel sein, denn Autos sind überall zugelassen und in großen Mengen allgegenwärtig (nächstgelegener Bahnhof 22 Kilometer entfernt in Crailsheim). Wahrscheinlich wird alles auf einen möglichst vermarktbaren Eindruck ausgerichtet, auf Besuchererwartungen. Und die stören sich nicht an Autos, möchten aber eine blitzblank saubere und intakte Filmkulisse – mit einer Schriftart, die zu ihrem inneren Film passt.

In diesem Lokal trafen wir uns zu viert zum Mittagessen. Die angebotene Küche war fränkisch, zu meiner großen Freude entdeckte ich eine eigene Karpfen-Karte – und bestellte einen halben Karpfen blau.

Schmeckte gut, mir war der Sud allerdings zu stark gewürzt (Piment, Wacholder, Lorbeer, Nelken schmeckte ich heraus) – das zarte Karpfen-Aroma hatte keine Chance dagegen. Wohlgesättigt setzten wir uns wieder ins Auto und fuhren weiter nach Harburg: Die dortige Burg Harburg war in Herrn Kaltmamsells Kindheit ein regelmäßig angesteuertes Ziel.

Wir zahlten vor dem Tor zur Burg Eintritt – und stellten erst später fest, dass dieser wirklich nur für den Durchgang durchs Tor galt: Die Räume der Burg selbst durfte man nur gegen eine weitere Gebühr im Rahmen einer Führung betreten. Das ärgerte mich, denn so war das nirgends kommuniziert.

Wir freuten uns an den möglichen Anblicken.

Weiter ging’s dann Richtung Augsburg, wo wir einen Zug nach München nahmen. Ich fühlte mich nicht ganz auf der Höhe, weil mich Bauchschmerzen plagten.

In München war es überraschend warm, ich öffnete daheim Balkontüren und Fenster. Eine Runde Yoga, die Bauchschmerzen blieben.

Essen musste ich aber schon noch etwas, auch ohne Appetit, sonst würde ich nicht schlafen können. Herr Kaltmamsell machte Spaghetti mit Tomaten-Oliven-Sauce, ich dazu etwas grünen Salat mit Joghurt-Dressing. Zum Nachtisch ein paar Konditor-Pralinen, die ich in einem Dinkelsbühler Café gekauft hatte.

Journal Samstag, 2. Oktober 2021 – Ausflug nach Bad Mergentheim

Sonntag, 3. Oktober 2021

Bad Mergentheim ist eine feste Größe in der Schwiegerfamilie: Ein Ableger von Frau Schwiegers Familie stammt von dort, Herr Kaltmamsell kennt es von Kindheitsbesuchen, außerdem waren dieser Familienteil und sein Garten Quell eines stetigen Stroms von Gemüse und Obst. Am wichtigsten waren davon die Quitten, aus denen Frau Schwieger jedes Jahr das köstlichste Quittengelee herstellte – ich kenne kein besseres.

Vor ein paar Jahren starb die direkte Linie dieses Familienteils allerdings aus, es wurde nur noch zum Kauf des örtlichen Weins aus der Weingärtnergenossenschaft Markelsheim hingefahren. Als die Schwiegereltern vorschlugen, mit Herrn Kaltmamsell und mir ein Wochenende dort zu verbringen, freute ich mich sehr.

So standen wir gestern früh auf und nahmen einen Zug nach Augsburg.

Dort holten uns die Schwiegers mit dem Auto ab und wir fuhren eine Panoramastrecke nach Norden. Dabei kreuzten wir Dinkelsbühl mit seinem mittelalterlichen Stadtkern (vielleicht ein Halt auf der Rückfahrt) und ließen uns auch sonst links und rechts des Wegs auf Interessantes hinweisen – die Schwiegers kannten die Strecke und ihre Ausblicke gut.

In Markelsheim gab es erst Mittagessen (wie in jedem zeitgemäßen Wirtshaus gab es neben fleischiger Hausmannskost auch Vegetarisches, ich hatte Kürbis-Kartoffelnocken mit Rahmspinat und Käse), dann wurde bei den Weingärtnern eingekauft. Tatsächlich findet gerade die Lese statt, vor der Kellerei standen die Traktoren mit Wannen voll Trauben Schlange: Sie sind reine Anbauer und liefern die Trauben lediglich ab, zu (regional typischem, konventionellen) Wein machen ihn andere, die wiederum mit dem Anbau nichts zu tun haben.

Markelsheim.

Mittagessen gegenüber im Gasthof Lochner.

Weinberge hinter Weingärtnergenossenschaft.

Lokale Variante des Getränkeautomaten.

Nach umfangreicher Bestellung fuhren wir weiter nach Stuppach, weil die Schwiegers gerne die berühmte Stuppacher Madonna sehen wollten. Tatsächlich waren wir eher unterwältigt, das Gemälde, vor allem die Gesichter, schien durch zahlreiche Überarbeitungen jegliche Dreidimensionalität verloren zu haben. Spätere Recherche ergab: Ja, viel Pfusch.

Fahrt nach Bad Mergentheim selbst. Während die nicht so laufflotten Schwiegers im Café im Schlossgarten das herrliche Wetter genossen, spazierten Herr Kaltmamsell und ich durch Kurpark und Stadt.

Ausgefallendstes Pappelspalier jemals.

Ausgang vom Schlosshof.

Am Münsterturm beobachteten wir eine Weile zwei Falken, einer davon wahrscheinlich ein Jungtier mit viel WIWIWIWI!

Überall in der Stadt Spuren des Deutschordens.

Residenzschloss Mergentheim.

Wir trafen im Hotel wieder auf die Schwiegers, ruhten uns eine Weile aus.

Zum Abendessen gingen wir ins Hotelrestaurant und aßen überraschend gut: Steinpilzsuppe, Krebssuppe, Lammkarree mit Wirsing, Hirschfilet mit Spätzle, geräuchertes Lachsforellenfilet auf Linsen – letzteres war meines. Dazu trank auch ich einen Wein, eine fränkische Scheurebe-Riesling-Cuvée Nachschlag vom Winzerhof Stahl.

Journal Freitag, 1. Oktober 2021 – Am Amtsgericht

Samstag, 2. Oktober 2021

Diesmal mit dem Radl in die Arbeit: Ich hatte um neun einen Einsatz als Schöffin und wollte vorher schnell noch im Büro nach dem Rechten sehen.

So früh am Morgen brauchte ich Halstuch und leichte Handschuhe, auch als ich von dort ans Justizzentrum radelte.

Verhandelt wurde ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, BTM: Besitz und Handel in nicht unerheblicher Menge, außerdem hatte der Angeklagte Polizeibeamte massiv bedroht.

Wieder erwies sich die Verhandlung zur Beurteilung von Tat und Täter als enorm wichtig: Die dürren Fakten lasen sich durchaus anders als das, was dann im Gerichtssaal herauskam. Wir Laienrichterinnen und der Berufsrichter setzten darauf, dass sich der junge Angeklagte nochmal fängt.

Ich lernte ein spannendes neues Wort, das der Staatsanwalt en passant verwendete:
Tenorkosmetik.
In genau der verwendeten sprachlichem Umgebung, nämlich “nicht nur bloße Tenorkosmetik”, fand ich das beim Nachschlagen in einer Fußnote zum Handbuch des Strafrechts.
Mal sehen, ob ich das in einem Gespräch über Öffentlichkeitsarbeit unterbringe.

Ich radelte zurück ins Büro, war diesmal vor zwölf zurück am Schreibtisch. Jetzt brauchte ich weder Halstuch noch Handschuhe, der wundervoll sonnige Nachmittag wurde sogar nochmal schön warm.

Erst mal arbeitete ich eine Stunde Angefallenes weg, dann Mittagspause: Pumpernickel mit dick Butter, zudem ein Apfel und ein paar Trauben.

Mittelpünktlicher Feierabend. Wie mit Herrn Kaltmamsell verabredet, kaufte ich auf dem Rückweg fehlende Teile des Abendessens beim Vollcorner ein.

Daheim war es warm genug, dass wir uns auf den Balkon setzten. Ich hatte zum Einläuten des Wochenendes einen gekühlten Piccolo mitgebracht.

Als die Sonne untergegangen war (was mit schlagartiger Kälte einher ging), machten wir zusammen Abendessen: Sommerliches Ofengemüse mit Coucous, zum Teil aus Ernteanteil, zum Teil aus Zugekauftem. Dazu gab es Rotwein. Nachtisch Süßigkeiten.

Wir waren beide sehr müde, gingen aber auch deshalb früh zu Bett, weil wir am Samstag für einen Ausflug früh aufstehen würden.

Journal Donnerstag, 30. September 2021 – Elektrogeräte als Familienmitglieder

Freitag, 1. Oktober 2021

Ich gönnte mir zehn Minuten längeren Schlaf, weil nichts an Haushaltsdingen anstand und ich bereits vorgebloggt hatte. Schon stand fast gleichzeitig mit Weckerklingeln ein besorgter Herr Kaltmamsell in meiner Schlafzimmertür (er musste gestern besonders früh aus dem Haus) und fürchtete, ich könnte verschlafen haben.

In die Arbeit zog ich mit Sportzeug im Rucksack los, ich wollte nach Feierabend wieder den Crosstrainer im Verein nutzen. Das Draußen war überraschend frisch, ich brauchte meinen Schal.

Bei St. Rupert nahe dem Heimeranplatz hörte ich ein durchdringendes “KJAKJAKJA!” am Himmel über mir. Ich blieb stehen, bis ich die Quelle sah: Jung-Turmfalken beim Fliegenüben, ein Elter ruhig vorneweg. Möglicherweise sind die Vogellaute vorm Büro, die ich für Grünspecht hielt, dann doch auch Turmfalken (die ich im Gegensatz zu Spechten auch hin und wieder aus dem Bürofenster sehe). Ähneln einander schon sehr, hören Sie selbst: Turmfalke / Grünspecht.

Lebensziel: Einmal so begeistert in den Werktag starten wie der grauhaarige Rollifahrer, der gerade auf den Lift des Shuttle-Kleinbusses geschoben wurde und dabei durchgehend jubelte: “AUTO! AUTO! AUTO! AUTO!”

Turbulenzlose Arbeit, mittags gab es ein Laugenzöpferl, ein paar Trauben, Vanillepudding mit Quark.

Am Nachmittag wieder ein Lauf-Job, der viele Schritte und Stufen auf meinen Bewegungstracker brachte.

Später bemerkte ich beim Blick auf den golden sonnigen Tag einen schlagartigen Lustverlust bei Aussicht auf Drinnensport im Verein. Nach Feierabend ging ich direkt nach Hause.

Ich genieße es, zum ersten Mal die Linden um die Theresienwiese erherbsteln zu sehen. Normalerweise wäre jetzt ja Oktoberfest – und auch danach bleibt sonst die Theresienwiese bis Mitte November für den Abbau gesperrt. Im vergangenen Jahr ohne Oktoberfest war ich um die Zeit auf dem Weg zur Hüft-OP.

Zu Hause eine anstrengende Yoga-Einheit mit für mich neuen Verdrehungen, dann verwandelte ich den Ernteanteil-Salat zu unserem Nachtmahl mit Tahini-Dressing und Eiern.

Schmeckte besonders gut. Danach Schokolade.

Seit Mittwoch ist die Corona-Warn-App wieder grün: Mit einer Sondermeldung informierte sie mich, dass 14 Tage nach der letzten Risiko-Begegnung mein Infektionsrisiko wieder auf Stufe niedrig gesetzt worden sei.

Wenn ich mit Herrn Kaltmamsell Drinnenessen gehe und sich mal wieder der Wirt sehr dafür entschuldigt, dass er unseren Impfnachweis sehen möchte – brechen wir unisono in Lob und Preis aus, wie sehr wir uns doch darüber freuen! Und wie toll wir das finden! Dass das doch genau richtig ist, und wir den gern vorzeigen! Ob wir wohl wie Hundeherrchen und -frauchen rüberkommen? FAAAAINIFAINI! GOOD BOY!

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In der NDR-Doku-Reihe “45 Minuten” wird untersucht:
“Reparieren statt Wegwerfen?”

Superspannend, zudem fand ich die Doku sehr schön aufgebaut und erzählt: Roter Faden der Story ist eine Gasse in Ingelheim und ihre Bewohner*innen. (Und: Eine “Babyklappe” für kaputte Elektrogeräte!)

Ein für mich neuer konstruktiver Gedanke: Wenn große Haushaltsgeräte vermietet statt verkauft würden, hätten die Hersteller zum einen den Anreiz, für Haltbarkeit zu entwickeln und zu bauen. Und zum anderen würden so nachhaltiger Arbeitsplätze gesichert, denn Wartung und Reparatur braucht menschliche Arbeit, Billigfertigung kann auch von Robotern erledigt werden.

Ich dachte sofort an unseren mittlerweile fast 30 Jahre alten Wäschetrockner von Siemens, den wir schon mehrfach reparieren haben lassen. Das vorletzte Mal von einem Herrn, der sich begeistert hatte: “Den KANN man wenigstens noch reparieren!” Mein Ehrgeiz ist hiermit: Den Wäschetrockner vererben wir mal.

Welche sind sonst unsere ältesten Elektrogeräte? Mein elektrisches Handrührgerät (KRUPSCH!) ist 35 Jahre alt (erste Anschaffung nach Auszug von Daheim), die Kaffeemühle (KRUPSCH!) ist noch älter und übernommen von meinen Schwiegereltern – wie es eben in der Doku hieß: Das sind Familienmitglieder mit Geschichte.

§

Obwohl die Klimaaktivist*innen in meinem Sichtfeld sich nie auf Greta Thunberg beziehen (sondern auf die Klimakrise) und die Obsession ihrer Gegner*innen mit ihrer Person mich abstößt, bin ich durchaus fasziniert von dieser ungewöhnlichen jungen Frau. Der Guardian hat ein schönes Portrait über sie geschrieben, auf der Basis eines ausführlichen Interviews:
“The transformation of Greta Thunberg”.

“I mean in one way we’re all climate deniers because we’re not acting as if it is a crisis.”