Journal Freitag, 28. Januar 2022 – Brasserie-Abend und Beifang aus dem Internetz

Samstag, 29. Januar 2022 um 7:57

Wochen-Endspurt. Ich wachte (beim vierten und letzten Mal) mit dem Gedanken auf, dass ich abends Essengehen würde, die Freude darauf trug mich durch den Tag.

Morgens regnete es kalt, in einer Regenpause marschierte ich ins Büro. Vormittags kurzer dichter Schneefall, dann Grau, am späten Nachmittag nochmal ein nasser Schneeschauer.

In der Arbeit weiter ermüdende Kämpfe, wenige Erfolge.

Mittags gab es restlichen Quarkjoghurt vom Vortag, Orangen, Clementinen, einen Rest Salzstangen aus der Büroschublade.

Den ganzen Tag fror ich, trotz Zusatz-Strickjacke, trotz heißem Tee. Dafür schwitze ich derzeit nachts wieder heftig, die perimenopausale Temperatur-Achterbahn ist in vollem Gang, auch in der lustigen Mischform von eisigen Händen und heißem Kopf.

Auf dem Heimweg holte ich Obst im Süpermarket Verdi, freute mich über schöne Orangen und Granatäpfel. Zu Hause hatte ich trotz früher Tischreservierung Zeit für eine Wiederholung der interessanten Yoga-Folge vom Donnerstag, bevor wir uns ein wenig aufhübschten (bei Herrn Kaltmamsell bedeutet das Hemd statt Pulli, bei mir Wahl einer schönen Handtasche) und zur Brasserie Colette spazierten.

Wir verbrachten einen wundervollen Abend mit spannenden und köstlichen Speisen und Getränken, herzlich umsorgt und beraten vom Service, in einer schönen Atmosphäre. Auch bei diesem zweiten Besuch fiel mir das Publikum angenehm auf, fröhliche kleine Gesellschaften, eher nicht ganz jung, gestern neben uns aber auch eine junge Familie mit zwei sehr kleinen Kindern, die für Leben sorgten, doch mit Eltern, die sich beide gelassen und durchgehend um sie kümmerten, keineswegs störten (und Sie wissen, wie schwer es wiegt, wenn ich das schreibe).

Vorab gab es zur Entspannung für uns beide je ein Glas Cremant Bouvet Ladubay, für mich in Rosa, für den Herrn in Weiß.

Nachdem ich ihm so sehr davon vorgeschwärmt hatte, probierte auch Herr Kaltmamsell als erstem Gang die Artischocke. Und schmeckte aus der Majonese den Safran heraus, der mir mit meiner Safranblindheit entgangen war. Dazu ließen wir uns ein Glas Sauvignon Blanc Domaine Bonnigal-Bodet empfehlen, der hervorragend passte.

Als zweiten Gang bestellte ich Sardinen mit Brioche – und musste aus acht Sorten Dosensardinen wählen, die mir auf zwei Tabletts präsentiert wurden. Es gab welche mit Paprika, mit Knoblauch, nur in Öl, aber auch in Butter und in Muscadet. Letztere Zubereitung erschien mir am spannendsten, dafür entschied ich mich.

Die Sardinen waren dann auch wundervoll mürbe und aromatisch, die getoastete Brioche begeisterte mich, der Blattsalat dazu rundete den Gang perfekt ab. Dazu ließ ich mir ein Glas Chablis Samuel Billaud empfehlen.

Herr Kaltmamsell hatte Gebratene Foie gras bestellt. Sie wurde auf einer Entenbrühen-Crème brûlée sowie mit Mais serviert und schmeckte ihm sehr gut (ich durfte probieren: himmlisch).

Sein Hauptgang war Pulpo mit Kalbskopfjus, Topinambur & Römersalat.

Ich aß Boeuf Bourguignon, das mir mit dem Hinweis serviert wurde, es bestehe aus 16 Stunden geschmorter Backe – ganz hervorragend. Dazu ein Glas Côtes du Rhône, der mir ebenso gut schmeckte wie in der Vorwoche.

Desserts hatten wir nicht eingeplant, waren ohnehin zu satt dazu. Aber auf Espresso hatten wir beide Lust, er stellte sich als besonders gut heraus (ist ja zu meiner immer wieder neuen Überraschung gerne mal der Schwachpunkt sogar besonders guter Restaurants). Dazu wurden wir auf ein Gläschen Süßwein eingeladen, ein duftiger Abschluss.

Zusatzfreude: Nach einem solchen Fine-Dining-Abend in zehn Minuten zu Fuß daheim zu sein.

§

Spannender Artikel von Claire L. Evans über die Anfangszeit des Hackens:
“Searching for Susy Thunder.
In the ’80s, Susan Headley ran with the best of them—phone phreakers, social engineers, and the most notorious computer hackers of the era. Then she disappeared.”

via @hatr

Bureaucracy was inflexible, inhuman, but that rigidity made it vulnerable, too. There were ways to use the rules to break the rules. The older she got, the more she saw the polygraph as a lesson, revealing, to her, the hidden truth of the world: that everything is a system, and every system can be cracked.

(…)

Hackers are folkloric figures. They’re tricksters, bathed in the blue light of glowing screens and green mists of binary code. For 30 years, they’ve been romanticized in films, mashing keyboards, pounding soda, racing progress bars, shouting, “I’m in!” In the cultural imagination, they’re often antisocial, malevolent figures — usually male — whose obsession with the technical minutiae of computer systems leaves them wholly under-equipped for human interaction.

But few major hacks are pulled off without some old-fashioned social skills. Passwords are hard to crack, but people are easy. In the summer of 2020, just as I was trying to convince Scott Ellentuch to grant me access to Susan Thunder, a group of teenage hackers was able to crack 130 of Twitter’s most closely guarded accounts by manipulating Twitter employees into granting them access to internal company tools.

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Die aktuelle Folge “Reden wir über Geld” der Süddeutschen Zeitung ist besonders lesenswert (€):
“‘Wandern ist Blut, Schweiß und Tränen'”.

Christine Thürmer hat viel Geld mit dem Sanieren von Firmen verdient. Dann stieg sie aus – und wandert seitdem durch die Welt. Ein Gespräch über ihren Plattenbau, abgesägte Zahnbürsten und den depperten Versuch, sich beim Wandern selbst zu finden.

Eine wirklich skurrile Persönlichkeit.

Aber warum Marzahn? Sie sind eine erfolgreiche Autorin, Sie hätten sich doch auch eine Wohnung in Mitte leisten können.

Na, weil es hier billig ist. Ich bin von ganzem Herzen geizig. Die Wohnungsbaugenossenschaft war auch misstrauisch, die wollten zuerst mal wissen, ob ich ein regelmäßiges Einkommen habe. Ich habe dann gesagt, sie sollen mal bei Amazon schauen, da werden meine Bücher angeboten. Man vermutet hier ja alles, aber keine Bestsellerautoren.

(…)

Ich gebe einfach nicht gerne Geld aus. Und ich habe mit steigendem Einkommen nie meine Ansprüche angehoben. Das ist mein Schlüssel zum Erfolg. Ich lebe eigentlich jetzt noch auf Studentenniveau, aber ohne mich einzuschränken. Ich habe mich einfach nie an einen höheren Standard gewöhnt. Wenn ich sechs Monate wandern war, sitze ich auch am Flughafen und gucke schon die Superangebote bei Aldi, Lidl und Penny durch. Mir macht das einfach Spaß.

(…)

Wer wandert, muss gut mit sich selbst auskommen. Noch mal zum Verständnis: Ich mache nichts unter tausend Kilometer. Diese Distanzen gehen nur, wenn Sie im eigenen Tempo und im eigenen Stil gehen.

Wie ist denn Ihr Stil?

Ganz, ganz langsam.

Wie langsam?

Auf ebener Fläche schaffe ich vielleicht vier Kilometer die Stunde. Wenn’s hochkommt. Ich bin halt eigentlich unsportlich. Ich bin nicht schwindelfrei, habe Plattfüße, X-Beine und fünf Kilo Übergewicht. Ich habe auch gar keinen Anreiz, schnell zu laufen. Lange Distanzen schafft man nicht über Geschwindigkeit, sondern über Ausdauer. Die Disziplin ist: Jeden Morgen aufstehen und loslaufen. Obwohl die Füße wehtun, obwohl es kalt ist, obwohl das Essen scheiße ist.

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In Zeichentrickfilmen ist Wasseranimation – zusammen mit Fell – wohl das Schwierigste, auch wenn die Software inzwischen das meiste allein macht. @NonsenseIsland hat in einem Twitter-Thread besonders bemerkenswerte Ausschnitte aus der Filmgeschichte zusammengetragen.

via @ineshaeufler

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Kurzer Lacher über dieses Bild. Über Google Bildersuche rückwärts fand ich die Künstlerin dahinter, die belgische Illustratorin Giselle Dekel.

die Kaltmamsell

6 Kommentare zu „Journal Freitag, 28. Januar 2022 – Brasserie-Abend und Beifang aus dem Internetz“

  1. Nina meint:

    Ooh, hab gerade gesehen, dass es die Brasserie Colette auch in Berlin gibt!

  2. Croco meint:

    Ein Restaurant, das geschliffene Gläser für Wasser anbietet, hat mich schon.
    Und die Wasseranimationen sind sowas von faszinierend.
    Was mir fehlt, ist das Meer von Jim Knopf und Lukas, dem Lokomotivführer.
    Was habe ich das geliebt als Kind, die Augsburger Puppenkiste anzuschauen.

  3. Sylvia meint:

    Großartig, der Artikel über Susy Thunder! Hätte ich definitiv ohne Ihren Hinweis nicht gefunden, deshalb: herzlichen Dank!

  4. Ute meint:

    Ich verfolge die Weitwander-Touren von Christine Thürmer seit geraumer Zeit über ihre Social-Media-Kanäle. Faszinierend, wie reduziert sie viele Wochen im Jahr lebt und sich mit einfachsten Bedingungen arrangiert. Ich glaube sie liegt da voll im Trend und verwirklicht sich einen Freiheitstraum, den viele Menschen hegen. Skurril?

  5. Joël meint:

    Langsam wird die Liste unüberschaubar an Restaurants die das nächste mal in München besuchen muss. Der Flieger wird nicht abheben können wenn ich wieder zurück fliege, so vollgefressen werde ich sein. :-)

  6. die Kaltmamsell meint:

    Erfordert Generalstabsplanung, Joël: Wir werden recherchieren müssen, wo es auch Mittagstisch gibt, dann Essens-, Bewegungs- und Erholungsphasen genau abstimmen.

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