Journal Mittwoch, 12. Januar 2022 – What a week, huh?
Donnerstag, 13. Januar 2022 um 6:25Gute Nacht, aber mit offener Tür und ohne Ohrstöpsel, um nach Herrn Kaltmamsell horchen zu können.
Morgens echte Lust auf Milchkaffee, das war schön. Ich genoss ihn.
Fußweg in die Arbeit in bissigem Frost, vor dem Haus wurden Autoscheiben freigekratzt. Die neuen Schneeschuhe machten sich mit Wärme bezahlt.
In der Arbeit zackiger Vormittag, noch verhältnismäßig sortiert. Zum späten Mittagessen traute ich mich Salzstangen, Avocado, ein paar Löffel Joghurt – schmeckte alles gut. Doch der Bauch war später immer noch wackelig.
Ungeplante Turbulenzen am Nachmittag. Ich schaffte anschließend lieber mal viel Absehbares weg, da auch die nächste Zeit in erster Linie Unabsehbares ansteht und ich sorgenvoll schlaflose Nächte vermeiden möchte. Es wurde spät. Einer von den Arbeitstagen, an dessen Ende die Ereignisse des Morgens sich anfühlten, als hätten sie bereits am Tag zuvor stattgefunden.
Herrn Kaltmamsell ging es nicht mal mittelgut, ich hatte ihn wohl doch angesteckt. Er bat um Take-away-Abendessen und schickte mich für Nah-Östliches zu Servus Habibi. Ich bestellte und holte uns je einen Mischteller.
Fürs Abendessen wandelte ich die Strick-Methode ab, nach der man bei Knappwerden der Wolle schneller stricken muss, damit sie noch reicht: Ich aß meine wundervoll schmeckende Schale zügig leer, dann mittelgroße Mengen Nüsse in Schokolade im selben Tempo – um intensiven Genuss zu bekommen, bevor mein Magen auf Protest schalten konnte und mir die Freude verderben. Schlau oder was. (Mein Bauch war ebenso beeindruckt und rumpelte erst nachts ein wenig.)
§
Die Seite Drei der Süddeutschen deckte gestern nach eigener Ansicht investigativ auf, welche Rolle instagram bei Magersucht spielt (“Wie Instagram den Weg in die Magersucht weisen kann”).
Mir war ob der Wischiwaschigkeit der Faktenbasis, der Vermischung mit dem Thema sexuelle Gewalt und des Einrennens offener Türen ziemlich unwohl, auch wenn erwähnt wurde, dass der an einem konkreten Einzelfall beschriebene Einfluss von Social Media bei Fachleuten “umstritten” sei. Anorexie ist eine Krankheit mit sehr vielfältigen Ursachen, mit komplexen Wechselwirkungen, verheerenden Auswirkungen und bis heute praktisch ohne verlässliche Therapie. Vereinfachungen helfen bei deren Untersuchung wirklich nicht. Ein Tweet brachte mein Unwohlsein gut auf den Punkt:
(Überhaupt: Waren wir uns nicht eben noch einig, dass die Mütter an Magersucht schuld sind? Wie an fast allem?) (Scherz.)
die Kaltmamsell3 Kommentare zu „Journal Mittwoch, 12. Januar 2022 – What a week, huh?“
Sie möchten gerne einen Kommentar hinterlassen, scheuen aber die Mühe einer Formulierung? Dann nutzen Sie doch den KOMMENTAROMAT! Ein Klick auf einen der Buttons unten trägt automatisch die gewählte Reaktion in das Kommentarfeld ein, Sternchen darüber und darunter kennzeichnen den Text als KOMMENTAROMAT-generiert. Sie müssen nur noch die Pflichtfelder "Name" und "E-Mail" ausfüllen und den Kommentar abschicken.
13. Januar 2022 um 12:50
Man könnte das Zeitrad sogar noch mehr zurückdrehen:
1832 – Wie Korsette die Magersucht verstärken
1882 – Wie Kaiserin Sisi die Magersucht verstärkt
1932 – Wie das “Moulin Rouge” die Magersucht verstärkt
(alles Beispiele aus der einschlägigen Fachliteratur)
13. Januar 2022 um 15:57
Hallo Fr. Kaltmamsell
Ich hab sehr gelacht, als ich gelesen habe, wie Sie Ihren Magen überlistet haben. Auch bei Wolle, wie beschrieben, klappt das aus eigener Erfahrung sehr gut. Nur leider bei guten, spannenden, fesselnden Büchern zu meinem großen
Bedauern leider gar nicht. Da hab ich mir schon manches Mal ab der Hälfte die Seiten oder Kapitel einteilen müssen, damit der Buchgenuss ja lange vorhält.
13. Januar 2022 um 20:52
Wenn’s net so traurig wäre, müsste man lachen, aber ja. Mehrere Jahrhunderte alte Problematik, schuld ist jeweils der neueste heiße Sch*ß. Dass die Mütter daran schuld wären, ist mir allerdings entgangen. Sehr gut.