Journal Sonntag, 30. Januar 2022 – Wintersturm

Montag, 31. Januar 2022 um 6:38

Endlich wieder eine gute, erholsame Nacht. Zwar wachte ich auch in dieser mehrfach auf, doch nach halb vier schlief ich bis sieben durch, wachte erfrischt zum ersten Glockenläuten des Tages von St. Matthäus auf.

Draußen stürmte es weiter, mir fiel ein, dass ich vor dem Aufbruch zum Schwimmen im Dantebad auf der Website sicherstellen sollte, dass es nicht wegen halber Bäume im Becken geschlossen war.

Ich packte nach dem Bloggen und Bettwäschewaschen (Frequenz wegen viel Schwitz derzeit wieder hoch) sogar noch meinem Sport-Rucksack, als ein weiterer Sturm- und Regenschauer die Wohnung verdüsterte und mir aufging, dass es vernünftig war, die Schwimmpläne ganz fahren zu lassen. Schon lag der Sonntag ganz anders vor mir.

Erstmal las ich sehr ausführlich Twitter, Blogs und Verlinktes, erlebte daheim die Entstehung einer Serie von Blogposts über Wolfgang Herrndorfs Sand und die damit verbundene Erschütterung mit (hier Teil 1), blanchierte und häutete ein paar Hand voll Mandeln vom adoptierten Baum in Andalusien, guckte aus dem Fenster in den Sturm mal mit Regen, mal mit Sonne, kümmerte mich mit Pömpel um den stockenden Abfluss der Badewanne, nahm ein seltenes Vollbad, pflegte und cremte mich, kochte für Herrn Kaltmamsell und mich Porridge, schälte dazu Orangen und entkernte einen Granatapfel. Um zwei frühstückte ich Porridge, Orangenmarmelade, Joghurt und viel Obst.

Nachmittags legte sich der Sturm langsam, das wollte ich von draußen sehen. Ich spazierte Richtung Theresienwiese, da diese aber gerade von einer mittelgroßen Impfgegner-Demo belegt war (insgesamt gab es in Bayern drei), umrundete ich große Teile in möglichst großem Abstand. Das ersparte mir nicht das Mithören der erstaunlich weit schallenden Demo-Reden, in denen es hieß “wir” seien “keine Minderheit” (belegbar falsch), in denen die Impfstoffe “weitgehend unerforscht” genannt wurden (belegbar falsch), und in denen es natürlich auch irgendwie um Kinder ging, doch ich schaffte es, für genaueres Verständnis wegzuhören. Was allerdings wirklich Respekt verdient: Das neben den Demos liegende Corona-Impf- und -Testgelände wurde bislang nie angegriffen.

Anders als geplant steuerte ich nicht den Westpark an, sondern bog ab zum Harras. Jetzt ging nicht mal mehr ein Wind, das Licht war wundervoll. Zurück nach Hause spazierte ich auf der Rückseite des Harras über die Kidlerstraße und dann auf Straßen parallel zur Lindwurmstraße.

Ich entdeckte mal wieder schöne Kunst am Bau.

Daheim eine Runde Yoga; auch die Folge 10 von “Move” fand ich sehr neu und spannend, möchte sie wiederholen.

Zu Abend kochte Herr Kaltmamsell Spaghetti Cacio e Pepe, ich verarbeitete den Ernteanteil-Kohlrabi zu Rohkostsalat – der mir überraschend schmackhaft gelang (Dressing aus Zitronensaft, Reisessig, Honig, Rotisseur-Senf, Rapsöl, Salz, Pfeffer, Oregano – zum Merken).

Früh ins Bett zum Lesen. Nach Langem habe ich dabei mit Granta 157, Should we have stayed at home? New travel writing mal wieder ein Papierbuch in der Hand – und stellte fest, dass das Licht meiner etwas entfernten Nachttischlampe nicht ausreicht (das eBook-Lesegerät bringt ja seine eigene Beleuchtung mit), ich musste das Deckenlicht anschalten.

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LWS-Skoliose mit zwei Bandscheibenvorfällen, Hüftdysplasie beidseitig mit Arthrose, großes Gebärmutter-Myom, regelmäßige Blasenentzündungsschmerzen (das ist seit ein paar Monaten das neueste Feature: hatte ich vor Klimakterium über 30 Jahre nicht mehr) – glauben Sie mir, wenn ich von Beschwerden “untenrum” spreche, ist das nicht g’schamig, sondern effizient.
(Neues Karriereziel.)

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Jetzt verstehe ich, warum ich in den vergangenen Jahren ehrgeizige Münchner Lokale wie das Broeding oder den Dantler weit lieber mag als die hiesige Sterneküche: Weil ich dort Speisen mit einheimischem Profil bekomme statt durchaus beachtliche Teller, die man aber gradsogut in Berlin oder Hamburg servieren würde.
“Stilkritik, Folge 4: Die Krake Mainstream”.

Das Gleiche zu machen wie andere Köche, widerspricht der kulinarischen Logik

Das, was Köche produzieren, hängt von vielen Faktoren ab – zunächst einmal in qualitativer Hinsicht. Wenn sie eine professionelle Ausbildung durchlaufen, werden ihnen nicht nur handwerkliche Techniken beigebracht, sondern gleichzeitig auch diverse Rezepturen und bestimmte Geschmacksbilder. Davon abzuweichen, kann den Erfolg der Ausbildung gefährden, sie müssen so kochen, wie das von ihren Ausbildern gewünscht ist und in das Programm des jeweiligen Restaurants passt. Bei diesem Verfahren (das weitestgehend unausweichlich ist) spielt die individuelle geschmackliche Grundlage kaum eine Rolle. Dabei kann es einen gewaltigen Unterschied machen, ob jemand aus einer Gastronomenfamilie stammt und schon als Kind in der Küche mitgeholfen hat, oder ob er frisch vom Gymnasium beschlossen hat, auch so ein toller Hipster-Starkoch zu werden wie XY. Und – auch individuell-physiologische Aspekte können eine Rolle spielen, also ob jemand eher hypersensibel oder hyposensibel schmeckt, sehr fein und differenziert schmeckt oder eben so, dass er sehr viel Würze braucht, um überhaupt etwas wahrzunehmen und gut zu finden. Kurz und gut: die Köche sind verschieden und bleiben dies auch zu einem großen Teil, selbst wenn sie die gleiche Ausbildung durchlaufen haben.

Wenn sie dann für eine Küche verantwortlich sind, würde es der kulinarischen Logik entsprechen, die eigenen Grundlagen und auch die Umgebung einzubeziehen und zu reflektieren, sich also etwa mit den Produkten zu beschäftigen, die sie sozusagen „unter Kontrolle haben“ und sich nicht wahllos aus dem Topf der internationalen Warenströme zu bedienen. Es würde zudem Sinn machen, die regionalen Traditionen zu bewahren, oder ihre Rezepte zu optimieren, zum Beispiel um eine Nähe zu den potentiellen Kunden herzustellen oder für Reisende attraktiv zu werden, weil man regional Spezifisches anbietet, das es so nur hier geben kann.

YES PLEASE.

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Andere hatten auch Sturm. Der schottische Fischer John A Buchan filmt von seinem Schiff aus mal aus Perspektive des Boots mit schwankendem Horizont, zum Vergleich mit fixem Horizont. (Grund 5567, das Internet und Twitter zu lieben.)

die Kaltmamsell

3 Kommentare zu „Journal Sonntag, 30. Januar 2022 – Wintersturm“

  1. Sabine meint:

    Das Fischerboot, unfassbar. Er postet ja auch Bilder des Fangs, dass der danach nicht Fischbrei ist, wundert mich. Und dann denke ich an die Boote, in denen die Wikinger in einer Tour über die Nordsee aka Mordsee gesegelt sind. Wie? Wurden die je im Leben wieder trocken.

  2. Regina meint:

    “Was allerdings wirklich Respekt verdient: Das neben den Demos liegende Corona-Impf- und -Testgelände wurde bisland nie angegriffen.”

    NEIN, das verdient keinen Respekt, das ist eine Selbstverständlichkeit.
    Es muss in einer Demokratie selbstverständlich sein, dass Demonstrationen friedlich sind und niemanden und nichts angreifen. Angriffe sind kriminell.
    (Ich lasse die Bemerkung ‘wären das linke Demos …’ mal weg)

  3. Frau Irgendwas ist immer meint:

    Karriereziel: die Frau ohne Unterleib! *high five sister*
    Halten Sie durch, es wird besser! Ich hatte diese Kariereziel viele Jahre regelmäßig (blödes Wortspiel, ich weiß), jetzt ist alles gut!

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