Bisschen zerstückelte Nacht, doch dadurch sah ich bei einem Aufwachen das Licht des Vollmonds, das mein Schlafzimmer erleuchtete.
Arbeitsweg in hochnebligem Morgen, der Tag blieb bedeckt – doch das bekam ich eh nicht wirklich mit. Halt: Als ich nachmittags meine Cappuccino-Tasse in die Cafeteria zurück brachte, schien ein wenig die Sonne und lockte mich zu einer Außenrunde im Innenhof (aka Hofgang).
Im Büro erst mal alles Neue weggeschaufelt, um bereit zu sein für alles Unvorhersehbare. Tatsächlich war ich dann aber hauptsächlich mit einem neuen System beschäftigt, auf das ich endlich genug Zugriff für gründliches Ausprobieren hatte. Ich fand ganz viel heraus, was ich falsch machen konnte.
Mittags gab es Linsen vom Vorabend, Orangen und Granatapfelkerne.
Zum Glück hinderte mich eine Abendessensverabredung daran, den Arbeitstag zu lang werden zu lassen: Ich traf mich in der Brasserie Colette im Glockenbachviertel. Ein angenehmer Ort (sorgfältige 2G-Prüfung), warmer und aufmerksamer Service, überdurchschnittlich schmackhaftes Essen.
Meine Artischocke war gut, die beiden Dips neben der Crème fraîche aber wirklich außergewöhnlich gut: Die Petersilien-Vinaigrette mit einer Zitrusfrucht aromatisiert, die mir neu war (Yuzu?), die scharfe Majonese raffiniert. Gegenüber gab es Rindertartar und Karottensalat, die beide glücklich machten.
Als Hauptgericht hatte ich Wildente mit einer Bete-Tarte-Tatin (beides sehr gut), gegenüber gab es Zander und Steak frites. Dazu hatte ich ein Glas Côtes du Rhône bestellt, der mir ebenfalls sehr gut schmeckte.
Die Schwestern, die mir gegenüber saßen, waren eine wunderbare Gesellschaft und schufen mit ihren Geschichten aus gemeinsamer Vergangenheit sowie über aktuellen Alltag genau den anregenden Abend, den ich nach dem reichlich angespannten Arbeitstag nötig hatte. Erst jetzt beim Schreiben fällt mir auf, wie selten ich nach Kindheit und Jugend Geschwister zusammen erlebe.
Zeitiger Heimweg, es folgen ja noch zwei Arbeitstage.
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Merlix (bitte lass mich hin und wieder weiter “Merlix” denken) fasst die gesellschaftliche Stimmungslage zusammen – allerdings ist bei mir viele leidenschaftliche Meinung bereits in Resignation gekippt:
Wir haben eine Phase der Pandemie erreicht, in der fast alle Menschen in dieser Gesellschaft durch etwas verärgert oder enttäuscht, vielleicht sogar verbittert sind. Weil sie einzelne oder viele Maßnahmen des Staates unsinnig oder falsch finden, weil sie das Verhalten ihrer Mitmenschen abwegig oder irrsinnig finden, weil sie irgendwelche Regeln, Einschränkungen, Verbote oder Förderungen gerne etwas anders hätten oder nicht mehr nachvollziehen können oder wollen, was warum entschieden wurde. Es scheint keine zufriedenen Menschen mehr zu geben, in keinem Lager, in keiner Gruppierung. Dem mittlerweile schier undurchdringlichen Dickicht der vielfältigen Regeln und Vorgaben steht ein ebenso wirres Dickicht an Meinungen und Vermutungen gegenüber. Es ist eine verfahrene Situation. Im Bekanntenkreis regen sich alle über irgendetwas auf, im Kolleginnenkreis auch, in den sozialen Medien sowieso, in den Nachrichten, in den Talkshows und im Radio – überall wird geschimpft, gezweifelt, gestritten, und wem will man es verwehren, es gibt doch Gründe genug und auch Gründe für alle.
Doch dann geht der schöne Text ganz anders weiter.
“So gehört das, so muss das sein.”
Das Bedürfnis, endlich mal etwas gut zu finden, kenne ich sehr gut. Herr Buddenbohm hat zum Glück einen Spielplatzprüfer bei seiner Arbeit beobachtet und berichtet – ich schließe mich der umfassenden Gutfindung an.
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Gutfindung: Eine Biologin findet heraus, wie es zu ihrem Besuch der Insektensammlung an der Universität Berkley im Alter von vier Jahren kam.
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Mehr Gutfindung (Sie brauchen es doch auch):
“Mehr als 100 Millionäre fordern Vermögenssteuer für Superreiche”.
Zu den Unterzeichnenden gehört auch BASF-Erbin Marlene Engelhorn. Ende Dezember war sie Interview-Partnerin der SZ-Serie “Reden wir über Geld” (€):
“‘In meiner Familie redet man nicht über Geld, man hat es'”.
Vier von fünf Menschen, die heute über ein großes Vermögen verfügen, haben es durch eine Erbschaft erhalten. Das hat mit Leistung doch nichts zu tun. Es ist nicht in Ordnung, Geld zu horten und darauf zu hocken. Ungleichheit gefährdet die Demokratie, und auf die haben wir uns eigentlich geeinigt, und nicht darauf, dass einige wenige die Macht, die mit großen Vermögen einhergeht, bündeln und nutzen, obwohl sie kein Mandat haben.
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Na ja, Ihre Vorfahren haben wahrscheinlich viel geleistet und tolle Dinge erfunden und sind damit reich geworden. Das ist doch verdient.
Nein, es gibt doch weltweit keine wahre Geschichte eines Selfmade-Mannes oder einer Selfmade-Frau. Erfinder und Erfinderinnen sind nie allein, ohne Austausch kommt man auf nichts. Dann braucht es ein Rechtssystem, das die Existenz der Firma sichert, eine Infrastruktur, gut ausgebildete Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und so weiter. Das alles wird von der Allgemeinheit und durch Steuern finanziert. Die Gesellschaft sorgt also dafür, dass es den Gründern oder Gründerinnen gut geht. Warum soll der gesamte Profit dann nur diesen zustehen? Keiner ist selfmade, auch nicht mein BASF-Vorfahre. Über seine Frau, die sich um die Familie gekümmert hat, redet übrigens keiner.
(…)
Sie wollen Ihr Erbe hergeben. Warum spenden Sie die Summe nicht einfach?
Der Versuch, Ungleichheit durch gönnerhaftes Charity-Wesen zu beseitigen, ist nur das Streicheln des eigenen Egos. Schauen Sie sich mal an, wer in diesen Stiftungen am Ende die Entscheidungen trifft. Sie werden da immer dieselben finden. Philanthropen und Philanthropinnen tun nicht immer Gutes, sondern sind in Zielkonflikten. Nehmen Sie Amazon-Gründer Jeff Bezos, der betreibt ein großes Klimaprojekt mit horrenden Summen. Amazon wiederum beutet die Umwelt und die Menschen strukturell aus. Das ist doch auch eine Hybris, die oft vorkommt: “Ich bin reich und ich weiß, was gut ist für die Welt.” Wenn dem so wäre, dann sähe die Welt wohl besser aus, tut sie aber nicht, obwohl eine kleine Gruppe Menschen sich das halbe Weltvermögen teilt. Wir können uns auf deren Wohlwollen und Kompetenz nicht verlassen, und gewählt hat sie auch niemand.
(…)
In Österreich gibt es keine Erbschaftsteuer. Wie wollen Sie also das Geld zum Staat bringen?
Ich werde eine Zeit lange allen auf die Nerven gehen mit meiner Forderung: Besteuert mich endlich (lacht). Nehmen Sie das Modell zur Wiedereinführung einer Vermögensteuer, das die SPD im Wahlkampf in Deutschland vorgeschlagen hat. Diese hätte nur 21.000 Menschen getroffen, eine Minderheit übrigens, die keiner schützen muss, die Steuer kann aus den Kapitalerträgen gezahlt werden. Diese Menschen würden also trotzdem immer noch reicher – Jahr für Jahr -, nur ein bisserl weniger schnell eben.