Archiv für Februar 2022

Journal Montag, 7. Februar 2022 – Die Tage werden länger

Dienstag, 8. Februar 2022

Froh über eine ordentliche Nacht mit nur zweimal Aufwachen.

Der Sturm hatte sich zu kräftigem Wind gelegt, ich fürchtete mich nicht, das Haus zu verlassen. Geriet aber auf dem Weg in die Arbeit in einen griesligen Schneeschauer.

Zackiger Arbeitsvormittag inklusive Besprechungen und Infoveranstaltung.

Mittags Krautfleckerl vom Vorabend und Mango.

Nachmittags ordentlich was weggeschafft.

Als ich um halb sechs Feierabend machte, war es draußen noch nicht dunkel, so schön! Beim Kreuzen der Theresienwiese drehte ich mich immer wieder, das Abendlicht und die Abendwolken sahen wundervoll aus.

Daheim erst mal die verhasste Maniküre hinter mich gebracht, dann gab es zur Belohnung eine Runde Yoga, Wiederholung der interessanten Folge vom Freitag.

Zum Nachtmahl hatte Herr Kaltmamsell zwei nachgereifte Avocados zu Guacamole verarbeitet (jetzt ist eine ganze Reihe aus der Crowdfarming-Kiste gleichzeitig essreif, die Brotzeiten der nächsten Tage stehen fest), dazu gab es Gurke und rote Paprika, außerdem sorgte er für etwas Warmes und hatte einen italienischen Kichererbsenfladen torta di ceci gebacken, dazu ein rohes Koriander-Zwiebel-Tomaten-Sößchen gehackt – wundervolles Abendessen.

Im Internet gelesen und geplaudert, früh ins Bett zum Lesen.

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Wirklich interessante Sportwettkämpfe: Die niederländische Meisterschaft im Gegenwindradeln.

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Bloggen ist, wenn ich gezählte 7.711 Zeichen über Handballspiele lese, obwohl mich weder Zugucksport allgemein noch Handball speziell interessieren. Herzbruch schreibt über:
“The Good Fight”.

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Der Film, den Maximilan Buddenbohm sich da wünscht, den möchte ich bitte auch sehen.
Denn allein schon seine Beschreibung des existierenden Meine Mutter, der Krieg und ich bringt mir die Geschichte meiner polnischen Oma, die als Zwangsarbeiterin im Krieg nach Deutschland verschleppt wurde, so nahe, dass alles in mir wild abwehrwedelt.

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Und weil grad Zeit ist: Ein Klassiker (hat tip zu den anderen Beastie-Boys-Fans in der Familie) neu aufgelegt.

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https://youtu.be/FkdqR4WKvuU

Journal Sonntag, 6. Februar 2022 – Gemütlicher Sonntag mit Isarlauf und Nudelmachen

Montag, 7. Februar 2022

GUT! geschlafen, mit nur zweimal Aufwachen und bis sieben, das war mal wieder nötig.

Ich genoss wieder den Aufwachblick durchs Fenster auf sehr viel Himmel, von dem mich ein Stern anfunkelte, und wie schon an den vergangenen Morgen spielte mein Hirn “Good morning starshine” aus dem Musical Hair dazu ab.

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https://youtu.be/t3XewsVnx9E

Mit Morgenkaffee und Bloggen war ich bald fertig, noch vor zehn verließ ich das Haus zu einer Laufrunde. Ich wurde mit Isarauen belohnt, die noch nicht komplett zugevölkert waren (hauptsächlich Hundegassimenschen und andere Joggerinnen und Jogger unterwegs). Es ging ein scharfer Wind, aber immer wieder schien die Sonne – Sonnenbrille war die richtige Entscheidung gewesen.

Am Westermühlbach sah ich die ersten Winterlinge des Jahres – und Rattenfallen, man soll als Naturfotografien ja nicht idyllisieren, nicht wahr.

Blick von der Wittelsbacherbrücke Richtung verschwindendes Heizkraftwerk.

Großhesseloher Brücke.

Blick von dieser Brücke nach Norden und Süden.

Mein Laufschatten. Das Joggen selbst ging problemlos, weder Hüfte (die Beleidigung von vor einer Woche war vorbei) noch Waden zickten.

Im U-Bahnhof Thalkirchen hatte ich beim vorherigen Lauf einen Foto-Automaten entdeckt, den wollte ich ausprobieren und hatte passende Münzen eingesteckt: Vielleicht würde der ja im Gegensatz zu allen vorherigen Exemplaren der vergangenen beiden Jahre nicht überbelichten. Die Vorschau auf dem Bildschirm im Automaten machte mir wenig Hoffnung, umso positiver überrascht war ich vom Ausdruck: Nicht überbelichtet, diesen Automaten werde ich mir für meine Serie merken.

In der Verkaufsstelle der Bäckerei Zöttl holte ich noch Frühstückssemmeln.

Daheim duschte ich, dann gab es sogar noch vor eins Frühstück: Semmeln sowie Blutorangen mit Joghurt, eine große Tasse Tee. Ein wenig Internetlesen, dann packte mich Siesta-Müdigkeit; ich legte mich ein wenig hin.

Nachmittags wurde es nochmal richtig stürmisch, die kahlen Bäume vorm Fenster bogen sich, die Fenster knarzten, es pfiff um die Häuserecken.

Ich bügelte das wenige Angesammelte der vergangenen Wochen mit Musik auf den Ohren, auch der Zugang zu Spotify war beim Überspielen der Daten aufs neue Smartphone mitgenommen worden.

Fürs Abendessen war ich zuständig: Das Weißkraut aus Ernteanteil wurde zu Krautfleckerln aus Österreich vegetarisch (6. Auflage schon!). Für die Nudeln verwendete ich zur Hälfte Hartweizenmehl – sie wurden ganz besonders gut. De facto war das Nachtmahl dann doch ein Gemeinschaftswerk: An der Nudelmaschine für die Teigplatten sind vier Hände einfach praktischer als nur zwei. Zum Nachtisch gab es den restlichen Flan und Schokolade.

Der Sturm warf den Regen gegen die Scheiben, als ich die Wohnung putzmannfertig räumte. Lesen im Bett.

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Katharina Seiser tritt auf instagram gerade eine Linsen-Kochaktion los (NIE KRIEGE ICH LINSEN!) und hat in ihrer ORF-Esskolumne schon mal Rundum-Info zum Linsenkochen zusammengetragen (nur bis Freitag online):
“Die Macht der Linsen.”

Journal Samstag, 5. Februar 2022 – #WMDEDGT mit Backen

Sonntag, 6. Februar 2022

Am 5. des Monats will Frau Brüllen wissen: Was machst du eigentlich den ganzen Tag? – #WMDEDGT. Dadurch entsteht jedesmal eine Sammlung Tagebucheinträge aus unterschiedlichen Lebenswelten, die sicher irgendwann kultur- und gesellschaftshistorisch interessant werden.

Start war bei mir eine beschissene Nacht mit einmal alles: Glutattacken, Unterschenkelkrämpfe verschiedener Art, PENG!-Aufwachen – ich bekam kaum eine Stunde Schlaf am Stück zusammen. Zum Glück schlief ich um sechs nochmal ein und tief bis halb acht. Schöne Entdeckung: Um diese Zeit war es fast schon hell, nur wenige Wolken am Himmel.

Bloggen an Morgenkaffee. Das dauerte eine Weile, weil das neue Smartphone auch Software-Updates auf meinem Laptop nach sich zog: Ich musste mit dem neuen Dateiformat .HEIC der Bilder umgehen lernen. (Und herausfinden, wie ich die Funktion am Handy ausschaltete, mit der es bei jedem Hochheben automatisch entsperrte.)

Plan war Schwimmen im Dantebad, doch vorher kochte ich Flan als Nachtisch fürs Abendessen, nur mit Milch, darin drei Eigelb und zwei ganze Eier, aromatisiert mit Tonkabohne. Der Flan war allerdings nur die Folge meine Plans, Mandel-Orangen-Kekse Acetani zu backen, das Rezept verursacht überzählige Eigelbe (Seltenheit).

Herr Kaltmamsell kam vom Joggen zurück mit den Hinweis, es sei kälter, als es aussehe. Als ich kurz zum Radaufpumpen rausging, stellte ich fest: Recht hatte er. Also radelte ich in der Sonne mit dicker Mütze und dicken Fäustlingen raus zum Dantebad.

Davor stand wieder eine Schlange an, diesmal aber nicht wegen Begrenzung der Menschenzahl drinnen, sondern lediglich, weil die Abwicklung an der Kasse inklusive Check Impfstatus länger dauerte. Das sonnige Schwimmbecken war gut besetzt, was bei Rücksicht und Wohlwollen aller funktionieren kann. Gestern waren allerdings viele unkooperative Kampfschwimmer dabei, die schubsten und am Beckenrand auch mal zu mehreren gleichzeitig überholten – da pressierte es einigen offensichtlich sehr, manch andere mussten sich aufregen. Ich genoss dennoch den Sonnenschein (litt allerdings ein wenig unter dessen schrägem Winterwinkel, das nächste Mal greife ich lieber zu meiner alten abgeschraddelten Schwimmbrille mit dunklen Gläsern) und sah mich halt bei jeder Wende vorsichtig um. Zusätzliche Unbillen: Die Kampfschwimmer verursachten heftigen Wellengang, ich schluckte viel Wasser; und auf den letzten 500 Metern setzten Waden und Zehen immer wieder zu Krämpfen an, zum Glück konnte ich gegenarbeiten. Insgesamt aber alles andere als das selbstvergessene Spazierenschwimmen, das ich so liebe.

Beim Heimradeln hielt ich am Edeka beim Stiglmayrplatz zum Semmelholen und für ein paar Lebensmitteleinkäufe. Zu Hause nutzte ich erst mal die Nasendusche zur Chlorschnupfen-Prävention.

Zum Frühstück um halb drei gab es Semmeln mit Butter und Marmelade/Honig und eine große Tasse Tee.

Jetzt endlich machte ich den Teig für die Acetani. Während er kühlte, legte ich mich ein wenig hin und schlief ein halbes Stündchen, ich war elend müde.

Das Backen war dann einfach – nur dass ich versäumt hatte, den Puderzuckerbestand zu überprüfen und ein paar Exemplare nackig backen musste.

Nach dem Abkühlen stellte sich heraus: Sie schmeckten extrem gut, umgehend ein neues Lieblingsrezept.

Während ich das Betriebssystem meines Laptops auf Big Sur 11.6.3 aktualisierte (ich folge brav jeder Aktualisierungsaufforderung, allein schon aus Sicherheitsgründen) las ich die Wochenend-SZ (ging diesmal schnell, viele der Themen interessierten mich nicht), bis es Zeit fürs Abendessen war. Es gab die restlichen Ochsenbackerl von Freitagabend mit Nudeln, ich verarbeitete dazu den kleinen Ernteanteil-Chinakohl mit Joghurtdressing und Kresse zu Salat. Rotwein war auch noch für jeden ein Glas da. Nachtisch Flan, der endlich mal genau die kleinen Bläschen aufwies, die ich sonst nie hinbekomme – allerdings kann ich nicht sagen, woran das lag.

Im Fernsehen ließen wir The English Patient von 1996 auf Servus TV laufen – meine Güte, war Ralph Fiennes mal jung. Ich schaffte nur die Hälfte des Films bis Bettschwere, aber genug, um mich daran zu erinnern, wie groß die Unterschiede zur Romanvorlage von Michael Ondaatje sind. Anthony Minghella hat aus Ondaatjes vielschichtigem und erzähltechnisch brillantem Meisterwerk klassischen Hollywood-Bild- und Gefühlsbarock gemacht. Damit möchte ich keine Wertung verbunden sehen, Film und Buch sind zwei ganz unterschiedliche Medien; doch umso mehr empfehle ich den Roman.

Im Bett las ich noch Granta 157, Should we have stayed at home? New travel writing.

Journal Freitag, 4. Februar 2022 – Wochenendstart mit neuem Smartphone

Samstag, 5. Februar 2022

Nachts nur zweimal aufgewacht – das fühlte sich fast so erholsam an wie Durchschlafen!

Geisterwarter am Heimeranplatz.

Auf dem Fußweg in die Arbeit hatte ich Ideen zu einem Arbeitsprojekt, für das ich gar nicht zuständig bin. Bis ich meinen ersten Bürotee gekocht und vor mir stehen hatte, war daraus in meinem Kopf ein ausformuliertes Grobkonzept geworden. Das ich halt dann doch dem Zuständigen aufdrängte.

Große Teile des Bürovormittags verbrachte ich wartend, während mein Rechner mit sich selbst und zahllosen Updates bschäftigt war. Wie schon am Mittwochvormittag.

Mittags gab es Birchermuesli mit Joghurt und reichlich vorgeschnittene Blutorangen (jetzt ist meine liebste Orangenzeit).

Der Tag wurde sonnig, auf der Baustelle am Heimeranplatz tat sich Aufregendes.

Fast hätte ich den Arbeitstag entspannt abgeschlossen, aber genau zum eigentlich geplanten Feierabend kam noch etwas Nerviges rein.

Nach Feierabend ein bisschen Einkäufe, ich hörte unterwegs wieder einiges Amselgeflöt – der Amslerich direkt vor unserem Haus war anscheinend Techno-Fan.

Daheim wie geplant: Inbetriebnahme des neuen Smartphones. Das lief reibungslos von iphone zu iphone; ich hatte das Vorgehen vorher recherchiert und wusste bereits, dass zum Beispiel die Daten der Corona-Warn-App nicht übernommen würden. Ich las sie erneut von meinem Impf-Zertifikat ein.

Während die Daten vom alten aufs neue Telefon übertragen wurden, machte ich meine Yoga-Einheit: Folge 13 von Adrienes “Move” stellte sich als ziemlich anspruchsvoll heraus, auch die werde ich wiederholen. Das diesjährige 30-Tage-Programm ist eher sportlich, außerdem nichts für Anfängerinnen.

Zum Aperitiv hatte ich Sekt-Piccolos besorgt: Ich hatte Lust auf Sekt, wollte aber keine ganze Flasche. Mit Herrn Kaltmamsell stieß ich aufs Wochenende an, packte den gestern gelieferten Flur-Kelim aus und spielte mit der Foto-Funktion des neuen Smarthones – nach fast fünf Jahren mit dem alten Smartphone, das ja eine Art Heimat war, ist das neue durchaus aufregend.

Der alte Teetisch links und der Sessel kommen weg / werden noch ersetzt.

Zum Nachtmahl gab es auf meinen Wunsch nochmal Backerl.

Sie schmeckten hervorragend (der Côtes du Rhône, den ich blind dazu gekauft hatte, war mir allerdings zu fruchtig). Zum Nachtisch gab es von Frau Schwieger gekochtes Birnenkompott aus Früchten aus Schwagers Garten mit Schokoladensauce.

Die Corona-Lage: Jeden Tag vermeldet das RKI eine neue Rekord-Inzidenz, gestern lag sie bei 1350, ein Rekord waren auch die 248.838 neuen Infektionen, der Anteil an positiven PCR-Tests liegt über 30 Prozent. Die Omikron-Mutation frisst sich durch die Bevölkerung, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie bei uns landet. Zumindest ist für uns Geimpfte/Geboosterte die Wahrscheinlichkeit eines nicht zu belastenden Verlaufs hoch.

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Vermissen Sie schon die Schwalben? Die vermissen Sie sicher genauso.

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Foto-Essay auf der Guardian-Website: Eisbären ziehen in eine verlassende Polarstation auf der russischen Insel Kolyuchin, aufgenommen mit einer Drohne, die die Tiere nicht so störte wie ein Mensch.
“Polar bears move into abandoned Arctic weather station – photo essay”.

Journal Donnerstag, 3. Februar 2022 – Morgenbegegnungen mit den Orange People

Freitag, 4. Februar 2022

Zerhackte Nacht, aber ich litt nicht sehr.

Straßen und Wege immer noch nass, aber es war nicht zu kalt.

Auf dem Weg in die Arbeit begegnete ich wieder den Orange People, den Herren in Orange von der Straßenreinigung in ihren und um ihre winzigen Besenwägelchen, diesmal fing ich mir aus einem im Vorbeifahren ein Lächeln vom Beifahrersitz des Besenwagerls (da passen sogar zwei Männer rein!). Ich begegne morgens gerne dieser Männerkameradschaft. Wenn mehrere Autochen in Leuchtorange zusammenstehen, hat das was von Herde am Wasserloch, die Männer stehen dazwischen und unterhalten sich in fremden Sprachen meist ruhig, manchmal aber auch im Tonfall heftiger Diskussionen; die Atmosphäre erscheint mir immer positiv. Wenn sie mich bemerken, grüße ich natürlich freundlich. (Aber glauben Sie mir mal besser kein Wort, im Lesen des Raumes bin ich schwere Legasthenikerin).

Im Büro wieder viele Info-Veranstaltungen, am Wassersprudler mit den wenigen Präsenzkolleg*innen Einordnung derselben, Jagd nach Erkenntnissen. Insgesamt ruhiger Arbeitsvormittag.

Zu Mittag gab es auf dem Arbeitsweg gekauftes Laugenzöpferl, ein Stück Käse und ein paar Essiggurken.

Nach der Arbeit war es draußen fast mild, ich hatte ein ganz klein wenig Winterabschied in der Nase. Heimweg über Einkäufe beim Vollcorner.

Daheim mahlte ich die am Wochenende blanchierten andalusischen Mandeln mit der Mikroreibe ganz fein, nächstes Wochenende wird damit gebacken.

Nochmal die Yoga-Runde vom Mittwoch, diesmal mit größerem Genuss, weil ich ja wusste, was kommen würde, und mich auf Details wie Gleichgewichthalten konzentrieren konnte.

Fürs Abendessen wusch ich den frisch geholten Ernteanteil-Feldsalat dreimal (gibt’s in unserer Spielberger Gärtnerei überhaupt noch genug Erde?) und machte ihn mit Kürbiskernöl-Dressing an, außerdem gab es den Rest Gemüsesuppe. Satt wurden wird davon natürlich nicht, zum Glück gab es sehr viele Süßigkeiten.

Übrigens: Wenn Sie das Kartoffelkombinat mal ausprobieren möchten – derzeit können wir wieder neue Mitglieder aufnehmen, Sie können sich für eine Testphase anmelden.

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novemberregen stellte am Mittwoch an sich Erschreckendes fest.

Während ich damit beschäftigt war, überfordert zu sein und mir Sorgen zu machen, hat sich ein Teil meines Kopfes selbstständig gemacht.

Die Schilderung erheitert mich, denn diese Stimme kenne ich auch, aber sie ist nur eine von den vielen, die in meinem Hirn aus praktisch jeder Entscheidung und Handlung einen hochkomplexem Prozess machen. Was mich davor bewahrt, eine Neurotikerin von Woody-Allen’schen Ausmaßen zu werden, ist meine gleichzeitig sehr starke Impulsivität. Die allerdings unterm Strich dazu führt, dass die vielen Stimmen impulsive Entscheidungen und Handlungen in Nachhinein umherwälzen und durchleuchten, Resultat ist meist Peinlichkeit und Scham. Vielleicht habe ich damit erklärt, warum ich so ungern existiere, warum es bis zum Lebensüberdruss anstrengend ist, ich zu sein?

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Hass im Internet, den man spezifisch als Frau abbekommen kann: Hier ein weiterer Artikel einer Betroffenen dazu, in diesem versucht Aubrey Hirsch das alles lustig zu finden – jede geht halt mir der konstanten existenziellen Bedrohung anders um.
“That’s How It Works When You’re a Woman on the Internet”.

Sometimes my boyfriend will say, “I know you’re used to this, but it isn’t even remotely ok that anyone is subjected to this kind of treatment.”

It’s actually helpful every time he says it. I don’t think anyone is fully immune to the brainwashing powers of the internet, even, or especially, people who are frequent targets. It becomes so easy to see this stuff as inevitable, or to not see it at all. You show it to your boyfriend, laughing, and he looks at you like you’ve grown three heads. “That’s really disturbing,” he says.

(Sollte Ihr Impuls sein “soll sie sich halt nicht öffentlich äußern, dann hätte sie ihre Ruhe”, sind Sie dem Ziel der Hasser, Niederbrüller und Beleidiger auf den Leim gegangen: Diese Frauen zum Verstummen zu bringen.)

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Auch wenn ich keine Fernsehserien gucke, interessieren mich Erzählstruktur und Erzähltechniken in jedem Medium – auch in Fernsehserien. Isabella Caldart untersucht:
“Ein Davor, ein Danach – Die Pandemie in Fernsehserien”.

via @alexmatzkeit

Für die Fiktion stellt die Pandemie eine klare Zäsur dar. Bisher war es möglich, das Jahr beziehungsweise die Epoche einer Serie, eines Films oder eines Romans eher vage zu halten und dadurch eine Form der Gegenwärtigkeit zu vermitteln. Fiktionale Werke, die größere gesellschaftliche Ereignisse oder Namen von etwa Politiker*innen nicht oder höchstens am Rande in ihre Handlung einbauten, hatten diese gewisse Zeitlosigkeit, bei der allein durch weniger relevante Faktoren wie Smartphone-Modelle oder Mode konkrete Jahre festzustellen waren. Ob (im US-Kontext) eine Serie nun 2010, 2015 oder 2019 spielte, machte keinen großen Unterschied. Es war immer ein diffuses „Jetzt“.

Seit Corona geht das nicht mehr. Die Pandemie unterteilt die Serien- und Filmwelt in ein eindeutiges Davor und Danach. In unserer Realität ist es auf die nächsten Jahre kaum denkbar, in geschlossenen Räumen mit großen Menschenmengen (wie etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln) keine einzige Maske zu sehen. Als Zuschauer*innen wissen wir natürlich, dass Serien und Filme fiktional sind – trotzdem lassen wir uns bei jenen Werken, die nicht in einer Fantasiewelt angesiedelt sind, bewusst auf die Illusion ein, sie würden eine Teilrealität abbilden, eine Art unausgesprochener Vertrag, den Produzent*innen und Konsument*innen miteinander eingehen. Diese Illusion wird jetzt durch die Hintergrundbilder in Szenen aber aufgehoben. Fehlende Masken sind deutliche Fiktionsmarker, die uns signalisieren: Diese Serie, dieser Film ist unrealistisch oder aber spielt vor dem Jahr 2020.

Das stellt vor allem die Drehbuch-Teams lange laufender Fernsehserien vor Probleme und Entscheidungen. Isabella Caldart sieht sie sich an.

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Relief-Karte von Deutschland.

Journal Mittwoch, 2. Februar 2022 – Keri Hulme, Autorin von The Bone People, Ende 2021 gestorben

Donnerstag, 3. Februar 2022

Beim morgendlichen Reinigen zerbrach meine Knirsch-Schiene. Na ja, ich nutze sie schon viele Jahre allnächtlich, andere zerknirschen eine pro Jahr. Und mein Jahrestermin bei der Zahnärztin steht eh an.

Draußen war’s nass, und als ich das Haus Richtung Arbeit verließ, setzte Regen ein. Ich kehrte um und nahm einen Schirm mit – was sich als nützliche Entscheidung erwies, denn der windige Regen wurde auf dem Weg immer stärker.

Eigentlich sprach alles für die Aussicht auf einen geordneten Arbeitstag. Der sich halt nicht einstellen konnte wegen neuem IT-System.
(Symboldialog: “Brauche Berechtigung für Vorgang X, bitte erteilen.”
“Nein, Sie brauchen die Berechtigung nicht, Vorgang X unnötig.”
“Hier offizielle Anleitung, in der steht, dass ohne Vorgang X Gesamtprozess A nicht möglich.”
“Vorgang X gehört gar nicht zu Gesamtprozess A”. Etc. pp.)
Verdacht, dass die Dezentralisierung des Personals durch pandemische Homeoffice-Anweisung Mob-Bildung verhindert.

Mittags ein wenig Brot, eine Orange, Hüttenkäse.

Die Arbeit beruhigte sich am Nachmittag. Auf dem Heimweg machte ich einen Abstecher zu Aldi und kaufte große Mengen Süßigkeiten, die ich noch nicht kannte (plus ein paar Posten von der Einkaufsliste).

Zu Hause eine neue Runde Yoga, wieder besonders spannend mit ungewohnten Bewegungsabläufen und Haltungen; auch diese möchte ich wiederholen.

Zum Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell Suppe aus Restgemüse und Gemüseresten (warm und gut), dazu Weißbrot, danach viele Süßigkeiten.

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Den Titel des Nachrufs hatte ich in englischsprachigen Medien aus dem Augenwinkel gesehen, doch den Namen Keri Hulme nicht gleich mit der Autorin eines der Meilensteine meiner Lese-Biografie in Verbindung gebracht: The Bone People, hier besprochen. Am 27. Dezember war Keri Hulme mit 74 Jahren in ihrer Heimat Neuseeland gestorben, die deutsche Presse hatte das wohl nicht vermeldet.

Auf der Booker Prize-Website (Hulme gewann den Preis 1985 als erste für ein Roman-Debut) eine ausführliche Würdigung von Buch und Autorin, mit vielen Details zu ihrem Werdegang, der Jury-Diskussion um die Preisvergabe und die Verleihung selbst (Hulme konnte nicht selbst teilnehmen, weil sie an dem Abend in Salt Lake City unterrichtete, den Preis nahmen ihre Verlegerinnen entgegen):
“How Keri Hulme’s The Bone People changed the way we read now”.

Sarah Shaffi looks back at the outsider who broke through the British establishment, and who forged a new literary lineage from Maori mythology and European tradition.

“Disturbing”, also verstörend, ist auch das erste Wort, das mir zur Beschreibung der Lektüre einfällt – doch anders als für die damalige Booker Prize-Jury hat das für mich noch nie gegen die literarische Qualität eines Romans (oder Films) gesprochen.

Keri Hulme wollte schon als Kind Künstlerin werden, schrieb und malte, lebte zuletzt in einem Haus, das sie selbst gebaut hatte, und verbrachte ihre Zeit, wie sie es sich von Kinderzeiten an gewünscht hatte: Mit Schreiben und Malen, Strandspaziergängen und Fischen.

The Bone People blieb ihr einziger Roman. Der lange keinen Verlag fand und dann vom feministischen Kollektiv Spiral praktisch von Hand veröffentlicht wurde, hier erinnert sich eine der Verlegerinnen, Marian Evans, ausführlich: “Keri Hulme’s ‘the bone people'”. Interessant sind für mich darin die vielen Details des Lektoratsprozesses (die veröffentlichte Version entspricht fast ganz dem Manuskript, an dem Hulme zwölf Jahre lang gearbeitet hatte), der Finanzierung, Produktion (die Titelillustration der Erstausgabe stammt von Keri Hulme selbst), Vermarktung. Evans erklärt sich den Erfolg des Romans so:

I think that its compassion for deeply damaged people is important; it gives space for readers to reflect on the pain in their own lives, including the pain they’ve caused, and to imagine what might bring healing.

Kommt gleich mal zu den Wiederlesen-Büchern.

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Geschwisterliebe, so schön! Ethan Coen bespricht das erste Einzel-Filmprojekt seines Bruders Joel Coen.
“Joel Coen’s ‘The Tragedy of Macbeth’, Reviewed by Ethan Coen”.

via @DonnerBella

In the interest of full disclosure, my editor has requested that I mention that I was Mr. Coen’s writing partner, producer, and creative collaborator on the aforementioned 18 films. I am also his brother. We parted ways prior to Macbeth in a split that the press described as completely amicable. Despite my prior association with Mr. Coen, I feel that I am entirely capable of reviewing his work in a fair and objective way.

Genau, geht klar.

The Tragedy of Macbeth is the work of a fraud and a narcissist, a man who deceives others to serve his own needs. These habits don’t emerge, fully formed, in adults; they can be found in childhood. Early childhood. For example: September 1963, when I happen to know that Mr. Coen borrowed a Lite Brite that a family member just gotten for his birthday, and then fucking broke it, and blamed it on the dog. And he didn’t even get in trouble for it!

(…)

In summary: Joel Coen’s The Tragedy of Macbeth is a bowl full of lizard jizz from history’s greatest sociopath. One wonders if a UN Resolution calling for the phrase “ART HOUSE HACK” to be forcibly tattooed on Mr. Coen’s forehead might be called for. Joel Coen has so thoroughly put his foot through this “piece of art” that it’s really more of a “piece of FART”, but this time, he can’t blame his fuckup on the dog.

Journal Dienstag, 1. Februar 2022 – Unaufgeregter Februarstart mit Wind

Mittwoch, 2. Februar 2022

Recht unruhige Nacht, ich müsste aber insgesamt zu genug Schlaf gekommen sein.

Den allmorgendlichen Bank- und Seitstütz ließ ich ausfallen, diese Muskulatur war am Vorabend gründlich durch-yogiiert worden.

Kurz nachdem ich in die Arbeit aufbrach, setzte dichtes Schneetreiben ein, ich erreichte das Bürogebäude in Weiß.

Den Tag über versuchte ich der klimakterischen Körpertemperatur-Achterfahrt Komik abzugewinnen, wenn halt nur Jacke an / Jacke aus / Fenster auf / Fenster zu / Heizung hoch / Heizung runter nicht so viel Aufmerksamkeits-Energie kosten würden.

In der Mittagspause verließ ich das Haus für einen schnellen Abstecher zur Apotheke. Zurück am Schreibtisch gab es Linsen mit Roter Bete vom Vorabend, Orange und Granatapfelkerne.

Ich konnte geregelt durcharbeiten, hin und wieder ließ ich Online-Schulungen oder Info-Runden, die mit meiner Arbeit zu tun hatten, nebenher laufen.

Draußen war es sehr windig und düster, hin und wieder wirbelten vereinzelte nasse Schneeflocken am Fenster vorbei. Den Heimweg erweiterte ich bis knapp vor den Marienplatz, wo ich mit Termin das bestellte Ladegerät fürs neue Smartphone abholte.

Zu Hause eine neue Folge Yoga, diesmal wurde hauptsächlich gedehnt (tat gestern sehr gut), aber auf interessante neue Weise. Die Hüftschmerzen beim Gehen werden weniger, es sind halt irgendwelche Muskeln beleidigt.

Das Abendessen wurde anders als geplant: In der gestern gelieferten Kiste Avocados war keine einzige essreif, die vorsorglich gekauften weiteren Zutaten für Guacamole wurden also Bestandteil einer mexikanischischen Tomatensauce mit verlorenen Eiern, dazu Weißbrot. Danach viel Süßigkeiten.

Wäsche gewaschen und aufgehängt.

Beim Eintragen der 2021-Blogposts bei VG Wort werde ich zu jedem gefragt: “Handelt es sich um ein Gedicht?” Nach vielem mechanischen “Nein”-Klicken fing ich irgendwann an zu grübeln: “Oder vielleicht doch?” Vielleicht kann man ja versehentlich Lyrik produzieren?