Journal Samstag, 5. März 2022 – #WMDEDGT mit Schrankaufbau und italienischem Restaurantessen
Sonntag, 6. März 2022 um 8:45Frau Haxenbruch-beim-Skifahren Brüllen sammelt auch an diesem Fünften des Monats Tagebucheinträge, die ihre Frage “Was machst du eigentlich den ganzen Tag?”, #WMDEDGT, beantworten. Hier, bitteschön.
Extra beschissene Nacht. Nach dem Aufwachen um zwei schlief ich nicht mehr ein. Nach einer Stunde gab ich auf, zog meine Schlumpfklamotten an, las im Wohnzimmer eine Stunde lang und fühlte mich ein wenig jämmerlich. Danach weitere Dämmer-Wach-Phasen, zum Glück war Wochenende und ich konnte nach halb sechs anderthalb Stunden am Stück schlafen. Dann erwachte ich zu einem wundervoll sonnigen Morgen.
Die Corona-Warn-App hatte auf Rot gewechselt: Für vergangenen Sonntag gab sie eine Risikobegegnung an, das war ein Tag mit Zugfahrten und Restaurantbesuch gewesen. Der Schnelltest war aber negativ, Symptome hatte ich ja auch keine.
Bloggen und Räumen: Meine Eltern hatten sich bereit erklärt, beim Schrankbauen zu helfen, endlich sollte im Wohnzimmer die Wand mit Bücherschränken komplettiert werden. Ich schlüpfte nach dem Duschen in Sportklamotten, um fürs Handwerkenhelfen möglichst beweglich zu sein. Pünktlich um zehn klingelte es, und dann wurde zusammengebaut, geschraubt, gesteckt, mein Vater sägte in die Rückwand eine Aussparung für Steckdosenzugang, in die Seitenwand einen Ausgang für die Kabel. Gleichzeitig fädelte meine Mutter Gardinenhaken in zwei umgenähte Stoffe, die anschließend zu Schals links und rechts vom Arbeitszimmerfenster wurden.
Weil er schon mal da war, guckte mein Vater sich auch den wackelnden Wasserhahn in der Küche an – und zog von unten mit einigen Verrenkungen eine Schraubenmutter an. Noch sind wir um kompletten Auseinanderbau zum Entkalken oder gar um Auswechseln herumgekommen. Ich hielt, reichte an, schraubte, steckte, wischte Staub, wusste Werkzeugbezeichnungen (kann ich mir deutlich einfacher merken als Wörter für Deko- und Einrichtungsdinge).
Gegen eins hatten wir alles abgeschlossen, ich war SO dankbar für die Unterstützung.
In leicht diesiger Sonne hollte ich Semmeln (definitv Plusgrade, aber eine Mütze brauchte ich doch), die ich zu einem Apfel und einer Avocado frühstückte. Der volle Bauch verschaffte mir die nötige Bettschwere für eine Siesta, ich holte eine Stunde tiefen Schlaf nach.
Es hatte sich Bügelwäsche angesammelt, ich schaffte sie weg mit Podcast auf den Ohren: Aus der Serie ÜberMerkel – Vertraute erzählen hörte ich die Folge mit der langjährigen journalistischen Merkel-Biografin Evelyn Roll, “Als ich sie das letzte Mal gesehen habe, kam sie mir vor wie eine verpanzerte Schildkröte”, und die mit Ursula von der Leyen, “Ich war davor, das Handtuch zu schmeißen”.
Ich gönnte mir wieder eine Folge Yoga, die allerdings bloß aus ein wenig Schnaufen und Dehnen bestand. Ansonsten werde ich an diesem Wochenende keine Gelegenheit für Sport haben. Aus den Yogaklamotten wechselte ich in Kleid und Strumpfhose, denn abends waren Herr Kaltmamsell und ich mit Freunden zum Essen verabredet, wir trafen uns bei deren Lieblingsitaliener Friulana. Der Abend brachte eine neue Bekanntschaft, Geschichten aus der zeitgenössischen Hotelerie, Berichte über sehr konkrete und handfeste Hilfe für Flüchtlinge aus der Ukraine, zwei interessante Weine (Muzic Collio Ribolla Gialla 2020 aus dem Friaul / ein kalabresischer Patros Pietro Azienda Vinicola Malaspina) – und sehr viel gutes Essen.
Deutlich nach Mitternacht spazierten wir durch immer noch beißende Kälte nach Hause.
§
Maximilian Buddenbohm ist ja ein freundlicher und im Ton eher zurückhaltender Blogger. Damit er laut wird, muss schon einiges zusammenkommen.
“Okay”.
Ich lese die Timelines und frage mich unfreundliche Fragen, ob bei denen da auf dem Bildschirm denn die Lampen nicht an sind oder was, so wie die auf einmal nahtlos auf Heldenverehrung umschalten und auf eine netflixmäßige Plotentwicklung lauern, es ist alles kurz vor Abenteuerfilm mit dem ukrainischen Präsidenten in der sympathischen Hauptrolle. Nichts gegen diesen Präsidenten, versteht sich. Aber wie sie alle Filmchen und Bilder aus dem Kriegsgebiet teilen, ungeprüft, unkommentiert, hau raus, es passt schon. Süße Szenen, grauenvolle Szenen, Tränendrücker und Späßchen, immer her damit, auch jede Eilmeldung gleich weiterflanken. Und für die eigenen Kinder fordern sie dann wieder vehement Medienerziehung und -kompetenz, das sollen die Schulen bitte mal richten.
Und dann das Männlichkeitsbild, das Frauenbild, das Kriegsbild, der allgemeine Rüstungstaumel, die starken Entscheidungen starker Männer. Die Wehrpflicht, wie alt sind meine Söhne, na, da fehlt ja nicht viel. Heute am Morgen irgendwo die Schlagzeile: „Lindner hat Großes mit der Bundeswehr vor“, und ich denke da gleich an Therapie, nicht zuerst an die Weltpolitik. Das macht mein Alter, Sie müssen das entschuldigen. Friedensbewegung und so, AKW nee und all das, wir haben das ja ernst gemeint damals, auch die Abkehr von den Heldenmythen, das Postheroische, give peace a chance. Wir haben Elternzeit genommen und fanden das richtig, die Care-Arbeit, die neuen Rollen, Mental-Load-Debatten, neue Männer braucht das Land, es stand vereinzelt an Wänden, erinnern Sie sich. All die Diskurse, und jetzt, zack, wir spulen mal eben ein Jahrhundert zurück, ich ziehe in den Krieg, du ziehst die Kinder groß.
die Kaltmamsell
3 Kommentare zu „Journal Samstag, 5. März 2022 – #WMDEDGT mit Schrankaufbau und italienischem Restaurantessen“
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6. März 2022 um 9:03
Ja, Herr Buddenbohm hat recht. Unsere Sozialisation verlief ähnlich.
6. März 2022 um 12:51
Danke für de Link von Maximilian Buddenbohm.
Ganz nebenbei hatte ich hier meinen ersten Verleser des Tages:
Ursula von der Leyen, “Ich war davor, das Handtuch zum schmeißen”.
7. März 2022 um 10:22
Aufrüsten für den Frieden, da hat’s mir auch gegraust.