Archiv für März 2022

Journal Donnerstag, 10. März 2022 – Yoga-Tempi

Freitag, 11. März 2022

Diesmal wieder eine zerhackte Nacht, wir sind ja hier nicht im Paradies.

Der Tag startete strahlend und sonnig. Ich genoss den Marsch in die Arbeit, auch wenn es weiterhin knackig frostig war.

Straffer Arbeitsrhythmus am Vormittag, ich gewann ein paar kleinere Kämpfe mit dem neuen IT-System.

Mittags gab es restliche Falaffel vom Vorabendessen, außerdem einen Kopf Radiccio frisch geschnippelt mit Balsamico-Dressing.

Die sonnige Wolkenlosigkeit hielt den ganzen Tag an. Bei aller Kälte und aller Frühlingssehnsucht ist mir sehr bewusst, wie lange es schon nicht mehr geregnet hat. Auch während der Stürme gabe es ja lediglich ein paar Duscher, der Boden braucht aber viele Tage sanften Landregen (meine landwirtschaftlichen Vorfahren – wie sie jede statistisch hat, mal näher, mal ferner – schlagen brutal durch).

Amüsement des Tages: Wie schon am Vortag eine Anruferin auf meinem Privat-Handy, die sich auf Englisch als “Europol” meldete. Meine “German ID” sei gestohlen worden und ich müsse jetzt Dinge tun (auf Tasten drücken). Gestern von einer anderen Telefonnummer als am Vortag – mir fällt auf die Schnelle nicht ein, welcher Scam das sein könnte.

Recht pünktlicher Feierabend, denn ich hatte einen Friseurtermin, wieder absichtlich vor die Phase “Oh Gott ich brauche dringend einen Friseur” gelegt. Ich spazierte in sinkender Sonne durchs Westend und über die Hackerbrücke an den Stiglmaierplatz, ließ mir die Haare ratzekurz schneiden. (Vielleicht fällt mir auch mal wieder etwas anderes ein, aber jetzt halt erst mal nicht.)

Dennoch war ich früh genug für eine Runde Yoga daheim. Ich hatte mir eine Rundum-Folge des 30-Tage-Programms Breath von Anfang 2021 ausgesucht – und war überrascht, wie viel ruhiger und langsamer Adriene hier turnt. Während ich bei Move immer wieder vermisst hatte, auch mal eine Bewegung oder Haltung auskosten zu können, weil es gar so sportlich zuging, war mir dieses Tempo jetzt viel zu langsam, ich ließ die letzten Minuten sogar aus Ungeduld weg.

Nachtmahl von Herrn Kaltmamsell: Das Glas Ratatouille aus dem vorwochentlichen Ernteanteil erhitzt und serviert mit Spiegeleiern, dazu machte ich den Postelein-Salat aus gestern geholtem Ernteanteil an. Nachtisch Süßigkeiten, Abendunterhaltung die nächste Folge Beforeigners, dann gucke ich die Staffel halt durch.

Der Krieg in der Ukraine taucht hier praktisch nicht auf. Nicht, weil er mich nicht beschäftigen würde (ich informiere mich zum Beispiel deutlich aktiver als Herr Kaltmamsell). Sondern weil ich a) keine Ahnung davon habe, weder vom Krieg dort noch vom Fliehen, und b) komplett hilflos und gelähmt bin. Aktueller Status: Die russischen Streitkräfte attackieren die Städte weiter, Zerstörung und Opferzahlen sind hoch, allein nach Polen sind bereits anderthalb Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen.

Journal Mittwoch, 9. März 2022 – Unterkunftjagd

Donnerstag, 10. März 2022

Wieder ein ERST?! Mittwoch.

ABER! Ich hatte hervorragend geschlafen; als mich der Wecker weckte und ich erst mal vom Bett aus in den Himmel mit erster Ahnung von Licht schaute, wurde mir klar, dass ich durchgeschlafen hatte, ohne ein einziges Aufwachen. (Offensichtlich nur ein temporärer Aussetzer des Östrogenschwankens, schon ab Vormittag war im Büro wieder Temperatur-Achterbahn.)

Klarer, sonniger Morgen, immer noch KALT. Bockig trug ich meine Drinnen-Schuhe auch auf dem Weg in die Arbeit und kam mit eisigen Zehen im Büro an.

Erst mal ruhige Arbeit, viele Abstimmungen. Mehr hätte ich auch nicht geschafft, meine Konzentrationsfähigkeit war die eines fünfmonatigen Welpen.

Mittags gab es einen Rest Weißkraut mit Nudeln vom Vorabend, Banane, Orange.

Der Nachmittag wurde ein wenig anstrengend, mit eh schon schlechter Laune noch anstrengender, denn: Auch die zweite reservierte Unterkunft in Berlin machte einen Rückzieher.

Nach Feierabend ging ich auf direktem Weg über die Theresienwiese nach Hause; während ich beim Verlassen des Bürogebäudes eine Ahnung von Frühling im Abendlicht gerochen hatte, biss mich dort wieder der Wind in die Wangen.

Daheim suchte ich auf verschiedenen Ferienwohnungsplattformen weiter nach Unterkunft in Berlin und schickte nach Absprache mit Herrn Kaltmemsell die dritte Anfrage. Auf Yoga hatte ich keine Lust, statt dessen flickte ich einen Unterziehpulli (nach 15 Jahren löste sich eine Halsnaht, Unverschämtheit), bevor ich unser Abendessen bestellte: Ernteanteil war aufgegessen, ich holte etwas von Servus Habibi.

Falaffel unten, Labneh und Brotfladen für mich, Aubergine mit Rinderhack oben, Labneh und Brotfladen für Herrn Kaltmamsell.

Erleichterung noch vor der Tagesschau: Die Bestätigung der Wohnungsbuchung traf ein, wir kommen im Juni also in Berlin Friedrichshain unter.

Abendunterhaltung war Folge 3 von Beforeigners, dann versuchte ich mal eine andere Bildbearbeitungs-Software (nämlich die mitgelieferte meines MacBooks), um das Qualitätsproblem nach Verkleinerung zu lösen.

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Schuhauszieh- und Schuhanbehalt-Wohnungen: Fürs kosmische Gleichgewicht hier die Polemik einer vehementen Auszieherin. (Wobei ich von Anfang an Kulturen mit integralen Schuhgebräuchen aus der Überlegung ausgeklammert hatte – selbstverständlich berücksichtige ich die jederzeit und richte auch mein Styling als Gast darauf aus.) (Und ich würde mich über Fotos eines Cocktail-Abends im Haus der Auntie Chih-Mei der Autorin freuen: Cocktailkleid an house slippers.)
“Here’s why your shoes will be staying the hell out of my house”.
Vielleicht liegt der Schlüssel der Unterteilung in der Art der Einladungen, die für diese Wohnungen ausgesprochen werden? Wer zu großen Familienfeiern, zu Dinner Parties, Cocktailpartys einläd, hat eher eine Schuhanbehalt-Wohnung?

Journal Dienstag, 8. März 2022 – Arztpraxis-GmbHs

Mittwoch, 9. März 2022

Etwas mehr Luft am Morgen für Bloggen und Herrichten, weil ich um acht erst mal zur nahe gelegenen Hausarztpraxis für mein Rezept spazierte (sonst gehe ich meist vor halb acht los in die Arbeit). Dort machte die Backoffice-Organisation schon mal einen guten Eindruck, die Angestellten wirkten sympathisch und fröhlich (alle mit FFP2-Masken statt der eigentlich nur vorgeschriebenen magisch antiviralen Plexiglas-Scheibe), einen der am Schild angeschriebenen Ärzte sah ich auf dem Gang vorbeilaufen (werden die immer jünger? bitte nicht antworten).

Die Praxis ist Teil einer GmbH, die sechs Praxen in München betreibt. Den ganzen Tag ging mir dieses eher neue System niedergelassener Ärzt*innen im Kopf herum. Mir als Laie erscheint das ausgesprochen praktisch, dass sich medizinisches Personal nicht mit Unternehmertum und wenig mit Verwaltung befassen muss, für das es nicht wirklich ausgebildet ist, sondern dass das zentral von einer Firma übernommen wird, die sich sehr wahrscheinlich auch um die Ausstattung der Praxen kümmert, inklusive Software und Wartung (diese konkreten Praxen haben eine wirklich geschickte Online-Terminverwaltung, die ich mir hatte erklären lassen), um Personalmanagement, Patientenorganisation etc. Dass sich das medizinische Personal auf die Medizin konzentrieren kann. Ärzt*innen müssen sich nicht zwischen einem Berufsweg in einem Krankenhaus (brutale Arbeitszeiten) und dem mühevollen Führen oder gar Aufbauen einer eigenen Praxis entscheiden, sondern können das Arbeiten in einer Praxis mit Anstellung kombinieren. Vielleicht ist das die eine positive Seite unserer sonst besorgniserregenden geschäftlichen Entwicklung im Gesundheitswesen? Allerdings kann ich mich nicht in die ärztliche Sicht auf dieses Konstrukt hineindenken. Privat kenne ich nur einen Kardiologen, der nach Jahrzehnten als Klinik-Arzt jetzt Teilzeit in solch einer Praxis arbeitet und das System super findet, weil es ihm so viel Freiheit gibt.

Durch weiterhin beißende Kälte marschierte ich ins Büro. Vormittags folgte eine Online-Besprechung auf die andere, dazwischen Live-Abstimmungen – ich kam nicht mal zu meinem Vormittags-Cappuccino.

Mittags schoss ich kurz raus, um mein Rezept einzulösen und bei der Gelegenheit weitere Medikamente zu besorgen – ich komme in das Alter, wo Apothekenbesuche unter “Shopping” fallen.

Bei dieser Gelegenheit ein kleines Kind getragen, war dann gar nicht schlimm. (Die Mutter kämpfte auf der U-Bahn-Treppe mit einem Kinderwagen, ich bot Hilfe an, sie drückte mir den Kinderwageninhalt in den Arm und trug den Wagen hoch.)

Zu essen gab es mittags Äpfel, außerdem ein Stück Kartoffel-Lauch-Quiche vom Vorabend.

Auch der Nachmittag im Büro hatte eine hohe Schlagzahl, ich musst mich zu Hochkonzentration und zum Durchhalten zwingen. Das geht schon mal, aber ich weiß, wie schnell und sehr es mich das als länger andauernder Zustand kaputt macht. Genauer: Gemacht hat, ein paar Mal zu oft davon gehörten zu den Faktoren, die mich zum Abbruch meines Berufswegs gebracht haben.

Heimweg nach Feierabend über einen ausführlichen Lebensmittel-Einkauf beim Vollcorner, es war etwas weniger kalt geworden. Daheim die letzte Folge Yoga des 30-Tage-Programms Move von Adriene, wie alle ihre letzten Folgen ohne Ansagen, nur mit Vormachen. Ging ganz gut, aber vom Asana Halbmond bin ich weiterhin weit entfernt.

Herr Kaltmamsell servierte zum Nachtmahl das Weißkraut aus Ernteanteil gebraten mit Nudeln, gut, warm und sättigend. Nachtisch Schokolade.

Die Buchung der Unterkunft in Berlin hatte nicht funktioniert, ich musste neu suchen. Hoffentlich klappt dieser zweite Versuch.

Abendunterhaltung eine weitere Folge Beforeigners. Ich merke, dass mein Interesse erlahmt; in der ersten Staffel war das für mich Spannendste das world bulding, also das geschickte Erzählen und Darlegen dieser fiktionalen Welt mit Zeitmigration. Das wird jetzt ja vorausgesetzt.

Journal Montag, 7. März 2020 – Ärztliche Treulosigkeit, Beifang aus dem Internetz

Dienstag, 8. März 2022

Ordentliche Nacht, nur wenige Male aufgewacht.

Als Herr Kaltmamsell fast zeitgleich mit mir aus seinem Zimmer kam, winkte er mich herein und zeigte mir: In den Kastanien vorm Fenster übernachtete ein großer Krähenschwarm; er hatte ihn entdeckt, als gerade ein Dutzend wegflog.

Ein grauer Tag. Auf dem Weg in die Arbeit schwebte alle paar hundert Meter eine Schneeflocke herab, so langsam, dass sie in der Luft zu stehen schienen – es war KALT.

Vormittags eine unangenehme Überraschung: Meine langjährige und geschätzte Hausärztin hat ihre kassenärztliche Zulassung abgegeben und behandelt nur noch Privatpatient*innen und Selbstzahlende. Das erfuhr ich, als ich turnusmäßig in der Praxis anrief, um meinen Bedarf nach einem Rezept anzukündigen. Die Praxis-Website, auf die ich für Hintergründe verwiesen wurde, nennt einen allgemeinärztlichen Übernehmer der Patientenkartei, den ich gleich anrief: “Grüß Gott, mein Name ist Kaltmamsell, ich war bis vor zwei Minuten Patientin bei Frau Allgemeinärztin.” Dass die Angestellte am Telefon daraufhin lachte, macht diese Praxis ja schon mal sympathisch. Dienstagmorgen gehe ich hin, stimme der Übernahme meiner Daten zu und bekomme hoffentlich das Rezept (knapp kalkuliert, für Mittwoch habe ich schon nichts mehr – künftig rechne ich solche Verzögerungen zur Sicherheit ein).

Mittags gab’s Äpfel (aus Ernteanteil und besonders köstlich: mit Kirscharoma!) und eine Kürbiskernsemmel, die vom samstäglichen Frühstück übrig war.

Uuuuuund wieder lustiges Jacke-an-Jacke-aus/Fenster-auf-Fenster-zu-Ballett auf der klimakterischen Körpertemperatur-Achterbahn. Mein Körper gaslighted mich.

Über den Tag immer wieder Sonne, der Büroturm am Heimeranplatz entwickelt sich. (Und das Sheraton am Heimeranplatz gibt es wohl nicht mehr: Ich entdeckte schon vor Wochen, dass das stattliche rote Logo entfernt worden war, die Fenster sind dunkel.)

Der Heimweg war wieder beißend kalt, ich merke, dass ich langsam ungehalten werde über die Notwendigkeit von Wintermantel, dicker Mütze und dicken Handschuhen. Einkaufsabstecher im Drogeriemarkt.

Zu Hause sortierte ich mal wieder anderthalb Meter Bücher aus – so schön! Es gibt so viele Bücher, die ich noch lesen möchte, da ist es ausgesprochen unwahrscheinlich, dass ich Märchenbücher aus Kinderzeit, die gesamten Dörrie-Romane und -Kurzgeschichten oder Dumas’ Graf von Monte Christo in der gebrauchten Buchclub-Ausgabe vom Flohmarkt vermissen werde.

Nochmal die Runde Yoga vom Sonntag, wieder interessant.

Herr Kaltmamsell hatte fürs Nachtmahl restliche Kartoffeln und Lauch aus Ernteanteil in eine wundervolle Quiche verwandelt.

Abendunterhaltung: Die zweite Staffel Beforeigners ist da, Herr Kaltmamsell hatte sie am Wochenende gleich mal gesichert. Wir guckten die erste Folge.

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CNN berichtet, wie die Redaktion Bilder und Videos von Social Media prüft, die angeblich aus dem Ukraine-Krieg kommen – an einem konkreten Beispiel (so machen das praktisch alle seriösen Redaktionen):
“How CNN geolocates and verifies social media footage from Ukraine”.

via @stedtenh0pp1A

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Simon Borowiak musste von 2000 bis 2005 um die Behandlung seiner Transiden­tität kämpfen. In der taz schreibt er drüber – ziemlich lustig und mit überraschenden Details.
“Aus dem Leben eines trans Mannes”.

via @vonhorst

Abgesehen von der extremen Erleichterung durch die körperliche Anpassung kann ich endlich tun, was mir bisher verwehrt wurde. Zum Beispiel zur Wahl bei „Deutschlands unbegehrtester Junggeselle“ antreten. Und: Transsein ist bewusstseinserweiternd. Weil ich jahrzehntelang im inner circle von Frauen lebte und mit diesem Geheimwissen nun im inner circle von Männern – da lernt man beiderlei interne Sozialgesetzgebung kennen und die jeweiligen Mätzchen zu durchschauen.

Man bekommt einen Röntgenblick auf den Geschlechterzirkus. Auch fit haltend: Es kommt vor, dass ich mit meinem Status quo ante und der jetzigen Außenwirkung inkongruent bin. Zum Beispiel verlor ich früher in Disputen gern die Geduld. Und war mein Gegenüber männlich und unsympathisch, beendete ich das Gespräch mit einem aggressiven: „Wollen wir vor die Tür?“

Das war schon ernst gemeint, aber ich konnte mich ja darauf verlassen, dass schlimmstenfalls gelacht wurde. Dieses alte Wutmuster ist mir jüngst noch mal unterlaufen; erst als sich mein schrankgroßes Gegenüber erhob, wurde mir klar, dass ich da etwas vergessen hatte.

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Mal ein ganz anderer Handwerker-Besuch, nämlich bei Gaga Nielsen:
“23. Februar 2022”.

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Ein herrliches Portrait der 90-jährigen Rita Moreno mit Interview:
“Rita Moreno is Just Getting Started”.

Achtung, West Side Story-Spoiler – aber die Fotos! Wieder ein schönes Beispiel, dass Jugendlichkeit keine Bedingung für Schönheit ist. Aber unbedingt auch die alten Life-Fotos anklicken.

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Der eigentliche Sündenfall. Naturwissenschaftlich betrachtet.

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https://youtu.be/TnLdO3PYZHM

Journal Sonntag, 6. März 2022 – Schwiegerfamilienzusammenkunft

Montag, 7. März 2022

Nach dem späten Vorabend zu früh aufgewacht, aber ich hatte zwischen einigen Aufwachen mehrere Stunden am Stück geschlafen.

Gemütlicher Morgen, draußen war es hell und trocken. Vormittags machten wir uns auf den Weg zum Bahnhof: Wir waren wieder von Schwiegers in Augsburg eingeladen, diesmal mit allen ihren Söhnen und deren Familien.

Unterwegs entdeckte ich, dass das Münchner Bahnhofsviertel auch einen ortsspezifischen Fetisch bedient.

Wie diese Bedienung im Detail aussieht, mochte ich mir nicht ausmalen.

In Augsburg wurden wir wieder abgeholt und zum italienischen Restaurant vom Vorsonntag gefahren. Ich freute mich sehr, die Schwagerfamilien nach langer Corona-Pause mal wieder zu sehen, alle wohlauf.

Hier wird Respekt für Technik gezeigt: Die ausgemusterte Espressomaschine bekommt ihr Gnadenbrot als Deko im Keller des Restaurants.

Nach Aperitif (ein Erdbeer-Campari-Spritz) und sehr gutem Brot mit Olivenöl aß ich hausgemachte Ravioli mit Butter und Salbei. Bei den Schwiegers daheim gab’s Kaffeeundkuchen (ich beließ es bei Tee) zu mehr Spaß und Geschichten. Herr Schwieger drapierte alle aufs Sofa zu einem Gruppenfoto mit Selbstauslöser – eine sehr gute Idee, erfahrungsgemäß sind es genau diese Bilder, die später am häufigsten rumgereicht werden, die man gemeinsam ansieht.

Auch zur Rückfahrt wurden wir am späteren Nachmittag an den Bahnhof gefahren. Wir hatten noch ein wenig Zeit, bis unser Zug kam, und drehten eine kleine Runde durch den benachbarten Protestantischen Friedhof – historisch interessant (gegründet 1534, mit den Gräbern von Stadtwerkmeister Elias Holl, Angehörigen der Familien Schaezler, Riedinger, Klaucke, Firnhaber, den Eltern von Bert Brecht sowie von Anna Barbara von Stetten), aber bis heute für Beerdigungen genutzt. Es war weiterhin unangenehm kalt.

Zurück daheim in München stellte ich fest, dass einer der beiden neuen Ohrringe, die ich gestern zum ersten Mal getragen hatte, weg war – ich hatte ihn vermutlich bei einem Maskenaufsetzen oder -abnehmen erwischt. Ach Männo.

Geknickt absolvierte ich umfassende Pedi- und Maniküre (Augenroll-Emoji), damit hatte ich mir eine Runde Yoga verdient (diese vorletzte Folge der 30-Tage-Serie Move mache ich nochmal).

Fürs Abendessen hatte ich wieder genug Hunger, es gab gewurstetes Rührei und Käse, danach Süßigkeiten. Auf Fernsehen hatten wir beide keine Lust. Statt dessen buchte ich endlich eine Unterkunft in Berlin zur nächsten re:publica im Juni, daraus wird eine ganze Woche Berlin-Urlaub werden. Auf die ich mich ab sofort freuen kann!

Journal Samstag, 5. März 2022 – #WMDEDGT mit Schrankaufbau und italienischem Restaurantessen

Sonntag, 6. März 2022

Frau Haxenbruch-beim-Skifahren Brüllen sammelt auch an diesem Fünften des Monats Tagebucheinträge, die ihre Frage “Was machst du eigentlich den ganzen Tag?”, #WMDEDGT, beantworten. Hier, bitteschön.

Extra beschissene Nacht. Nach dem Aufwachen um zwei schlief ich nicht mehr ein. Nach einer Stunde gab ich auf, zog meine Schlumpfklamotten an, las im Wohnzimmer eine Stunde lang und fühlte mich ein wenig jämmerlich. Danach weitere Dämmer-Wach-Phasen, zum Glück war Wochenende und ich konnte nach halb sechs anderthalb Stunden am Stück schlafen. Dann erwachte ich zu einem wundervoll sonnigen Morgen.

Die Corona-Warn-App hatte auf Rot gewechselt: Für vergangenen Sonntag gab sie eine Risikobegegnung an, das war ein Tag mit Zugfahrten und Restaurantbesuch gewesen. Der Schnelltest war aber negativ, Symptome hatte ich ja auch keine.

Bloggen und Räumen: Meine Eltern hatten sich bereit erklärt, beim Schrankbauen zu helfen, endlich sollte im Wohnzimmer die Wand mit Bücherschränken komplettiert werden. Ich schlüpfte nach dem Duschen in Sportklamotten, um fürs Handwerkenhelfen möglichst beweglich zu sein. Pünktlich um zehn klingelte es, und dann wurde zusammengebaut, geschraubt, gesteckt, mein Vater sägte in die Rückwand eine Aussparung für Steckdosenzugang, in die Seitenwand einen Ausgang für die Kabel. Gleichzeitig fädelte meine Mutter Gardinenhaken in zwei umgenähte Stoffe, die anschließend zu Schals links und rechts vom Arbeitszimmerfenster wurden.

Weil er schon mal da war, guckte mein Vater sich auch den wackelnden Wasserhahn in der Küche an – und zog von unten mit einigen Verrenkungen eine Schraubenmutter an. Noch sind wir um kompletten Auseinanderbau zum Entkalken oder gar um Auswechseln herumgekommen. Ich hielt, reichte an, schraubte, steckte, wischte Staub, wusste Werkzeugbezeichnungen (kann ich mir deutlich einfacher merken als Wörter für Deko- und Einrichtungsdinge).

Gegen eins hatten wir alles abgeschlossen, ich war SO dankbar für die Unterstützung.

In leicht diesiger Sonne hollte ich Semmeln (definitv Plusgrade, aber eine Mütze brauchte ich doch), die ich zu einem Apfel und einer Avocado frühstückte. Der volle Bauch verschaffte mir die nötige Bettschwere für eine Siesta, ich holte eine Stunde tiefen Schlaf nach.

Es hatte sich Bügelwäsche angesammelt, ich schaffte sie weg mit Podcast auf den Ohren: Aus der Serie ÜberMerkel – Vertraute erzählen hörte ich die Folge mit der langjährigen journalistischen Merkel-Biografin Evelyn Roll, “Als ich sie das letzte Mal gesehen habe, kam sie mir vor wie eine verpanzerte Schildkröte”, und die mit Ursula von der Leyen, “Ich war davor, das Handtuch zu schmeißen”.

Ich gönnte mir wieder eine Folge Yoga, die allerdings bloß aus ein wenig Schnaufen und Dehnen bestand. Ansonsten werde ich an diesem Wochenende keine Gelegenheit für Sport haben. Aus den Yogaklamotten wechselte ich in Kleid und Strumpfhose, denn abends waren Herr Kaltmamsell und ich mit Freunden zum Essen verabredet, wir trafen uns bei deren Lieblingsitaliener Friulana. Der Abend brachte eine neue Bekanntschaft, Geschichten aus der zeitgenössischen Hotelerie, Berichte über sehr konkrete und handfeste Hilfe für Flüchtlinge aus der Ukraine, zwei interessante Weine (Muzic Collio Ribolla Gialla 2020 aus dem Friaul / ein kalabresischer Patros Pietro Azienda Vinicola Malaspina) – und sehr viel gutes Essen.

Deutlich nach Mitternacht spazierten wir durch immer noch beißende Kälte nach Hause.

§

Maximilian Buddenbohm ist ja ein freundlicher und im Ton eher zurückhaltender Blogger. Damit er laut wird, muss schon einiges zusammenkommen.
“Okay”.

Ich lese die Timelines und frage mich unfreundliche Fragen, ob bei denen da auf dem Bildschirm denn die Lampen nicht an sind oder was, so wie die auf einmal nahtlos auf Heldenverehrung umschalten und auf eine netflixmäßige Plotentwicklung lauern, es ist alles kurz vor Abenteuerfilm mit dem ukrainischen Präsidenten in der sympathischen Hauptrolle. Nichts gegen diesen Präsidenten, versteht sich. Aber wie sie alle Filmchen und Bilder aus dem Kriegsgebiet teilen, ungeprüft, unkommentiert, hau raus, es passt schon. Süße Szenen, grauenvolle Szenen, Tränendrücker und Späßchen, immer her damit, auch jede Eilmeldung gleich weiterflanken. Und für die eigenen Kinder fordern sie dann wieder vehement Medienerziehung und -kompetenz, das sollen die Schulen bitte mal richten.

Und dann das Männlichkeitsbild, das Frauenbild, das Kriegsbild, der allgemeine Rüstungstaumel, die starken Entscheidungen starker Männer. Die Wehrpflicht, wie alt sind meine Söhne, na, da fehlt ja nicht viel. Heute am Morgen irgendwo die Schlagzeile: „Lindner hat Großes mit der Bundeswehr vor“, und ich denke da gleich an Therapie, nicht zuerst an die Weltpolitik. Das macht mein Alter, Sie müssen das entschuldigen. Friedensbewegung und so, AKW nee und all das, wir haben das ja ernst gemeint damals, auch die Abkehr von den Heldenmythen, das Postheroische, give peace a chance. Wir haben Elternzeit genommen und fanden das richtig, die Care-Arbeit, die neuen Rollen, Mental-Load-Debatten, neue Männer braucht das Land, es stand vereinzelt an Wänden, erinnern Sie sich. All die Diskurse, und jetzt, zack, wir spulen mal eben ein Jahrhundert zurück, ich ziehe in den Krieg, du ziehst die Kinder groß.

Journal Freitag, 4. März 2022 – Freitagabend allein, Drecksklimakterium

Samstag, 5. März 2022

Blöde Nacht mit fast stündlichem Aufwachen durch Glutattacken – einmal war ich so wütend über das Rausreißen aus dem Schlaf, dass ich eine Zeit lang wild stramplen musste (half auch nicht). Ich bin sehr kurz davor, mir doch ernsthafte Medikamente gegen diese Klimakteriumssymptome zu holen (bloß dass ich mich dann daran erinnere, wie ausgesprochen bösartig mein System bisher auf Eingriffe in seinen Hormonhaushalt reagierte, seinerzeit noch zur Schwangerschaftsverhütung). Nein, an den Einfluss pflanzlicher Mittel auf meinen Östrogen- und Gestagenspiegel kann ich nicht glauben – und der es ist ja, der die Beschwerden verursacht, das ist gut belegt.

Doch der Morgen war sehr schön: Jetzt beginnen die Tage wieder früh genug, dass unsere Wohnung bereits vor der Arbeit von Sonnenlicht durchflutet wird. (Die Fenster brauchen das Putzen.)

Zackiger Marsch in die Arbeit, denn es war weiter kalt.

Kaiser-Ludwig-Platz im Weitwinkelmodus.

Emsiger Arbeitstag, auch im Büro Glutattacken im Stundentakt.

Zu Mittag gabe es Pumpernickel mit Butter, einen Apfel, eine Orange. Ich ging kurz raus, um die Kleidungs-Retoure zu einer DHL-Annahmestelle in einem Back-Shop zu bringen. Vergeblich, “das Gerät ist kaputt”.

Ich fürchte, dass ich mittlereweile bei mehr Twitter-Kanälen, denen ich folge, die Retweets ausgeschaltet habe als angelassen: Zum Thema Ukraine-Krieg ertrage ich nur noch Infos von Leuten, die sich hauptberuflich damit befassen.

Nach ersehntem Feierabend nahm ich eine U-Bahn nach Schwabing: Ich war telefonisch imformiert worden, dass ein bestelltes Stück Unterwäsche eingetroffen war. Bei dieser Gelegenheit ließ ich mich zu weiteren BH-Käufen beraten – und kann die Empfehlung, die mich seinerzeit zu Torso Dessous gebracht hatte, nur wiederholen.

Unterwegs kam ich an einer weiteren DHL-Annahmestelle vorbei und wurde meine Retoure doch noch los.

In wunderschönem Abendlicht, aber weiterhin sehr kalter Luft spazierte ich Richtung Daheim.

Josephsplatz.

Am Königsplatz hatte ich keine Lust mehr auf Gehen, ich nahm die U-Bahn für die restliche Strecke.

Ganz neuer Hosen-Look.

Ich wiederholte die Yoga-Folge vom Donnerstag, wieder anstrengend. Aber mir wurde schön warm, die Temperatur-Achterbahn hatte mich vorher wieder in eine Frier-Phase gefahren.

Mein Abendessen musste ich mir selbst ausdenken, Herr Kaltmamsell war aushäusig (machte den Freitagabend ein wenig traurig). Ich kochte mir Berglinsen mit Lauch und Nudeln (die Nudeln mitgekocht, so konnten sie den Eintopf gleich ein wenig binden), schnitt eine Ingolstädter Bauernwurscht rein. Das schmeckte so gut (LINSEN! NUDELN!), dass ich sehr viel davon aß, es passte fast keine Schokolade mehr hinterher. Trotz Freitagabend hatte ich keine Lust auf Alkohol, ich bin wohl doch Geselligkeitssäuferin.

Eher früh ins Bett, um noch lange zu lesen. Zahnseideln mit blutigem Herpes-Mundwinkel ist übrigens noch weniger vergnüglich als eh schon.