Journal Freitag, 10. Juni 2022 – Berlin 6, re:publica 3 und abendliches Show-Kochen

Samstag, 11. Juni 2022 um 12:00

(Geschrieben zur Hälfte am Samstagmorgen im Berliner Hauptbahnhof, Café Einstein – vielen Dank fürs freie WLAN!)
(Erschöpfender Kampf zur zweiten Hälfte mit Onlinestellen im löchrigen WLAN des ICE – danke für nur sehr wenig.)

Der Tag startete mit einem Schrecken: Der erste routinemäßige Coronatest zeigte ein seltsames Ergebnis.

Ich ließ mir einen zweiten von Herrn Kaltmamsell geben – der zum Glück eindeutig negativ war.

(Meine Nerven! Bei Infektion hätte ich ja am Samstag nicht zurück nach München fahren können, sondern eine Isolationsmöglichkeit für eine Woche in Berlin suchen müssen.)

Nach einem Morgen-Cappuccino im Café neben der Ferienwohnung – Empfehlung des Cappuccinos und der freundlichen Atmosphäre des Cafés Lekker – erledigten wir Einkäufe für den Abend: Eine Berliner Freundin hatte immer wieder mit ihren fehlenden Kochfertigkeiten gehadert, die ihr manchmal sogar den Zugang zu Rezepten verwehrten – weil sie bereits nicht wusste, wie sie zu den ersten dort genannten Schritten kam. Und so hatte ich angeboten, in ihrer Küche mit ihr ein Gericht ihrer Wahl zu kochen, mit Erklärungen zu jedem Schritt und Möglichkeit zu Nachfragen. Da Herr Kaltmamsell dabei war und ohnehin der bessere und routiniertere Koch ist, bat ich ihn um Unterstützung.

Den dritten Tag der re:publica (Hochsommerwetter) begann ich auch diesmal mit Gunter Dueck, diesmal nannte er seine freundlichen Gedanken “Look up! Mehrheiten-Mitnehmen ohne Utopie-Syndrom”. Er plädierte für Diskussionen ohne Polarisierung und aggressive Reflexe.

Anschließend ließ ich mir von Frederike Kaltheuner, Director Tech and Human Rights Division bei Human Rights Watch, auseinandernehmen: “Fake AI”. Sie erklärte, was an “Künstlicher Intelligenz” (Sie wissen: einer meiner Lieblings-Schimpfs) Hype ist, was geht (wenig) und was nicht (das meiste), was wirklich schlechte Programmierung ist und in welchen Fällen KI als Vorwand verwendet wird. Kaltheuners Fazit: Schlechtes Ingenieurtum und schlecht programmierte Algorithmen sind noch auf lange Sicht erheblich gefährlicher als alles, was Sorgenträger*innen von echter KI befürchten.

Über den Tag verteilt sah ich in drei Teilen: “El Hotzo fragt sich: Warum zur Hölle sind Menschen auf Twitter?” – satirische Schnipsel über das Phänomen Twitter. Wie so oft fand ich daran am interessantesen, den Menschen hinter einer Internet-Institution zu erleben: So sieht er also aus, so bewegt er sich, so redet er.

Zwischen den obigen Sessions bereits erfreuliche Treffen und Gespräche, vor allem mit Thomassen, die in meinem Internet die deutliche Mehrzahl darstellen. Weitere Treffen zwischen den weiteren Sessions.

Besonders viel zog ich aus der nächsten: “Angry Weather – understanding the impacts of climate change today”. Klimafroscherin Friederike Otto (Grantham Institute for Climate Change at Imperial College, eine Leitautorin des Sechsten Sachstandsberichtes des IPCCs) hat ein Buch über die Forschung geschrieben, die untersucht, wie stark konkrete Extremwetterereignisse mit dem Klimawandel zusammenhängen. Und präsentierte (für mich) überraschende Ergebnisse. Zum einen wird Klimawandel inzwischen als Ausrede für schlimme Auswirkungen von Naturkatastrophen verwendet, die in Wirklichkeit von lange bestehender sozialer Schieflage verursacht wurden (Madagaskar 2021), zum anderen hat sich gezeigt, dass ganz sicher extreme Hitzewellen in den vergangenen Jahren immer vom Klimawandel verursacht wurden (z.B. Nordamerika 2021). Und sie zeigte auf, dass wir in weiten Gebieten der Erde Extremwetter noch gar nicht wissenschaftlich erfassen, z.B. im größten Teil des afrikanischen Kontinents. Ihr Buch kam sofort auf meine Leseliste.

Ähnlich gruslig, aber ganz anders: Natascha Strobl, Annika Brockschmidt über “Strategien der Neo-Rechten”. Die beiden Faschismus-Expertinnen berichteten über aktuelle Entwicklungen: Alles weist darauf hin, dass rechtsextremistisches Gedankengut immer weiter in eigentlich konservative Kreise eindringt. Mich beeindruckte die souveräne Art des Vortrags: Keine Charts, die beiden redeten nur, offensichtlich gut vorbereitet und abgesprochen übergaben sie immer wieder das Wort der anderen, “da kennst du dich jetzt besser aus”. Natascha Strobl versuchte auf einer etwas optimistischen Note zu enden: Das sei alles nicht unvermeidlich, man könne durchaus noch gegenarbeiten.

Jetzt frühstückte ich an frischer Luft im Schatten des Tors zur Halle: Äpfel, Pumpernickel. Eine dringend nötige Dosis Spaß holte ich mir bei Aurel Mertz: „Wie Aurel Mertz der mächtigste Pferdeinfluencer der Welt wurde“. Der Mann ist wirklich lustig (zehn Minuten technische Probleme ohne Anstrengung überbrückt durch Geplänkel mit Nilz Bokelberg) und hatte einen Twitter-Streit (er hatte olympischen Pferdesport kritisiert und sich den Hass der deutschsprachigen Reit-Community zugezogen) zur Comedy-Nummer gemacht.

Draußen sah es nach Sommerferien aus.

Mein Abschluss der re:publica war eine Session auf Stage 6: Zu der ging man abenteuerlich über Treppen, Arkaden, mehr Treppen, querte eine andere Halle, ging eine weiteren Gang mit Glaswand – ganz wunderbar. Thema der Session: „Bis hierhin und nicht weiter – Community Management für eine bessere Zukunft“. Ich bin ja so alt, dass ich die Entstehung von sowas wie “Community Management” live mitverfolgt hatte, jetzt erfuhr ich, wie professionalisiert und organisiert es inzwischen ist – und nahm tatsächlich etwas für mein Berufsleben mit.

Schluss mit re:publica, ich war voll im Kopf und ordentlich erledigt (aber: das war es SO wert! GROSSARTIGE VERANSTALTUNG UNBEDINGT WIEDER!). In der Ferienwohnung packten wir unsere Einkäufe zusammen und nahmen eine S-Bahn nach Prenzlauer Berg. Ich freute mich sehr über das Wiedersehen mit der Freundin – und dann kochten wir los. Gewünscht waren: Salatdressing (es gab dickblättrigen Kopfsalat, die eine Hälfte mit Tahini-Dressing, die andere mit Joghurt-Schnittlauch-Dressing), außerdem unser klassisches Freitagabend-Steak: Entrecôte, dazu Ofengemüse (Kartoffeln, Karotten, Rote Bete) und cremige Polenta. Wir bekamen Cremant und zum Essen einen schönen Primitivo, Nachtisch Erdbeeren. Außerdem bin ich jetzt ein wenig auf dem neueren Stand zum Leben der Freundin – und habe eine echte Berliner Wohnung gesehen, samt Ausblick auf Dächer und Mauersegler.
Nachtrag: Hier Fotos vom Abend.

Lange hielten wir aber nicht durch, ich pflückte den schlafenden Herrn Kaltmamsell vom (sehr schönen) Sofa, wir fuhren zu unserer letzten Nacht in die Ferienwohnung.

die Kaltmamsell

2 Kommentare zu „Journal Freitag, 10. Juni 2022 – Berlin 6, re:publica 3 und abendliches Show-Kochen“

  1. Stedtenhopp meint:

    Es war mir ein Fest, Ihr Lieben!
    Und beim nächsten Mal koche *ich* was und Ihr dürft einfach nur Gäste sein. :-)

  2. Friederike meint:

    Den Dueck-Vortrag habe ich eben bei YouTube gesehen – kann es sein, dass ich Sie im Publikum in der ersten Reihe entdeckt habe? (Frisur und Brille passten jedenfalls)

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