Journal Samstag, 18. Juni 2022 – Augsburg mit Wassertürmen und Kiss me Kate auf der Freilichtbühne
Sonntag, 19. Juni 2022 um 8:53Morgens holte ich mir nach dem Duschen und Anziehen in der Hotel-Lobby einen Automaten-Cappuccino, auf den mich mein Vater am Vorabend hingewiesen hatte: Bloggen also in Morgenkaffee-Begleitung.
Es war ein heißer Tag angekündigt, Herr Kaltmamsell und ich machten uns mit meinen Eltern kurz nach neun zu unserem geplanten Spaziergang durch die Augsburger Innenstadt auf. Und wie es halt so ist, wenn Menschen, die sonst nie Öffentliche Verkehrsmittel nutzen, mit Öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind: Es gab eine Panne. Die Straßenbahn von Haunstetten blieb nach wenigen Halten kaputt liegen, auch ein Neustart der Systeme half nicht. Wir stiegen alle aus und liefen zehn Minuten zu einer anderen Straßenbahnlinie.
Die brachte uns endlich zum Königsplatz, ab da glichen Herr Kaltmamsell und ich ab, was sich wie in den vergangenen 23 Jahren verändert hatte, seit wir fortgezogen waren.
Erstes Ziel war der Stadtmarkt, auf dem wir uns ausgiebig umsahen. Ich erkannte Vieles wieder, freute mich aber auch über Veränderungen.
Metzgerhalle.
In der Fischzeile kauften wir Räucherfisch, in der Feinkosthalle beim Stand von damals Kleinigkeiten. Spaziergang Richtung Fuggerei.
Nach einem weiteren fehgeschlagenen Versuch, online eine passende Manomama-Jeans zu kaufen, nutzte ich die Gelegenheit, den einzigen Offline-Manomama-Laden zu besuchen und Jeans anzuprobieren. Jetzt weiß ich: Derzeit gibt es kein Modell, das mir passt, irgendwas steht immer seltsam weg. Vermutlich wären für mich die Herren-Schnitte geeigneter, aber die gibt es nicht in meiner derzeit so niedrigen Größe. (Völlig in Ordnung, ein solch kleiner Hersteller kann ja nicht für alle Körperformen produzieren.)
Maximilianstraße mit Rathaus.
Meine Eltern waren mit Herrn Kaltmamsell schon mal vorgegangen Richtung Elias-Holl-Platz, an dem meine Studentinnenwohnung gelegen hatte. Ich traf sie an im Gespräch mit dem Wirt, der mittlerweile das Lokal führt, über dem ich gewohnt hatte: Seit zehn Jahren ist das sein spanisches Restaurant mit Feinkostverkauf. Er konnte mir einiges Interessantes erzählen über die Leute von damals und wie sich das Lokal warum verändert hatte (und warum nicht).
Meine Eltern wollten die Fuggerei besichtigen, die dieses Jahr 500. Geburtstag feiert, also gingen wir dorthin und sahen uns um.
Ich kannte diese erste Sozialsiedlung schon, doch mir gefiel aktuell sehr gut, wie die beiden Museen den Blick darauf richteten, dass Bedürftigkeit keine Schande ist, dass sie viele Gesichter hat, dass sie nicht übersehen werden darf.
In einem Schaufenster an der Jakoberstraße gesammeltes (durchaus gewöhnungsbedürftiges) Augschburgerisch.
Für den frühen Nachmittag hatten wir Tickets zu einer Führung durch den wichtigsten Teil des Augsburger UNESCO Weltkulturerbes: Zu den Wassertürmen des Jahrhunderte-alten Wassermanagement-Systems.
Vorher gab es Mittagessen: Wir ließen uns im zauberhaften Gastgarten der Wolfsklause nieder, die derzeit als italienische Osteria Albero Verde bewirtschaftet wird. Ich aß ganz ausgezeichnete Rigatoni mit Salsicce und Pilzen, trank eine große Flasche Wasser dazu.
Die Führung durch die Wassertürme war superspannend, ich hatte davor keine Ahnung gehabt, wie technisch ausgefeilt Ausburg schon in der Rennaissance zu sauberem Trinkwasser gekommen war.
Start am Brunnenmeisterhaus.
Blick nach oben in den kleinen Wasserturm (das eigentliche technische Gerät war nach der Stilllegung Ende des 19. Jahrhunderts leider entfernt worden, Zeichnungen und Modelle machten die Abläufe nachvollziehbar).
Blick in den Handwerkerhof.
Originale Stuckdecke im großen Wasserturm. Das Gestell deutet das verschwundene oberste Geschoß mit Wasserbecken an.
Graffiti gab es immer schon.
Abschließend sahen wir auch Wasser: Dieser Bach war damals zweigeteilt in Trinkwasser (aus Quellen im Siebentischwald) und Antriebswasser aus dem Lech für die Schaufelräder, die das Trinkwasser hochpumpten.
Jetzt war es richtig böse heiß geworden. Wir fuhren mit einer (problemlosen) Tram zurück zum Hotel und schnauften aus.
Abendprogramm: Die Premiere von Kiss me Kate in der Freilichtbühne am Roten Tor – die mir aus meinen Augsburger Jahren vom Vorbeiradeln vertraut war, in der ich aber möglicherweise noch nie eine Vorstellung gesehen hatte.
Bereits feingemacht spazierten Herr Kaltmamsell und ich mit meinen Eltern zu Schwiegers – die als Vor-Theater-Snack kalte Platten auffuhren, dass sich der Tisch schier bog, von Vitello tonnato über Schinkensortiment, Schmalz und Eiern bis Tomaten, Gürkchen, Karotten bis zu einer ausladenden Käseplatte samt Birne und Trauben. Zu ein paar Gläsern Bitter Lemon (hatte ich ewig nicht mehr getrunken, schmeckte mir gestern ganz ausgezeichnet) aß ich große Mengen vielerlei Käse, knabberte Gemüse, schloss mit Trauben ab.
Fahrt zum Roten Tor mit Bus und Tram, uns blieb nach Ankunft noch reichlich Zeit, Theaterpublikum zu gucken. Für die Chronik festgehalten: Die Kleidung für solch eine Freiluftpremiere hatte ein großes Spektrum von Strand-Outfit inklusive Flipflops oder Wander-Funktionsoutfit mit kurzen Hosen über Alltagskleidung bis (kurze) Abendgarderobe mit glänzenden bis glitzernden Materialien (Damen) und Anzug mit offenem Hemdkragen (Herren).
Frau Schwieger hatte als geübte Freiluftbühnen-Besucherin Weiches für die Eisengittersitze dabei – zum Glück für alle, es wäre sonst wirklich unbequem geworden. Und dann verbrachten wir zweieinhalb ausgesprochen vergnügliche Stunden mit durchwegs hochklassigen und enthusiastischen Darsteller*innen, liebevollem Bühnenbild (alle Elemente zum Drehen für die jeweilige Erzählebene), perfektem Sound (das Orchester saß im linken Kulissenteil, man sah es durch den Torbogen). Dass die Handlung des Musicals heute schmerzlich aus der Zeit gefallen wirkt (ein Mann muss widerspenstige Frauen nur so lange schlagen und einsperren, bis sie sich in ihn verlieben), versuchte ich einfach auf die unrealistische Ebene von sprechenden Tieren wie in König der Löwen zu stellen.
UND! Wir bekam zu meiner großen Überraschung und Freude sogar Steptanz zu sehen! Deswegen hier der Abschluss mit der unvergleichlichen Ann Miller (Schauspielen? nein, nicht für ein Fünferl – aber meine Güte konnte die Frau TANZEN) in der ikonischen Verfilmung von genau diesem Cole-Porter-Musical mit “It’s too darn hot” (das man auch in der Augsburger Inszenierung mitgenommen hatte).
https://youtu.be/usM3w18Fdtw?t=77
Am Klavier übrigens in dieser Szene Cole Porter selbst, den Ann Miller zum Schluss mit Namen anspricht.
die Kaltmamsell1 Kommentar zu „Journal Samstag, 18. Juni 2022 – Augsburg mit Wassertürmen und Kiss me Kate auf der Freilichtbühne“
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19. Juni 2022 um 11:14
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